2001
Im Namen von ... ?
Das wahre Wesen der BZ und die schwere Suche nach Wahrheit
Diesen Text schrieb ich nach den Angriffen der USA auf Afghanistan.
Tag für Tag legt sich mit aller Macht die Meinung von BILD und BZ auf einen Großteil der Berliner Bürger. Wer sich Tag für Tag dieser Prägung öffnet, der findet in BILD und BZ schließlich eine wohlgeordnete Welt, in der wie im Märchen Gut und Böse ihren eindeutigen Platz haben. Amerika ist gut, Terrorismus ist böse. Was Terrorismus ist, definiert Amerika, was gut ist ... definiert die BZ. Aus dieser märchenhafte Welt gibt es innerhalb der BZ kein Entkommen. Wozu auch – es ist doch zu schön, um wahr zu sein. Die Philosophie der BZ ist: Lieber schön als wahr. Die Menschen sollen bei jedem Satz das Gefühl haben dürfen, als sei er direkt für sie geschrieben worden. Also wird etwa ein Brief eines kleinen Schulmädchens an Präsident Bush zitiert: "So sehr ich es nicht will, dass mein Dad kämpfen muss, bin ich doch bereit, ihn in Deine Hände zu geben". Rührend! Hier ist man mit dem Schicksal in Echtzeit auf Tuchfühlung! Innerhalb der BZ gibt es kein Entkommen...
Wer aber nur einmal die wirkliche Realität kennengelernt hat, dem tritt aus einem Exemplar der BZ sogleich die wahre Gestalt der „BZ“ entgegen: Eine grauenhaft grinsende Fratze. Ihr Name – Verlogenheit. Diese Verlogenheit ist es, die als riesiger Lindwurm seine schleimige, weltbild-spendende Pranke Tag für Tag auf Berlin niedergehen läßt. Das sind leider keine Metaphern, sondern reale Wirklichkeiten, die man wahrnehmen kann. Dazu muß man aber für dieses Wesen von Verlogenheit erst einmal sensibel werden. Man muß es durch eine vorbehaltlose, unbedingte Liebe zur Wahrhaftigkeit dahin bringen, daß jede kleinen Verlogenheit, die einem begegnet, einen Schmerz in der Seele auslöst. Dann aber kann man keinen Blick mehr in die BZ tun, ohne im Innersten erschüttert zu werden und den Eindruck zu gewinnen, daß einem hier das Wesen der Verlogenheit entgegentritt, das nur ein Ziel hat: Macht über die Menschen.
Worin besteht nun das Verlogene an dem Brief des Mädchens? Darin, daß er in der BZ steht! Darin, daß die Unschuld dieses Mädchens dazu benutzt wird, den Krieg, um den es geht, als genauso unschuldig-gut darzustellen. Hätte das Mädchen schon so viel Lebenserfahrung wie Bush, hätte es ihm ein klares „Nein“ entgegengeworfen. Hätte Bush die Unschuld dieses Mädchens, wäre er gar nicht Präsident geworden. Der BZ-Lindwurm will aber unbedingt, daß die Unschuld des Mädchens in den Köpfen der Menschen auf Bush und seinen Krieg übergeht, deshalb dieser Brief.
Der Lindwurm will um jeden Preis verhindern, daß die Menschen zu denken anfangen. Wozu denken? Amerika ist gut, Terrorismus ist böse. Ist das nicht eindeutig und schön? Amerika braucht jetzt unser aller uneingeschränkte Solidarität. Wem irgendwoher trotz allem eine dunkle Frage aufsteigt, ... der steht doch nicht etwa gar auf der Seite der Terroristen? Der BZ-Lindwurm will mit aller Macht die Fiktion erzeugen, daß Gut und Böse von jeder menschlichen (bzw. BZ-lichen) Wertung unabhängige Realitäten sind. Die eigentlichen Grundsätze des BZ-Lindwurms bleiben unausgesprochen, weil sie unhinterfragt bleiben sollen. Sie sollen quasi wie Muttermilch täglich unbewußt in die Leser einfließen: Was Terrorismus ist, definiert Amerika, was gut ist, definiert der fürsorgliche BZ-Lindwurm. Amerika kann gar nicht anders, als uneigennützig und unermüdlich für das Gute und die Gerechtigkeit zu kämpfen. Und die BZ steht immer an vorderster Front dieses Kampfes – natürlich im Dienst ihrer Leser. So ist jeder freiheitsliebende Mensch zwischen U-Bahn und Fernsehsessel immer informiert, in welchem Stadium sich der Kampf zwischen Licht und Finsternis gerade befindet. Alles, was der Leser dazu beitragen soll, ist, ... das Weltbild der BZ zu übernehmen. Die „Drecksarbeit“ erledigen unsere Politiker und ihre Truppen. Was sie tun, machen sie gut – ganze Kerle. Lassen wir sie nur machen, viele Köche verderben den Brei, und niemand versteht das Handwerk so gut wie sie.
