30.03.2015

Neue Diskussion zu und mit Clement

Fortsetzung zu der entscheidenden Frage höherer Wesenheiten. 


Die folgenden Kommentare entstammen wiederum dem Eggert-Blog. In zwei Posts wurde eine Diskussion zwischen Christian Clement und Peter Staudenmeier veröffentlicht (hier und hier), an die sich die folgende Diskussion anschloss:

Christian Clement - Sonntag, 29. März 2015 um 04:20:00 MESZ
[...] Den Apologeten ist mein Umgang mit Steiner zu "intellektualistisch", und zwar weil ich voraussetze, dass sich Anthroposophie - wie auch Steiner selbst hundertfach versichert hat - rein rationell verstehen lassen muss. Die Kritiker monieren, dass ich den theosophischen Hut, den Steiner sich nach 1902 aufgesetzt hat, auch bloß als Hut verstehe und darunter weiterhin den nüchtern-kritischen und bewusstseinsphilosophisch geschulten Denker vermute und die These einer Konversion Steiners zum naiven metaphysischen Realisten - die auch Steiner zeitlebens von sich gewiesen hat - als unwahrscheinlich ablehne.
Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Da kommt endlich mal ein Akademiker, der die Probe aufs Exempel zu machen versucht, ob Steiner widerspruchsfrei so gelesen werden kann, wie Steiner selbst explizit von Nichtanthroposophen gelesen werden wollte - und sowohl die Erzanthroposophen wie die Erzkritiker regen sich darüber auf. Der Versuch, Rudolf Steiner einfach mal beim Wort zu nehmen, gilt den Apologeten als "unanthroposophisch" und den Kritikern als "unwissenschaftlich".
Liegt das vielleicht daran, dass sowohl die Apologeten als die Kritiker Steiners ahnen, dass ihre Zeit abgelaufen ist, falls sich das von mir vorgeschlagene Steinerbild vor dem Forum kritischen Denkens als tragbar erweisen sollte? Denn der von mir vorgeschlagene Steiner wäre ein solcher, dem gegenüber Apologie und Gegnerschaft keinen Sinn machen würden, dessen Texten gegenüber (neben dem meditativen Umgang durch jene, die diesen Weg gehen wollen und können) kritisches Verständnisbemühen die einzig angemessene Umgangsform wäre. So wie es heute bereits einem Schelling oder einem Jakob Böhme oder anderen gegenüber zur Normalität geworden ist. Wer heute als Gegner Schellings oder als Apologet Böhmes aufträte, würde sich einfach nur lächerlich machen und disqualifizieren. So sehe ich auch die Zukunft der Steinerforschung, auf die ich mit der SKA hinarbeite.
Ich bin jedenfalls nach wie vor gespannt, wie das Experiment ausgeht. Bis jetzt haben wir ja gewissermaßen nur das Vorspiel und den ersten Akte des SKA-Dramas miterlebt; wenn die "Theosophie" und die "Geheimwissenschaft" an die Reihe kommen, dann gehts erst so richtig ans Eingemachte. Da wird sich zeigen, ob mein Steinerbild nicht nur die Wasserprobe, sondern auch den Gang durchs Feuer aushält.

Jostein Sæther - Sonntag, 29. März 2015 um 11:21:00 MESZ
Ich dachte gerade, einige Abschnitte des Beitrags zu übersetzen und sehe dann, dass Holger Niederhausen schon ein Stück übersetzt und dazu einen langen Kommentaraufsatz geschrieben hat. Also verzichte ich darauf, weil es ja sein könnte, dass du, Christian, jetzt den Beitrag selbst übersetzt oder ein neuer schreibt, in der du auf einige Argumente von Niederhausen eingehst. Denn ich sehe nun, interpretierend seiner Entladung auf meinen letzten Beitrag gestern, dass er lieber als Außenstehender in den Wald ruft und seine „eigene“ Echos abwartet, statt selbst in den Wald zu gehen, um den Knall des fallenden Baums zu hören, wenn der Blitz einschlägt.
Eine entscheidende Frage ist, wie Steiner zu verstehen ist, wenn er von der geistigen Welt und deren vermeintlichen geistigen Wesen schreibt. Von wo wird etwas „übernommen“, dass es überhaupt interessant ist, diese Frage nachzugehen? Was hat ein jeder von uns „mitgebracht“, das uns dazu bringt, sich mit diesen Themen beschäftigen zu wollen. Ich bin der Meinung, dass der Forscher sich selbst genau zu beobachten hat und außerdem darzulegen hat, wie er erlebt, wie er erfährt, wie er erkennt.
Steiner entwickelte seine Erkenntnistheorie, aber die ganzen Probleme im Nachhinein sind aus dem Denkfehler entstanden, dass jemand anderer seine Erkenntnistheorie für sich beanspruchen könnte. Jeder muss seine eigene Epistemologie entwickeln.
Ich habe meine Erkenntnisgrundlagen in dem Buch „Einstimmen aus Karma“ dargelegt soweit wie es mir 2008 möglich war. Heute würde ich es mit Sicherheit etwas anders und prägnanter machen.
Also wäre es sehr interessant, die Erkenntnistheorie (jedenfalls in Kurzformat) von Christian Clement nachzulesen, um nachzuvollziehen, wie du an Rudolf Steiner herangehst. Denn es scheint, als ob es sowohl für Peter Staudenmaier als auch für Holger Niederhausen noch nicht deutlich geworden ist, was du mit dem SKA-Projekt anstrebst. [...]

Rainer Herzog - Sonntag, 29. März 2015 um 12:18:00 MESZ
Lieber Jostein,
es ist eigentlich schade, dass der Dialog mit H.Niederhausen auf diesem Blog so belasted ist- ich halte seine Auseinandersetzung mit C.Clement, seine Kritik an dessen Infragestellung der Existenz geistiger Wesen für anspruchsvoll und lesenswert.
Er kommt m.E. zu einer ähnlichen Kritik, wie Du in Deinem Buch "Ganz Auge und Ohr" das Denken von S. Gronbach beschreibst "der nach seinem "Erleuchtungserlebnis" die realen geistigen Wesen und Welten der Anthroposophie als bloße "poetische Beschreibungen spezifischer Formen und Zustände der menschlichen Innenwelt" klassifiziert".

Jostein Sæther - Sonntag, 29. März 2015 um 13:07:00 MESZ
Dieselbe Ansicht habe ich früher oft formuliert und nun dezidiert auch in meinem gestrigen Beitrag ausgedrückt. Wenn er es aber selbst nicht will, akzeptiere ich es und lasse ihn gehen. Meine Fragen an Christian Clement geht ja in dieselbe Richtung, aber ich habe eine andere Methode, jemand mich zu nähern, um zu einem GESPRÄCH einzuladen und auf den anderen einzugehen, als diejenige abweisende Haltung von Niederhausen und den vielen anderen „Anthroposophen“, an die ich in der einleitenden Feststellung des betreffenden Beitrags denke.

Mischa Butty - Sonntag, 29. März 2015 um 14:41:00 MESZ
"Bei" Herrn Clement sind die Geistigen Wesen nicht als Infragezustellende Wesen bezeichnet. Sondern in der Bestands-Aufnahme von Steiners Schrifttum werden die Geistigen Wesen als Element der Anschauungs-Modelle und als Bestandteil des Wortschatzes faktisch notiert. Vermerkt. Sie stehn hiermit "zur Diskussion"! Und zwar für die, die "Wesen" "schauen", und für die, welche an "Wesen" zu "glauben" wünschen.. u n d ... für diejenigen.. welche an "Wesen" nicht zu "glauben" wünschen. Außerdem kann somit ein Raum für Diskurs geschaffen werden: Wo alle Vertreter obiger Positionen ihre Haltungen bezüglich "Wesen" darlegen, .. u n d .. wo besprochen werden kann, wie solche "Wesen" ..vieleicht .. erlebt werden können von dem einen oder anderen... Das heißt, daß ein Gespräch möglicher wird zwischen Positionen, die als unvereinbar galten. Andere Positionen müssen und können ausgehalten werden.
Wie Herr Clement selber dann einen - intimen - Schulungsweg beschreitet, der ja "geheim" erst einmal ist... insgeheim eines jeden eigene Sache, tut da erstmal gar nichts zur Sache! Das ist, finde ich, nicht schwer auseinanderzuhalten..


Holger Niederhausen - Sonntag, 29. März 2015 um 15:44:00 MESZ

Lieber Mischa Butty,

Wenn Herr Clement geistige Wesen als „Anschauungs-Modelle“ faktisch notiert, über die nun die Diskussion eröffnet ist, ist das ja schön und gut für alle, die hier bunt drauflos diskutieren wollen. Dennoch bleibt es doch wohl von entscheidender Wichtigkeit, wie der Mensch selbst, Rudolf Steiner, geschaut, gedacht, geschrieben und das Geschaute, Gedachte, Geschriebene gemeint hat.

Ich arbeite genauso mit Steiner wie Clement, nur dass ich darauf hinweise, an welchen Stellen Steiner Dinge gesagt hat, die Clement m.E. überhaupt nicht oder nicht annähernd ausreichend berücksichtigt, um zu einem richtigen Verständnis zu kommen. Je mehr man weglässt und je mehr man seine Thesen auf einige wenige zentrale Punkte stützt und stützen zu können meint, um so abstrakter werden diese Thesen. Darauf weise ich hin – mehr nicht. Des Weiteren zeige ich einige Widersprüche und dezidierte Fehler auf, die man unmittelbar mit Steiner selbst widerlegen kann. Man könnte dies als rein „kritisch-wissenschaftlich“ bezeichnen. [...]

Ton Majoor - Sonntag, 29. März 2015 um 15:08:00 MESZ
In PF Kap.4 auch – spannend – über Spencers Rebhuhn und das Geräusch des bewegenden Grases. Und in Kap.6 über die Verwirrung von Vorstellung (mentales Bild) und Gegenstand, d.h. über das Verhältnis von Repräsentation und Realität (Als Wahrnehmung und Begriff stellt sich uns die Wirklichkeit, als Vorstellung die subjektive Repräsentation dieser Wirklichkeit dar.).

Rainer Herzog - Sonntag, 29. März 2015 um 15:45:00 MESZ
Lieber Mischa,
klar, das mag dann so sein, dass "geistige Wesen" in diesem Zusammenhang als ein "Element der Anschauungs-Modelle und als Bestandteil des Wortschatzes" "zur Diskussion stehen". Spätestens dann hat jemand wie ich allerdings eher wenig Lust, tiefer in entsprechende Debatten einzusteigen; die Beziehung zu geistigen Wesen (Hierarchien, Elementarwesen, Gott) ist für mich nicht nur existentiell entscheidend, diese Beziehung entwickelt sich ausschließlich in einem intimen, inneren Raum; ohne Ehrfurcht, ohne die Bereitschaft innerlich zurückzutreten und still zu sein, läuft man m.E. Gefahr, dass sich das Ganze in eine (wenn auch anspruchsvolle und unterhaltsame) intellektuelle Spielerei verläuft.

Christian Clement - Sonntag, 29. März 2015 um 20:12:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen. Eine kurze Bemerkung um Ihnen zu zeigen, dass ich Ihre Texte, trotz meiner ästhetischen Vorbehalte, durchaus sorgfältig mitverfolge und dass Ihre Bemühungen durchaus nicht in den Wind geschrieben sind (besonders wenn Sie, wie in ihrem letzten Beitrag, tatsächlich auf meine Dastellungen eingehen). Sie schrieben:
"Die höheren Wesenheiten sind zunächst gewiss nicht abhängig vom menschlichen „Ich“, denn ihrem Wirken verdankt der Mensch überhaupt erst, dass er ein „Ich“ werden konnte."
Ich stimme Ihnen voll zu, solange Sie auch die andere Seite der Sache anerkennen:
"Das "Ich" ist zunächst gewiss nicht abhängig von geistigen Wesenheiten, denn seiner Tätigkeit verdanken es die physischen, sinnlichen und geistigen Wesen, dass sie da sind und erscheinen können."
Ich meine, wenn man beide Sätze gleichzeitig denken kann, nähert man sich dem an, worum es in Steiners Erkenntnistheorie geht. Ansonsten bleibt man, in Steiners Worten, entweder im naiven Realismus oder im kritischen Idealismus stecken (oder, nach Fichte/Schelling, im Dogmatismus bzw. Kritizismus) und gelangt nicht zu dem, was Steiners Objektiver Idealismus sein will (bzw. was Fichte, Schelling und Hegel letztlich anstrebten).
Können Sie soweit mit mir gehen?


Holger Niederhausen - Sonntag, 29. März 2015 um 23:30:00 MESZ

Lieber Herr Clement, von welchem „Ich“ sprechen Sie nun eigentlich? Die geistigen Wesenheiten verdanken es nicht der Tätigkeit des Ich, dass sie da sind. Es gibt auch keine physischen und sinnlichen Wesen – die Existenz von Wesen beginnt überhaupt erst jenseits des Physisch-Sinnlichen. Es tut mir leid, aber genau diese erstaunlichen Ungenauigkeiten geben ein deutliches Erleben davon, wie abstrakt ihre Thesen sind. Auf diese Weise kann man über die Anthroposophie oder auch nur Steiners Erkenntnistheorie nicht diskutieren – es sei denn, man glaubt fortwährend, in ein, zwei Sätzen den ganzen Steiner voll verstanden zu haben.

