2010
Meditation – vom Weg der Auferstehung
Buchbesprechung: Mieke Mosmuller: Meditation. Occident Verlag 2010 (137 S., 18,50€). | Buchbestellung frei Haus.
Die Pietà – das Bild des gestorbenen Gottessohnes im Schoß der Gottesmutter. Dieses Bild ist nicht etwas, was fern von uns nichts mit uns zu tun hätte – sondern es hat unmittelbaren Bezug zu unserer Wirklichkeit, es ist unsere Realität. Denn die Pietà ist zugleich das Bild des gestorbenen Denkens, das im Schoß der Seele ruht.
Der Gottessohn ist auferstanden – aber erleben wir diese Realität?
Unser Denken ist tot, und die Seele trauert (unbewusst), und die geistige Welt trauert mit ihr und wartet...
Das menschliche Denken ist tot, und die Aufgabe des Menschen – ja der wahren Menschwerdung – besteht darin, es auferstehen zu lassen. Die Seele muss den realen Geist gebären.
So liegt in dem Umschlagbild, der Pietà, von Mieke Mosmullers Buch „Meditation“ die ganze heilige Aufgabe beschlossen, die des Menschen harrt. Und der einzige Weg zu einer Auferstehung des Denkens ist gerade die Meditation.
Man kann diesen Weg nur dann wahrhaft gehen, ihm nachstreben, wenn man in Ehrfurcht die Größe und Realität der Aufgabe immer mehr erkennt. Mieke Mosmuller beschreibt die Stufen der Meditation aus eigener Erfahrung, und daher vermag sie dies in einer Form, die, völlig frei von bloßer Intellektualität, kein Reden „über“, sondern ein „Sprechen aus...“ ist. Die suchende Seele des Lesers begegnet hier einer Sprache, die, äußerlich von schöner Schlichtheit, genau jene innere Wahrhaftigkeit und Kraft hat, die auf dem beschriebenen Weg notwendig ist und zu ihm hinführt.
Erst muss das Denken wahrhaft auferstehen – als eine reine, wirkliche, reale Kraft, gegenüber der unser gewöhnliches „Denken“ ein Nichts, ein wesenloses Traumesspiel ist. Erst dann kann dieses auferstandene Denken ein Organ für die geistige Welt werden. Das reine Denken, wie es Mieke Mosmuller beschreibt, ist eine notwendige Voraussetzung für die Geisteswissenschaft oder Anthroposophie.[1]
Mieke Mosmuller beschreibt den meditativen Entwicklungsweg von drei verschiedenen Ansatzpunkten aus: ohne vorherige Übung des reinen Denkens; auf dem Fundament der Freiheit (dem Impuls des reinen Denkens) und im Lichte des Christus-Impulses. Alle drei Formen beschreiben trotz aller Verschiedenheit vom Wesen her denselben Weg – der einen entscheidenden Dreh- und Angelpunkt hat: den vollkommen bewussten Einschlag des Ich in das Denken, in stärkster innerer Aktivität.
Die Autorin schreibt:
Nach jahrelanger Erfahrung mit Meditation und mit Menschen, die meditieren wollen, glaube ich sagen zu dürfen: Es gibt nur eine Voraussetzung. Diese Vorbedingung wird nicht vorab gestellt, sondern sie rächt sich von selbst, wenn ihr nicht entsprochen wird. Es ist schwer, diese Voraussetzung in Worte zu fassen, weil die Worte ausgetretene Pfade sind, gepflastert mit Vorurteilen. Dennoch muss ich sie hier benennen:
Es gibt nur eine Voraussetzung: Liebe zur menschlichen Güte. Man muss die Heiligkeit lieben (lernen), will man mit der hier beschriebenen Form der Meditation etwas erreichen. [...] Es geht um Liebe zur Entwicklung, zum innerlichen Streben nach einer immer weitergehenden Vollkommenheit von Denken, Fühlen und Wollen.
Der anthroposophische Entwicklungsweg steht jedem Menschen offen. Er führt zur wahren, immer weiter fortschreitenden Verwirklichung des Menschseins. Und erst wenn er wirklich gegangen wird, kann von Anthroposophie nicht nur gesprochen werden, sondern wird sie auch eine Realität.
Auch dieses Buch von Mieke Mosmuller ist wieder ein ermutigender Aufruf, den Weg zu betreten.
Anmerkung
[1] Man kann zuvor sehr wohl verschiedenste Wahrnehmungen haben, wird aber nie erkennen und beurteilen können, welchen Bereich der übersinnlichen Wirklichkeit man eigentlich erlebt – wird vielmehr das Niedere für etwas Höheres halten und noch weiteren Täuschungen verfallen.