Suggestionen solcher Art verschleimen Tag für Tag das Bemühen um eigenständige und wahrheitsgemäße Gedanken. Um den Illusionen des Lindwurms zu entkommen, muß man sich nach dem oft harten, aber wahren Reich der Realität sehnen. Um dieses zu betreten, darf man sich nicht mehr an märchenhaften Gut-Böse-Konstellationen genug sein lassen, sondern muß ohne jedes Vorurteil auf die wirklichen Ereignisse schauen lernen. Nur die Kenntnis der wirklichen Vergangenheit kann verhindern, daß ein Staat – oder wer auch immer – sich unwidersprochen mit einen leuchtenden Mythos umhüllt.
Da man aber schon bei jeder historischen Darstellung nie sicher sein kann, inwieweit sie Mythos ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als „rechte“ und „linke“, „christliche“ und „muslimische“ Darstellungen zu lesen, soviel man eben in die Hände bekommt. Irgendwann gewinnt man durch dieses Studium ein Organ für die Wahrheit. Dieses liegt in jedem Menschen und muß nur geweckt und gepflegt werden. Dann sind irgendwann wahrhaft e i g e n e Gedanken möglich. Es ist dieses Organ, daß mir etwa sagt, daß ein Mythos vorliegt, wenn konsequent bestimmte Sachverhalte oder auch nur Fragen verleugnet, verdrängt, totgeschwiegen oder kriminalisiert werden.
Wenn man auf diese Weise nur ein wenig in die Geschichte der US-Außenpolitik eindringt, wird man beurteilen können, wie real die Politik der USA schon lange von Macht und Einfluß bestimmt ist und wie sehr das Bild des uneigennützigen Vorkämpfers der Freiheit ein Mythos ist, der jeder Wahrhaftigkeit Hohn spricht. In der Zeit des „Kalten Krieges“ unterstützen die USA jahrzehntelang weltweit repressive, diktatorische, fundamentalistische Regime und verhinderten den Übergang zu demokratischeren Staatsformen, sei es weil sie dann eine Einflußnahme des Kommunismus befürchteten, sei es weil sie all das, was sie unterdrückten, bereits mit Kommunismus gleichsetzten. Jedenfalls wurden mit Unterstützung des CIA und anderer US-Organe Millionen von Menschen in Lateinamerika, Afrika und Asien verhaftet, gefoltert und getötet – weil sie sich gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit wehrten. Dies ist mit einigen Abstrichen bis heute so geblieben. Die Realität ist so schrecklich, daß man sie gar nicht wahrhaben will – und dies ist ein unermeßlicher Vorteil der Lüge in ihrem erbarmungslosen Kampf gegen die Wahrheit.
Jeder möge sich über die Politik der USA und über die Verlogenheit der BZ sein eigenes Urteil erringen. Nur noch einige Bemerkungen:
Am 11. September starben rund 6.000 Menschen. Wenn bin Laden der Drahtzieher der Anschläge war, warum müssen jetzt vielleicht Millionen Afghanen verhungern und erfrieren, da doch der CIA erst die Taliban an die Macht gebracht und bin Laden unterstützt hat: Die USA wollten nach Rückzug der Sowjetunion in Afghanistan stabile Verhältnisse für den Öl- und Gastransport – und sei es auch durch absolute Fundamentalisten.
Die BZ rühmt die Doppelstrategie der USA: Ausrottung des Bösen und humanitäre Hilfe für die Unschuldigen. Zusammen mit den Streubomben wurden 100.000e Tagesrationen abgeworfen... Schon der Inhalt ist eine Anmaßung: Reis, Bohnen, Erdnußbutter, Erdbeermarmelade und Kleinradios zum Empfang der „Stimme Amerikas“. So hatte also ein Bruchteil der Flüchtlinge einen ganzen Tag lang Nahrung und erfuhr im Radio, daß der Krieg ihn gar nicht betreffe.
Am 11. September starben rund 6.000 Menschen. Bald sterben vielleicht Hunderttausende Afghanen an Hunger. Doch indirekt führt Amerika Krieg gegen die gesamte hungernde Menschheit. Es ist unglaublich, aber es sterben Tag für Tag 100.000 Menschen an den Folgen von Hunger. Es ist unglaublich, aber ein Teil des gigantischen US-Miltärbudgets von etwa 300 Milliarden Dollar würde reichen, um dem weltweiten Hunger wirksam begegnen zu können. Amerika forciert aber lieber seine Rolle als Weltpolizist und seinen Mythos vom Kampf gegen das Böse, als auch nur auf einen Teil seiner Macht zu verzichten.
Man kann die USA heute geradezu als Urbild der Macht bezeichnen.
Der Kreis der Wahrheit schließt sich, wenn man das Urbild des Machtverzichtes und gleichzeitig das Urbild der Liebe findet – Christus.