Ich sehe bisher nirgendwo, wo Sie die geistige Welt und die geistigen Wesen so ernst nehmen, wie Rudolf Steiner darüber gesprochen hat. Das hat nichts mit naivem Realismus zu tun. Wir alle wissen, dass der Mensch über die geistige Welt nichts erfahren kann, wenn er nicht selbst ganz und gar tätig wird, um innerlich seelisch-geistige Wahrnehmungsorgane auszubilden. Es ist eine völlig andere Wahrnehmungsart als die zunächst ganz gegenständlich-sinnliche. Die geistigen Wesen sind also nicht „da draußen“, weil es im Geistigen nichts Räumliches gibt. Dennoch ist die entscheidende Frage die, welche Realität Sie den geistigen Wesenheiten, von den Rudolf Steiner spricht, überhaupt zumessen.

Was ist das eigentliche Problem des naiven Realismus? Nicht so sehr, dass er die Dinge außerhalb für real hält, sondern dass er das Denken für ein bloßes Abbilden hält („mentales Bild“). Es wird übersehen, dass der wahrgenommene Tisch bereits auch ein gedachter Tisch ist – dass also der Mensch im Erkennen innig mit den Dingen verbunden ist, und nicht den Tisch draußen wahrnimmt und erst hinterher konstatiert: „Ah ja, ein Tisch“. Der naive Realismus vergisst das Denken – das ist seine Naivität. Wenn das Denken nicht vergessen wird, ist der Realismus auch nicht mehr naiv – und dann kann der Tisch ganz real der Tisch bleiben, denn der erkennende Mensch ist ja nun ganz dabei. Der naive Realismus ist zum spirituellen Realismus geworden. Das Wahrnehmen und Erkennen des Tisches ist zur „Spiritual Activity“ geworden (vgl. Steiners englische Übersetzung der „Philosophie der Freiheit“). Der Tisch hat seine volle Realität behalten, und zusätzlich hat nun auch der Mensch seine volle Realität gewonnen – er ist als geistiges Wesen im Erkennen anwesend.

In Bezug auf die geistige Welt ist es nicht anders, nur dass der Mensch zu ihrem Erleben (auf zeitgemäße Weise) überhaupt erst kommen kann, wenn er zuerst selbst jene volle Realität gewinnt, das heißt, die notwendige „Spiritual Activity“ verwirklichen kann. Dann offenbaren sich ihm geistige Wesenheiten als Wirklichkeit. Die ganze Menschheitsentwicklung (und das Wirken der geistigen Welt) ist darauf angelegt, dass der Mensch dies verwirklicht – dass er aus Freiheit lernt, wieder wirklich in einer geistigen Welt zu stehen und mit den Wesen dieser geistigen Welt bewusst zusammenzuleben.

Wenn Sie dies klar zum Ausdruck bringen, kann ich anfangen, mit Ihnen mitzugehen.

Christian Clement - Montag, 30. März 2015 um 04:34:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen, Sie sind mir schon einer! Da streckt man Ihnen die Hand entgegen, weil sie für einen Augenblick mal Ihre Dünkelhaftigkeit abgelegt und Offenheit signalisiert haben, und sofort ist Oberlehrer Niederhausen wieder da und stellt Bedingungen, die man erfüllen muss, damit er sich zu einem herablässt. So als hätten Sie sich so an die Rolle des unverstandenen Predigers in der Wüste gewöhnt, dass Sie nicht recht damit umzugehen wissen, wenn jemand ihnen wirklich einmal ernsthaften Dialog anbietet. Darf ich mal die Thesen ihres letzten Beitrags zusammenfassen, um Ihnen einen Spiegel vorzuhalten?
    Wer nicht denkt wie Niederhausen, der denkt ungenau und abstrakt.
    Wer nicht denkt wie Niederhausen, mit dem kann man über Anthroposophie nicht diskutieren.
    Wer nicht denkt wie Niederhausen, ist oberflächlich.
    Wer nicht denkt wie Niederhausen, der nimmt Steiner nicht ernst.
    usw. usw.
Wenn ich nicht glauben würde, dass Sie es wirklich nicht böse meinen sondern einfach nur hoffnungslos blind sind für die eigene Persönlichkeitsschwäche (von denen wir schließlich alle jede Menge haben), und wenn ich nicht meinen würde, in gewissen Augenblicken den wirklichen Holger Niederhausen, der sich hinter dieser Mauer von Selbstgerechtigkeit verschanzt, hier und da schon einmal wahrgenommen zu haben, würde ich Ihnen mit Sicherheit schon gar nicht mehr antworten.
So aber meine herzlich ausgesprochene Empfehlung an Sie, in keiner Weise von oben herab, sondern in offener und freundschaftlicher Absicht: In Ihrer nächsten Meditation, statt über Steiner zu meditieren, lesen Sie doch noch einmal ganz langsam, mit Bewusstsein und Distanz zur eigenen Betroffenheit Ihre obige Antwort an mich durch. Versuchen Sie einmal zu ERLEBEN (darin sind Sie ja Experte), was für ein unglaubliches Maß an oberlehrerhafter Besserwisserei, Vor- und Aburteilung, geistiger Bevormundung, Selbstglorifizierung, Nicht-Ernstnehmen und Herabsetzung des anderen usw. usw. in diesem kurzen Paragraphen allein steckt. Vielleicht führt das ja dazu, dass Sie sich überdenken und auf mein Angebot noch einmal, diesmal vielleicht in einem anderen Ton, eingehen.
Wenn Sie dann, statt immer nur belehren zu wollen, auf gleicher Augenhöhe mit mir zu diskutieren bereit sind, ohne dass ich mir zuvor bestimmte Niederhausensche Denkweisen zu eigen machen muss, um würdig zu sein - dann spreche ich gern mit Ihnen über Ihr Verständnis der Steinerschen Erkenntnistheorie.
Schon jetzt kann ich vorausschicken, dass Sie nicht mögen werden, was ich zu sagen haben werde. Ich glaube nicht, dass sich das naiv-realistische Bewusstsein einfach dadurch, dass es sich seiner Denkvergessenheit bewusst wird, aus seiner Naivität befreien kann. Ich gewinne den Eindruck, als ob Sie sich der hier vorliegenden Notwendigkeit einer radikalen existentiellen Umwandlung der naiven Erkenntnishaltung, die in gewisser Weise einem Tod und einer Neugeburt im Geistigen gleichkommt, gar nicht bewusst sind und meinen, dem naiven Realismus seine Naivität nehmen zu können, indem Sie ihm ein ein neues Etikett aufkleben - "denkender naiver Realismus" bzw. "durch Lesen der PdF überwundener naiver Realismus". Dass Sie also meinen, den naiven Realismus hinter sich gelassen zu haben, während sie in Wirklichkeit - das legen jedenfalls Ihre obigen Äußerungen nahe - seine wirkliche Problematik noch gar nicht ins Auge gefasst haben. - Aber das können wir ja dann im Detail besprechen.
Also, meine Hand bleibt ausgestreckt.

Stephan Birkholz - Montag, 30. März 2015 um 09:56:00 MESZ
Dem hätte ich kaum etwas hinzuzufügen - danke für die Zusammenfassung...

Jostein Sæther - Montag, 30. März 2015 um 11:28:00 MESZ
90 Jahre sind eine lange Zeit, aber manche Menschen können in einem Leben diesem Zeitraum umfassen. Jedenfalls ist Rudolf Steiner heute vor neunzig Jahren gestorben – vielleicht das größte und lebendigste Menschenparadox in der Menschheitsgeschichte. Ein Paradox auf der einen Seite, weil seine zentrale Mitteilung an andere Menschen war, ihr individuelles Ich ernst zu nehmen und aus einer Erleben und Erkennen seiner geistigen Fähigkeit, die Freiheit in Bezug auf die Gesellschaft und die geistige Welt verwirklichen zu wollen. Ein Paradox auf der anderen Seite, weil sein Werk so umfangreich war, dass so viele Menschen sich seinem Ich unterwarfen im Glauben, dass diese Ehrfurcht gegenüber einen Eingeweihten davon handelt, die Freiheit zu realisieren. Mögen seine Worte und Taten dem Einzelnen helfen, sich von seinen Worten und Taten zu befreien – und von aller Unterwerfung unterdrückender und zweckloser Autoritären!


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 12:59:00 MESZ

Lieber Herr Clement, es bleibt so – man kann entweder auf Argumente eingehen oder eine Person psychologisieren (oder „ihr den Spiegel vorhalten“). Sie, lieber Herr Clement, verpacken all Ihre Thesen immer sehr gekonnt, freilassend, als Thesen formuliert, wie es sich für einen Akademiker gehört. Doch im entscheidenden Moment wird daraus eben auch bei Ihnen der Vorwurf „Wer nicht denkt wie Clement, bleibt im naiven Realismus stecken“. Ich glaube nicht, dass Sie meine Einwände, gerade was die Erkenntnistheorie Rudolf Steiners betrifft, überhaupt verstanden haben. Da Sie nicht darauf eingehen, kann ich es leider auch nicht weiter überprüfen. Die Schärfe meiner Antworten kommt daher, dass Sie eben auch die Wahrheit erfasst zu haben glauben – und dass auch Sie sich immer wieder nicht nur oberlehrerhaft, sondern sogar tief spöttisch über andere Verständnisarten geäußert haben.

Meine Schärfe wendet sich drittens gegen eine akademische Herangehensweise, in der für mich der persönliche Bezug zu Rudolf Steiner und der Anthroposophie nicht erkennbar ist. Sie wissen ja, dass das akademische Denken und Deuten sein Objekt zum Objekt macht. Es fehlt in dieser Art, an seine Objekte heranzugehen, diejenige Gesinnung, die Rudolf Steiner für ein Verstehen und Aufnehmen der Anthroposophie als notwendig bezeichnete. Das akademische Denken und Herangehen beschränkt den Menschen auf einen kleinen Teil des Kopf-Gehirn-Denkens – und dieser Teil wendet sich dann seinem Objekt zu. So diskutiert man dann auch oder reicht die Hand zum Diskutieren. Es gibt wahrscheinlich einen Grundgegensatz zwischen der Auffassung, die glaubt, damit an die Anthroposophie und Rudolf Steiner heranzukommen, und den Menschen, die überzeugt sind, dass dies eine Illusion ist. Ich werde mit Ihnen nicht auf diese Weise diskutieren. Ich persönlich kann mit Menschen über die Anthroposophie sprechen – und dann ist es auch ein wirkliches Gespräch –, bei denen ich merke, das in ihnen eine ähnliche Ehrfurcht lebt wie in mir. In dieser Ehrfurcht lebt gerade auch die wirkliche Freiheit, es ist nicht die Ehrfurcht irgendeines Gurutums, sondern eine erkennende Ehrfurcht. Freiheit ohne Ehrfurcht entspricht einem Zustand, der den Weg erst noch finden muss oder noch gar nicht sucht. 

Christian Clement - Montag, 30. März 2015 um 15:16:00 MESZ
Damit ist ja dann wohl alles gesagt.


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 15:50:00 MESZ

Lieber Herr Clement, wenn Sie dazu nichts mehr sagen wollen, ja. Ich sehe das durchaus mit Bedauern. Ich fühle mich Ihrem Denken durchaus verwandter als den Äußerungen eines Rudolf X. oder eines Stephan Birkholz. Ich verstehe, wenn Sie meine eigene ausgestreckte Hand nicht sehen. Aber sie hat leider ebenso Bedingungen wie die ihre – nur andere. Sie wollen auf akademischer Ebene diskutieren – ich kann das nicht. Ich will über die Anthroposophie nur auf andere Weise sprechen – und das können Sie nicht. Unsere Wege werden sich aber so oder so wieder begegnen. Und einige meiner Einwände bringen ja zum Glück auch Andere vor – in einer Form, die Ihnen gemäßer ist.

