2019
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Mädchenklima
Holger Niederhausen: Mädchenklima. Roman. Books on Demand, 2019. Paperback, 240 Seiten, 9,90 Euro. | Bestellen bei Books on Demand oder Amazon.
Soeben erschienen:
Die sechzehnjährige Marja beteiligt sich an den Freitagsdemonstrationen zur Rettung des Klimas, ihre tiefen Empfindungen machen sie aber auch einsam. Ihre Freundin Lucie sorgt für zusätzliche Verwicklungen. Dann stößt sie auf Videos, die den menschlichen Klimawandel herunterspielen, und sucht intensiv nach der Wahrheit. Und ein junger Mann, der sich in sie verliebt, eröffnet ihr tiefe Einsichten in die Frage, was eigentlich ein Mädchen ist...
Leseprobe
,Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut! Wir sind hier, wir sind laut...’
Der vielstimmige Chor der Schülerinnen und Schüler ergoss sich über den Platz der Abschlusskundgebung, der sich nahe des Regierungsviertels befand und von einer freundlichen Märzsonne überstrahlt war.
Sie rief die Worte mit. Sie war Teil des Ganzen – eine von vielen tausend Schülerinnen und Schülern, die heute hier waren, um gegen Verantwortungs- und Tatenlosigkeit ihre Stimme zu erheben. Jahrelang hatten auch sie geschlafen, so schien es. Man hatte es irgendwie gewusst, aber man hatte doch geschlafen. Man war ja auch noch so jung gewesen. Man hatte den Großen vertraut – den Erwachsenen, den Eltern, den Politikern.
Vieles war schlimm in der Welt, das wusste man auch irgendwann – und immer mehr. Aber irgendwie kümmern sich die Politiker auch darum – dachte man. Und man dachte es so lange, bis die Erkenntnis dämmerte, dass Politik vielleicht das Gegenteil bedeutete: sich nicht zu kümmern. Dinge auszusitzen, zu verschleiern, zu verharmlosen, winzigste Maßnahmen zu Großtaten auszuschmücken und in Wirklichkeit nichts zu tun. Und diese schmerzliche Erkenntnis war der eigentliche Abschied von der Kindheit. Genauso hatte sie es erlebt: die Großen tun nichts. Und: ich bin erwachsen. Ich bin kein Kind mehr. Noch nicht erwachsen, aber allein – alleingelassen mit allen Sorgen und Nöten der Zukunft, denn die Großen tun nichts. Sie tun einfach nichts.
Ein gnadenloses Gefühl des Allein-gelassen-Seins, des Verrats – Verrats der älteren Generation an der jüngeren. Und dann die Erkenntnis: an allen jüngeren. An allen, die noch nachkommen werden. Auch sie war nur die erste, Teil der ersten Generation, die verraten wurde. Es würde auch alle anderen noch betreffen.