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19.10.2002

Der Kampf um die Idee des Sozialen

  • Die Un-Logik der Arbeitslosen-Diskussion und ihrer „Lösungen“
  • Die Ungerechtigkeit im Wirtschaftsleben
  • Die Un-Logik der Staatsverschuldung treibt zum Neoliberalismus
  • Das heutige Kredit- und Zinssystem als Ursache der Krise und Ungerechtigkeit
  • Die Alternative: Grundsätzliche Fragen
  • Eine andere Welt ist möglich
  • Zusammenfassung

Die Un-Logik der Arbeitslosen-Diskussion und ihrer „Lösungen“

Die steigende „Arbeitslosigkeit“ führt überall in Europa zu konkreten Bemühungen, diejenigen Elemente abzuschaffen, die sich auf die Idee der „sozialen Marktwirtschaft“ beziehen. Der Grundgedanke der dahinter stehenden neoliberalen Denkweise ist, daß es mehr Arbeit gibt, als man glaubt - wenn man nur danach sucht. Die erste Tendenz geht dahin, die „Arbeitslosen“ für ihren Zustand verantwortlich zu machen. Da jedem klar ist, daß die Massenarbeitslosigkeit größtenteils auf Rationalisierungen und „Entschlankungen“ zurückgeht, reicht eine bloße Schuldzuweisung an die Arbeitslosen aber noch nicht aus. Folgerichtig etabliert sich zur Zeit zweitens der Grundsatz, daß für einen Arbeitslosen selbstverständlich jede Arbeit zumutbar sein muß. Wer sich durch „Einsparungen“ eines Konzerns auf der Straße wiederfindet, hat also nicht nur froh zu sein, daß er irgendeinen Job bekommt, er hat sogar die Pflicht, die Arbeitslosenstatistik so schnell wie möglich wieder zu entlasten, auf welche Weise auch immer.

Obwohl keine noch so subtile „Faulenzer-Debatte“ auch nur einen realen Arbeitsplatz schafft, verabschiedet sich die Politik damit aus ihrer Verantwortung, ohne daß es der Normalbürger sogleich merkt. Zugleich erhalten die wirklich Verantwortlichen in der Wirtschaft einen Freibrief, indem mehr oder weniger deutlich allen Arbeitslosen der Stempel aufgedrückt wird, selbst schuld zu sein. Die Opfer werden nach ihrer Opferung noch gedemütigt.

Hatte man bisher die Leistungen der Sozialhilfe stetig mit dem Argument eingeschränkt, sie müßte sich von den Hilfen für „normale Arbeitslose“ genügend unterscheiden, dreht man nun den Spieß um und gleicht durch „Zusammenlegung“ die Arbeitslosenhilfe an die minimierte Sozialhilfe an, da Menschen „in gleichen Problemlagen gleich behandelt“ werden müßten. Eine zynischere Argumentationskette ist kaum denkbar.

Die Ungerechtigkeit im Wirtschaftsleben

Schon der gesunde Menschenverstand sagt einem, daß etwas nicht stimmen kann, wenn zum einen der Regelsatz der Sozialhilfe bei vielleicht 290 € im Monat liegt, zum anderen etwa Ex-Bürgermeister Diepgen ein Ruhegeld von 8.000 € bekommt, Kanzler Schröder an die 15.000 €, Florian Gerster um 20.000 € und die acht Vorstände der Deutschen Bank im Jahr 2001 insgesamt 56 Mio € (davon 50 Mio „erfolgsabhängiger Bonus“).

1993 bis 2001 stiegen die Gewinne der Kapitalgesellschaften um 100%, die Nettoeinkommen der Beschäftigten nur um 4,6%, deren Kaufkraft sank um 6%. Die Lohnsteuer stieg in den 90er Jahren von 16,3 auf 19,4%, die durchschnittliche Steuerlast für die Unternehmen sank in den letzten 20 Jahren von 30% auf 15%. Die Steuereinnahmen kommen heute zu über 30% aus der Lohnsteuer, der Anteil der Gewinnsteuern sank 1980-96 von 24% auf 11%. Wäre ihr Anteil heute noch so hoch wie 1980, hätte der Staat jährlich über 50 Mrd € mehr (übrigens: auch, als die Unternehmen 1994 noch rund 90 Mrd DM Gewinnsteuern abführten, erhielten sie zugleich 130 Mrd DM an Subventionen).

Bei der Einkommenssteuer unterliegt ein Manager mit 8 Mio € Jahresgehalt demselben Höchstsatz (42%) wie ein Ingenieur mit 4.500 € Brutto-Monatsgehalt. Schon 1996 ärgerte sich Hamburgs Bürgermeister, daß von 4.500 Einkommensmillionären wegen diverser Steuerlücken die Hälfte überhaupt keine Einkommenssteuer zahlt. Das Geldvermögen einer kleinen Oberschicht hat sich in den 90ern fast verdreifacht. Jedes Prozent Vermögenssteuer (abgeschafft!) brächte dem Staat über 15 Mrd € im Jahr. Erst 1991 wurde die Börsenumsatzsteuer abgeschafft (warum wird eigentlich die Mehrwertsteuer auf „Güter des täglichen Bedarfs“ immer wieder erhöht, während der „tägliche Kapitalbedarf“, der ganze Volkswirtschaften durcheinander wirft, völlig steuerfrei abgewickelt wird?).

