2023
Veteranentag! – Ich schäme mich für mein Land...
Vorbild USA? Wieso nicht Norwegen?
Inhalt
„So muss das auch bei uns sein“
Veteranentag als Ausgleich für die PTBS...
Respekt und Wertschätzung – ,nicht allein lassen’
Norwegen und der Gott der Heilkunst
Die PTBS der Pflegerinnen und Pfleger
Würde wirklich der Mensch...
„So muss das auch bei uns sein“
Zuerst berichtete der Tagesspiegel: Deutschland soll nach dem Vorbild der USA auch einen ,Veteranentag’ bekommen.[1] Die Vorstellung ist regelrecht erschütternd. Militär, Krieg und Gewalt – sollen im innersten Bewusstsein der Welt ankommen. Deutschland soll dem militarisiertesten Land der Welt nacheifern.
Zuerst das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr, dann sollte Deutschland wieder ,kriegstüchtig’ werden (Boris Pistorius) – und jetzt also ein Veteranentag. Es ist abscheulich...
Die ,taz’ traf den Kern der Sache. Sie schrieb:[2]
In Berlin-Mitte gibt es eine Veteranenstraße. Sie führt 300 Meter steil bergab. Daran schließt sich die Invalidenstraße an. Sie ist fast zehn Mal so lang. Das ist wenigstens eine ehrliche Straßenführung.
Von wem kam der Antrag? Von der Unionsfraktion. Auf ,Wohlwollen’ stieß dieser etwa beim Verteidigungsminister Pistorius, natürlich. Und dann signalisierte Kanzler Scholz Unterstützung für diese angebliche ,Initiative aus der Mitte des Bundestags’.
Wenn die Union inzwischen die ,Mitte’ ist, dann ist Deutschland nicht mehr zu retten. Die CDU/CSU ist noch immer eine konservativ-neoliberale Partei, die sehr rechts von dem steht, was wahrhaft menschlich wäre – und die ehemalige Arbeiterpartei SPD hat inzwischen völlig ihren politischen Kompass verloren. Rosa Luxemburg würde sich im Grabe umdrehen.
,Aus der Mitte des Bundestags’?! Hören wir den Fraktionsvize dieser Mitte, Johann Wadephul:[1]
Vorbild sind die USA, wo die Beschäftigung mit den Militärangehörigen und dem, was sie für das Land tun, zum Lebensalltag gehört, so muss das auch bei uns sein.
Am liebsten hätte Wadephul wahrscheinlich noch den täglichen Fahneneid und bundeswehr-bezogene Arbeitsblätter bereits für Grundschüler. ,So muss das auch bei uns sein’ – das erinnert fatal an die maskulinen ,Basta’-Sprüche von Altkanzler Schröder. Übrigens ist Wadephul Oberstleutnant der Reserve.
Veteranentag als Ausgleich für die PTBS...
Johannes Arlt (SPD) verkündet ebenfalls geradezu strahlend: ,Deutschland bekommt einen Veteranenvertrag’. Die Ampelfraktionen seien sich einig und würden mit der Union, die man ,gerne mit im Boot hätte’, noch letzte Details klären.[1] Mit im Boot? Die Union hatte die Idee doch gerade aufgebracht! Welch eine Sprachakrobatik, um nicht zuzugeben, dass SPD und Grüne ihr eigenes Programm völlig verraten haben. Arlt jedoch kann froh sein – auch er ist in der Bundeswehr hoch aktiv. Er ist Berufssoldat.
Für Arlt ist auch klar, dass es ,bessere Sozialleistungen geben wird’, um Versorgungslücken für Veteranen zu schließen. Auch sollen Fristen angepasst werden, weil posttraumatische Belastungsstörungen teilweise auch erst nach längerer Zeit auftreten können.[1]
Interessant, dass hier zumindest in einem Nebensatz angedeutet wird, was die eigentliche Wirklichkeit ist – nämlich das Militäreinsätze ein äußerst schmutziges Geschäft sind, die ungezählte Männer und Frauen ganz real traumatisieren, sehr oft für den Rest ihres Lebens. Selbstverständlich kann man das mehr oder weniger ,therapieren’ – in Wirklichkeit aber kann man den traumatisierten Menschen nur helfen, mehr oder weniger gut mit dem Erlebten umzugehen. Dennoch wird man nie wieder derselbe Mensch sein.
