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Begegnung mit Sophia
Holger Niederhausen: Begegnung mit Sophia. Roman. Books on Demand, 2025. Paperback, 520 Seiten, 21,90 Euro. ISBN 978-3-8192-9515-7.
► Wichtiger Hinweis: Wer meinen würde, ich schriebe nur 'Mädchen-Bücher', der irrte essenziell - diese Mädchen sind Botinnen des immer verschütteteren Wesens der menschlichen Seele überhaupt.
Erschienen am 20. April 2025. > Bestellen: Books on Demand | Amazon < > Reaktionen und Rezensionen <
Inhalt

Als der einsame fünfzigjährige Idealist Michael Braun die sechzehnjährige Sophia vor einer Vergewaltigung rettet, verliebt er sich hilflos in das schöne Mädchen. Was sie zunächst abwehren muss, berührt sie auch, und sie lässt sich ein auf seinen Versuch, ihr das Geheimnis ihres Namens (,Weisheit’) zu schenken. Immer tiefer führt diese Reise in das Reich der Seele – das Mysterium von Hingabe, Unschuld, Mut, Scheu, Wahrhaftigkeit, Kostbarem und Heiligem. Bald steht Sophia vor der Frage, ob sie den Mut hat, die tief aufrichtige Liebe dieses Mannes zu erwidern...
Ein Roman, der einen von Seite zu Seite mehr berühren wird – weil er einen mitnimmt in eine immer berührendere Begegnung und zugleich in das heilige Reich der Seele, die heute völlig vergessen und verleugnet wird. Mit Hilfe des Mannes kann das Mädchen immer mehr in eine ganze Welt eintauchen, für die heute fast sogar schon die Begriffe fehlen – während er in ihr dieses Geheimnis der Seele fortwährend sieht und erlebt. Und was sich zwischen diesen beiden Menschen entfaltet, ist in seiner ganzen Zartheit und Tiefe wie ein Urbild dessen, was Begegnung in heiligstem Sinne überhaupt sein könnte und wäre...
Über dieses Buch
Der fünfzigjährige Michael Braun hält sich mit einem anstrengenden Beruf als Selbständiger im Home Office über Wasser. Seit über vierzehn Jahren geschieden, ist er als Idealist im Laufe des Lebens sehr einsam geworden. Obwohl er oft bis spät arbeiten muss, geht er danach aus gesundheitlichen Gründen immer noch kurz joggen.
Eines Abends stößt er in der Nähe einer Bahnstation im Dunkeln auf eine Gruppe junger Männer, die offenbar ein Mädchen gegen dessen Willen festhalten. Trotz größter Angst seinerseits versucht er, dem Mädchen zu helfen – und wird brutal zu Boden geschlagen. Dennoch ist dies die Rettung des Mädchens. Als er versucht, aufzustehen, erweist sich seine linke Hand als gebrochen. Er versucht, das besorgte Mädchen zu beruhigen, aber sie ist wirklich betroffen, zudem kann er auch innere Verletzungen haben. Er muss ihr versprechen, sich am nächsten Tag zu melden...
Während er die halbe Nacht in der Notaufnahme eines Krankenhauses verbringt, geht ihm das Mädchen nicht mehr aus dem Kopf. Erst, als sie ihn in das Licht einer Laterne gebeten hatte, hatte er gesehen, wie außergewöhnlich schön sie war... Und er muss sich nun gestehen, dass er sich auf den ersten Blick in sie verliebte hatte – womit er nie gerechnet hätte. Aber es ist eine Wahrheit: Die unglaubliche Einheit äußerer und innerer Schönheit – die zarte Nuance ihres aufrichtigen Besorgtseins und was diese wenigen Momente von ihrem Wesen überhaupt offenbarten – hatte seine Seele so erschüttert wie kein Mensch vor ihr.
