2001
Acht Thesen zur Scheidung der Geister
Diesen Text schrieb ich nach den Angriffen der USA auf Afghanistan.
1. Um die Notwendigkeit von Veränderungen zu erkennen, muß man lernen, die Not zu sehen.
2. Die Welt ist ein wunderbares Geschenk für alle Menschen und ihre gesamte Mitwelt.
3. Die Realität ist aber eine andere: Die Welt ist größtenteils in der Hand einiger weniger Menschen, die das Elend ihrer Mitwelt nicht berührt und die die Welt in den Abgrund treiben.
4. Man kann nicht zwei Herren dienen: Entweder man wird dem Mammon anhangen oder man dient der Gerechtigkeit, der Liebe, der Einen Welt...
5. Die Grundsätze der herrschenden Globalisierungstheorie sind menschen-verachtend:
Um ein Land fit für den Weltmarkt zu machen, muß man es diesem schutzlos aussetzen. Um eine gewachsene Binnenwirtschaft, die beim Ansturm des Weltmarktes zerbricht, ist es nicht schade (die realen Menschen und ihre Schicksale haben den Weltmarkt noch nie interessiert).
Die Globalisierer zwingen die armen Länder, sich bedingunglos zu öffnen wie eine Frau bei einer Vergewaltigung. Wenn der Weltmarkt wirklich so heilbringend wäre, wie die Theorien singen, wieso kann nicht jedes Land seine Rahmenbedingungen festlegen? Weil es dem Norden nur darum geht, den Süden als Absatzmarkt und billigen Zulieferer zu vereinnahmen. Die Produkte des Südens fürchtet der Norden oft genug wie die Pest. Gegen Reis und Textilien zum Beispiel schottet er sich weiterhin nach Kräften ab. Auch die massiven Subventionen des Nordens (etwa in der Landwirtschaft) stehen nicht zur Disposition.
Wieder und wieder verlangt der Norden lautstark von den übrigen Ländern, sich zu öffnen – und erzwingt es, wo er kann. Fast meint man, den Vorwurf zu hören, die widerspenstigen Länder wollten gar keinen Wohlstand... Den Gipfel der Verlogenheit erreichen jene Globalisierer, die ihren Kritikern vorwerfen, den Süden in Armut zu halten. – Noch einmal: Der Norden braucht den Süden nur als Absatzmarkt und billigen Zulieferer. Für den letzteren Zweck spielen die internationalen Konzerne die armen Länder gegeneinander aus und setzen in „Sonderzonen“ Bedingungen durch, in denen selbst grundlegende Menschenrechte mit Füßen getreten werden und Umweltschutz nicht einmal als Fremdwort bekannt ist. – Natürlich muß man auch die Produkte des Südens nach der eigenen Logik letztlich akzeptieren. Doch es ist abzusehen, daß die Wirtschaft der armen Länder unter dem Ansturm des Weltmarktes weitgehend zusammenbrechen wird, so daß sie dann doch bald nur noch Absatzmärkte am Tropf des Nordens sind.
In Wirklichkeit sind diese Absatzmärkte die Rettung für die Marktwirtschaften des Nordens. Was immer als krisensicheres Monopol-Modell angepriesen wird, ist zumindest in bezug auf sein Etikett „sozial“ so krisenanfällig wie ein rohes Ei. Schon wenn eine winzige Rezession herannaht, oder wenn nur die „Unternehmer“ zu laut husten, werden sämtliche sozialen Sicherungssysteme radikal amputiert. Der Grundsatz lautet: Man nehme so viel und so lange wie möglich von denen, die sich am wenigsten wehren können. Wenn nur die „Weltmarktgewinner“ und „Exportweltmeister“ sich ein wenig „sozialen Anstrich“ leisten können, wenn selbst die reichsten Nationen (!) nur darum konkurrieren, wer noch nicht völlig unsozial ist – wie soll die weltmarktgeprägte Marktwirtschaft für die ärmsten Länder Reichtum und Wohlstand bringen? Schluß mit den Lügen!
6. Der Egoismus wird so lange die Welt regieren, bis es eine genügend große Zahl von Menschen geben wird, die fremdes Leid wie ihr eigenes empfinden.
7. Diese Menschen werden ihre eigenen privilegierten Lebensumstände nicht selbstverständlich hinnehmen, sondern sie als Aufforderung erleben, sich für weltweite Gerechtigkeit einzusetzen.
8. Eine andere Welt ist möglich, wenn diese Menschen Wege finden, sich immer stärker zusammenzuschließen und ihre Überzeugungen in eigenen Netzwerken gemeinsam zu realisieren.