Einschub

Verschiedenste Menschen weisen gegen Clements Steiner-Deutung auf die gleichen Tatsachen hin. So argumentiert in der Frage naiver / nicht-naiver Realismus auch Peter Staudenmeier ganz ähnlich und weist darauf hin, dass nicht alles, was Clements Deutung widerspricht, naiv ist. Staudenmeier schreibt in Bezug auf Steiners Anschauung der geistigen Welt:

It is indeed a form of metaphysical realism. [...] I don't know why you see it as a naive form. Metaphysical realism is, after all, an eminently respectable philosophical position. Even its critics acknowledge this. [...] Because it isn't naive. It is simply a version of realism, a complex and elaborate one. [...] We don't disagree about Steiner's monism. He did indeed hold that reality consists of interlinked entities, not separate ones, and that all that exists is part of an overarching oneness, part of one big connected whole. Where we disagree is about whether any of these entities, for Steiner, exist independently of an I that is aware of them, independently of a human consciousness that perceives them.
Peter Staudenmeier, 29./30.3.2015, Eggert-Blog. o

Fortsetzung

Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 17:05:00 MESZ

Man lese einmal beispielhaft aus Rudolf Steiners Vortrag „Was tut der Engel in unserem Astralleib?“

„Dann zeigt sich, daß diese Wesenheiten aus der Hierarchie der Angeloi - und in gewisser Weise jeder einzelne der Angeloi, der für jeden Menschen gewissermaßen seine Aufgabe hat, aber auch namentlich durch ihr Zusammenwirken - Bilder im menschlichen astralischen Leibe formen. Unter der Anleitung der Geister der Form formen sie Bilder. Wenn man nicht aufsteigt zur imaginativen Erkenntnis, so weiß man nicht, daß fortwährend in unserem Astralleib Bilder geformt werden. Sie entstehen und vergehen, diese Bilder. Würden diese Bilder nicht geformt, so gäbe es keine Entwickelung der Menschheit in die Zukunft hinein, die den Absichten der Geister der Form entspricht. Was die Geister der Form mit uns bis zum Ende der Erdenentwickelung weiter erreichen wollen, das müssen sie zuerst in Bildern entwickeln, und aus diesen Bildern wird dann später die umgestaltete Menschheit, die Wirklichkeit. Und diese Bilder in unserem astralischen Leibe formen heute schon die Geister der Form durch die Engel. Die Engel formen im menschlichen astralischen Leib Bilder, Bilder, die man mit dem zur Hellsichtigkeit entwickelten Denken erreichen kann. Und man kann diese Bilder, welche die Engel in unserem astralischen Leibe formen, verfolgen. Dann zeigt sich, daß diese Bilder nach ganz bestimmten Impulsen, nach ganz bestimmten Prinzipien geformt werden. Und zwar so werden sie geformt, daß in der Art, wie diese Bilder entstehen, gewissermaßen Kräfte für die zukünftige Entwickelung der Menschheit liegen. Wenn man - so sonderbar es klingt, man muß das so ausdrücken - die Engel bei dieser ihrer Arbeit betrachtet, so haben diese Engel bei dieser ihrer Arbeit eine ganz bestimmte Absicht für die künftige soziale Gestaltung des Menschenlebens auf Erden; und sie wollen solche Bilder in den menschlichen astralischen Leibern erzeugen, welche ganz bestimmte soziale Zustände im menschlichen Zusammenleben der Zukunft herbeiführen.
Die Menschen können sich sträuben, anzuerkennen, daß Engel in ihnen Zukunftsideale auslösen wollen, aber es ist doch so. Und zwar wirkt ein ganz bestimmter Grundsatz bei dieser Bilderformung der Angeloi. Es wirkt der Grundsatz, daß in der Zukunft kein Mensch Ruhe haben soll im Genusse von Glück, wenn andere neben ihm unglücklich sind. Es herrscht ein gewisser Impuls absolutester Brüderlichkeit, absolutester Vereinheitlichung des Menschengeschlechtes, richtig verstandener Brüderlichkeit mit Bezug auf die sozialen Zustände im physischen Leben. Das ist das eine, der eine Gesichtspunkt, nach dem wir sehen, daß die Angeloi die Bilder im menschlichen astralischen Leibe formen.“
9.10.1918, GA 182, S. 144f.


Ich verstehe einfach nicht, wie man in Kenntnis dessen, was Rudolf Steiner über die höheren Wesenheiten gesagt hat – und dies ist nur eines von vielen Beispielen –, behaupten kann, dass diese „nicht unabhängig von dem Ich, das sie konstruiert, wahrnimmt und interpretiert, existieren“. Rudolf Steiner beschreibt hier, was die Engel im Astralleib der Menschen tun – unabhängig von einem Ich, das sie konstruieren, wahrnehmen oder interpretieren würde. 

Will Clement sagen, dass die „Engel“ dies zwar vielleicht „tun“ – aber indem sie dies tun, hat Rudolf Steiners Ich sie bereits konstruiert? Und sie tun dies gar nicht, wenn Rudolf Steiner dies nicht so interpretiert hätte? Will er sagen, dass der Engel im Astralleib gar nicht wirkt, wenn ihn kein Ich erkennt? – Seine Thesen bleiben abstrakt und kollidieren fortwährend mit Steiners eigenen Aussagen, wenn Clement nicht bereit ist, seine Thesen für genau solche zahlreichen Aussagen Steiners zu konkretisieren, damit man wirklich verstehen kann, was er, Clement, mit seinen Thesen konkret meint und nicht meint.

Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 17:37:00 MESZ

Und noch einmal aus jenem Vortrag, auf den Jostein Saether hinwies:

Jetzt beginnt man zu wissen: innerhalb der geistigen Welt sind Wesenheiten, deren Dasein hinausgeht über die bloße Natur; wie wir Menschen mit unsern Gedanken denken, so denken unser geistiges Wesen, so denken den Inhalt unserer Seele diese höheren Genien. Die halten uns, die tragen uns; und dadurch, daß wir in ihnen sind, ist unser über unser leibliches Dasein hinausgehendes unsterbliches Wesen bedingt. [...]
[...] Gegenüber der geistigen Wirklichkeit, wenn wir sie wirklich erfahren, fühlen wir uns so, wie sich die Natur uns gegenüber in der sinnlichen Wirklichkeit fühlen müßte; wir denken nicht über die geistigen Wesenheiten; wir erleben, daß wir, wenn wir uns zu ihnen erhoben haben, von ihnen gedacht und gehalten werden. Wir werden, wenn man das pedantisch wissenschaftlich ausdrücken will, Objekt der geistigen Welt. [...]
[...] Man weiß: Man ist, indem man aus dem Leibe herausgekommen ist - denn man kommt aus dem Leibe bewußt heraus -, innerlich vereint mit der geistigen Welt; man ist Eins geworden mit der geistigen Welt.
26.11.1914, GA 64, S. 91ff.


Die geistigen Wesen sind also gleichsam realer als der Mensch – sein Wesen wird durch das ihre gerade gehalten, getragen und bedingt. Nicht sie sind vom Ich abhängig und werden durch es interpretiert, sondern die Menschenseele wird von ihnen gedacht, und das unsterbliche Menschenwesen ist von ihnen abhängig.

Dass diese höheren Wesenheiten, die das Menschenwesen tragen und bedingen, wiederum nur vom Menschenwesen, das sich wieder zu ihnen zu erheben vermag, erkannt werden können, ist – ich wiederhole es – fast eine Tautologie, denn Geistwesen können nur von Geistwesen erkannt werden. Dass dieses Erkennen im Geistigen in der Intuition eine innige Durchdringung ist, hat Steiner ebenfalls immer wieder betont.

Alles andere aber, was Clement hinzufügt, weicht von Steiner ab, ist nicht mehr Steiners Aussage, sondern Clements.

Kann man nicht einmal mit einem wirklich reinen Denken, mit der Reinheit eines Engels, bedingungslos, solche Ausführungen Steiners lesen – und dann, ganz vorsichtig, versuchen zu wiederholen, was man verstanden hat? Das wäre wertvoller als jede tiefgreifende Thesenbildung, die unglaublich viel aussagt, aber dann überall und immer wieder Fragen aufwirft, weil sie einfach nicht mehr mit Steiner zusammenpasst.

Jostein Sæther - Montag, 30. März 2015 um 18:10:00 MESZ
Ich habe dieses Vortrag ["Was tut der Engel..."] mehrmals gelesen und auch in schwedischer Übersetzung, die nicht weniger überzeugend ist, darüber, dass es, wie wiedergegeben, um Wesen handelt, die unabhängig existieren vom menschlichen Bewusstsein darum. Diese Tatsache braucht hier nicht diskutiert werden. Ich glaube auch nicht, dass Christian Clement bereit ist, hier über solche Vortragsinnhalte zu diskutieren, sofern sie außerhalb der Aufgaben der SKA liegen. Sie ist eher zu betrachten als eine Aufgabe der anthroposophischen Zweige, die sich damit durch Lesen und Wiederlesen schon seit 100 Jahren gekümmert haben und es weiter tun werden. Die allermeisten Kommentatoren des Egoistenblogs betrachten sich, wie ich zur Kenntnis genommen habe, nicht als Zweigmitglieder.
Es geht hier also vorderhand darum, die geschriebenen Texte Steiners zu untersuchen und die darin vorhanden Formulierungen zu vergleichen mit anderen Formulierungen innerhalb der Textentwicklung. Ob diese Annäherungsweise nun von außerakademischer Seite als falsch betrachtet wird, kümmert dem Akademiker nicht. Warum soll es ihm kümmern? Diese Tatsache zu akzeptieren, gebührt sich, wenn ich in der Diskussion teilnehmen will. Will ich es nicht akzeptieren, kann ich nicht teilnehmen und muss anderswohin mit meiner eventuell vorhandenen „Solipsismus“ gehen.
Was ich tun kann, ob Anthroposoph oder nicht, ist mein Verständnis der von Autor des Blogbeitrags geschriebenen Thesen und Deutungen so deutlich darzulegen, wie ich es kann. Sie wird dann begegnet, für möglich gehalten oder widerlegt. Das sind nun mal auch die Tatsachenverhältnisse, die ich zur Kenntnis nehmen muss.
Sachlichkeit, Sachlichkeit und Sachlichkeit ist gefragt und dies bedeutet zunächst, dasjenige zu kommentieren, was oben angeboten ist. “Our only references will be our own ideas and Rudolf Steiner’s texts.”

manroe - Montag, 30. März 2015 um 18:33:00 MESZ
Würde man endlich mal soweit gekommen sein zu bemerken, dass man mit seinem Denken zwar göttlich aber nicht Gott ist, wäre viel damit gewonnen und der Beifall in Richtung Burghard erheblich wahrer, weil reduzierter. Mit seinem/meinem Denken, insbesondere dann, bemerkt man, dass es ein rein geistiges Tätigsein ist, steht man in einer geistigen Umgebung und bemerkt, dass das Denken doch mehr ein Wahrnehmungsorgan ist, mit dem ich zwar wirklich zu schaffen fähig bin, aber seine eigentliche Bestimmung gleicht dem eines Auges in der geistigen Welt.
Burghard meint: "In der Selbstoffenbarung des reinen Denken leuchtet das Ich auf. Dabei, wobei das Ich aufleuchtet, handelt es sich stets um eine Handlung des Menschen. Da es im Denken, also im Ursprungsprinzip aufleuchtet, daher gesehen ist der Mensch dasjenige Prinzip, das im Anfang schafft und in sich den „Engel“ trägt. “
Nur weil das Denken im "Ursprungsprinzip aufleuchtet", heisst es noch lange nicht, dass man dadurch sogleich auch ein grosser oder sogar umfassender Schöpfer sei. Man probiere sich bitte mal an einer Fruchtfliege..., mal sehen, wie weit man mit seinem Denken kommt, als Schöpfer...

Stephan Birkholz - Montag, 30. März 2015 um 18:42:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen,
Wenn Sie die Verdauungskräfte in Ihrem Magen betrachten, dann können Sie diese als Ihre Verdauungskräfte oder als im Menschen Wirksame Verdauungskräfte betrachten – beide Perspektiven sind möglich und völlig legitim.
[Herr Clement hat an anderer Stelle ja kürzlich ebenfalls gefordert, dass man beide Perspektiven parallel denken können muss, um nicht einer naiven Perspektive aufzusitzen]
Steiner hat in dem Vortrag (Was tut der Engel...) zu einem Publikum gesprochen, das von Engeln so noch nichts gehört hatte – er hat da zur Einführung eben die ‚naiv-realistische‘ Perspektive gewählt:
‚Sehen Sie meine Herrschaften – Sie sitzen hier im Saal und währenddessen arbeitet der Engel dies und das‘...
Das heißt aber nicht, dass man das von Ihnen aus dem Vortrag vorgebrachte nicht auch als etwas betrachten könnte, das unmittelbarer Bestandteil des Menschenwesens ist...
‚Ich bin hier – der Engel ist da draußen – und den bete ich an‘ ist eben nur eine von mehreren Perspektiven die man einnehmen kann.
Dass Steiner selbst oft genug darauf hingewiesen hat, dass die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden müssen, brauche ich Ihnen nicht zu sagen – die GA mit den entsprechenden Stellen kennen Sie höchstwahrscheinlich besser als ich...

Christian Clement - Montag, 30. März 2015 um 18:52:00 MESZ
Vielleicht kann man es, in Anlehnung an Schelling, so angehen:
Die Philosophie (zumindest die idealistische Philosophie, in deren Tradition ja auch Steiner steht) betrachtet die Wirklichkeit vom Ich aus. Da erscheint alles, was dem Ich entgegentritt (die Natur, die geistige Welt, Engel usw.) als im Ich auftretend, vom Ich ausgehend, vom Ich geschaffen.
Die Naturwissenschaft betrachtet die Wirklichkeit von der geschaffenen Natur aus. Da erscheint das Ich und alles, was im Ich auftritt (samt dem Bild der Natur und der Vorstellung von Engeln), natürlich als Ergebnis und Endpunkt einer langen Entwicklung. Das Ich erscheint als von der Natur geschaffen, und der Engel als Schöpfung des von der Natur geschaffenen Ich.
Die Geisteswissenschaft Steiners, wie ich sie verstehe, versucht beide Standpunkte anzuerkennen und in einer höheren Einheit aufzuheben. Das versuchte auch schon Schelling.
Sie weist darauf hin, dass die idealistische Philosophie durchaus recht hat, dass sie aber einseitig ist, weil sie die Wahrheit der Naturwissenschaft nicht anerkennt und davon abstrahiert, dass das die Natur hervorbringende Ich zugleich von der Natur hervorgebracht wird.
Sie weist ferner darauf hin, dass die Naturwissenschaft durchaus recht hat, aber einseitig ist, weil sie die Wahrheit der Philosophie nicht anerkennt und davon abstrahiert, dass die das Ich hervorbringende Natur zugleich eine Hervorbringung des Ich ist.
Daher stellt die Geisteswissenschaft die Wirklichkeit als aus dem Geist hervorgehend vor. Denn Geist ist weder ein von der Natur abstrahiertes Ich, noch ist er von dem Ich abstrahierte Natur. Geist ist die Einheit beider, ist Natur und Ich zugleich.
Für die Geisteswissenschaft ist also das die Natur hervorbringende Ich identisch mit dieser Natur; und die das Ich hervorbringende Natur ist identisch mit diesem Ich. Geist ist nicht bloß Ich, zu dem eine nicht bewusste Natur noch hinzukäme. Geist ist auch nicht bloß unbewusste Natur, zu der ein bewusstes Ich noch hinzukäme. Geist ist das, was sich im Laufe seiner Entwicklung in eine Ich-hervorbringende Natur und ein Naturhervorbingendes Ich auseinanderlegt, aber immer beides zugleich ist.
Geisteswissenschaft wäre somit dazu aufgerufen, immer die einseitigen Standpunkte der Philosophie und der Naturwissenschaft im Blick zu haben und zu vereinigen.