Als er sie hilflos bittet, sie noch einmal wiederzusehen, begreift sie bei dieser Begegnung sehr bald, dass er sich in sie verliebt hat – was mit ihren aufrichtigen Empfindungen der Dankbarkeit natürlich unmittelbar kollidiert. Verzweifelt versucht er, ihr deutlich zu machen, dass dies doch gar nicht sein müsste, was sie jedoch nicht verstehen kann – zumal auch sie natürlich Standardvorstellungen (alter Mann verliebt sich in schönes Mädchen etc.) im Kopf hat. Hilflos versucht er, sie die Aufrichtigkeit seiner Empfindungen spüren zu lassen, bittet sie darum, sie nur ein paar Mal noch sehen zu dürfen – und ihr vielleicht das Geheimnis ihres Namens schenken zu können, der ,Weisheit’ bedeutet. Auch wenn die Tatsache, dass dieser Mann sich in sie verliebt hat, ihr überhaupt nicht recht ist, empfindet sie natürlich weiterhin die Dankbarkeit über seine Rettung und ist zudem auch berührt von seiner Aufrichtigkeit und Scheu ihr gegenüber.
Sie lässt sich also auf weitere Begegnungen ein – und in diesen wöchentlichen Begegnungen geschieht nun etwas, was man bezeichnen könnte als ein heiliges Sich-Entfalten des Urbildes von Begegnung überhaupt... Denn die eintauchend lesende Seele kann nicht anders, als von beiden Seelen ihrerseits aufrichtig berührt zu werden – einerseits dem so ehrlichen, unbefangenen, zart-neugierigen, lieben, durchaus empfindungsvollen Mädchen und andererseits von dem innerlich sehr tiefgründigen, bescheidenen, mit seinen eigenen Zweifeln ringenden, selbstlosen, gegenüber diesem Mädchen von scheuer, hilfloser Liebe erfüllten Mann ... und wie diese beiden berührenden Seelen einander nun begegnen, auf welche Weise, in welcher Qualität, inneren Zartheit auch.
Allein schon der inmitten aller Tiefe sich zart entfaltende Humor vor allem des Mädchens hat eine so berührende Qualität, dass man all dies heute woanders vergeblich suchen würde. Aber die Begegnung dieser beiden Seelen gewinnt vor allem eine solche Tiefe, atmet eine so kostbare und berührende Weite und wiederum Zartheit ... dass jede aufrichtige Seele sich nur tief beschenkt fühlen kann. Seite für Seite beschenkt von ... einer neuen, heiligeren Ahnung, was Begegnung eigentlich sein könnte... Und vom Inhalt dieser Gespräche, in denen es fortwährend um die heiligen Geheimnisse der Seele selbst geht.
Und erst vor diesem Hintergrund begegnet die lesende Seele dann auch noch ganz anderen Fragen – nämlich die nach der ,Berechtigung’ gerade dieser Begegnung. Die Antwort ergibt sich ihr im Eintauchen selbst. Aber die heutige Welt hat diese Fragen. Darf sich ein Mann in ein Mädchen verlieben? Allein die Frage ist bereits seltsam – denn wenn die Liebe zu diesem Mädchen sein Herz bereits ergriffen hat? Wenn er es gar nicht rückgängig machen kann? Wenn er hilflos ist? Und das Mädchen...? Es wird doch diese ,Liebe’ keinesfalls wollen? Aber – mit welchen Standardvorstellungen ist auch das Mädchen konfrontiert, konditioniert, kontrolliert...? Wie schnell könnte sie sich vielleicht unendlich wohlfühlen bei diesem Mann, der sie liebt, wenn sie sich nicht ... schämen müsste? Weil über ihren Kopf hinweg alle Welt diese Liebe verurteilt? Bereits fertige Deutungen hat?
Und dann noch die letzte Frage: Was hindert das Mädchen daran, diese scheue Liebe, die ihr vielleicht längst unglaublich kostbar geworden ist, irgendwann auch zu erwidern? Ihre eigenen Empfindungen? Oder auch wieder nur das Urteil der Welt...? Der Altersunterschied? Welche Antworten darf das Mädchen haben...?
Und so ist dieser Roman in jeder Hinsicht von größter Tiefe und auch Wahrhaftigkeit, die man anderswo heute vergeblich suchen wird. Immer wieder wird er die lesende Seele bis ins Innerste berühren.
Leseprobe 1
Wieder schwieg sie unsicher.
