2017
Das Prinzip von Deutungshoheit und Individualisierung
Entscheidende Unterscheidungen.
Nun kommen wir noch zu einem sehr wichtigen Punkt:
Michael Eggert – 26.01.2017 13:24
Gedankenanstösse sind eben anstössig. Mehr kann und will so ein Blog nicht leisten. Es wäre verwegen und vermessen, eine Deutungshoheit zu behaupten, sich einzubilden oder anzustreben.
Welche Bescheidenheit! Eine Bescheidenheit, die die eigene Praxis zur Lüge werden lässt. Eggert ist von seinen eigenen Deutungen nicht nur überzeugt (das gilt hoffentlich für jeden, solange er nicht bloße Vermutungen oder Fake News verbreitet), sondern er ist so überzeugt, dass er andere Positionen bevormundet („ihr Rest-Demokraten!“) oder lächerlich macht – wie auch die anderen erwähnten Herrschaften. „Deutungshoheit“ muss man nicht außen dranschreiben – man kann sie durch Verspottung und Herabwürdigung der Gegner realisieren.
Das Interessante ist, dass man mir implizit oder explizit den Anspruch der Deutungshoheit nachsagt. Wie kommt man dazu? Weil ich den „Egoisten“ angeblich etwas vorschreiben will? Und Eggert? Will er den „Rest-Demokraten“ etwa nicht vorschreiben, „aufzuwachen“? Ich sehe den Unterschied nicht. Es gibt keinen. Außer dass Eggert mit seiner Mitwelt spöttisch bis herabsetzend umgeht, insofern er ihre Anschauungen verachtet, während ich beschreibe, was ist, und meine Überzeugungen in Bezug auf das Wahrzunehmende und das Notwendige ohne Spott zum Ausdruck bringe.
Eggerts Satz ist nichts als eine weitere suggestive Formulierung, die den Anschein eigener Bescheidenheit erwecken will – und den Anschein der Unbescheidenheit anderer (z.B. H.N.).
Im Spott selbst liegt per se schon eine beanspruchte Deutungshoheit. Ich schrieb in „Spott und Mob“ vor vier Tagen: „Der Spott ist das Krokodil in einem“. Das in einer spottenden Bemerkung eines Bloggers erwähnte Krokodil ist für mich in diesem Satz Bild für die dunklen Gegenkräfte. Der Spott ist ein Teil dieser Gegenkraft, jeder Anthroposoph weiß das. Die Gegenmächte lassen aber nicht frei, das ist ihr Charakteristikum. Der Spötter lässt den anderen Menschen nicht frei – er legt ihn fest, als Karikatur, und damit wird die eigene Deutungshoheit manifest. Sie verwirklicht sich im Moment des Spottens.
Umgekehrt kann die Formulierung einer eigenen Überzeugung noch so absolut sein (klingen) – es bleibt die eigene Überzeugung. Der „Egoist“ sollte wissen, dass Steiner stets so vorgegangen ist: Seine Überzeugungen mit seinem ganzen Sein zu äußern und nicht nach rechts und links zu schielen, diskurshaft und politisch korrekt zu relativieren und sich damit zugleich den Anschein der Bescheidenheit zu geben. Sondern Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie, war ein ganzer Mensch, stand mit seinem ganzen Menschen hinter jeder seiner Äußerungen und hatte es nicht nötig, irgendetwas davon wegzunehmen oder auch nur zu betonen: „Aber das ist jetzt nicht meine Deutungshoheit“. Es reichte ihm, zu betonen, dass man selbst denken solle und dass er nicht verehrt, sondern verstanden werden wollte. Das ist wahre Freiheit und wahres Freilassen im Sinne der „Philosophie der Freiheit“.
Ich beanspruche keine Deutungshoheit, und ich spotte auch nicht. Eggert „beansprucht“ auch keine Deutungshoheit, aber sein Spotten und müdes Herablächeln auf konkret meine Person realisiert diese Deutungshoheit – und sei es nur mir gegenüber, da er offenbar gegen Doppelgänger kämpft. Auch die übrigen Blogger offenbaren dies. All jene, die mir „Grenzen“ setzen wollen, weil ich wie ein „Kind“ „übergriffig“ werden würde, haben nicht im Ansatz verstanden, was Individualisierung wirklich ist.
Individualisierung ist nicht gemütliche Gedankenbildung, die dann in einem noch gemütlicheren Blog-Wir ausgetauscht wird, sondern es ist ein inneres Streben, ein Sich-Erringen von Überzeugungen und ein Einstehen für diese mit seinem ganzen Menschen. Nicht nur mit einem spottenden Blog-Ich, sondern mit jenem Menschen, der den Ernst, die Ehrfurcht und die Verantwortung kennt – seinem eigenen Seelenwesen gegenüber, aber, was die Ehrfurcht angeht, auch dem anderen Menschenwesen gegenüber. Das Gleiche gilt für die tiefe Verantwortung gegenüber der ganzen Welt, einschließlich der geistigen.