Soweit die Sache betrachtet, wie sie sich in Anknüpfung an Schelling darstellt. Bei Steiner kommen nun zu den Wahrnehmungen der sinnlichen Phänomene noch die Wahrnehmungen der übersinnlichen Phänomene hinzu. Diese müssten also ebenso mit dem Standpunkt der Ich-Philosophie vereinigt werden, wie die Phänomene der Natur.
Während Schelling nur die Wissenschaft des Ich und die Wissenschaft der sinnliche Natur vereinigen musste, muss Steiner die Wissenschaft des Ich, die der sinnlichen Natur und die der übersinnlichen Natur zusammenbringen.
Bezogen auf den "Engel" und auf die gesamte Schar der geistigen Wesen, von denen Steiner spricht, müsste im Sinne dieser Konzeption also wie folgt gesprochen werden.
Aus der Perspektive des Ich erscheint der Engel (und die gesamten Hierarchiene), wie alles, was dem Ich bewusst werden kann, als Hervorbringung des Ich. Aus der Perspektive des Engels bzw. der Hierarchien insgesamt, erscheint das Ich (wie auch alles andere in dieser Welt) als Hervorbringung des Engels.
Geisteswissenschaft müsste beide Perspektiven zusammendenken, also das Ich als ein vom Engel hervorgebrachtes, zugleich aber den Engel als einen vom Ich hervorgebrachten denken - und diese beiden Perspektiven mit der weiteren, dass sowohl Ich als auch Engel von der Natur hervorgebracht werden.


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 18:54:00 MESZ

Lieber Herr Saether, soweit ich es verstehe, sind wir noch immer bei der Interpretation Rudolf Steiners mit Hilfe von Rudolf Steiner. Dass ein Akademiker für diese Interpretation sämtliche Texte nach 1900 ausschließt, aber mit den Texten von vor 1900 den Steiner nach 1900 verstehen will, mutet meinem wissenschaftlichen Verständnis reichlich seltsam an. Wenn es aus Prinzip nur geschriebene Texte sein sollen, kann man die „Leitsätze“ hinzunehmen. Wenn man auch diese wieder zu korrumpiert findet, weil Steiner sich in der Sprache für die Theosophen „verbogen“ haben soll, obwohl er damals bereits seit 20 Jahren zu Anthroposophen von der Anthroposophie sprach, die ER vertrat, soll man sich nicht wundern, wenn man mit Hilfe des philosophischen Steiners zu einer Interpretation des späteren Steiners kommt, die an allen Ecken und Enden zerbricht. Da hat Peter Staudenmeier schon ganz recht.

Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 19:27:00 MESZ

„Geisteswissenschaft müsste...“, eine interessante Formulierung. Wenn es denn wahr wäre, was Sie sagen: „Aus der Perspektive des Ich erscheint der Engel...“. So ist es aber nicht – und das könnten Sie bei Steiner selbst finden, wenn Sie es denn wollten. Auch in diesem Blog, wenn Sie es wollten. Wenn man Steiner von Fichte/Schelling ausgehend einfach linear fort-konstruieren wollte, weil er ja „in der Tradition steht“, dann könnte man sich so etwas konstruieren. Aber erinnern Sie sich nicht, dass Steiner Fichte und Schelling ausdrücklich kritisiert hat? Er hatte dafür Gründe. Wenn das Ich erkennend in die geistige Welt eintritt, schaut es, indem es angeschaut wird. Hier noch von Konstruktion und Hervorbringung zu sprechen, ist sinnlos und sinn-entstellend. Wie sehr haften Sie an Ihren Thesen und an der „Tradition“?

Christian Clement - Montag, 30. März 2015 um 20:46:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen. Gerade weil ich in der Tat alles kenne, was Steiner über die Idealisten geschrieben hat, habe ich geschrieben, was ich geschrieben habe. Man darf nicht nur auf die relativ unausgereiften Aussagen des frühen Steiner über Fichte, Hegel und Schelling schauen, wenn man verstehen will, wie tiefgreifend er bei der Ausbildung seiner geisteswissenschaftlichen Konzeption an diese Denker angeknüpft hat.

Michael Eggert - Montag, 30. März 2015 um 20:46:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen, Sie schreiben: "Meine Schärfe wendet sich drittens gegen eine akademische Herangehensweise, in der für mich der persönliche Bezug zu Rudolf Steiner und der Anthroposophie nicht erkennbar ist. (..) Ich persönlich kann mit Menschen über die Anthroposophie sprechen – und dann ist es auch ein wirkliches Gespräch –, bei denen ich merke, das in ihnen eine ähnliche Ehrfurcht lebt wie in mir." Ich muss Ihnen zugute halten, dass dieser Standpunkt wenigstens ehrlich ist. Sie wünschen eine Kultgemeinde, in der Einigkeit und stimmungsvolles Miteinander zelebriert wird- die sachliche Diskussion, die auch sachliche Kritik und Selbstkritik beinhaltet, interessiert Sie ebenso wenig wie die individuelle Aneignung dessen, was sie als "Anthroposophie" offenbar als gegeben hinnehmen. Damit stellen Sie sich gesellschaftlich, zeitgeschichtlich und persönlich ins Abseits. Das ist quasi die freiwillige Unterjochung, die Realisierung des Solipsismus, die Aufgabe menschlicher geistiger Freiheit. Im neuen Testament wird diese Haltung den Pharisäern zugeschrieben. Man kann das machen, natürlich. Es widerspricht offensichtlich der Haltung, die dieses Blog einnimmt.

Ingrid H. - Montag, 30. März 2015 um 21:10:00 MESZ
Lieber Michael,
ich begreife, daß Du es so siehst, sehe es selbst aber anders.
Ich habe den Eindruck, daß es hier – auf allen Seiten (mich natürlich eingeschlossen!) – fundamentale Mißverständnisse gibt.
Da schon so viel und immer wieder auch scharf und ad personam hin- und hergestritten wurde, wird es wohl nur schwer möglich sein, sie zu bereinigen.
Vielleicht ist es also sinnlos, wenn ich versuche, darauf hinzuweisen.
Aber ich möchte doch für mich sagen, daß ich die offene Haltung dieses Blogs (die ich sehr schätze) nicht nur mit akademischer Herangehensweise, sondern auch mit Ehrfurcht in mir vereinen kann.
Herzlich,
Ingrid

Ton Majoor - Montag, 30. März 2015 um 21:22:00 MESZ
“Reality, however, if experienced on the highest level of cognition (in intuition) does in Steiner's view not consist of separated entities, both in his philosophical and esoteric writings. Rather, it is pure oneness…”
Vielleicht ist diese Vielheit von Wesen vs. universelle Einheit der höchste Zankapfel.

Christian Clement - Montag, 30. März 2015 um 21:37:00 MESZ
"Vielleicht ist diese Vielheit von Wesen vs. universelle Einheit der höchste Zankapfel."
Zumindest ist es ein sehr alter Apfel. Seit den Aristoteles-Kommentaren von Averroes wird im Abendland darum gestritten, ob der "Geist" einer ist oder viele?
Auch hier wäre die Anknüpfung an die deutschen Idealisten wohl wieder sehr fruchtbar, und das erlösende Wort würde lauten: beides, je nachdem mans anschaut.

Jostein Sæther - Montag, 30. März 2015 um 22:19:00 MESZ
Auch in der Sinnenwelt haben wir den Zankapfel – z. B. flüssig als Wasser. Aber eben auch jedes andere Element, das in vielen Variationen auftaucht. Das Wasser als Meer, Flüsse, Bäche, Wasserfälle, Seen usw. bis Dampf, Schnee, Eis. Dann aber auch jeder Wassertropfen und die „individuellen“ Schneekristalle. In all dem ist es einfach, sich das Wasser als durchgehendes Element vorzustellen. Der erste naive Gedanke von Geist kann diese Wasservielfalt einerseits überführen, aber gleichzeitig kann ich die Einheit des einen Geists ebenfalls denken. Sie schließen sich nicht aus, Geist und Geister, sondern stärken einander sogar, wenn ich versuche, mich in den verschiedenen Qualitäten einzuleben.
Eine Frage kommt auf: Gäbe es ein anderes Verständnis von beiden, wenn ich mich in den beiden Varianten „konkret“ ideell einlebe, d. h. meditativ versenke? Da nun die Meditationsforschung an den Unis angekommen ist, sehe ich eine künftige Fortsetzung der SKA in der konkreten Untersuchung, Erforschung dessen, was Steiner hinterlassen hat als Geisteswissenschaft. Wie würden verschiedene Probanden einen Engel erleben und beschreiben, falls sie hineingehen würden in ihre Seelen, um von da aus den Geist zu erleben, zu beschreiben, zu erkennen?
Die Draußen-vor-Beschreibung muss immer von der Denkweise ausgehen, die man als Anschauungsrichtung gewählt hat. Die Versetzung des Ich als Tätigkeit im Bewusstsein als Zustand, erlaubt zunächst aber keine Einengung der Betrachtung, sondern muss alle mögliche Betrachtungsweisen als denkbar voraussetzen. Dies wäre womöglich die einzige Unfreiheit, die das Ich in ihrer Freiheit gegenüber dem Geistigen zu prüfen hätte. Womöglich entlarvt sich die Unfreiheit dann als ein Zustand der Demut.

Michael Eggert - Montag, 30. März 2015 um 21:32:00 MESZ
Das Absurde ist für mich, dass Kritiker wie Staudenmaier in Bezug auf die Anthroposophie- Vorstellungen reaktionärer Anthroposophen völlig recht haben - die Kritiker reichen quasi den Reaktionären die Hände.

Christian Clement - Montag, 30. März 2015 um 22:10:00 MESZ
"Das Absurde ist für mich ..."
Absurd finde ich das gar nicht, Michael. Das nennt man Arbeitsplatzsicherung. Was gäbe es denn an Steiner noch zu kritisieren oder zu verteidigen, wenn sich das Pochen auf die wortwörtliche Bedeutung der Steinerschen Imaginationen ebenso verflüchtigen würde, wie (glücklicherweise bei den meisten heute) der Glaube an die wortwörtliche Bedeutung der biblischen Schilderungen von Brotvermehrung, Sintflut oder Teilung des Roten Meeres? Dann müsste man ja vom Verteidigen und Kritisieren zum Verstehenversuchen übergehen. Wie langweilig! Wie mühsam!!
Jeder würde sich lächerlich machen, wenn er heutzutage eine imaginative Schilderung wie die "Brotvermehrung" im NT oder eine Visionsschilderung von Jakob Böhme heute "kritisieren" oder "verteidigen" wollte. Da sieht jeder, der nicht völlig die letzten 200 Jahre Bewusstseinsentwicklung verschlafen hat, ein und gibt zu: es kann doch lediglich um ein Bemühen um Verständnis, Deutung, Kontextualisierung gehen.
Was ist also der traurige Grund für all die Streitereien um Rudolf Steiner und die Anthroposophie? Der Doktor ist einfach noch nicht lange genug tot.

Michael Eggert - Montag, 30. März 2015 um 22:36:00 MESZ
Schön, dann warten wir einfach 2000 Jahre.


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 22:11:00 MESZ

Lieber Herr Eggert, es ist immer wieder schön, zu sehen, wie tolerant Sie sind. – Die Pharisäer hatten keine Ehrfurcht. Sie wussten, wie alles zu sein hatte (man möchte sagen: wie Gott sich zu verhalten und wie ein Engel zu entstehen hatte), und empfanden sich als den Nabel der Welt. Doch das Gotteswesen erkannten sie nicht. Vielleicht hätten sie es sogar sehr gelehrt beschrieben, aber sie hätten sich niemals in Ehrfurcht vor ihm geneigt. So etwa empfinde ich auf weiten Strecken auch diese Diskussion.

Ich kenne Ihren Blog und auch Ihre Kommentare mir gegenüber ja. Wenn Menschen wie Sie zu bestimmen haben, was das „gesellschaftliche, zeitgeschichtliche und persönliche Abseits“ ist, dann kann einem angst und bange werden. Dann wird die GA 10, Abschnitt Devotion, vielleicht nicht gerade einer Bücherverbrennung zum Opfer fallen, aber jeder, der sich darum bemüht, zum Gespött der Menge werden.

Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 22:28:00 MESZ

Lieber Herr Clement, hat es Methode, dass Sie den entscheidenden Fragen ausweichen? (Oder ist das eine neue Art der Arbeitsplatzsicherung?). Ich wiederhole:

„Geisteswissenschaft müsste...“, eine interessante Formulierung. Wenn es denn wahr wäre, was Sie sagen: „Aus der Perspektive des Ich erscheint der Engel...“. So ist es aber nicht – und das könnten Sie bei Steiner selbst finden, wenn Sie es denn wollten. Wenn das Ich erkennend in die geistige Welt eintritt, schaut es, indem es angeschaut wird. Hier noch von Konstruktion und Hervorbringung zu sprechen, ist sinnlos und sinn-entstellend.