„Ich scheine Ihnen ja wirklich wichtig zu sein...“
„Das war die falsche Antwort.“
„Wieso?“
„Jetzt fängt alles von vorne an... Ich antworte etwas, du kriegst wieder Schuldgefühle ... und all das beginnt von neuem...“
Sie lachte fast – und wie schön sie aussah, ihr Lachen, ihre Freude!
„Das klingt fast so, als würden Sie sich Sorgen um mich machen.“
„Um dich muss man sich ja keine Sorgen machen. Ich wollte eher fürsorglich sein. Und ein bisschen humorvoll.“
Nun war ihr Blick belustigt, ja fast vertrauensvoll. Welch ein Kosmos war die Seele, wahrhaft...! Und er konnte es selbst fast gar nicht fassen, obwohl seine Seele es fortwährend erhoffte!
„Eigentlich“, sagte sie nun, „könnte es mit Ihnen so nett sein. Wenn nur nicht dieses Eine wäre...“
„Du meinst, eigentlich fühlst du dich sehr wohl?“
„Nein – ich würde mich sehr wohl fühlen, ohne dieses Eine.“
„Das glaube ich nicht.“
„Doch.“
„Aber du fühlst dich ja jetzt schon fast wohl...“
„Ja – aber nur fast.“
„Okay, fast, na so ein Pech auch...“
Sie sah ihn weiter belustigt an.
„Was heißt das jetzt wieder?“
„Dass da dieser winzige Störfaktor doch immer wieder stört...“
„Ja, ist doch so“, erwiderte sie fast lachend. „Außer dass er nicht winzig ist.“
„Aber wenn du dich wohlfühlst, ist er winzig.“
„Ich fühle mich ja nicht wohl.“
„Aber wenn.“
„Aber das tue ich ja nicht.“
„Aber in dem Moment, wo du dich wohlfühlst...“
„In welchem Moment?“
„In diesem Moment...“
Sie sah ihn überrascht an.
„In dem Moment, wo man böse ist, ist die Liebe nicht da. In dem Moment, wo man sich wohlfühlt, ist der Störfaktor nicht da.“
„Na gut, aber er ist ja da...“
„Ist er nicht. Er ist in dem Moment definitiv verschwunden. Er ist einfach kein Störfaktor mehr. Oder war er es in dem Moment?“
„Vielleicht war er kurz weg“, wandte sie ein.
„Ja, aber das heißt, er kann verschwinden. Er verschwindet, wenn du dich wohlfühlst. Und du fühlst dich zum Beispiel mit Humor wohl. Es ist möglich, dass du dich wohlfühlst. Eigentlich ist es nett mit mir, hast du gesagt. Es ist also möglich, Sophia!“
„Ich habe gesagt, es könnte eigentlich nett mit Ihnen sein – wenn dieses Eine nicht wäre. Außerdem wollten Sie ja etwas ganz anderes als Humor und so...“
„Ich kann mich nur nach dem richten, was du willst, Sophia. Alles andere mündet ja auch in einer Katastrophe.“
„Einer Katastrophe?“
„Ja, dass du gehst...“
Sie musste lächeln.
„Ist das wieder ... Ihre Art von Humor?“
„Es ist alles zusammen.“
„Wie alles?“
„Es ist liebevoller Humor. Es ist bitterer Ernst. Und es ist ... eine Art von Liebeserklärung, mit der du vielleicht leben kannst.“
„Was für eine Liebeserklärung?“
„Dass es eine Katastrophe ist, wenn du gehst...“
„Ach so...“
Sie schwieg einige Momente.
„Aber genau darum geht es, Sophia. Ich möchte diesen ,Störfaktor’ ausschalten. Du sollst etwas anderes fühlen. Und zwar genau dies – dich wohlfühlen. Und das wirst du! So wie jetzt. Und wenn du merkst, wie sehr du mir vertrauen kannst, wird das doch nur zunehmen! Du wirst dich immer wohler fühlen, verstehst du?“
„Ich glaube nicht. Haben Sie nicht vergessen, dass ich nur aus Dankbarkeit hier bin?"