Ein Konzern wie Daimler führte 1996-98 trotz bester Gewinnlage keine Körperschaftssteuer ab, konnte aber für 75 Mrd DM Chrysler schlucken. Die Gewinne aus Beteilungsverkäufen sind inzwischen steuerfrei, Verluste aus Beteiligungen steuerlich absetzbar. Nordrhein-Westfalen z.B. mußte deswegen im Jahr 2001 rund 1,6 Mrd € Körperschaftssteuer zurückzahlen. Im selben Jahr reduzierte der Bayer-Konzern seine Ertragssteuern durch legale Tricks von 1,15 Mrd auf 150 Mio €. Insgesamt sanken die Unternehmenssteuern 2001 um 26% oder 20 Mrd €. Die Unternehmenssteuerreform geht zurück auf den Bayer-Finanzchef Heribert Zitzelsberger, der von Finanzminister Eichel als Staatssekretär damit betraut worden war...

Die Un-Logik der Staatsverschuldung treibt zum Neoliberalismus

Die Daten dieses Abschnittes sind der ausführlichen Website www.staatsverschuldung-online.de entnommen.


Weltweit stehen die öffentlichen Haushalte vor einem immer rasanter anwachsenden Schuldenberg. Das damit verbundene Problem konnte lange verdrängt werden, weil das exponentielle Zinseszinswachstum (das jedes natürliche Maß sprengt) seine zerstörerische Kraft erst nach vielen Jahren offenbart. 

Ende 2000 hatten die öffentlichen Haushalte in Deutschland rund 1200 Mrd € Schulden angehäuft. Die Steuereinnahmen im Jahr 2000 betrugen 469 Mrd €, die Zinszahlungen 68 Mrd € (noch 1980 waren es „nur“ 15 Mrd €). - Schon seit den 80er Jahren wurden neue Schulden nicht mehr aufgenommen, um Straßen, Krankenhäuser etc. zu bauen, sondern um die Zinsen der alten zu bezahlen! 1999 wurde der Punkt erreicht, wo der Staat seit 1965 mehr Zinsen gezahlt als Kredite aufgenommen hat. Zunächst wurden die Zinsen mit einem Teil der neuen Kredite bezahlt, später sämtliche Kredite sogleich wieder für die Zinsen ausgegeben, und heute muß zusätzlich ein immer größerer Anteil des Steueraufkommens nur für die Zinsen bezahlt werden. Insgesamt wurde die Kreditaufnahme von 35 Jahren voll zur Finanzierung ihrer eigenen Zinskosten eingesetzt! Allein für die 1965 aufgenommenen Kredite stieg die Schuld bis 1998 auf fast das Zehnfache, der Zinseszinssatz stieg auf 64% (d.h. Jahr für Jahr fast 2/3 der Ausgangsschuld - nur an Zinsen).

Während der Staat Altschulden und Zinsen mit neuen Krediten „bezahlte“, spekulierte er darauf, daß die Wirtschaft und damit das Steueraufkommen entsprechend wachsen würden, doch langfristig lagen die Zinsen immer über den Wachstumsraten des Bruttoinlandprodukts, das ja auch zunehmend an absolute Grenzen kommt (Umweltzerstörung, Konsumsättigung). Während es seit 1968 auf das 7-fache anwuchs, stiegen die Schulden auf das 37-fache.

Schulden und Zinsen werden so lange weiter - und immer schneller - anwachsen, bis alle Zinsen aus Steuermitteln bezahlt werden. Dann wird der Schuldenberg zu wachsen aufhören und die dann aktuelle Zinshöhe wird Jahr für Jahr aufgebracht werden müssen. - Damit die Schulden von 1200 Mrd € nicht weiter anwachsen (von Tilgung gar nicht zu reden), müßten jährlich die gesamten Zinsen von rund 70 Mrd € mit etwa 15% der Steuereinnahmen bezahlt werden. Mit Entwicklungshilfe solcher Größenordnung könnte schon fast die weltweite Armut wirksam bekämpft werden! Selbst das große Militärbudget umfaßt jedoch nur 25 Mrd €! (1980 hätte dieser Betrag noch für Zinsen und eine geringe Tilgung gereicht).

Zuletzt versuchte der Staat, die Neuverschuldung zu stoppen. Das bedeutet andererseits, daß er im Jahr 2000 für die Zinsen 57 Mrd € Steuermittel ausgab (über 12%). Dies ist der wesentliche Grund für die immer unverhohlener diskutierten Sparprogramme. In Meinungsumfragen geben die Bürger als wichtige politische Aufgaben Arbeitslosigkeit, Renten, Gesundheitswesen etc. an - dabei ist das größte Problem für den Staat seine Verschuldung, die ihn dazu treibt, in all jenen Bereichen so bald wie möglich drastisch zu kürzen.

Nach Flutkatastrophe und weiterem Anstieg der Arbeitslosigkeit kann sich inzwischen Eichel mit seinem Sparkurs nicht mehr durchsetzen. Die Neuverschuldung wird etwa 35 Milliarden Euro betragen. Alles deutet darauf hin, daß die Maastricht-Kriterien, die die Staatsverschuldung der EU-Mitglieder begrenzen sollten, bald politisch „begraben“ werden.

Der Schuldenberg ist die unglaubliche Folge „demokratischer“ Entscheidungen der Vergangenheit, getroffen von Politikern, die an die künftigen Generationen nicht gedacht haben. Immerhin werden diese nicht nur die Schulden, sondern auch die entsprechenden Forderungen erben. Allerdings wird jeder Einzelne unter der drückenden Schuldenlast leiden, während einige wenige Zins und Tilgung einkassieren werden - eine gigantische Umverteilung des Volksvermögens. Als die Schulden aufgehäuft wurden, sollte paradoxerweise gerade den wirtschaftlich Schwachen geholfen werden (z.B. den Arbeitslosen über Konjunkturprogramme). Heute fließen Zinsen an die Wohlhabenden, die ihr Vermögen in Staatsanleihen investiert haben (direkt oder indirekt durch Investmentfonds oder Lebensversicherungen).