Ein Veteranentag wird nicht das Geringste daran ändern. Menschen mit einem Trauma kann man das Leben ohne dieses Trauma nicht wiedergeben. Insofern dürfte für ungezählte Menschen, die SoldatInnen gewesen waren, ein ,Veteranentag’ nur wie ein Hohn vorkommen, eine billige Abbitte, die aber nichts wiedergutmachen kann. Auch hier hat die ,taz’ den richtigen Ton getroffen:[2]
Einmal im Jahr wird den geschundenen Soldaten künftig von Staats wegen auf die Schulter geklopft. Hier ein paar Blümchen an irgendeinem Mahnmal. Dort ein wenig Tschingderassabum. Bein ab, Orden dran. Alles wieder gut?
Und auf einer militärischen Seite, dem Reservistenverband, liest sich das dann so, nach den Worten von dessen Präsident Patrick Sensburg:[3]
Mit seiner Einführung würde der Boden für eine Kultur des Respekts und der Wertschätzung bereitet werden. Die damit verbundene Botschaft ‚Wir lassen euch nicht allein‘ ist ganz wichtig für viele zahlreiche [sic!] einsatzgeschädigte Veteraninnen und Veteranen, aber auch für all jene, die mit dem Gedanken spielen, zur Bundeswehr zu gehen.
Werbeeffekt also inbegriffen. Wer ,mit dem Gedanken spielt’, Soldat zu werden, bekommt jetzt sogar einen eigenen Ehrentag. Wer würde da noch überlegen?
Respekt und Wertschätzung – ,nicht allein lassen’
Respekt und Wertschätzung und ,Wir lassen euch nicht allein’ – das hätte man seit zwei Jahrzehnten zum Beispiel gegenüber all jenen Menschen erwartet, die durch Profitgier von Konzernen oder andere Monstrositäten des Kapitalismus ihre Arbeit verloren haben. Da war nichts von ,wir lassen euch nicht allein’ oder Respekt und Wertschätzung. Sondern tägliche Demütigung auf Ämtern und ,Jobcentern’, seitens ,Fallmanagern’, die einen mit allen Mitteln zwangen, jeden Job anzunehmen, einen in sinnlose Weiterbildungen steckten – und im Übrigen musste man jeden Euro zweimal umdrehen, und dann reichte es noch immer nicht. Respekt? Fehlanzeige. Man konnte vielleicht zwei Jahrzehnte gearbeitet haben, und war nun trotzdem ,das Letzte’...
Oder Erzieherinnen. Respekt und Wertschätzung? Allenfalls wurden die Pflichten der Dokumentation immer mehr ausgeweitet, was die wirkliche Arbeit mit den Kindern immer mehr reduzierte und strangulierte, während die Betreuungsschlüssel so schlecht blieben wie eh und je, sodass in unzähligen Kitas nur noch notdürftige Betreuung möglich ist, jedenfalls nichts von Pädagogik, nichts von den Idealen, mit denen junge Erzieherinnen und Erzieher einst angetreten sind.
Oder Krankenschwestern und Pfleger. Respekt? Wertschätzung? Auch dies seit Jahrzehnten nicht – auch hier das gleiche Bild: ständige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.
Jetzt verspricht Lauterbach eine ,Gesundheitsreform’. Aber er war es ja, der das ,Fallpauschalen’-System vor zwanzig Jahren der damaligen Gesundheitsministerin ,eingeflüstert’ hatte, woraufhin die Kliniken immer mehr dazu übergingen, Patienten so früh wie möglich zu entlassen, sich möglichst auf lukrative Prothesen- und Wirbelsäulenoperationen zu konzentrieren und anderes mehr. Von dem ungeheuerlichen Renditedruck von Kliniken in privater Konzernhand gar nicht zu reden – auch an ,normalen’ Kliniken ist die Situation schlimm genug. Von echter ,Pflege’ kann hier keine Rede sein.
Ich gebe hier nur ein einziges Beispiel des deutschen Alltags:[4]
Ein Krankenhaus irgendwo in Deutschland. Um sechs Uhr morgens übergibt der Nachtdienst eine Station an das Team der Frühschicht: „Ihr seid heute nur zu dritt. Zwei Kolleginnen haben sich krankgemeldet.“ [...] Es wird hektisch. Assistieren bei der Körperpflege, Essen austeilen und anreichen, beim Anziehen und beim Toilettengang helfen, Infusionen vorbereiten und Nachschub organisieren, die Visite begleiten, dokumentieren, für Angehörige ansprechbar sein und Untersuchungen und Entlassungen vorbereiten – alle rennen, niemand macht Pause.
