05.07.2022

Zur Erkenntnis der Mädchengöttin

Das Ende eines patriarchalen Weltbildes.


Inhalt
Die Erlöserin
Abgrundtief diskreditiert
Die Mädchengöttin


Die Erlöserin

Es ist die Begegnung mit einem Mädchen, in das er sich schließlich rettungslos verliebt, die dem männlichen Protagonisten in meinem Roman ,Die Erlöserin’ mit Hilfe der Fragen des Mädchens den Boden seiner bisherigen Weltanschauung zuletzt völlig entzieht.

Was sich bereits in der inhaltlichen Einführung und der zweiten Leseprobe zeigt, soll in diesem Aufsatz umfassender ausgeführt werden.

Der letzte Aufsatz endete mit folgenden Absätzen:

Es ist, wie wenn einzig noch das Mädchen daran erinnern würde, wie abgrundtief anders eine menschliche Welt aussehen müsste. Es ist, wie wenn Mädchen wie eine lebendige Flamme in diese Welt hineingeworfen wären, die das Absterben der Seelen verhindern solle. Wenn man sich wirklich in das Wesen der Mädchen vertieft, spürt man so unendlich viele Zusammenhänge mit dem Christuswesen, dass man dahin kommen kann, dass das Mädchen noch einen eigenen Schutz hat, der mit diesem Wesen innig verbunden ist. Man kommt so zu dem Erleben einer Mädchengöttin, die das Wesen des Mädchens ebenso offenbart wie das Mädchen selbst – das Mädchen damit aber regelrecht überleuchtend. Wer diesen Gedanken unmittelbar abwegig findet, beweist damit nur, dass er nicht bereit ist, auch erkennend zu etwas sehr Heilig-Realem zu kommen.

Die berührendsten Realitäten sind stets Mysterien. Und für Mysterien braucht man genügend Mut. Erst dann werden sie sich offenbaren. Die Zeit ist gekommen, im Wesen des Mädchens mehr zu sehen als etwas sehr ,Unreifes’. Die Menschheit sollte endlich beginnen, sich zu fragen, was das Mädchen ihr voraushat – so lange, bis es auch in immer mehr Mädchen erfolgreich vernichtet wurde. Die Welt muss sich fragen, wieviel ihr am Wesen des Mädchens überhaupt liegt. Der erste Schritt wäre eine echte Ehrfurcht vor dem verschwindenden Wesen der Mädchen – jenem Wesen, das die Welt wahrhaft retten könnte.

Das Wesen des Mädchens, wie man ihm in meinen Romanen immer wieder begegnet, ist so berührend und so anziehend, dass es mit einer höheren Welt in Zusammenhang stehen muss. Gleichzeitig ist sein Wesen so rein, dass es hier nicht um ,luziferische Wirkungen’ gehen kann, wie der Anthroposoph meinen könnte. Man kann hierzu auch einmal das Gedicht ,Das Pfingsten des Mädchens’ tief in sich aufnehmen.

Abgrundtief diskreditiert

Das christliche Weltbild ist zutiefst einseitig. Entstanden in einer noch ganz und gar patriarchalen Zeit, kennt es einen ,Vatergott’, einen ,Sohnesgott’ und einen nicht weniger männlichen ,Heiligen Geist’. Es kennt ferner ausschließlich männliche Engel – von Gabriel über Michael bis hin zu all den anderen, im Evangelium den ,Jüngling’ im leeren Grab nicht zu vergessen. Auch aus der entstehenden Kirche wurden Frauen konsequent ausgeschlossen – es gab Diakone, Priester, Bischöfe, Päpste.

Man mag einwenden, dass die göttliche Welt ebenso wie die Engel kein wirkliches Geschlecht habe, weil dieses überhaupt erst auf Erden eine Wirklichkeit sei. Aber sämtliche Imaginationen und auch Formulierungen sprechen eine zu deutliche Sprache. Die Geistwelt wurde von ihren männlichen Verkündern zutiefst männlich geschildert. Hinzu kommt der Vergleich der geistigen Welt als überhaupt ,männlich’ – der gegenüber dann die Seele, die sich ihr hingeben solle, ,weiblich’ wäre. Auf diese Weise wird das angeblich Männliche der Geistwelt nochmals zementiert.