Was passiert, wenn der Schuldenberg weiter steigt? Es kommt zu staatlichen Ausgabenkürzungen, Steuererhöhungen, Verteilungskämpfen, zunehmender Schwarzarbeit; Reformen, die Geld kosten, unterbleiben (Deutschland heute). Irgendwann stehen einige Gesetze nur noch auf dem Papier, eine komplette Schattenwirtschaft entsteht, das staatliche Gewaltmonopol wird durch mafiose Strukturen ausgehöhlt (Italien in den 80er Jahren). Insbesondere die ausländischen Gläubiger zweifeln, ob die Anleihen korrekt zurückgezahlt werden können. Die Zinsen schießen in die Höhe, Währung und Börsenkurse stürzen ab (Argentinien heute). Die Störung erfaßt die gesamte Wirtschaft; es gibt Konkurswellen und Massenentlassungen (Weltwirtschaftskrise 1929). Der Staat wird zahlungsunfähig; Rentner, Beamte, Arbeitslose etc. verarmen; radikale Strömungen erstarken; die Demokratie gerät in akute Gefahr (Deutschland 1931, Russland heute).

Die Gefahr ist riesig, doch wird nicht einmal das Problem offen diskutiert, sondern man bringt ideologisch unterschiedliche Forderungen zur Symptombekämpfung vor. Die „neoliberale“ Position will die Staatsausgaben (soziale Sicherung, Kultur etc.) kürzen. Steuersenkungen für die Reichen („Leistungsträger“) sollen Investitionen und damit die Wirtschaft anregen (Vorbild USA). - Die „gewerkschaftliche“ Position fordert die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Steuererhöhungen für Besserverdienende und Großunternehmen. Steuersenkungen für Geringverdiener sollen den Konsum und damit die Wirtschaft anregen (Vorbild Dänemark). Im Streit der Ideologien kann sich ein Bewußtsein für die eigentliche Aufgabe nicht bilden – die Suche einer Antwort auf die Frage: Was ist Menschlichkeit, was ist Gerechtigkeit?

Stattdessen kommt das neoliberale Dogma zur alleinigen Herrschaft. Die Regierungen in Staat, Ländern und Kommunen selbst drängen zunehmend auf Privatisierung der Infrastruktur (Wasser und Strom, Krankenhäuser, Schulen...) – in der Hoffnung auf eine kurzfristige Atempause bei ihren Haushaltsproblemen. Noch immer dient das Argument der „größeren Effizienz“ der „Privatwirtschaft“ als Feigenblatt für den Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Das heutige Kredit- und Zinssystem als Ursache der Krise und Ungerechtigkeit

Die Weltwirtschaft steht vor einer umfassenden Krise, die anders als bloße „Konjunkturwellen“ die Un-Logik des heutigen Wirtschaftssystems offenbaren wird. Nehmen wir nur die drei „Wachstumsmotoren“ USA, Japan und Deutschland. Die USA haben im Juni ihre gesetzliche „Obergrenze“ öffentlicher Schulden vorsorglich auf über 6000 Milliarden Dollar angehoben. Die gesamte Wirtschaft ist von der Börsenkrise schwer angeschlagen. In Japan stehen die Banken infolge von rund 400 Milliarden Euro fauler Kredite vor dem Zusammenbruch. In Deutsch­land gab es schon 2001 einen „Rekord“ von über 32.000 Konkursen, dieses Jahr werden 40.000 erwartet.

Die seit Frühjahr 2000 zusammenbrechenden Börsenkurse nähern sich wieder den Verhältnissen der Realwirtschaft an - und selbst den jahrzehntelang als absolut zuverlässig geltenden deutschen Banken ergeht es dabei schlecht. Dabei sind es die Banken, die über ihre eigenen „Investments“ und ihre „Analysten“ das weltweite Fusionsfieber erst richtig auslösten. Sie legten immer neue Fonds auf und gaben noch zweifelhaftesten Börsenkandidaten Kredite. Nun werden ihnen diese Kredite und ihre eigenen, in den letzten Jahren erwor­benen Beteiligungen zur Last.

Von den einst sieben größten unabhängigen Privatbanken in Deutschland sind nur noch drei übrig. Allein im zweiten Quartal versuchten die deutschen Banken, von den Firmenkunden über sechs Milliarden Euro mehr zurückzuholen, als sie an Krediten gaben. Experten erwarten im nächsten Quartal selbst bei der Deutschen Bank einen dreistelligen Millionverlust. Die HypoVereinsbank wird an der Börse gar nur noch mit einem Drittel ihres Eigenkapitals gehandelt. – Waren die Banken großteils verantwortlich für den Börsenboom, wurden sie vom Zusammenbrechen der Kurse mit in die Krise gerissen, die sie nun noch verstärken. Auf der anderen Seite sind Kredite selbst für solide Investitionen immer schwerer und ungünstiger zu haben, und Unternehmen müssen infolge von Kreditrückforderungen Konkurs anmelden. So hängen Börsenkrise und Rezession der Realwirtschaft miteinander zusammen, doch hat letztere noch andere Ursachen.

Was bedeutet die akute Krise angesichts der Tatsache, daß die Realwirtschaft bisher in den USA wie in Europa jährlich gewachsen ist? Das Vermögen wird fortwährend umverteilt. An den Börsen haben jene verloren, die erst in den letzten Jahren ihr Geld in Aktien anlegten – Menschen mit durchaus mittleren Einkom­men. Eine noch größere Umverteilung aber ist mit dem für fast alle selbstverständlichen Zins- und Kreditsystem verbunden.