Rudolf Steiner schildert, nicht als „geisteswissenschaftliche Konzeption“, sondern als reale Geistesschau, genau das Umgekehrte: Das unsterbliche (!) Menschenwesen ist von den höheren Geistwesen abhängig und wird von ihnen getragen.

Nehmen Sie bitte dazu Stellung – nicht durch Verweis auf das Anknüpfen Steiners an Fichte/Schelling, sondern unter Bezug auf Steiner selbst.

Oder können Sie nur Bezug auf das Alte Testament nehmen und Rudolf Steiners sprechen von höheren Wesenheiten mit der wunderbaren Brotvermehrung vergleichen? 

Michael Eggert - Montag, 30. März 2015 um 22:57:00 MESZ
Ihre Frömmelei und Gefühligkeit verdecken nicht Ihr schlichtes Weltbild und das Herunterbeten anthroposophischer Vokabeln.


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 23:28:00 MESZ

Lieber Herr Eggert, Ihr Kategorisieren und Ihre Vorurteile gegenüber Menschen und Anschauungsarten offenbaren ganz Ihre Arroganz und eigentliche Intoleranz und Ihr ureigenes, unglaublich eng(herzig)es Weltbild. Ich wiederhole es noch einmal: Sollten Denkungsarten wie die Ihre weiter zunehmen, kann einem angst und bange werden.

Die Frage nach dem Ich

Ingrid H. - Montag, 30. März 2015 um 20:13:00 MESZ
Wenn ich Holgers Aufsätze und Kommentare und auch die Äußerungen mancher SKA-Kritiker lese, kann ich mich manchmal des Eindruck nicht erwehren, daß darin unter dem „Ich“ etwas verstanden wird, das erstens klar definierte Grenzen hat und zweitens dem Menschen innerhalb dieser Grenzen vollständig bewußt ist.
Wenn das so wäre, könnte ich die Ablehnung der Clement’schen Gedanken sehr gut begreifen.
Wenn ich mir aber vor Augen halte, was Rudolf Steiner zum Thema „Ich“ sagt, zum Beispiel:
»Wenn wir von dem Ich sprechen, so müssen wir von demjenigen im Menschen sprechen, das zum Beispiel nicht nur ein Bewußtsein hat während des Wachens, sondern das auch da ist, wenn der Mensch schläft, das seine Kräfte entfaltet ins ganze Universum hinaus, das von den geistigen Kräften des Kosmos durchstrahlt und durchwirkt und durchpulst ist, wenn der Mensch schläft: das tragen wir unbewußt in uns.« (GA 167)
und
»Ungefähr im dritten Lebensjahr lernt der Mensch dieses Wort gebrauchen. Das ist aber ein Alter, in welchem noch kein eigentliches Ich-Bewußtsein vorhanden ist. Daher lernt man dieses Wort zunächst nur automatisch sprechen. Erst im 21. Lebensjahr findet die Geburt des Ich statt. Was da zum Vorschein kommt, ist dann aber immer noch das ganze Leben hindurch nicht das wahre Ich. Ihm begegnet man als gewöhnlicher Mensch erst wieder nach dem Tode. So gebraucht jeder Mensch bis zu seinem Tode das Wort doch immer nur provisorisch. Dieses provisorischen Gebrauches des Wortes muß sich der Meditant ganz besonders bewußt werden.« (GA 266c)
– so komme ich zu dem Ergebnis, daß das „Ich“, so wie Rudolf Steiner diesen Begriff verwendet, jedenfalls nicht gleichzusetzen ist mit dem Ich-Bewußtsein, und daß man auch nicht von klar definierten Grenzen des „Ich“ sprechen kann.
Liebe SKA-Kritiker, insbesondere: lieber Holger - - - würdet Ihr mir soweit zustimmen, oder seht Ihr das anders?
Herzlich,
Ingrid

Christian Clement - Montag, 30. März 2015 um 20:36:00 MESZ
Liebe Ingrid: dass in meinen Ausführungen das "Ich" nicht mit dem "Ich-Bewusstsein" (im doppelten Sinne des Wortes) gleichgesetzt werden kann, hatte ich eigentlich als selbstverständlich vorausgesetzt. Das Wort "Ich" bezeichnet eine Tätigkeit, das Wort "Bewusstsein" einen Zustand.


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 21:52:00 MESZ

Liebe Ingrid, Du meinst vielleicht den Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Ich(-Bewusstsein) und dem eigentlichen bzw. höheren Ich? Das wäre natürlich das Erste, was deutlich unterschieden werden müsste. Welches Ich erkennt den Tisch? Welches Ich erfasst sich als unsterbliches Geistwesen? Wie auch immer – keines dieser Iche „konstruiert“ einen Engel als reale Wesenheit so, dass sie vorher nicht existiert hätte. Um diese Frage geht es.

Ingrid H. - Montag, 30. März 2015 um 22:07:00 MESZ
Lieber Holger,
»Welches Ich erkennt den Tisch? Welches Ich erfasst sich als unsterbliches Geistwesen? Wie auch immer – keines dieser Iche „konstruiert“ einen Engel als reale Wesenheit so, dass sie vorher nicht existiert hätte.«
In diesen Deinen Sätzen lese ich „Ich“ als Subjekt, als Nomen.
Daher möchte ich nachfragen:
Stimmst Du Christian Clement hierin zu:
»Das Wort "Ich" bezeichnet eine Tätigkeit, das Wort "Bewusstsein" einen Zustand.«
– oder siehst Du das anders?


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 22:27:00 MESZ

Liebe Ingrid, das Ich, das sich zu einem Erleben der geistigen Welt erhebt, kann dies nur in reinster Tätigkeit.

Ingrid H. - Montag, 30. März 2015 um 22:39:00 MESZ
Lieber Holger,
auch hier lese ich „Ich“ als Nomen.
Und weiß nun noch immer nicht, ob Du Christians Satz zustimmst oder nicht.
Nochmal anders gefragt: Kann das „Ich“, Deiner Ansicht nach, auch anders als „in reinster Tätigkeit sein“?


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 22:56:00 MESZ

Liebe Ingrid, alles Geistige kann nur „in reinster Tätigkeit sein“ – wie sollte es denn anders sein?

Ingrid H. - Montag, 30. März 2015 um 23:31:00 MESZ
Lieber Holger,
:-) es geht mir nicht darum, ob oder wie es anders sein könnte, sondern schlicht darum, ob Christian und Du dasselbe meint, wenn Ihr „Ich“ sagt, oder ob Ihr nicht dasselbe meint.
Ich habe inzwischen den Eindruck, daß Du Christians oben zitiertem Satz im Grunde zustimmst. Irre ich mich?


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 23:53:00 MESZ

Liebe Ingrid, meint Christian Clement immer dasselbe, wenn er vom „Ich“ spricht? Ich bin nie sicher, ob er dasselbe meint wie ich, wenn irgendetwas gesagt wird. Der Deutlichkeit halber: Das Ich ist wie alles Geistige in reinster Tätigkeit. Dem Satz „Das Wort ‚Ich’ bezeichnet eine Tätigkeit“ kann ich wiederum bereits nur begrenzt zustimmen – nämlich nur, wenn mitgedacht wird (!), dass das Ich zugleich Wesenskern des Menschen ist. Eine „tätige Instanz“ würde es besser treffen. Zugleich kann „Tätigsein“ auch bedeuten, ganz und gar durchlässig zu werden, um einem höheren Wesen die Möglichkeit zu geben, sich zu offenbaren usw. Man muss hier außerordentlich differenzieren. Du weißt ja, wie sehr Steiner alle Definitionen ablehnte – mit Recht.

Diskussion mit Stephan Birkholz I

Stephan Birkholz - Montag, 30. März 2015 um 23:32:00 MESZ
Liebe Ingrid,
genau an diesem Punkt der illusionär vorgestellten Grenzen vermute ich auch eines der Hauptprobleme;
darum habe ich beispielsweise in diesem Post das Beispiel der Verdauungskräfte im Magen/Darm erwähnt - weil man ja meinen könnte, dass diese Kräfte ganz im Magen eingeschlossen sind, tatsächlich aber weit über das Menschenwesen hinaus in Engelssphären reichen...


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 00:09:00 MESZ

Eben, Herr Birkholz. Der Mensch wird bis in seine Verdauungskräfte hinein bzw. schon von diesen an von den Engelssphären getragen. Oder wollen Sie damit sagen, schon die Verdauungskräfte konstruieren einen Engel?

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 00:24:00 MESZ
Nein, das habe ich nicht gesagt (und konstruieren schon garnicht) - aber Sie wollen ja auch nicht behaupten, dass Sie selbst über gar keine physische Existenz verfügen, weil alles von Engeln bewirkt und getragen ist.
Ich glaube, Ihnen fehlt es einfach nur an der Fähigkeit, die Dinge aus unterschiedlichen Blickrichtungen zu betrachten.
Sie verharren lieber angstvoll in menschlicher Perspektive, den Blick streng und unabweichlich auf die geistige Welt (oder das was Sie dafür halten) gerichtet, anstatt sich auch mal zur Perspektive der geistigen Welt auf den Menschen aufzuschwingen...


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 00:51:00 MESZ

Herr Birkholz, anstatt dass Sie jetzt erneut anfangen, mich psychologisch zu interpretieren, klären Sie mich doch lieber einmal über die Perspektive der geistigen Welt auf den Menschen auf. Vielleicht folge ich diesem Ihrem Aufschwung ja gerne?

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 01:05:00 MESZ
Was Herr Clement bei Ihnen nicht schafft (Ihren Blick über den ihnen-eigenen Tellerrand hinauszuführen) werde ich bestimmt erstrecht nicht schaffen...
//
Und zur wiederholten Erinnerung:
Mit der Psychologisiererrei im Kontext auch meiner Äußerungen auf Ihrer Seite haben Sie angefangen (und fahren immer noch damit fort).
Ich versuche nur rein psychologisch Verständnisansätze für Ihr läppisches, zeitverschwenderisches Treiben zu finden.
Seien Sie froh, dass ich es auf rein psychologischer Ebene versuche und keinen karmischen Blödsinn dazu konstruiere!


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 01:15:00 MESZ

Herr Birkholz – schön, dass Sie Herrn Clement so wunderbar über alle Tellerränder folgen können! Mal eben die Perspektive eines Engels einnehmen oder gar einen solchen konstruieren! Oder zu glauben, Clement, Schelling, Fichte, Steiner oder die Anthroposophie verstanden zu haben. Das scheint Ihnen ja so leicht zu fallen wie die Verdauung. Ich gratuliere Ihnen ganz außerordentlich. Dann dürfen Sie mich selbstverständlich auch weiterhin beurteilen und für völlig beschränkt halten. Fühlen Sie sich völlig frei.

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 01:25:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen,
wenn es darum geht, andere in ihren moralischen Qualitäten zu beurteilen, dann nehmen Sie nicht nur  mal eben die Perspektive eines Engels, sondern Sie nehmen mal eben die Perspektive des höchstpersönlichen Weltenschöpfers ein!
Da versuche ich doch lieber mit meinem begrenzten Intellekt und Verstand dem Herrn Clement in einigen seiner Gedanken zu folgen um zumindest Gedanken davon zu entwickeln, wie die Perspektive auf den Menschen von Seiten der geistigen Welt denn zumindest gedacht werden könnte...


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 01:41:00 MESZ

Herr Birkholz, Sie können ja meine ganzen Gedanken zur Ehrfurcht erst einmal weglassen und nur die übrigen Fragen ernst nehmen, dann bleibt, meine ich, immer noch genug übrig. Ganz auf der akademischen, ehrfurchtslosen Ebene müsste Herr Clement dann einmal beantworten, welches Ich welchen Engel konstruiert und wie das mit Rudolf Steiner in Übereinstimmung gebracht werden kann. Und weil Sie mir den Tellerrand vorwerfen, dürfen Sie mir nach wie vor einmal erläutern, wie Sie es bisher geschafft haben, mit Clement mitzudenken.

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 02:00:00 MESZ
Nichts leichter als das:
Ich habe es geschafft mit Clement mitzudenken, weil ich nicht (wie Sie und wie von Herr Clement gerade erwähnt) dem Entweder-Oder-Alles-Oder-Nichts-Prinzip verhaftet bin.
Ich kann manches mit Herr Clement mitdenken und manches auch nicht annehmen.
Beispielsweise haben die von Herr Clement als 'naiv-realistisch' eingestuften bildhaft-immaginativen Anschauungen der geistigen Welt (beispielsweise der Engelkonkretheiten) einen Wert, denn ich niemals einer intellektuellen Anschauung opfern würde und ich ganz persönlich meine auch (im Gegensatz zu Herr Clement, wenn ich ihn nicht falsch verstanden habe), dass durch ein wirkliches intensives Leben mit diesen naiv-realistischen immaginativen Konkretheiten der Naive Realismus allein dadurch überwunden wird, dass die geistige Welt dadurch so sehr zur erlebten Wirklich-/samkeit wird. Ich glaube nicht, dass die kritische Betrachtung unbedingt für jeden Menschen notwendig ist, um weiter in geistiger Richtung fortschreiten zu können - aber ich meine, dass es für unterschiedliche Menschen(typen) jeweils angemessene Wege gibt...