Man mag auf dem Standpunkt stehen, dass das Christuswesen anders als der Mensch Jesus radikal jenseits jeden Geschlechts steht – aber dann möge man endlich aufhören, von einem ,väterlichen Urgrund’ und von einem ,Sohnesgott’ zu reden. Allein schon der Begriff ,Gott’ ist ein männlicher! All diese Begriffe sind schief und unhaltbar geworden. Sie zementieren eine Lüge.

Die Seele mag sich einer Geistwelt hingeben müssen. Das könnte einem vielleicht noch das Recht geben, die Seele als ,weiblich’ vorzustellen, keineswegs aber mehr das Recht, die Geistwelt als ,männlich’ vorzustellen. Diese Vorstellung wäre genauso falsch und grandios irrig wie die Vorstellung des Aristoteles, das Weibliche sei ein verkrüppeltes Männliches – oder die Vorstellung, das Männliche ,befruchte’ und ,zeuge’, während das Weibliche nur als passive Materie vorgestellt wurde. Diese grauenvollen Vorstellungen prägten zweitausend Jahre abendländischer Geschichte! Irgendwann wurden dann das winzige Spermium und die riesige Eizelle entdeckt – und damit die wahren Verhältnisse deutlich. Und dennoch rückte man nicht von dem Begriff ,Zeugen’ auf Seiten des Mannes ab. Welche Lügen haben sich also bis in jüngste Vergangenheit verbreitet!

Das Männliche hat sich als Ursprung des Patriarchats, eines fortwährend missbrauchten Machtimpulses, als fortwährender Unterdrücker des Weiblichen, als Quelle von Krieg, Hass, Konkurrenz, Materialismus und Kapitalismus gründlichst diskreditiert – und tut es bis heute.

Die Mädchengöttin

Demgegenüber kann das Weibliche und insbesondere die Gestalt des Mädchens als vollkommene Heilung erlebt werden, wie es in den nun vorliegenden drei Büchern tief und umfassend entwickelt wird.

Weil dies aber so ist, kann das Wesen des Mädchens irgendwann bis ins Geistige hinein erlebt werden – als ein absolut lebendiges Urbild, letztlich gleichsam als Christi Schwester. Man mag hierzu auch meinen Roman dieses Titels einmal auf sich wirken lassen. Und selbst wenn man das Christuswesen als höchstes Liebeswesen ohne jedes Geschlecht vorstellt (und vorstellen sollte), so kann dennoch die Mädchengöttin vorgestellt werden, ohne die das so berührende und gegenüber den Jungen völlig andere Wesen der Mädchen nicht wirklich begreifbar ist.

Das Weibliche ist nicht so tief in die Materie gesunken wie das Männliche – aber das muss auch einen realen Hintergrund haben. Ebenso wie das, was Goethe das hinanziehende Ewig-Weibliche nannte, verschweigend, dass es hier vor allem um das Mädchen ging. Alles Weibliche mag eine veredelnde Wirkung auf das Männliche haben. Nichts aber kommt dem gleich, was ein Mädchen vermag – und auch dies wird in den vorliegenden Büchern tief begründet.

Der Protagonist in ,Die Erlöserin’ kommt durch eine ganze Reihe von Erlebnissen zu dem Erleben einer solchen Mädchengöttin, die das Wesen des Mädchens dieses Romanes gleichsam überleuchtet, immer wieder. Seine Gedanken entfalten sich immer weiter – und es entstehen immer tiefere, gegenseitige Bezüge. Am Ende ist diese Erkenntnis für ihn praktisch unabweisbar geworden. Das bisher von ihm vertretene Weltbild ist damit nicht völlig zusammengebrochen – aber es ist auf entscheidende und völlig notwendige Weise erweitert worden. Wenn Wesen wie Michael existieren, dann müssen sie Schwesterwesen haben. Michael mag den Drachen auf seine Weise bekämpfen. Die Mädchengöttin wirkt auf ihre Weise...

Wie innig die Beziehungen zwischen dem Christuswesen als reinem Liebewesen und der Mädchengöttin als heiliger Quelle des Leib-Seele-Eros-Mysteriums sind, offenbart sich bis in die Tiefe in dem Buch ,Mädchenland’.

Die Mysterien des Mädchens sind unendlich heilig. Die Zeit ist gekommen, zu begreifen, warum...