„Die irgendwann ,verbraucht’ ist, meinst du?“
„Ich meine, dass ich – –“
„Dass du ja nicht auf ewig verpflichtet bist...“
„Ja, so ungefähr...“
„Deswegen soll an die Stelle der Dankbarkeit ja das Wohlfühlen treten...“
„Aber das hat doch auch mit der Dankbarkeit zu tun...“
„Wenig. Im Moment vielleicht noch, ja. Aber unsere Begegnung gewinnt doch immer mehr einen Eigenwert... Etwas, was in sich wertvoll ist – durch das, worüber wir sprechen; was für dich wertvoll sein kann, verstehst du denn nicht?“
„Aber was sollte für mich wertvoll sein – der Humor?“
„Der auch, ja...“
„Und was noch?“
„Das, was dir ohne Humor noch zu mysteriös ist und wovor du skeptisch bist. Aber was weiß ich – wir können über Gott und die Welt sprechen. Über Unendliches. Das Wertvolle kann nicht ausbleiben...“
„Mit dem Unendlichen haben Sie es aber...!“, neckte sie.
„Ja“, lächelte er. „Habe ich...“
Sie sah ihn leise herausfordernd an.
„Können Sie ... sich nicht in das Unendliche verlieben? Dann brauchen Sie mich nicht mehr. Miss Unendlich...? Dann wäre ich raus aus dem Spiel...“
Ihre wunderschönen Augen...
Sie wusste nicht, dass er genau das getan hatte. Dass sie seine Miss Unendlich war – sie war es wirklich...
„Du musst noch unendlich viel lernen, Sophia...“
„Was heißt das jetzt wieder? Dass ich wieder etwas sehr Dummes gesagt habe? Etwas sehr Unspirituelles? Humorloses...?“
„Nein, überhaupt nicht.“
„Was muss ich lernen?“
„Liebe bedeutet, das Unendliche zu sehen.“
Sie sah ihn erstaunt an.
„Wow – jetzt bin ich also Ihre Miss Unendlich? Und was bitteschön soll an mir unendlich sein?“
„Die reine Seele ist allein schon etwas Unendliches.“
„Dann können Sie sich ja in jede andere Frau verlieben.“
„Man sieht diese Seele aber fast nie mehr.“
„Dann suchen Sie eben ein bisschen.“
„Die Liebe ist auch selbst etwas Unendliches.“
„Ja und?“
„Sie wäre nicht unendlich, wenn sie einfach so hin und her springen könnte.“
„Aber wenn ich Ihre ,unendliche Liebe’ gar nicht will?“
„Du weißt ja, dann tötet sie sich sogar soweit ab, dass du sie nicht bemerken musst, aber sie kann trotzdem nicht anders, als in dir das Unendliche sehen ... und lieben...“
„Aber in mir ist nichts Unendliches“, brauste sie leise auf. „Außer diese ... Seele, die Sie behaupten, die aber auch nicht – – nur wegen ein bisschen Dankbarkeit und sowas...!“
„Du kennst die Seele eben nicht, Sophia. Du siehst nicht, was ich sehe. Und das ist in Ordnung. Du bist ja noch viel zu jung. Aber es sieht auch sonst niemand – niemand kennt die Seele. Niemand kennt die Liebe... Niemand kennt irgendetwas.“
„Aber Sie natürlich...“
„Ja“, lächelte er. „Und ein paar andere Menschen, die dies alles ernst nehmen... Das Unendliche ernst nehmen. Das Unsichtbare.“
„Das Unsichtbare?“
„Ja. Das Unendliche. Die Seele. Die Liebe. Alles Wichtige ist sehr unsichtbar...“
...
Leseprobe 2
Sie sah ihn mit noch immer fast großen, offenen Augen an.
Was konnte er jetzt sagen? Was war der nächste Schritt in das Mysterium, in das heilige Reich der Weisheit? Ihres Namens...?
In das Reich ihrer Schönheit...?
„Wenn man...“, begann er zögernd, „den Reichtum der Welt erleben will, der sichtbaren und der unsichtbaren, die Tiefe, dann braucht man ... man braucht andere Empfindungen, als man sie normalerweise hat. Heiligere Empfindungen.“
„Miss Heilig?“
Er spürte ihre vorsichtige Abwehr.