Trotzdem wird vieles zu kurz kommen, vor allem auf der fachlichen und zwischenmenschlichen Ebene. Das behindert den Stationsablauf und erzeugt zusätzlichen Stress beim Personal. Es werden Fehler passieren, die Patienten gefährden.
Eine Frau mit Schlaganfall wird beim Versuch, allein auf die Toilette zu gehen, stürzen. Ein Patient mit einem psychotischen Durchgangssyndrom wird um sich schlagen und eine Pflegefachfrau im Gesicht verletzen, weil er von der Hektik auf der Station überfordert ist. Anstatt nach Hilfe zu rufen, drückt sie ihn aus Angst gegen die Wand. Die Angehörigen eines älteren Herrn werden entsetzt sein, wenn sie erfahren, dass er einen resistenten Krankenhauskeim in seiner Steißwunde hat und geben der Pflege die Schuld dafür. [...]
[...] Allzu oft stehen in Wahrheit nicht die Patienten im Mittelpunkt, sondern die wirtschaftlichen Vorgaben der Krankenhausleitung. Und die folgt auch nur den gesundheitspolitischen Entscheidungen. Deshalb lassen sich die Anforderungen des medizinischen Alltags immer öfter nicht mehr mit ethischen und medizinischen Standards der Gesundheitsberufe vereinbaren.
Norwegen und der Gott der Heilkunst
In Norwegen kommt eine Pflegekraft auf fünf Patienten – in Deutschland eine auf dreizehn, im Nachtdienst kann eine einzige Schwester manchmal sogar für fünfzig Patienten verantwortlich sein.[5]
Wenn Schwestern und Pfleger, die dies mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren können, Belastungs- oder Gefährdungsanzeigen bei ihrem Vorgesetzten stellen, kann es passieren, dass sie selbst Abmahnungen bekommen – so geschehen bei einer Asklepios Klinik in Göttingen.[5]
Asklepios – das war einst der Gott der Heilkunst. Heute ist das Krankenhaus in sehr vielen Fällen ein Ort der Rendite. Heilkunst – das klingt inzwischen wie eine Utopie.
Schon vor elf Jahren schrieb ich einen Artikel über ein Schülerprojekt – Schülerinnen interviewten Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft, darunter auch Krankenschwestern. Eine von ihnen erzählte, wie sie an nicht nur einem Tag denkt: ,Den Patienten sprech ich lieber nicht an. Der hat Tränen in den Augen, und das kostet mich dann wieder zehn bis fünfzehn Minuten, und die habe ich ja einfach nicht.’
Ein Mädchen zeichnete ein Bild mit einer ungeheuren inneren Ausstrahlung. Es zeigt eine Engelsgestalt, sitzend, behutsam eine Kugel haltend, die ihr anvertraut scheint. Leuchtend hebt sich die Gestalt mit ihren mächtigen Flügeln und ihrem bis auf den Boden reichenden Kleid von dem dunklen Hintergrund ab. Majestätische Ruhe und Zuwendung, aber zugleich Trauer ist es, was sie ausstrahlt. Auf ihr Kleid und ihre Flügel sind Worte geschrieben. ,Mitgefühl’, immer wiederkehrend. Und dann liest man den Untertitel: Krankenhausengel unter Renditedruck...!
In diesem Land gibt es weder Wertschätzung und Respekt für die kranken und alten Menschen noch für jene, die sie pflegen (wollen) und einst wie menschliche Engel diesen schweren und auch wunderbaren Beruf ergriffen haben. Keine Wertschätzung, keinen Respekt. Statt dessen elendes Gefeilsche – und viel zu wenig Geld, viel zu wenig Personal.