In einem Zinssystem muß es zwangsläufig zu Konkursen kommen. Der Kredit eines Produzenten wird zu Löhnen und Einnahmen für die Zulieferer, und nur ein gleicher Betrag kann im Grunde wieder zu ihm zurückfließen. Wovon soll er den Zins bezahlen (vom Kredit einmal abgesehen)? Entweder macht er Konkurs oder rettet sich durch den eines anderen. Das hat dann den schönen Namen „Konkurrenz“. – Die Unmöglichkeit der Zinszahlung wird zunächst überdeckt, wenn die Geldmenge stetig ausgeweitet wird. Aber auch dann treten die Konkurse spätestens auf, wenn es zur Inflation kommt. Diese unterbliebe nur, wenn dem Geldmengenwachstum das Wirtschaftswachstum entspräche. Als dies in Deutschland nicht mehr gegeben war und es zu den ersten Firmenpleiten kam, verpflichtete sich der Staat 1967 (!) gesetzlich zur Förderung des Wirtschaftswachstums. Die Staatsverschuldung begann, und bald legte die Zentralbank Inflationsraten fest, die möglichst nicht zu überschreiten seien.

Das Geldmengenwachstum verläuft tatsächlich unkontrolliert infolge einer Geldschöpfung der Banken. Rund 10% eines vergebenen Kredites muß die Bank zugleich als Reserve halten. Schlägt sie die Rückzahlungsraten eines Kredites ihrer Reserve zu, kann sie bereits die nächsten Kredite vergeben, ehe der erste voll zurückgezahlt ist – eine Art Schneeballsystem. Festzustellen ist eine ständige Zunahme der Gesamtverschuldung (Haushalte, Unternehmer und Staat), der durch Zins stetig wachsende Geldvermögen gegen­überstehen. - Den Kreditzins heute noch als „Liquiditätsprämie“ für den Verzicht des Sparers zu begründen, ist angesichts der Kreditschöpfung mit ihrer Geldmengenausweitung absurd. Der Zins ist eine Prämie für die Bank (die das Monopol besitzt, Geld gegen Sicherheiten zu vergeben) und arbeitsloses Einkommen von Vermögensbesitzern - und damit Ursache für Akkumulation von Kapital, das der Realwirtschaft zunehmend entzogen wird. (Da in allen Preisen die Zinsen der Firmenkredite enthalten sind, profitieren vom Zinssystem tatsächlich nur „die oberen Zehntausend“. Der „Gewinn“ des kleinen Sparers ist eine Illusion. Er bezahlt sowohl über die Preise als auch mit 14% seiner Steuern die Zinsen der wirklich Vermögenden).

Die reale Wirtschaft geht vor allem am künstlich hochgehaltenen Zins selbst zugrunde, der in einem wirklichen Markt infolge des Überangebots an Spargeld auf oder unter Null fallen müßte. Unternehmen können Kredite nur tilgen, wenn ein reales Wirtschaftswachstum da ist, das außerdem noch den Zinssatz übersteigt! Derselbe Zins aber, der die reale Wirtschaft zu einem unmöglichen Wachstum zwingt, gilt heute als einziges Mittel, um das Geldmengenwachstum zu begrenzen: Bei einem „Nullzins“ würden erst recht zahllose Spekulationskredite die Geldmenge explodieren lassen.

Zahllose Spekulationskredite und die damit einhergehende Geldmengenerweiterung ermöglichten und bewirkten erst die Explosion der Finanzmärkte. Heute haben 99% der hier täglich zirkulierenden 1.500 Milliarden Dollar mit der Realwirtschaft nichts mehr zu tun. Massenhaft aus dem Nichts geschaffenes Geld kauft aus dem Nichts geschaffene „Werte“, deren Preis solange steigt, wie neues virtuelles Geld weiter „in­vestiert“. Man könnte dieses Spektakel belächeln, wenn die Spekulationen nicht ganz reale Krisen auslösen würden. Wenn die Illusion zerplatzt, kommt es erst recht zur globalen Krise. Während die Aktienkurse abstürzen und virtuelle Werte vernichtet werden, wird sich das Kapital in die Realwirtschaft flüchten. Dem kommt entgegen, daß die verschuldeten Staaten – entsprechend dem neoliberalen Modell angeblich sogar gerne – auf Privatisierung drängen. Das aus Nichts für Nichts geschaffene Geld wird Wasserwerke, Stromversorgung, Krankenhäuser, Schulen..., die gesamte Infrastruktur erwerben - die letzte Folge des heutigen Zins- und Kreditsystems.

Die Alternative: Grundsätzliche Fragen

In der Marktwirtschaft wurde schon bisher auf den Egoismus des Einzelnen gesetzt. Die neoliberale Ideologie tut dies nun so vollständig, daß sie die sozialen Elemente, die bisher die unsozialen Wirkungen des Kapitalismus auffangen sollten, Schritt für Schritt reduziert, um dem Einzelnen die volle Vorsorgepflicht für sich selbst aufzubürden. Zugleich geht paradoxerweise der Blick für das Individuum vollständig verloren. Der Neoliberalismus mündet gänzlich in die sozialdarwinistische Denkweise ein. Wir leben heute in einer Zeit, in der die Geister sich scheiden und jeder einzelne vor die Frage gestellt ist:

In was für einer Welt willst Du leben?

Alles, was heute passiert, scheint wunderbar begründet zu sein, auf Sachzwängen zu beruhen oder was da dergleichen Argumente noch mehr sind. Die Marktwirtschaft funktioniert nach dem einfachen Grundsatz: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Wir leben heute in einer Welt, in der dieser Grundsatz milliardenfach angewandt wird. Wollen wir das? Die Verneinung dieser Frage äußert sich zunächst in einem nur halb bewußten Empfinden, daß heute überall die Gerechtigkeit und Menschlichkeit eklatant verletzt und mit Füßen getreten wird. Auch wenn man zunächst nicht weiß, wie eine „bessere Welt“ aussehen könnte – dieses Empfinden ist da. Es entspringt aus dem unmittelbaren Erleben, daß wir als Menschen alle gleich sind und der Mensch sein eigenes Wesen verleugnet und verfehlt, wenn er seinem Mitmenschen die Menschlichkeit versagt. Wenn er seinen Nächsten in Lebensumstände hineinstößt, die er selbst nicht einmal einen Tag lang ertragen wollte.