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 02:34:00 MESZ

Lieber Herr Birkholz, es geht doch nicht darum, ob man an dem konkreten Engel-Bild haftet (wenn es überhaupt ein Bild ist, zunächst ist es nur ein Wort, und Sie können doch überhaupt nicht sehen, was der Einzelne damit verbindet) oder nicht, sondern um konkrete Aussagen Clements: Aus der Perspektive des Ichs konstruiert das Ich den Engel – der ohne das Ich gar nicht da wäre. Es geht hier nicht darum, ob man es imaginativ-bildhaft lässt oder nicht, sondern um das, was hinter einer solchen Aussage steht – und wie man diese mit oder ohne imaginativem Gehalt denken kann, und zwar in Übereinstimmung mit Steiner. Können Sie das? Oder können Sie Clement nur glauben, dass es, in Übereinstimmung mit dem deutschen Idealismus so sei? Worauf es mir ankommt, dass er ganz konkret anhand von Steiner deutlich macht, woher er das hat, was er an Thesen aufstellt. Mal eben formulieren, dass man statt „Die höheren Wesenheiten tragen das geistige Menschenwesen“ auch sagen kann „Das Ich konstruiert die höheren Wesenheiten“, das kann ich auch! Ich kann es sogar denken – warum nicht? Aber damit ist es nicht getan. Sondern die Frage ist: Wie sind die wirklichen Verhältnisse, wenn man in das geistige Erleben hineinkommt? Und die andere Frage: Was kann man wirklich mit Aussagen, Worten, Texten Steiners belegen – und ab wann werden es bloße Thesen Clements, die er nicht wirklich beweisen kann oder will? Sagen und sogar mitdenken kann man viel – aber das ist hier nicht die Frage.

Diskussion mit Stephan Birkholz II

Stephan Birkholz - Montag, 30. März 2015 um 23:39:00 MESZ
Mir persönlich würde besonders dann angst und bange werden, wenn Herr Niederhausens Weltbild am Ende aller Tage über die moralische Integrität der Mitmenschen zu entscheiden hätte...


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 23:57:00 MESZ

Lieber Herr Birkholz, das beurteilt glücklicherweise immer noch allein die geistige Welt – und jeder Mensch selbst, wenn er nach Überschreiten der Todesschwelle klarer sieht als jemals zuvor, in inniger Verbindung mit dem Herrn des Karma.

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 00:08:00 MESZ
Ja natürlich, GLÜCKLIICHERWEISE!
Aber Moralprediger wie Sie haben eben bei manchen Menschen unter Umständen mit einen gewissen Einfluss darauf, wie klar man nach dem Überschreiten der Todesschwelle sehen kann...
Säkulare Arroganz ist mir im Gegensatz zu heiliger Arroganz geradezu sympathisch...


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 00:23:00 MESZ

Das mit dem Einfluss gilt vice versa, Herr Birkholz. Und was klar sehen heißt, werden auch Sie erst nach der Todesschwelle wirklich erfahren. Oder wollen Sie selbst bei dieser Frage noch Arroganz zeigen?

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 00:38:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen,
ich begleite seit über zwanzig Jahren (mindestens 1x/Monat bis mehrmals täglich) Menschen bis an die schwelle des Todes (im Sterben) und oft auch Tage darüber hinaus.
Das kann über Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, oder Wochen gehen.
Sie können getrost annehmen, dass ich mittlerweile eine gaaaanz leise Ahnung davon bekommen habe, welche Geisteshaltung in diesem Kontext angemessener ist und welche wenigert.
Aber in einem bin ich mir aaaaaabsolut gaaaaaanz sicher:
Aufgeblasene Heiligtuerei wie ich Sie bei Ihnen erlebe (erlebe!), versinken im Angesicht dieses Mysteriums in der vollkommenen Bedeutungslosigkeit...


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 00:56:00 MESZ

Lieber Herr Birkholz, wenn Sie diesem Mysterium so nahe sind, dann kann ich mich nur noch mehr wundern. Haben Sie wenigstens diesem Mysterium gegenüber Ehrfurcht? Oder ertragen Sie es nur nicht, wenn man versucht, eben diese Ehrfurcht auch in das übrige Leben oder zumindest den Umgang mit der Anthroposophie hineinzutragen? Was für ein Problem haben Sie damit genau? Vielleicht sind wir jetzt endlich einmal an einem wichtigen Punkt?

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 01:08:00 MESZ
Ja, großer Mysterienpriester, selbstverständlich habe ich diesem Mysterium gegenüber Ehrfurcht!
Und zwar immer genau die, die Sie von mir erwarten!
[Ich hoffe, dass Sie das am Ende meiner Tage berücksichtigen und an entsprechender Stelle ein gutes Wort für mich einlegen]

Michael Eggert - Dienstag, 31. März 2015 um 01:14:00 MESZ
Dann schaut der Herr des Karma den Herrn Niedersachsen, von Engeln getragen, im jubilierenden Chor der Erzengel (zu seinen Füßen die Schoß Hündchen Luzi und Ahriman); und spricht: Scheiße, Herr Niederhausen, Thema verfehlt, setzen.

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 01:18:00 MESZ
Aber ich kann Ihnen auch ernsthaft antworten:
Der Weg bis zur Schwelle des Todes ist alles andere als von der von Ihnen ersehnten Reinheit geprägt. Da zerfällt der physische Leib oft (beispielsweise bei einer Carzinomerkrankung) schon Monate vor dem eigentlichen Übergang in die reine geistige Welt (und dazwischen ist dann ja auch noch Kamaloka etc.).
Der Weg ist der Weg in die Reinheit unter Verwandlung aber auch Abwerfen und Zurücklasen von 'unreiner' ('unreiner' in Anführungszeichen) Erdenschwere.
Bei Ihnen habe ich eben den Eindruck (wie gesagt 'Eindruck'!), dass Sie die Reinheit nicht nur mit der Gieskanne über die Welt ausgießen wollen, sondern geradezu Ihre Mitwelt nach dem Grad moralischer Reinheit beurteilen und den eigentlichen, mühe- und schmerzvollen Weg umgehen wollen...


Holger Niederhausen- Dienstag, 31. März 2015 um 01:31:00 MESZ

Ja, Herr Birkholz – so geht das dann. Vor diesem entscheidenden Punkt kann man dann nur ausweichen. Und von Herrn Eggert kommt dann auch prompt die Antwort, die man von ihm erwartet hat. Null Toleranz. Keine Ehrfurcht. Und nicht ein bisschen Mut, über diesen Punkt zu sprechen. Aber dafür ist der Blog „sehr offen“ – für jeden Spott und jedes Persönlichwerden. Muss ich jetzt ebenfalls sagen, dass ich „diese Offenheit sehr schätze“ – oder ertragen Sie es, wenn irgendjemand auch einmal sagt, was diesem Blog absolut fehlt? Oder fehlt es nur, wenn ich da bin? Merken Sie eigentlich auch (Stichwort Perspektivwechsel), dass nur Sie, Herr Eggert und Herr Birkholz und evtl. Herr Clement mich so völlig einseitig beurteilen? Diese ständigen Vorurteile von „Herunterbeten anthroposophischer Vokabeln“ sind doch selbst nur ein Herunterbeten von flachsten Beurteilungen. Da, wo es konkret wird oder wo ich wieder und wieder nachhake, kommt einfach nichts – zuletzt flüchtet man sich dann eben in Spott, das ist immer die letzte Reaktion. Schauen Sie sich die ganze Diskussion des heutigen Tages noch einmal an. Wenn das nur „Herunterbeten anthroposophischer Vokabeln“ und „aufgeblasene Heiligtuerei“ gewesen sein soll – dann will ich dieses Urteil mal von all jenen hören, die sich nicht beteiligt haben oder die dieses Urteil bisher nicht gefällt haben. Nochmals – tun Sie doch nicht so, als wären SIE die moralische Instanz der Welt. Dann wären Sie genau wieder bei dem, was Sie mir vorwerfen. Ich aber vertrete hier nur einen dezidierten Standpunkt, stelle Fragen, Nachfragen, nochmals Fragen – und warte auf Antworten, und zwar intelligente und sachbezogene Antworten. Ich hatte die Diskussion verweigert, und nun bin ich der Einzige, der wirklich bis zu Ende diskutieren will. Eine seltsame Welt ist das...

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 01:41:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen,
es tut mir leid, aber 'bis zu Ende diskutieren wollen' wollte ich als Teenager - im Erwachsenenalter halte ich das (wie vor Tagen bereits erwähnt) für VOLLKOMMEN INADÄQUAT ...


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 01:50:00 MESZ

Ihre letzte ernsthafte Antwort zur Schwelle des Todes habe ich vorhin noch nicht gesehen. Sie haben also den Eindruck, ich wolle meine Mitwelt nach ihrer moralischen Reinheit beurteilen und den eigentlichen, mühe- und schmerzvollen Weg umgehen. Was meinen Sie damit genau?

Ich halte einen ehrfurchtlosen Zugang in die Anthroposophie für unmöglich – und das vertrete ich entschieden. Ich beurteile Sie oder andere nicht nach ihrer moralischen Reinheit, mein Urteil bezieht sich ausschließlich auf die Frage, ob Sie mit einer ehrfurchtlosen Haltung einen wirklichen Zugang zur Anthroposophie finden – und meine Antwort darauf ist: Nein, den werden Sie dann nicht finden. Wenn Sie ein Problem mit diesem Urteil haben, können Sie es mir sagen. Es darüber hinaus interpretieren, entspricht nicht mehr den Tatsachen.

Und den eigentlichen mühevollen Weg umgehen wollen – was meinen Sie nun damit genau? Dass der physische Leib in Zerfall gerät, ist nun einmal der Weg hin zum Tod. Was hat das mit der konkreten Frage zu tun? Mit dem Moralischen? Mit meiner Person? Mit Ihrem Urteil über mich?

Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 01:57:00 MESZ

"bis zu Ende..." - Dann nennen Sie es, „sich vor den entscheidenden Fragen drücken“ oder wie Sie wollen, wie es Ihnen möglichst erwachsen klingt – Sie wissen doch, Perspektivwechsel. Es geht darum, dass Sie mir nicht Dinge vorwerfen können und dann an irgendeiner Stelle, wo endlich einmal ein entscheidender Punkt berührt zu werden scheint, sich in Spott oder woanders hin flüchten. Oder wollen Sie Versteck spielen (das wäre nicht einmal Teenager-Ebene)? Meine Lebenszeit ist mir zu kostbar, um nicht zumindest an bestimmten Stellen auf den Punkt zu kommen.

[Einige weitere Kommentarwechsel zur Kürzung ausgelassen]

Stephan Birkholz - Dienstag, 31. März 2015 um 22:09:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen,
ich habe nur versucht Ihnen zu verdeutlichen, weswegen ich mit dem von Ihnen geforderten eigentlichen Punkt nichts anfangen kann: Für mich ist Wahrheit nicht punktförmig, sondern besteht mehr in ausgedehnter Harmonie und Kongruenz von Seinsformen.
Kurz: Ich halte den eigentlichen Punkt auf den Sie kommen wollen für eine reine Schimäre...
Mal versuch ich' s krass, mal sachlich auszudrücken - aber wenn ich sage, dass mich nicht interessiert ob Sie recht haben, sondern ich Ihren mentalen Duktus interessant finde, dann meine ich das nicht beleidigend, sondern es drückt ein bestimmtes Interesse an Ihnen aus mit der Frage: 'Wie könnten Kongruenzen mit diesem Menschen aussehen, ohne dass sich Freund oder Feind an einem (von Steiner definierten) zentralen Punkt entscheiden?'...
[Und das sind wir wieder bei GA 10: Die Wahrheit besteht nicht in einer Wahrheit, sondern im Zusammenstimmen aller Wahrheiten]


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 23:16:00 MESZ

Lieber Herr Birkholz, wenn Sie es so ausdrücken, dann kann ich Sie verstehen. Aber Sie sehen das als Ihren Standpunkt nicht wahr? Und Sie gestehen mir trotzdem den meinen zu, nicht wahr? Und vielleicht können Sie sogar akzeptieren, dass Sie mich ebenso belehren wollen, wenn Sie mir manches „zu verdeutlichen versuchen“, aber nicht immer dazu sagen, dass SIE mit dem von mir – nicht so sehr geforderten wie vertretenen – Punkten nichts anfangen können. Wenn ich fortwährend zu Ihnen sagen würde: „Bei Ihnen habe ich immer den Eindruck, dass...“ und dann kommt etwas offenkundig Negatives, Deutendes, Psychologisches etc. etc., wie würden Sie sich fühlen? Wäre es nicht ehrlicher zu sagen: „Hören Sie mal, Herr Niederhausen, bei mir geht’s ganz gut ohne Ehrfurcht“ oder was auch immer?

Denken Sie, bei mir ist die Wahrheit punktförmig? Das sind schon wieder Urteile, bloß weil ich bestimmte Punkte betone. Es ist übrigens nur einer von vielen Punkten oder Sphären und Seinsformen, es gibt noch andere, die auch mehr oder weniger notwendig sind und sogar die Harmonie befördern könnten! Aber auch Sie betonen doch manches wiederholt. Und war Ihnen nicht zum Beispiel die Frage der Trinität wichtig gewesen? Wie wäre es gewesen, wenn beim zweiten Nachfragen Herr Eggert Ihnen über den Mund gefahren wäre – wegen dem „dogmatischen Quatsch“? Oder wegen „punktförmiger Wahrheit“? Ist Ihnen auch diese Frage dann nicht mehr so wichtig gewesen? Wie ist es mit dem Zusammenstimmen aller Wahrheiten, wenn einem dogmatischer Quatsch oder Kult-Anthroposophie vorgeworfen wird? Das sind für mich ebenfalls sehr entscheidende Fragen.