„Ja, man kann dem Heiligen nicht mit den gewöhnlichen Gefühlen begegnen. Denk an eine Kirche...“
„Aber welchem Heiligen denn?“
„Egal welchem.“
„Aber wieso?“
„Na ja ... kennst du irgendetwas Heiliges? Für dich, meine ich? Siehst du irgendwo etwas...?“
„Nein.“
„Aber ... ist dir etwas heilig?“
„Ich benutze den Begriff nicht...“
„Also du kennst nichts Heiliges. Aber etwas Wertvolles? Ein Tagebuch, ein Schmuckkästchen, irgendetwas...?“
„Denken Sie wirklich, Mädchen schreiben heute noch Tagebuch oder haben ein ,Schmuckkästchen’?“
Er schämte sich etwas.
„Es geht nicht um altmodische Vorstellungen. Dennoch ist es sehr traurig, dass so etwas völlig verschwindet, denn ... das waren jedenfalls noch Dinge, die für die Seele – die Seele, Sophia! – entweder sehr geheim oder zumindest sehr kostbar waren. Man hat diesen Dingen gegenüber eine andere Empfindung als sonst. Vielleicht würde man es noch nicht ,heilig’ nennen, aber das Geheime, das Kostbare, das sehr Besondere geht zumindest in diese Richtung...“
„Und dann?“
„Es ist eine Welt von Empfindungen, die die Seele normalerweise so nicht kennt.“
„Und wozu ist das gut?“
„Zur Entdeckung des Heiligen“, lächelte er.
„Aber welche Entdeckung denn? Was entdecken Sie?“
„Zunächst entdeckt man, dass die ganze Welt nicht so gewöhnlich ist, wie man sie immer betrachtet. Und in einem weiteren Schritt kann man an das herankommen, woran man überhaupt noch nie gedacht hat.“
„Zum Beispiel?“
„Wenn ich jetzt davon spreche“, lächelte er, „nimmst du es ja doch nur wieder gewöhnlich auf.“
„Sie machen es aber geheimnisvoll!“
„Weil es ein Geheimnis ist. Ein heiliges. Viele heilige Geheimnisse. Nur wir wollen immer alles wissen. Und das reicht uns dann bereits.“
„Aber ist es nicht verständlich, dass man erst einmal wissen will, worauf man sich einlässt?“
„Es könnte ja auch reichen“, lächelte er, „dass man weiß, dass man sich auf das Heilige einlässt...“
„Aber wenn man gar nicht weiß, was es ist, dieses Heilige?“
„Siehst du? Das Problem ist, dass man gar kein Gefühl des Heiligen mehr hat, dass man heilige Gefühle der eigenen Seele gar nicht mehr kennt. Denn wenn man sie kennen würde, würde man sie zugleich als eine Art Heimat empfinden, jedenfalls etwas Besonders, etwas, vor dem man auch gar keine Angst haben muss, weil das Heilige eigentlich etwas ist, was einen erfüllen soll, mit ... Empfindungen, die durch und durch positiv sind, besonders eben, sehr besonders, aber nichts, wovor man sich fürchten muss.“
„Vielleicht wollen Sie als nächstes ja, dass ich bete! Und dann?“
Er musste fast lachen.
