02.04.2021

Ihr, die ihr urteilt


Ihr, die ihr mich verurteilt,
weil ich vom Mädchen schreibe,
vom Wesen des Mädchens und
von der Liebe zum Mädchen –
Ihr, die ihr deswegen urteilt,
mit der sichersten Abscheu:
Was gibt euch das Recht?

Als ich von dem Berührenden
des Mädchens schrieb, habt ihr
geschwiegen – ihr saht es nicht.
Als ich von der Liebe des Jungen
zum Mädchen schrieb, schwiegt
ihr noch immer, denn es schien
euch belanglos, nichts weiter.

Vergeblich war jeder Versuch,
euch zu zeigen, was heiliges
Wesen des Mädchens ist, wie es
lebt in tausend Momenten, allen
Facetten verborgener Schönheit,
die strahlend wie heiliges Licht
in die Welt tritt, diese verwundend
für ihre Heilung – ihr saht es nicht.

Erst als ich schrieb, dass auch
ein Mann all dies lieben kann,
weil es ein Wunder ist, Wunder
an Schönheit, an Unschuld, an
Heilung – des ganzen Toten –,
erst da schriet ihr auf, wie einst
die Menge ,Kreuzige!’ rief...

Als also Männer begannen zu
lieben – die Mädchen, die ich
beschrieb, schon so lange, da
entdecktet auf einmal ihr meine
Bücher – und urteiltet, schnell und
sogleich, selbstgerecht, sicher,
alles war klar für euch – ihr wart
,entsetzt’, ,natürlich’, was sonst?

Ihr, die ihr urteilt, über die Liebe
des Mannes, den ihr gar nicht kennt,
wie lieblos seid ihr, dass ihr so
genau wisst, was richtig und falsch?
Ihr, die ihr urteilt, über die Liebe,
sogar über die noch des Mädchens,
wer seit ihr, dass ihr noch über Gott
euch hinstellt, so sicher – –?

Wisst ihr nicht, dass auch ein
Mädchen längst urteilen kann –
sogar besser als ihr? So ist es,
noch einmal sage ich: besser, denn
ihr Herz ist rein, und so sieht sie
alles – ihr aber seht nur das Dogma
und habt schon das Urteil, bevor ihr
bedenkt, worauf es ankommt...

Ihr denkt nur den Missbrauch,
das ist eure Brille – das Mädchen
ist für euch nur Opfer, nichts sonst
könnt ihr sehen, Scheuklappen
habt ihr, mit Blindheit verfolgt ihr
den einzigen Weg, den ihr kennt:
Das Mädchen behüten, beschützen,
egal, was auch komme, ,denn Liebe
ist’s nicht’ – o, ihr Heuchler!

Jede Liebe zum Mädchen ein
Missbrauch – woher diese Lüge
in euren Herzen? Woher dieses
Besserwissen, schon unbesehen,
ein Diktum, ein Dogma, von der
Kanzel des Hasses, der nicht
mehr zu wissen braucht, was
wirklich ist – denn das Urteil
ist fertig, völlig von Anfang an.

Ihr, die verurteilt, wenn ein Mann
ein Mädchen liebt – habt ihr
euch einmal, nur einmal gefragt,
wie ,pervers’, wie lieblos ihr seid?
Habt ihr euch jemals, nur einmal
gefragt, wie es denn wirklich
dem Mädchen zumut ist, mit euch?
Ob es euch um eure ,Hilfe’ gebeten?

Ihr meint, ein Mädchen könne nicht
lieben – nicht einen Mann, denn
von ihm würde es einfach nur
überwältigt, belästigt, bedrängt und
behelligt – welch ein Schwall an
Be-deutung und Missdeutung, ja
Lüge – wenn die Wahrheit eine
ganz und gar andere ist, als ihr meint!

Wie könnt ihr nur wagen, dem
Mädchen zu nehmen, was in reiner
Weise sein heiliges Recht? Nämlich
zu sagen, ob es geliebt werden will –
und glücklich ist, ja, glücklich!
Das haltet ihr niemals für möglich,
ihr Heuchler, Gefangene eigenen
Dogmas, des Totalitären, nur eine
Wahrheit gäbe es stets, welcher Hohn!

Ihr raubt dem Mädchen brutal
sein Heiligstes, Kostbarstes, was es
je hatte – den eigenen Willen!
Den darf es bei euch nicht haben –
denn ihr wollt für sie, die doch längst
schon selbst wollen kann. Aber ihr
seid ,im Recht’ – und so misshandelt
ihr ohne Bedenken ... das Mädchen.

Ihr, die ihr urteilt über die Liebe –
die Liebe des Mannes, weil er das
Mädchen unsäglich liebt, denn er
sieht es, er sieht das Wunder, und
ihr seht es nicht – ihr, die ihr urteilt
über die Liebe des Mannes, hört
auf, das Mädchen beiseite zu
wischen mit eurem Urteil – hört
auf das Mädchen! Oder geht’s euch
um euch?

Und das Mädchen ... urteilte
selber – und sein Urteil war
wahr, es war wahrer als das
aller Hasser, Empörten und
Dogmenverfechter, denn es
war – das Urteil des Mädchens.
Ihr, die ihr urteilt über die Liebe,
ihr steht nicht über Gott und
nicht über dem Mädchen...