Man kann dann zu der Überzeugung kommen, daß eigentlich im Zentrum des menschlichen Zusammenlebens das unbefangene Rechtsempfinden stehen sollte, das unmittelbar erlebt, was Recht und Un-Recht ist. (Eine christliche Terminologie nennt das „Gewissen“, unabhängig von der Bezeichnung aber haben wir hier im Menschen selbst die Quelle für alles äußere Recht). Das Rechtsgefühl basiert auf dem unmittelbaren Erleben der Gleichheit aller Menschen als Menschen. Ausgehend von diesem Grunderlebnis kann man zu der Entdeckung kommen, daß die merkwürdig zusammenklingenden und doch so einleuchtenden Ideale der Französischen Revolution sich ihrem Wesen nach auf einen jeweils anderen Aspekt des menschlichen Zusammenlebens beziehen. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“...

Die Gleichheit bezieht sich auf das unmittelbar Menschliche. Die Urfrage gewissermaßen ist hier: Was ist recht in bezug auf mich und Dich? Das Recht ist nicht von Natur aus da, sondern es wird vom Menschen immer wieder neu geschaffen. In dem Sinne gibt es kein Naturrecht, sondern zunächst nur ein Erleben oder Nichterleben des menschlichen Wesens und seiner Konsequenzen. Der Gedanke eines natürlich gegebenen Rechtsanspruchs ist abstrakt und nicht wirklichkeitsgemäß. Recht ist und wird immer nur als konkretes Erleben real, nicht auf dem Papier. Menschen müssen sich „Recht“ immer konkret zu-sprechen – aus dem Erlebnis ihres Menschseins heraus: Gleichheit.

Freiheit ist in ihrer vollen Bedeutung das Ideal des Geisteslebens: „Die Gedanken sind frei“. Niemand kann mir vorschreiben, was ich denke, was mein Bekenntnis ist, welchen Ideologien ich anhängen oder nicht anhängen will. Jeder kann seine Meinung sagen, auch wenn es gar keine eigene ist. Wenn ich allerdings das Zwischenmenschliche berühre (z.B. durch Beleidigungen oder Lügen), habe ich bereits die Grenze zum Rechtsleben überschritten und meine „Freiheit“ mißverstanden und mißbraucht.

Und Brüderlichkeit, dieser merkwürdige Begriff? Wem dieses Wort sentimental und naiv erscheint, der verdient Beileid, denn er hat wahrscheinlich alle Ahnung und Empfindung von der Größe des Menschenwesens und seiner möglichen Entwicklung verloren. Was hat der Mensch nicht alles erreicht? Im Laufe der Geistesgeschichte ist er zu einer nie dagewesenen Wachheit und Selbständigkeit des individuellen Bewußtseins gekommen. Er befreit sich aus unzeitgemäßen Gesellschaftsformen, von religiösen Dogmen, gesellschaftlichen Normen und allem anderen, was er nicht selber als wahr und gut anerkennt: Freiheit. Zugleich wächst heute das Erleben der Einen Menschheit und das Empfinden für vorhandene Ungerechtigkeiten, auch wenn sie noch so subtil und anonym „im System“ begründet zu sein scheinen: Gleichheit. Darin kündigt sich das Dritte schon an - die Brüderlichkeit. Vor zweitausend Jahren etwa im Urchristentum kurz aufflammend, später immer wieder einmal in geschichtlichen Strömungen aufleuchtend, und zuletzt im Kommunismus als Karikatur herbeigezwungen, ist Brüderlichkeit etwas noch ganz Zukünftiges, was die gesamte Menschheitsentwicklung begleiten wird.

Die Ideale der Französischen Revolution sind nicht widersprüchlicher als der Mensch selbst. Der Mensch trägt in sich mit Recht die beiden Impulse, seine Individualität ganz eigenständig zu entwickeln und zugleich Beziehungen mit seinen Mitmenschen aufzunehmen. Das ist nur für ein abstraktes Denken ein Widerspruch. Unzählige Male ist darauf hingewiesen worden, daß das erste nötig ist, damit das zweite wahrhaft geschehen kann: Der Mensch muß wahrhaft ein Selbst werden, um selbstlos handeln zu können. Das zweite „selbst“ ist eben nicht das erste. Der Mensch findet sein wahres Wesen erst wirklich, wenn er von seinem Alltags-Ego auch absehen kann. Freiheit ist nicht das „Recht des Stärkeren“, der doch nur von seinen Begierden und Gewohnheiten gefangen ist. Und gerade darum ist wahre Freiheit geradezu die Bedingung für wahre Liebe. Das sind die beiden Begriffe, die sich nicht widersprechen, sondern gegenseitig bedingen und das Wesen des Menschen – als ein Werdender verstanden! – wunderbar beschreiben: Freiheit und Liebe.

Ausgehend von dem eigenen Erleben können folgende Fragen auftreten:

Wie erlebe ich in meinem Rechtsempfinden die heutigen Zeitereignisse?
Inwieweit bin ich im Alltag bereit und fähig, meinen Mitmenschen als Menschen konkret zu sehen? Was heißt das?
Wie müßte eine dem Menschen würdige Antwort auf die Frage der menschlichen Arbeit aussehen?
Welches Recht haben die Gläubiger auf einen „korrekten Schuldendienst“? Welches Recht hat überhaupt der Zins in der Welt?
Was für eine Grundstruktur und welche Einrichtungen müßte sich eine Gesellschaft schaffen, um Macht und Einfluß Einzelner (inkl. Ideologien, Lobbies usw.) zu verhindern bzw. immer wieder zu begrenzen? 