Stattdessen ein Monstrum von Bürokratie – auch hier noch eine Schilderung:[6]
Das Abrechnungssystem ist so komplex geworden, dass man sogar den Beruf eines Codierassistenten eingeführt hat. Auf der einen Seite steht der Medizinische Dienst, der von den Krankenkassen beauftragt wird, die Abrechnungen der Kliniken zu prüfen, um möglichst den Krankenkassen Gelder einzusparen. Um in diesem Abrechnungskampf überhaupt mithalten zu können, haben wiederum die Kliniken mittlerweile viele Ärzte in ihrem Controlling beschäftigt, die nichts anderes versuchen, als die optimalen Rechnungserlöse für ihre Arbeitgeber herauszuholen. | Bundesweit sind auf beiden Seiten mehrere Tausend approbierte Ärztinnen und Ärzte mit diesem Bürokratiemonster beschäftigt und bekämpfen sich wie zwei sich immer weiter aufrüstende Armeen. Wenn man bedenkt, dass einerseits ein Ärztemangel [...] besteht, andererseits allein beim Medizinischen Dienst fast 2.500 Mediziner beschäftigt sind, dann wird klar, wie hier einst gut ausgebildete Mediziner ihrer eigentlichen Aufgabe entzogen werden. Und ein Ende dieser Entwicklung ist derzeit nicht absehbar.
Die PTBS der Pflegerinnen und Pfleger
Schon dies ist ein Wahnsinn – dass tausende Ärztinnen und Ärzte damit beschäftigt sind, gegeneinander Krieg zu führen, anstatt Menschen zu helfen.
Aber noch schlimmer ist der Alltag derer, die Menschen helfen wollen – und es nicht können, weil die Zeit fehlt. Immer wieder. Jeden Tag. Jede Minute. Wo man Fehler macht. Wo man sein Gewissen verrät. Seine Ideale. Bis man daran zerbricht.
Noch immer fast unbekannt ist der Begriff ,moralischer Stress’ – Stress, der aus einer momentanen oder permanenten Verletzung der eigenen moralischen Grundsätze resultiert, aus einem Handeln gegen das eigene Gewissen. Die Folge sind tiefe Verletzungen der Seele – und die Folgen reichen von moralischer Desensibilisierung (,Coolout’) über Depressionen, Burnout, posttraumatischen Belastungsstörung bis hin zum Aufgeben des Berufes und Suizidalität. Dies ist Alltag! Und es offenbart den ganzen Wahnsinn...[4]
Und es ist kein Wunder, dass hier der Begriff ,posttraumatische Belastungsstörung’ erneut auftaucht. Denn die Traumatisierungen, die Menschen erleben, die wieder und wieder gegen ihr eigenes Gewissen handeln müssen, sind nicht geringer als diejenigen von Soldaten im Krieg. Es sind Erlebnisse, die die Seele gleichermaßen verwüsten. Es sind Traumata. Der Mensch ist ein seelisch-geistiges Wesen – er kann nicht dauerhaft gegen seine innersten Impulse und Ideale handeln. Er wird traumatisiert durch das, was er sieht, was er erlebt, wozu er selbst gedrängt und gezwungen wird. Traumata.
Das sogenannte ,Gesundheitswesen’ ist unter der Dominanz des Kapitalismus und der Abstraktheiten des modernen Intellekts zu einer Stätte des täglichen Horrors für die unmittelbar Beteiligten und Betroffenen geworden. Es ist selbst nicht mehr gesund. Es ist tief krank. Und der neoliberale Minister Lauterbach würde am liebsten – ganz im Sinne der knallhart liberalen Bertelsmann-Stiftung (mit deren Erbin Liz Mohn er einst gemeinsam im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG saß, die ihre Putzkräfte jahrelang ausbeutete, bis der Skandal an die Öffentlichkeit kam) – die Zahl der deutschen Kliniken um die Hälfte kürzen, denn dann hätte man ja kein Personalproblem mehr.
Diese unmenschliche Logik muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist es, was neoliberale Politik kann: Zusammensparen, Kaputtsparen, Kürzen... Immer mit der süßen Lüge auf den Lippen, dass es ja ,nötig’ sei. Welch ein Wahnsinn...
Würde wirklich der Mensch...
Würde wirklich der Mensch im Mittelpunkt stehen – der kranke, hilfsbedürftige Mensch, aber auch der Mensch, der nichts anderes möchte, als diesem zu helfen, die Krankenschwester, der Krankenpfleger ... würden sie im Mittelpunkt stehen, müsste man ganz andere Grundsatzentscheidungen treffen.
Wie wäre es mit einem ,Tag der Pflegerinnen und Pfleger’? Dies wäre wahrhaft ein Hoffnungsstrahl am Horizont, und einer Bundesrepublik würdig, die ein Licht des Friedens in der Welt entzünden möchte.