„Ach, Sophia... Darum geht es doch gar nicht! Du hast ja schon wieder so unglaublich viel Angst. Vor heiligen Empfindungen...?“
„Weil ich immer noch nicht weiß, wozu sie gut sein sollen.“
„Nun, zunächst einmal tauchen sie das Leben in die Sphäre des Besonderen. Auch alle Jugendlichen, also deine Altersgenossen, sind doch immer irgendwie auf der Suche nach dem ,Besonderen’, dem ,Tollen’, dem, was ,Bock’ macht. Alles, was irgendwie ,special’ ist und herausragt. Irgendwie möchte die Seele doch nie im bloß Gewöhnlichen und Gewohnten verbleiben. Sie sucht doch immer das Besondere. Aber je äußerlicher sie sucht, desto schneller fällt sie wieder zurück in das, was sie nicht befriedigt, eben nur ganz kurz, und dann ist da wieder eine Art Leere und eine Suche nach dem nächsten...“
„Mag sein, dass das bei manchen so ist.“
„Okay, wenn du das auch nicht kennst, ist das schon mal sehr gut. Aber alles Leben im Äußeren führt früher oder später zu solchen Erlebnissen. Man hat irgendwann alles schon mal gesehen, alles schon mal ausprobiert und so weiter. Vom Prinzip her. Guck dir doch all die Leute an, schon Jugendliche, die ,nichts mehr vom Hocker reißen kann’! Allein schon die Sprache! Allein schon die Erwartungshaltung, auch das nächste Erlebnis müsse einen geradezu ,vom Hocker reißen’. Aber der Punkt ist, die Fähigkeit zu tieferen Empfindungen geht immer mehr verloren...“
„Und ,tiefer’ heißt jetzt wieder ... was?“
„All das, was die Seele wirklich berühren würde. Das ist es eigentlich. Man möchte heute nicht mehr berührt werden, man weiß gar nicht mehr, was das ist. Sondern man möchte konsumieren, erleben, wirklich hat man nur den ,Erlebnis-Modus’. Event, Fun, Spaß. Erleben möchte man – das ist also die Einbahnstraße ,Sinneseindrücke von außen, strömen herein, Seele genießt’. Aber die andere Richtung, zu der ist niemand bereit. Die Richtung von der Seele hinaus, Hingabe an die Eindrücke. Nicht die passive Haltung des Konsums, sondern die aktive Haltung des Sich-Hingebens... Da erst beginnt die wirkliche Empfindungsfähigkeit.“
„Darf ich mal was fragen?“
„Ja, natürlich.“
„Was ist eigentlich ihre Lieblings-Miss...?“
Selbst ihre unschuldigen, zarten Provokationen berührten ihn – und stammten ja noch immer auch aus ihrer eigenen Unsicherheit.
„Ich glaube“, lächelte er, „du hast es intuitiv schon ganz richtig erkannt und gespürt, dass die Hingabe ein Schlüssel ist. Ein Schlüssel zu all den anderen Begriffen, mit denen ich es in deiner Wahrnehmung so ,habe’: Tiefe, Heiliges und was noch alles war.“
„Unendlich... Berührend... Unschuld...“, zählte sie auf.
„Ja...“, lächelte er, unendlich berührt, was sie sich alles gemerkt hatte.
Er selbst hatte diese Begriffe in dem Moment gar nicht mehr ,parat’ gehabt, sie entzogen sich dem bloßen Gedächtnis – aber sie hatte sie sich gemerkt, ihr waren sie in der Seele geblieben.
Ein bisschen etwas Spöttisches hatte ihr Blick, hatte auch ihre Aufzählung noch immer.
„Das alles“, sagte er, „wird man ohne die Hingabe nie kennenlernen, Sophia. Man wird immer nur denken, das brauche man nicht. Oder wenn man sich vielleicht sogar danach sehnt ... wird man es nicht finden.“
„Also lieben Sie eigentlich Miss Hingabe, richtig?“
„Ja, tue ich...“
„Aber dann habe ich noch eine letzte Frage.“
„Ja?“
„Wieso dann mich? Wo ich all diese Begriffe doch nicht kenne? Wieso lieben Sie jemanden, der dem gar nicht entspricht? Wieso ,berühre’ ich Sie so – wo ich doch wirklich nicht besser als der Rest bin? Weil Ihnen irgendwo doch mein Gesicht gefällt, mit den Haaren und so – und ich irgendetwas ,Liebes’ habe?“
Sie konnte es noch immer nicht verstehen – oder immer wieder nicht –, und ihre Frage hatte etwas zutiefst Berechtigtes.
„Es ist ja nicht so“, lächelte er, „dass wir darüber nicht schon vielmals gesprochen hätten...“
„Ja, aber jetzt habe ich Sie endlich an dem Punkt, wo Sie sich selbst widersprechen“, lächelte sie ebenfalls, stolz über ihre Entdeckung.
„Ich widerspreche mir nicht.“
„Dann erklären Sie es mir doch...“
...