Diskussion mit Clement

Abends am 30. März stellte Clement auf Eggerts Anregung seinen von Schelling ausgehenden Kommentar noch einmal als eigenen Post auf den Blog.


Holger Niederhausen - Montag, 30. März 2015 um 22:28:00 MESZ

Lieber Herr Clement, da nun nochmals ein eigener Post eröffnet wurde, wiederhole ich auch hier noch einmal meinen Kommentar und meine Frage:

Hat es Methode, dass Sie den entscheidenden Fragen ausweichen? „Geisteswissenschaft müsste...“, eine interessante Formulierung. Wenn es denn wahr wäre, was Sie sagen: „Aus der Perspektive des Ich erscheint der Engel...“. So ist es aber nicht – und das könnten Sie bei Steiner selbst finden, wenn Sie es denn wollten. Wenn das Ich erkennend in die geistige Welt eintritt, schaut es, indem es angeschaut wird. Hier noch von Konstruktion und Hervorbringung zu sprechen, ist sinnlos und sinn-entstellend.

Rudolf Steiner schildert, nicht als „geisteswissenschaftliche Konzeption“, sondern als reale Geistesschau, genau das Umgekehrte: Das unsterbliche (!) Menschenwesen ist von den höheren Geistwesen abhängig und wird von ihnen getragen.

Nehmen Sie bitte dazu Stellung – nicht durch Verweis auf das Anknüpfen Steiners an Fichte/Schelling, sondern unter Bezug auf Steiner selbst.

Oder können Sie nur Bezug auf das Alte Testament nehmen und Rudolf Steiners Sprechen von höheren Wesenheiten mit der wunderbaren Brotvermehrung vergleichen?

Felix Hau - Dienstag, 31. März 2015 um 00:07:00 MESZ
Guckstdu oben, Herr Niederhausen. Da findest du mehrere Verweise auf Steiner selbst.


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 00:48:00 MESZ

Sie habe ich nicht gefragt. Oben finde ich den Verweis auf die „Geheimwissenschaft“, die dem entspricht, worauf ich hinweisen möchte – wie auch Peter Staudenmeier und andere – und dann bloß wiederum einen Verweis auf die Ich-Philosophie, die Steiner zwar als Versuch in eine richtige Richtung (nämlich die geistige Welt) bezeichnete – und wer wollte das abstreiten –, zugleich aber auch kritisierte. Wie das Erleben in der geistigen Welt sich wirklich gestaltet und was sich dem Geistesforscher ergibt, davon konnte die Ich-Philosophie nichts wissen. Deswegen werde ich nicht müde zu wiederholen: „Aus der Perspektive des Ich (oder der Ich-Philosophie)...“, das ist bloße Fortsetzung von etwas, was abstrakt in Richtung Steiner weitergedacht wird – aber es stimmt nicht. Das Ich des Geistesforschers ist in der Lage, nicht „seine“ Perspektive einzunehmen, sondern die richtige Perspektive zu erleben, sprich: die Wirklichkeit.

Lesen wir noch einmal nach bei dem von Herrn Eggert so geschätzten Georg Kühlewind:

Bei den Engelwesen ist nur ein Atemzug: Sie sind Gottes Atem – ein Ausatmen –, und dieser Atem weht durch sie und wird moduliert durch das Individuelle in ihnen, das selbst auch Gottes Atem ist. [...] In der geistigen Welt, zwischen Tod und neuer Geburt ist der Mensch gewissermaßen wie die Engelwesen. Da ist ein anderes Atmen wirksam, wenn auch das Sich-Lösen vom Körper und das Sichvorbereiten in die nächste Inkarnation das beschriebene eintaktige Atmen modifizieren [...].
Kühlewind, Die Erneuerung des Heiligen Geistes, S. 89f.


Ein Engelwesen wird nicht glauben, es konstruiere Gott – sondern es lässt Gottes Atem durch sich hindurchwehen. Aus Gottes Perspektive ist der Engel Gottes Atem – und aus der Perspektive des Engels ist er, der Engel, dies auch. Die Ich-Philosophie hat zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder größenwahnsinnig werden oder aber versuchen, in voller Freiheit und Bewusstheit zu dem aufzusteigen, was die Engel und die höheren hierarchischen Wesen tun.

Christian Clement - Dienstag, 31. März 2015 um 01:26:00 MESZ
Lieber Herr Niederhausen, macht es Sie nicht stutzig, dass Sie sich jetzt schon mehrfach ausgerechnet auf Peter Staudenmaier berufen mussten, um jemanden zu finden, der Ihre naiv-realistische Weise der Steinerdeutung teilt?
Sie sehen offenbar einfach nicht, was anderen hier ganz deutlich vor Augen steht: dass Steiner auf mehreren Ebenen spricht, mal eigentlicher, mal uneigentlicher. Und dass das Reden vom "Engel" ganz offensichtlich uneigentlich gemeint ist. Der Engel ist ein Bild aus der jüdisch-christlichen Mythologie, dessen sich Steiner bedient hat, damit schlichtere (zumindest christliche) Gemüter sich zumindest etwas bei seinen Worten denken können.
Es ist ja völlig in Ordnung, in solchen Bildern zu reden, man kann damit viel erreichen, nur sollte man sich, zumindest wenn man Steinerforschung betreibt, dessen bewusst sein.
Sie sind offenbar auch nicht in der Lage, einen dialektischen Widerspruch als solchen zu denken, sondern fordern penetrant nach Auflösung. "Schafft nun der Engel das Ich, oder das Ich den Engel?" So fragt das naive unbewegliche Entweder-Oder-Denken; die Philosophen haben das schon lange hinter sich gelassen. Sie anscheinend nicht, und deshalb verstehen sie nicht, wovon wir hier eigentlich reden. Ist ja in Ordnung, die wenigsten können das, nur schieben Sie mir nicht die Schuld dafür zu. Ich kann nicht dafür, dass Steiner aus dem deutschen Idealismus hervorging.


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 02:08:00 MESZ

Oha, Herr Clement – jetzt sind Sie aber Oberlehrer und Moralapostel in einem! Sagen Sie mal, wovon reden wir hier eigentlich? Es ist ja völlig in Ordnung, dass Sie nicht an Bildern aus der jüdisch-christlichen Mythologie haften wollen. Nur, wenn Sie das nicht tun, dann reden Sie doch bitte einmal Klartext – sprich: ohne Bilder. Wer oder was ist das Ich? Wer oder was ist das, was Steiner „Engel“ nennt? Wer konstruiert wen oder was? Und was ist damit ganz genau gemeint? Vielleicht können Ihnen ja alle folgen – wenn Sie denn endlich einmal aussprechen würden, was genau Sie sagen wollen.

Insofern Steiner sich des Wortes „Engel“ bediente, hat er nie gesagt und geschrieben, dass das, was er mit dem „Ich“ bezeichnete, das Erstere konstruieren würde. Wenn Sie nun die Worte und die damit zusammenhängenden Bilder weglassen wollen – bitte schön. Dennoch müssen Sie ja nachweisen, was Steiner meinte, also auch sagte und schrieb – zumindest, wenn Sie bei Steiner bleiben wollen und nicht einfach zurück zum deutschen Idealismus springen. Bisher höre und lese ich immer nur Ihre Thesen – aber keine wirklichen Belege. Ob mit oder ohne jüdisch-christliche Mythologie/Bildsprache – ich warte auf Ihre Antworten.

Wenn irgendjemand hier im Blog Ihnen ganz genau folgen konnte – und zwar mit völlig klarem Bezug zu Steiner –, kann er sich ja äußern. Ansonsten halte ich es nicht gerade für wissenschaftlich-kritisch, sich hinter einem „Wir“ zu verstecken und mich isoliert in eine Ecke zu stellen. Damit schaffen Sie nur neue Bilder, die auf ihre Weise vielleicht eine Wirklichkeit konstruieren und schaffen, aber nur, wenn man Ihnen naiv genug zuhört und gläubig folgt.

Tun Sie nicht so, als sei man schon deshalb naiv, weil man die Worte „Engel“ usw., genau wie Steiner, verwendet, sondern gehen Sie auf die Fragen ein, die gestellt worden sind.

Christian Clement - Dienstag, 31. März 2015 um 02:24:00 MESZ
Nein, lieber Herr Niederhausen. Meine Bemerkungen waren weder moralisch noch belehrend. Ich habe Ihnen einfach nur offen gesagt, dass ich den Eindruck habe, dass Sie nicht dialektisch denken können. Vielleicht liege ich ja falsch; dann belehren Sie mich durch Taten eines Besseren.
Was ich vom Ich denke, schreib ich Ihnen gern. Aber jetzt mach ich erstmal meiner lieben Frau was zu essen, und dann antworte ich. Sie können erstmal eine Mütze voll Schlaf nehmen und es dann morgen zum Frühstück lesen. Einverstanden? Gute Nacht.


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 02:42:00 MESZ

Lieber Herr Clement, ich bin gespannt auf morgen. Dialektisch denken ist relativ leicht. Ob man sich mit jedem dialektischen Denken aber noch in der Wirklichkeit befindet und insbesondere auch in Übereinstimmung mit Rudolf Steiner, das ist die entscheidende Frage, die hier an einem sehr konkreten Beispiel gestellt ist. Ich folge Ihnen nicht in allem, bloß weil Sie dialektisch denken. Ich will sehen, dass Sie belegen können, wie Sie damit Steiner deuten. Gute Nacht.

Christian Clement - Dienstag, 31. März 2015 um 04:14:00 MESZ
Engel und Ich (I/II)
Guten Morgen, lieber Herr Niederhausen, anbei einige Gedanken über das "Ich" und den "Engel" und wie Steiner sich desen Verhältnis meiner Meinung nach gedacht hat. Damit wir ganz orthodox bleiben, zunächst ein Zitat aus SKA 5 (Die Mystik):
"Ich lebe also ein Doppelleben: das Leben eines Dinges unter anderen Dingen, das innerhalb seiner Körperlichkeit lebt und durch seine Organe das wahrnimmt, was ausser dieser Körperlichkeit liegt; und über diesem Leben ein höheres, das kein solches Innen und Aussen kennt, das überspannend über die Aussen|welt und über sich selbst sich dehnt. Ich werde also sagen müssen: einmal bin ich Individuum, beschränktes Ich; das andere Mal bin ich allgemeines, universelles Ich."
Nach Steiner muss also das "Ich", ganz wie er es bei Fichte kennengelernt hat, einerseits als individuelles Wesen unter anderen Wesen (als individuelles Selbstbewusstsein, welches sich selbst erschafft, indem es sich wahrnimmt bzw. umgekehrt) und zugleich als universelles Wesen gedacht werden. Ganz dialektisch also.
"Wesen" ist eigentlich schon ungenau ausgedrückt. Ebenso Steiners Formulierung "Ding" unter andern Dingen. Denn das Ich ist für Steiner reine Tätigkeit. Sich ein "Ich-Wesen", gar einen "Wesenskern" zu denken, an dem Tätigkeit bloß vorkommt (der somit auch nicht tätig sein könnte), ist schon ein Bild, welches den reinen Begriff des "Ich" verwässert. Das Ich IST (bei Steiner wie bei Fichte) reine Tätigkeit und nichts als Tätigkeit; nicht etwa ein "Ding", ein "Etwas" welches tätig wäre. Der Begriff des "Ich" bei Steiner verwehrt sich gegen jegliche Verdinglichung, darum ist er ein so schöner Ausgangspunkt für das lebendige Philosophieren. Das individuelle "Ich" ist somit nicht zu verwechseln mit "Seele", "Persönlichkeit" etc. etc.. Es ist nichts anderes als das, was es tut.
So verstehe ich Steiners Begriff vom "individuellen Ich"; Zitate werden Sie mir ersparen, schlagen Sie einfach "Wahrheit und Wissenschaft" auf jeder beliebigen Seite auf.
(Fortsetzung folgt.)