Eine andere Welt ist möglich

Die wesentliche Ursache dafür, daß heute überall Macht und Einfluß in unguter Weise zur Wirkung kommen, liegt darin, daß die drei Bereiche des menschlichen Zusammenlebens – Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben - in unguter Weise aufeinander einwirken:

-  Einfluß der Wirtschaft auf die Politik: Lobbies und andere Druckmöglichkeiten („Standort Deutschland“ etc.)
-  Einfluß des Geisteslebens auf die Politik: Ideologien (im Sinne der Konzerne: neoliberales Dogma etc.)
-  Einfluß der Politik auf das Geistesleben: z.B. Benachteiligung freier Schulen, Bevorzugung der großen Kirchen.
-  Einfluß der Politik auf das Wirtschaftsleben: Subventionen, Benachteiligung alternativer Medizin, Verbot von Handwerksbetrieben ohne Meister etc.
-  Einfluß der Wirtschaft auf das Geistesleben: Drittmittelforschung etc., indirekt über die Politik
-  Einfluß des Geisteslebens auf die Wirtschaft: kaum (allerdings: das neoliberale Dogma als Produkt des Geisteslebens) 

Bei diesen Einflüssen gibt es verschiedenste Übergänge, deutlich werden sollte aber der Mechanismus und seine Konsequenzen. Schon vor über 80 Jahren machte Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, auf diese Zusammenhänge aufmerksam. Zeitgemäß ist allein eine Beschränkung der drei Bereiche auf jeweils sich selbst – eine Forderung, die Steiner als soziale Dreigliederung bezeichnete.

Was beinhaltet dies? Die eigentliche Aufgabe der Politik wäre das Rechtsleben, wie es im vorhergehenden Abschnitt charakterisiert worden ist. Indem sich die Politik voll und ganz (und ausschließlich) den Regelungen zuwendet, die das rein Menschliche betreffen, besinnt sie sich auf die zentrale Aufgabe in menschlichen Zusammenhängen und wird zugleich unempfindlich gegen Ideologien und Lobbyarbeit. Diese wird schlicht sinnlos, wenn es nicht mehr Aufgabe der Politik ist, über Subventionen, Verbote etc. zu entscheiden, die das Wirtschaftsleben als solches betreffen. Umgekehrt wird dadurch das Wirtschaftsleben frei (vgl. alternative Mediziner, Gesellenbetriebe etc.), vor allem aber könnte sich das Geistesleben frei von Vorschriften oder Benachteiligungen gemäß den realen Impulsen der Menschen entwickeln.

Die Politik würde zwar nicht mehr auf die Wirtschaftsvorgänge als solche einwirken, doch alle rechtlich verbindlichen Regelungen, die das Menschliche betreffen, wären gleichwohl auch für das Wirtschaftsleben verbindlich. Die Frage nach einem menschenwürdigen Leben (Sozialhilfe am Existenzminimum? Zumutbare Zwangsarbeit für symbolischen Hungerlohn? Arbeitsrecht, Umweltschutz etc.) ist eine Rechtsfrage und muß jeweils unabhängig von wirt­schaftlichen Erfordernissen, „Sachzwängen“ etc. von der Rechtsgemeinschaft der Menschen beantwortet wer­den: Politik im hier gemeinten Sinne. Nicht die Wirtschaft entscheidet, was menschenwürdiges Leben ist. – Eine andere Frage ist die Umsetzung. In einer Wirtschaft, die auf Brüderlichkeit basiert, würden freie Vereinbarungen der Wirtschaftsteilnehmer untereinander denkbar sein. Da jedoch der Kapitalismus jahrhundertelang nur den Egoismus gefördert hat, wird wohl noch lange die Politik über Zwangsmaßnahmen – also Steuern – einspringen müssen, um jedem das rechte zukommen zu lassen – nicht zuletzt den Arbeitslosen.

Wirklichkeitsgemäße Begriffe von Geld und Eigentum

Geld hat die Funktion, die Wirtschaftsprozesse zu vermitteln. Heute vermehrt es sich von selbst dort, wo es ohnehin in Mengen vorhanden ist. Wie kann es sein, daß die Entwicklungsländer, aber auch die reichen Staaten wie Deutschland weitaus mehr allein an Zinsen (!) zahlen, als sie überhaupt insgesamt an Krediten aufgenommen haben? Ein feststehender Zins ist eine geradezu unglaubliche Absurdität und gerade das Gegenteil dessen, was wirklichkeitsgemäß wäre. Es widerspricht eindeutig jeglichem Rechtsempfinden, daß ein Vermögen sich auf Kosten eines anderen selbst vermehrt. Die Grundidee des Zinses liegt darin, daß jemand mit geliehenem Geld einen Gewinn machen kann, der bei der Rückzahlung teilweise abgegeben wird. Man kann sogar dies als unberechtigt ansehen, wenn man davon ausgeht, daß Geld hauptsächlich Tauschmittel und nicht Besitz bzw. Wertbewahrungsmittel sein muß, wenn es heilsam wirken soll. In keinem Fall aber ist der Zins berechtigt, Ewigkeitscharakter anzunehmen und gar noch durch Vermehrung der Schulden den Zinseszins hervorzubringen. Der Zins wird als Anrecht auf einen Teil des Profits begründet (festgelegt als Prozentanteil des Leihbetrages), fällt aber gerade dann immer wieder an - über den Zinseszins sogar wachsend -, wenn sich der Profit nicht eingestellt hat. Das hört erst auf, wenn der Schuldner in den Ruin getrieben worden ist (Konkursrecht). Diese Verhältnisse, die sich historisch aus den Machtverhältnissen zwischen Gläubigern und Schuldnern entwickelt haben, setzt man heute absolut wie ein Naturgesetz und stellt sie über den Menschen. Nur so ist es zu erklären, daß man über den Widersinn des Zinses nicht einmal nachdenkt, geschweige denn klare Gedanken fassen kann.

