15.12.2008

Verschwiegen

Leserbrief zum „Schwerpunkt Sprache“ im „Goetheanum“ Nr. 50/2008.


Erstaunt nahm ich den „Schwerpunkt Sprache“ im letzten „Goetheanum“ zur Kenntnis. Warum erstaunt? Weil ich schon lange an der Sprache vieler Aufsätze im „Goetheanum“ leide. Die einen in einer scheinbar hoch spirituellen Sprache, in der ich aber kein inneres Leben empfinde, nur abstrakte, aus der Anthroposophie ab-strahierte (herausgezogene) Gedanken. Andere einfach nur „journalistisch“ berichtend, sauber, sachlich... So polar beide Varianten erscheinen, gemeinsam ist ihnen – das Verstandesmäßige, Tote.

Was mich am meisten erschüttert, ist, dass ich schon im Mai einen Aufsatz zu dieser essentiellen Frage verfasst hatte: „Anthroposophie und journalistische Standards?“ Nach sechs (sprach-losen) Wochen und zwei Nachfragen bekam ich die Antwort, meine derzeitigen Texte seien für das „Goetheanum“ „zu scharf“ [>> Zur Korrespondenz]. Nun ist bereits diese Antwort bezeichnend für die Frage, ob ein „freies Geistesleben“, ein „Geisteskampf um die Wahrheit“ zumindest „unter uns“ überhaupt existiert.

Schlimmer noch ist, dass die entscheidende Frage der Sprache unterdrückt – und auch in diesem Schwerpunktheft nicht gestellt wurde. Der Geist darf sich nur innerhalb fester Grenzen äußern, die Form wird ihm vorgeschrieben! Seiner Schärfe geht man aus dem Weg, indem man fordert, der Autor solle „eigene Meinung“ und „Fakten“ trennen, „sachlich bleiben“ und so weiter. Moderne Standards der Diskursgesellschaft – die den Menschen auf Luzifer und Ahriman reduzieren. Wo bleibt das ganzmenschliche Erleben? Wo bleibt die Anthroposophie? Wo bleibt die Wahrheit? Sprachlos...