Aber stattdessen muss der sogenannte Frieden ,am Hindukusch verteidigt’ werden – und muss Deutschland wieder ,kriegstüchtig’ werden – und muss ein ,Veteranentag’ sein, weil die USA ja unser Vorbild sind, ,wo die Beschäftigung mit den Militärangehörigen und dem, was sie für das Land tun, zum Lebensalltag gehört’, und, wie Wadephul uns einbleut: ,so muss das auch bei uns sein’.
Friedenspolitik und Friedensforschung, das waren einst ernstzunehmende, substanzielle Impulse, es gab einmal so etwas wie Friedensforschung. Und es gibt auch heute Friedensprojekte. Aber sie müssen sich mit einigen Tausend Euro finanzieren, sie bekommen keine Millionen, keine Milliarden. Man müsste sich nur einmal eine halbe Stunde hinsetzen, um auszurechnen, wie unzählig viele Friedensprojekte entstehen und aufblühen könnten, wenn man das Geld, was etwa ein einziger ,Eurofighter’ kosten würde, stattdessen in diese Projekte geben würde – und was dann geschehen könnte...
Stattdessen werden heute sogar existierende Friedensprojekte, etwa israelisch-palästinensische, totgeschwiegen, weil es ja auf die Konfrontation ankommt. Weil ja jedes Friedensprojekt bereits im Verdacht steht, ,antisemitisch’ zu sein, selbst wenn sich hier aufrichtigste Juden gemeinsam mit ihren palästinensischen Brüdern engagieren und nichts anderes tun, als die strammrechte Regierung ihres Landes zu kritisieren oder auch nicht zu kritisieren. In keinem Fall jedenfalls hört man von diesen Friedensprojekten, weil sich auch die Medien dafür nicht interessieren. Es würde die Welt ja viel zu kompliziert machen. Lieber spielt man Krieg.
Lieber pumpt man hundert Milliarden Euro in die Bundeswehr, um sie ,kriegstüchtig’ zu machen. Lieber führt man einen Veteranentag ein, um auch die Bevölkerung ,kriegstüchtig’ zu machen.
Nicht etwa einen ,Tag der Pflegerinnen und Pfleger’.
Nicht etwa einen ,Tag der gedemütigten Arbeitslosen’.
Nicht etwa einen ,Tag der Friedensinitiativen’.
Nicht etwa einen ,Tag der Erzieherinnen und Erzieher’.
Nein – es geht nicht um die Alten, die Kranken, die Kinder, die Pflegerinnen und Erzieher, nicht um die Friedensinitiativen, Friedensimpulse, Liebesimpulse, um Visionen jenseits von Rendite, Kapitalismus, Naturzerstörung und Krieg.
Es geht um Kriegstüchtigkeit, es geht darum, dass das Militär in der Lebensmitte ankommt. Es geht darum, dass ,posttraumatische Belastungsstörung’ im Wortschatz ankommt. Und wenn die Milliarden auch weiterhin hierhin fließen, wird diese Welt ihr Antlitz niemals ändern.
Bald ist wieder Adventszeit. Aber wer glaubt heute noch an Gotteswesen, an das Christus-Mysterium oder an Krankenhaus-Engel?
Wer glaubt noch an die leuchtend menschlichen Impulse, die ein Mädchen in seinem Herzen trägt, das so etwas zeichnet...?
Wir alle verraten die menschlichen Impulse jeden Tag. An der Spitze aber all jene, die jetzt das Militärische in die Köpfe und die Herzen senken wollen.
Ich schäme mich für mein Land...
Quellen
[1] Deutschland bekommt einen Veteranentag: Ampel und Union wollen Soldaten würdigen. Tagesspiegel.de, 11.11.2023.
[2] Bein ab, Orden dran. taz.de, 13.11.2023.
[3] Deutschland bekommt einen Veteranentag. Reservistenverband, 13.11.2023.
[4] Zerrieben zwischen Anspruch & Wirklichkeit. G+G Gesundheit und Gesellschaft, März 2022. archiv.gg-digital.de. • Siehe auch: „Ich muss regelmäßig zehn Tage durcharbeiten“. junge Welt, 27.5.2022 | „Ich rette dein Leben. Mehr ist nicht drin“. www.rosalux.de, 23.2.2022 | und ungezählte andere Artikel.
[5] Pflege: Krank gespart. ZEIT.de, 28.11.2017.
[6] „Schwerkranke möchte man am liebsten an der Krankenhauspforte abweisen.“ NachDenkSeiten, 17.10.2022