Christian Clement - Dienstag, 31. März 2015 um 04:18:00 MESZ
Engel und Ich (II/II)
Nun zur universellen Seinsweise des "Ich". "Universell" müssen wir schon, wie ich meine, ganz ernst nehmen; universell heißt: nicht bloß nur ein "höheres" "geistigeres" Individual-Ich über dem individuellen Ich-Bewusstsein, etwa ein "höheres Selbst" unter anderen "höheren Selbsten". Wenn es ein "universelles" Ich gibt, kann es nur ein einziges geben. (Müssen wir auch nicht nachweisen, oder? Ergibt sich logisch aus dem Begriff "universell", und aus der Formulierung "es kennt kein Innen und Aussen". Andere "universelle Iche" müssten ja außerhalb gedacht werden.).
Wenn somit diese zweite Seinsweise des "Ich" universell ist und zugleich, wie ebenfalls im Begriff des "Ich" liegt", reine Tätigkeit ist, so folgt: Das universelle Ich ist die universelle Tätigkeit, d. h. der "Gott" der Religionen, der "unbewegte Beweger", das "Absolute" der Philosophen, der "logos" des NT, der "am Anfang war" und "aus dem alle Dinge hervorgehen". Alle Welten, alle Individual-Iche, alle Engel usw. usw.
Soweit Steiner. Das "Ich" ist Individual-Ich (also, per definitionem, Ergebnis der natürlichen Weltentwicklung ) und zugleich Universal-Ich (also, per definitionem, Ursprung, Grund und Medium der natürlichen Weltentwicklung). Man halte fest: nicht zwei "Iche", ein individuelles und ein universelles (also hinweg mit dem alten Bild von der "Seele" und von "Gott")! Sondern ein "Ich", welches zugleich beides ist, Vater und Sohn, universell und individuell. Bzw., genauer: ein universelles "Ich" welches, insofern es Individual-Ich ist, sich als in Individual-Ich und universelles Ich getrennt erscheint.
Im mythischen Bild: Gott der "Vater" (Universal-Ich) und der "Menschensohn" (Individual-Ich) sind eins.
Da kommt das Entweder-Oder-Denken natürlich nicht mehr hinter her; den Gedanken muss man, um ihn wirklich zu denken, dialektisch erfassen.
Vor diesem Hintergrund kann ich jetzt meine These noch einmal formulieren: DAS ICH (insofern es Individual-Ich ist) WIRD VOM ENGEL HERVORGEBRACHT. (Genauer: vom Universal-Ich, wobei das Bild des "Engels" Verbildlichung für einen gewissen Aspekt der universellen Schöpfungstätigkeit ist.) Und zugleich: DER ENGEL WIRD VON ICH (insofern es universelles "Ich" ist) HERVORBEGRACHT.
Ausserdem wird, gewissermaßen als mikrokosmisches Bild dieses makrokosmischen Vorgangs, auch der Begriff des "Engels" von der Denktätigkeit des individuellen "Ich" hervorgebracht.)
Soweit erstmal. Können Sie soweit mit mir mitgehen?


Diese Deutungen und Thesen Clements widerlegte ich dann am 31. März ausführlich in einem eigenen Aufsatz.

Daraufhin gab es auf dem Eggert-Blog zunächst einmal folgenden Ausklang:

Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 19:40:00 MESZ

Lieber Herr Clement, ich habe Ihre Thesen ausführlich mitgedacht und untersucht – und konnte in der Frage, ob diese mit Rudolf Steiner zusammenstimmen, wiederum nicht mitgehen. Ich habe Ihnen in einer ausführlichen Widerlegung detailliert geantwortet. Aus Platzgründen müssen Sie dazu wieder meine Webseite besuchen: www.holger-niederhausen.de/index.php.

Michael Eggert - Dienstag, 31. März 2015 um 21:10:00 MESZ
Herr Niederhausen, ihre irrelevanten dogmatischen Belehrungen nehmen inzwischen in diesem Blog zu viel Platz ein. Ich vermute, dass Sie sich einfach als "Kritiker" profilieren und das Interesse an Christian Clements Arbeiten nutzen wollen. Nehmen Sie sich bitte zurück und unterlassen Sie das Kopieren der Threads dieses Blogs.

Christian Clement - Dienstag, 31. März 2015 um 21:26:00 MESZ
Herzlichen Dank, lieber Herr Niederhausen, für Ihr detailiertes Eingehen auf meine Skizze. Ich werde den Text ausführlich lesen, und andere werden es hoffentlich auch tun, und vielleicht wird ja so in der Spannung zwischen der Clementschen und der Niederhauseschen Position etwas in Bewegung gebracht, was am Ende die Steinerforschung oder wenigstens die Steinerforscher weiterbringt.
Wenn wir in der Tat (wie Sie so schön betonen) alle Individual-Iche sind (auch wenn wir, wie ich herausstreiche, zugleich alle ein einziges Ich sind), dann sollte es uns ja nicht stören, ja wir sollten es als wünschenswert empfinden, dass jedes Individual-Ich die Anthroposophie Steiners auch in seiner je individuellen Weise auffasst und wiederspiegelt.
Ihre Texte machen auf mich bisweilen den Eindruck, dass Sie das anders sehen und dass Ihr Erkenntnis-Ideal darin besteht, dass am Ende alle Steiner auf dieselbe (nämlich die von Ihnen vertretene) Weise verstehen. Das mag bloß ein subjektiver Eindruck sein, und ich würde mich freuen, wenn Sie das hier richtigstellen würden. Denn das wäre - so jedenfalls sehe ich die Sache - genau das Gegenteil von dem, was Rudolf Steiner sich gewünscht und erhofft hat. Eine Anthroposophie, die nicht als lebendige und in jedem Menschen andere, individualisierte aufträte, sondern als ein in EINE Darstellung und EINE Auslegung gepresstes Begriffssystem, wäre wohl der Tod des geistigen Impulses, den Steiner setzen wollte.
O-Ton 1894: Man muss sich der Idee (auch der anthroposophischen) als HERR gegenüberstellen, sonst gerät man unter ihre KNECHTSCHAFT.


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 23:18:00 MESZ

Lieber Herr Clement, ich verstehe nicht ganz, ob Sie meinen Text bereits ausführlich gelesen haben oder noch nicht. Wenn Sie ihn noch nicht gelesen haben, erübrigt sich Ihr Kommentar m.E. zunächst. In jedem Fall geht es weder um eine „Standard“-, noch um eine „Multi-Kulti“-Anthroposophie, sondern es geht um das Lebendigwerden der Anthroposophie im einzelnen Menschen. Da die Anthroposophie selbst auch ein Wesen ist, kann man hier aber auch nicht beliebig vorgehen – das kann man mit allem Möglichen, nicht aber mit Realitäten. Sie wissen ja, dass das Wesen Anthroposophia sich auch zurückziehen kann.

Mein Eindruck ist, dass Ihr Erkenntnis-Ideal darin besteht, dass möglichst viele Menschen Ihre Steiner-Deutung teilen und dass Sie schon eifrig eine Kult-Gemeinde um sich sammeln. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie das wollen (kommt Ihnen das bekannt vor?), aber es geschieht. Deutlich ist jedenfalls, dass Sie bestimmte Anschauungen von Anthroposophie als bewusstseinsgeschichtlich zurückgeblieben betrachten. Ob das, was heute alles so unter Anthroposophie läuft, lebendige Anthroposophie ist, das brauchen wir nicht zu hinterfragen, das ist gewiss nicht so – Sie wissen, dass ich auch diese Position vertrete. Ihrer Deutung jedoch bin ich fundiert und detailliert entgegengetreten – und, ja, ich hoffe wirklich, dass auch viele andere meinen Text ausführlich und genau lesen werden.

Solange Ihre Steiner-Deutung nur Ihre Individual-Auffassung wäre, bräuchte man gar nicht darüber diskutieren – es sei denn, man ist an der Wahrheit interessiert. Aber da auch Sie die Wahrheit ja bereits zu kennen glauben (oder ihr mit Ihrer Deutung am nächsten zu kommen glauben), ist das schwierig. In jedem Fall können Sie auf meine detaillierten Einwände ja wiederum eingehen. Doch nun ist Ihre Steiner-Deutung nicht nur Ihre Individual-Auffassung, sondern Sie verbreiten Sie in einer auflagenstarken kritischen Steiner-Ausgabe und auf dem Egoisten-Blog. Und wie gesagt: Ihre Texte und insbesondere auch diverse Ihrer Blogkommentare vermitteln mir bisweilen den Eindruck, als hätten Sie Anschauungen der Anthroposophie, wie ich sie zu vertreten versuche, am liebsten aus der Welt geschafft. Sie etikettieren Sie jedenfalls immer wieder entsprechend diffamierend.

Nochmals möchte ich betonen, dass die Anthroposophie keine Theorie und kein Steinbruch ist, sondern ein lebendiges Wesen. Als solches wahrhaft aufgenommen, individualisiert es sich von selbst, aber nicht beliebig. Das „jedem seine individuelle Auffassung (!?) der Anthroposophie“ klingt sehr schön, kann aber auch die Waffe zur Zerschlagung der Anthroposophie überhaupt sein. Letztlich interessiert dann gar nicht mehr, was wirklich Anthroposophie ist, denn unter ihrem nominalistisch gewordenen Namen kann dann alles verkauft werden und segeln. Vielleicht gibt es am Ende nur noch Auffassungen und Deutungen, und bestimmte Mächte, die das wollten, lachen spöttisch. Die eigentliche Frage ist also: Woran erkennt man Anthroposophie überhaupt?

Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 23:19:00 MESZ

Herr Eggert – Herr Clement hat sich für mein detailliertes Eingehen herzlich bedankt. Wie kommt es, dass Sie als Gastgeber ihm, dem ich geantwortet habe, vorgreifen, noch dazu mit so unverschämten Plattitüden wie immer? Von Ihnen gewinne ich allmählich den Eindruck, dass Sie es mit der Angst um Ihre neue Kult-Anthroposophie zu tun bekommen.

Meine intensive Präsenz hatte zum einen nur dasjenige Ansinnen, die platten Urteile, die man mir als „Kritiker“ gerade entgegenwarf, ein wenig auszuräumen. Ich selbst hätte nicht gedacht, dass es so viel Mühe kosten würde, überhaupt auf eine normale Gesprächsbasis zu kommen – aber ich habe es gern gemacht, und bin nur etwas erschüttert, dass es auf den ersten Blick so überhaupt keinen Erfolg hatte, jedenfalls bei Ihnen nicht und scheinbar bei Herrn Birkholz auch nicht. Ich wollte, zum anderen, nur auf konkrete Ansatzpunkte hinaus, um wirklich zu verstehen, was Herr Clement eigentlich vertritt. Denn allgemein lässt sich immer alles sehr schön formulieren. Und den meisten reichte das ja in der bisherigen Form offenbar auch. Alles in allem habe ich auf diesem Blog nur auf Vorwürfe reagiert und Fragen bzw. Nachfragen gestellt, bis Herr Clement auf dasjenige einging, was mir an seinen Formulierungen und Thesen unklar war.

Interessant ist, dass mir nun auch von Ihnen „Forderungen“ entgegenschlagen. Wollen Sie, dass ich mich wie Herr Birkholz von Herrn Clement „mitnehmen“ lasse und nur ab und zu eine fromme und brave Nachfrage stelle, ob ich auch alles richtig verstanden habe? Wenn man mir nicht immer wieder die gleichen Ausflüchte und Vorurteile entgegenhält, kann eine Diskussion ja auch viel prägnanter und kürzer ablaufen. Wenn ich aber schon nachfrage, lasse ich mich auch nicht mit Halbheiten abspeisen. Oder muss man das auf Ihrem Blog? Und sich im übrigen nur immer wieder beschimpfen lassen, ohne sich zu wehren bzw. wie gesagt zu versuchen, auf eine menschliche Gesprächsbasis zu kommen?

Das Kopieren von Threads, an denen ich beteiligt war und die ich für wichtig halte, unterlasse ich nur, wenn Sie mir eine stichhaltige Begründung dafür geben – oder darf die größere Welt nicht wissen, was hier geschrieben wird?

Ich werde mich wahrscheinlich wieder ganz, völlig, zurücknehmen. Dann haben Sie Ihren ach so freien, offenen Blog wieder ganz für die, die Ihnen konform genug sind, Herr Eggert. Herr Clement sollte Sie, wenn er auf mich erwidern möchte, einfach um Erlaubnis fragen, ob ich dann auch wieder darauf eingehen darf oder nicht. Und Ihren übrigen Blog-Mitgliedern, die sich in Urteilen über mich und in Blindmunition gegen mich üben wollen, sollten Sie dann ein wenig Zurückhaltung auferlegen, denn sonst würde ich mich aufgerufen fühlen, wiederum zu versuchen, eine normale Gesprächsbasis herzustellen und dann kommen Sie wieder usw. usw. Aber Sie wissen ja, Online-Kamaloka... Sie sind mittendrin.

Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 23:22:00 MESZ

Doch, mit Herrn Birkholz gab es im letzten Post doch wiederum eine Wendung - nur bei Ihnen keinerlei, nichts.

Michael Eggert - Dienstag, 31. März 2015 um 23:28:00 MESZ
Ich möchte nur als Administrator um eine gewisse Ausgewogenheit bitten. Sie machen sich derartig breit - ohne neue Gesichtspunkte beizutragen-, dass andere Kommentatoren in dem von Ihnen ausgebreiteten Wust untergehen oder möglicherweise entmutigt werden, sich überhaupt zu äußern. Ihr Auftreten ist schlicht penetrant.


Holger Niederhausen - Dienstag, 31. März 2015 um 23:39:00 MESZ

Das haben Sie jetzt zumindest im ersten Satz schön gesagt – und das kann ich voll akzeptieren. Für diese Offenheit schätze ich Sie sogar sehr! Dass ich keine neuen Gesichtspunkte beigetragen habe, in jedem einzelnen Kommentar, kann ich nicht akzeptieren – dass es Ihre Meinung ist, sehr wohl (zur Redundanz gehören immer zwei: einer, dem sie untergeschoben wird, und einer, der nichts Neues wahrnimmt, und sei es, ein fortwährendes Ringen – oder geht es hier um eine punktförmige News-Mentalität?). Ich möchte andere Kommentatoren weder untergehen lassen noch entmutigen. Ich hoffe sogar, dass sich der eine oder andere zu diesem oder jenem noch äußern mag. Im Sinne der Positivitätsübung würde ich Sie gerne dazu einladen, das Wort „Penetranz“ in „Gründlichkeit“ umzuwandeln. Aber auch das steht Ihnen – wie immer – frei. Und weil Ihr erster Satz wirklich so schön war, bin ich jetzt weg – übrigens mit einem (erneuten) Schmunzeln. Zeigen Sie Ihre Freude im Sinne der Gleichmut-Übung nicht allzu offen :-)