Geld wird nur dann keine Machtposition besitzen, wenn es genau wie die Ware entsteht und vergeht. Abgesehen von der Börse mit ihren Scheinwerten, die ja ebenfalls wieder zusammenbrechen, kann reales Geld letztlich nur den Wert dessen haben, was in der realen Wirtschaft an Waren und Dienstleistungen hervorgebracht wird. Andernfalls kommt es zur Inflation. Die Geldschöpfung muß an die Warenwertschöpfung gebunden sein und auf der anderen Seite muß das Geld wie die Waren „altern“ können. Eine Möglichkeit, um beides auf einmal zu gewährleisten, wäre die folgende: Ein neu in die Wirtschaft eintretender Produzent könnte eine frei geschöpfte Schenkung für seinen Berufseinstieg erhalten, deren Wert dann dem gesamten Wirtschaftskreislauf wieder entzogen wird – entsprechend dem Verschwinden der verkauften Waren aus der Wirtschaftssphäre (sachgemäß zum Beispiel als eine Art Konsumsteuer).

Ein Produzent produziert Waren nicht für sich selbst, sondern dient der Gesellschaft. Es ist daher ganz unsachgemäß, ihm das volle Risiko zu überlassen. Im Grunde tendiert die Wirtschaft schon von ihrer arbeitsteiligen Struktur her zur Brüderlichkeit. - Die kreditgebende bzw. schenkende Bank würde die Fähigkeiten des Produzenten und die Nachfrage danach bewerten. Heute gibt sie Kredit je nach „Sicherheiten“ und erklärt gleichsam Eigentum selbst zum Produzenten.

Was hier nur kurz skizziert wurde, ist eine assoziative (brüderliche) Fähigkeitenwirtschaft. Diese setzt allerdings eine Wandlung des Eigentumbegriffes voraus. Das über den Eigengebrauch hinausgehende Privateigentum war Wegbereiter des Kapitalismus mit all seinen positiven und negativen Erscheinungen. Privateigentum statt Nutzungsrecht führt über Nutzungs­blockierung zu arbeitslosem Einkommen und damit weiterer Konzentration, zu Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Der Begriff des Privateigentümers setzt den Nichteigentümer voraus, dem jener verpachten, den er zur Lohnarbeit zwingen kann. Der Zins übrigens schafft den Zwang, Gewinn machen zu müssen. Ist einmal dieser Zwang beseitigt, sind die Menschen ganz direkt, aber in Freiheit, vor das Problem gestellt, Gewinn auf Kosten anderer machen zu wollen. – Auch die Einführung von Nutzungseigentum ist eine Rechtsfrage und würde das Eigentums-Unrecht nach Jahrtausenden beseitigen.

Warum ist das heutige Eigentumsrecht widersinnig? Jemand, der als Kapitalgeber ein Unternehmen gründet oder möglich macht, kann heute das Eigentum an diesem Unternehmen beanspruchen. Wer einmal sein Geld gegeben hat, damit eine Webmaschine gekauft werden konnte, wird nicht nur ihr Eigentümer, sondern bleibt bis in alle Ewigkeit Eigentümer von allem, was damit zusammenhängt. Er ist zuletzt vielleicht Besitzer eines multinationalen Textilkonzerns (Nike?). Das abstrakte Denken setzt den Eigentumsbegriff absolut (als Wert an sich und außerdem höherstehend als alles andere) und kann nicht einmal zwischen Nutzungs- und Privateigentum unterscheiden. – Am Anfang ist ein „Unternehmen“ ein Prozeß im Keimzustand, eine Unternehmung. Am Ende ist ein „Unternehmen“ ein Konzern, der die Weltpolitik bestimmt. Weil ich eine Unternehmung möglich gemacht habe, werde ich im selben Moment Eigentümer alles dessen, was daraus entsteht. Der zynischste Fehlschluß besteht aber in der Ignoranz gegenüber den vielen Menschen, die die anfängliche Unternehmung noch möglich gemacht haben: Schlichtweg alle, die daran jemals beteiligt waren. Und das setzt sich fort mit den zahllosen Menschen, die das Unternehmen durch die Zeit tragen (z.B. indem sie ein Leben lang darin arbeiten). Für alle Ewigkeit aber gehört das Ganze dem einen, der am Anfang, einen Teil zur Realisierung beisteuerte, nämlich („sein“) Geld... Was aber ist dies anderes als ein simpler Kredit? Wenn ich einem anderen Geld leihe, und er damit ein Unternehmen aufbaut, gehört dieses ihm. Wenn ich selbst Geld in ein Unternehmen stecke, gehört dieses mir. Beides ist falsch. Geld, was wann auch immer einem Unternehmen gegeben wird, ist ein Kredit und kann irgendwann zurückgezahlt werden. Es kann doch nicht die Eigentumsfrage entscheiden, ob ich einen Kredit irgendwann später oder zum Zeitpunkt der Gründung gebe. Im übrigen ist heute der Kapitalgeber aufgrund der geltenden Haftungsbeschränkungen (GmbH) de facto wirklich ein reiner Kreditgeber, da er keinerlei Risiko mehr hat - und trotzdem gehört ihm das Unternehmen. Eigentum an Unternehmen, Boden oder anderem, was nicht für den eigenen Gebrauch genutzt wird, kann nur Nutzungseigentum sein.

Auch Geld kann im Grunde nur „Nutzungseigentum“ sein. Was ich durch meine Arbeitsleistung verdient habe, begründet einen Anspruch auf Gegenleistung. Wenn der Bäcker dem Schuster für seine Schuhe Geld gibt, vermittelt dies dem Schuster den Anspruch auf Brot. Zugleich aber hat der Bäcker Anspruch darauf, daß ihm das Brot auch wirklich abgekauft werden, denn er braucht das Geld, um Mehl für die nächsten Brote zu kaufen. Geld muß im Wirtschaftskreislauf zirkulieren. Wird es irgendwo gehortet, fehlt es an einer anderen Stelle. Insbesondere ist Kapitalakkumulation ein Hinweis auf un-rechte Prozesse im Wirtschaftsleben. In der arbeitsteiligen Wirtschaft leistet jeder Wirtschaftsteilnehmer seinen Beitrag an der gesamten Wertschöpfung – ob als Straßenfeger oder als Vorstandsvorsitzender. Insbesondere in einer assoziativen, brüderlichen Wirtschaft würde der Eigentumsanspruch auf ungenutztes Vermögen verfallen und als Schenkung wieder dem produktiven Bereich zufließen – dorthin wo es nötig ist. Vermittelt werden könnte dies durch „Assoziationsbanken“, die mit Fachleuten der Zivilgesellschaft besetzt sind.

Zusammenfassung

Die aktuellen Pläne der Hartz-Kommission entsprechen der neoliberalen Tendenz, dem Einzelnen die Schuld und die „Verantwortung“ zuzuschieben, nachdem die Gesellschaft, insbesondere der Staat, versagt hat. Die Darstellungen der Problematik demütigen die Opfer, die konkreten Regelungen mißachten die Menschenwürde.

Man hat sich heute an extremste Ungerechtigkeiten in der Verteilung des wirtschaftlichen Wohlstandes gewöhnt. Der Staat steht angesichts der Staatsverschuldung vor der vollkommenen Krise, die zuerst die Kommunen erfassen wird. Er findet sich damit ab, inzwischen mehr Zinsen gezahlt als Kredite aufgenommen zu haben und Jahr für Jahr ein Siebtel aller Steuereinnahmen allein für die Zinsen der immer noch weiter wachsenden Schulden zu bezahlen. Obwohl genau dies der eigentliche Grund für die brutalen Sparprogramme ist, wird der Widersinn des Zinses nicht einmal angesichts des völligen Ausverkaufs der öffentlichen Daseinsvorsorge auch nur andeutungsweise zur Sprache gebracht.

Inzwischen stehen selbst die „reichsten“ Länder – USA, Japan und Deutschland – vor einer umfassenden Krise. Die Problematik unseres Zins- und Kreditsystems wurde lange durch die unbegrenzte Geldmengenausweitung verdeckt. Diese wiederum verursachte erst die Explosion der Finanzmärkte. Heute gilt der Zins paradoxerweise als einziges Mittel, das Geldmengenwachstum zu begrenzen und erdrückt die reale Wirtschaft. – Je mehr die Spekulationsblase an den Finanzmärkten zerplatzt, desto stärker werden die riesigen Geldvermögen in die Realwirtschaft zurückdrängen und die gesamte Infrastruktur unter ihre Kontrolle bringen, die der Staat inzwischen willfährig anbietet.

Alternativen sind nur möglich, wenn man all diese Entwicklungen bewußt mitverfolgt und erkennt, daß eine solche Welt alles mit Füßen tritt und verfehlt, was mit dem Wesen des Menschen - seiner Menschlichkeit - zu tun hat. Das Erleben dieser Menschlichkeit und der Gleichheit aller Menschen ist Grundlage für das menschliche Rechtsempfinden und damit die Quelle für alles äußere Recht. Ein menschliches Zusammenleben ist nur möglich, wenn das Rechtsempfinden eine zentrale Bedeutung erhält. Erkannt muß werden, daß Fragen, die das menschliche Miteinander und die Menschenwürde betreffen, reine Rechtsfragen sind, die unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen beantwortet werden müssen. - Die drei Ideale der Französischen Revolution erhalten ihre volle Bedeutung wenn sie auf das Geistesleben, das Rechtsleben und das Wirtschaftsleben bezogen werden.

Die wesentliche Ursache für die heutigen Verhältnisse liegt strukturell darin, daß insbesondere das Rechts- und das Wirtschaftsleben, aber auch der dritte Bereich des Geisteslebens unzulässig Einfluß aufeinander ausüben.

Konkret sind wirklichkeitsgemäße, verwandelte Begriffe von Geld und Eigentum notwendig.

Der Begriff des Privateigentums setzt den ausgebeuteten Nichteigentümer voraus. Eigentum kann in einer arbeitsteiligen Wirtschaft, in der alle an der Wertschöpfung ihren Anteil haben, nur Nutzungseigentum sein. Der „Gewinn“ der Wertschöpfung muß in gleichberechtigten Vereinbarungen allen Wirtschafts­teilnehmern in gerechter Weise zugute kom­men. - Darüber hinaus wird Geld nur dann keine Machtposition besitzen, wenn es genau wie die Ware entsteht und vergeht. Ein neu in die Wirtschaft eintretender Produzent könnte eine frei geschöpfte Schenkung für seine Investitionen erhalten, deren Wert dann dem gesamten Wirtschaftskreislauf wieder entzogen wird. - Auch Geldvermögen kann nur „Nutzungseigentum“ sein: Was jemand durch Arbeit verdient hat, begründet einen Anspruch auf Gegenleistung, nicht jedoch auf die Hortung von Vermögen, das der Wirtschaft entzogen wird. Kapitalakkumulation ist außerdem ein Hinweis auf un-rechte Prozesse im Wirtschaftsleben. In einer assoziativen, brüderlichen Wirtschaft würde der Eigentumsanspruch auf ungenutztes Vermögen verfallen und dieses als Schenkung wieder dorthin fließen, wo es nötig ist. Vermittelt werden könnte dies durch „Assoziationsbanken“, die mit Fachleuten der Zivilgesellschaft besetzt sind. So könnte der zweifellos vorhandene Reichtum (die „Wirtschaft“ wächst nach wie vor sogar!) wieder zu einem gesellschaftlichen Reichtum werden, der allen Menschen dient.