Gedichte zu Michaeli


Gedichte für die michaelische Jahreszeit:

Herbst [Noch erblüht...] - Susanne von Bonin
Herbst [Immer düstrer...] - Susanne von Bonin
Verehrung Michaels - Friedrich Doldinger
Michael - Elsbeth Palmer-Paulsen
(Michael...) - Klaus Burghardt
(Wie der Gedanke ringt) - Friedrich Doldinger
Michaelsfest - Adam Bittleston
(Lichter Engel...) - Ida Rüchardt
(Von drüben tönt ein Ruf...) - Albert Steffen
"Ändert den Sinn" - Roswitha Jäger

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Herbst


Noch erblüht die rote Rose
doch es gilbt ihr Glanz ins Nichts.
Aus dem dunklen Waldesschoße
tritt zu uns der Geist des Lichts.
Seiner Rechten strenges Halten
trägt der Waage feines Spiel.
Seines Auges warmes Walten
fragt nach Absicht, Weg und Ziel. 

Doch die Seelen, die gewogen
werden als zu leicht befunden,
von Dämonenhand gezogen
neigt die Schale sich nach unten.
Michael mit seiner Linken
legt aufs leichte Teil sein Schwert.
Schale hält im Niedersinken,
zeigt des Gleichgewichtes Wert. –
Wenn der Feind den Frevel übte,
suche zu begreifen ihn. 

Wenn Verrat den Freund dir trübte,
gib ihm Segen noch im Fliehn.
Von der Ohnmacht Nacht umwunden,
schlag die Funken aus dem Ich.
Von des Schreckens Macht gebunden,
lös in einem Lächeln dich.
O, entrinn dem Bann der Erde,
schmiede Michael das Erz.
Seines Wesens Sieggebärde
glaubt an unser siegend Herz. 

Susanne von Bonin


Herbst


Immer düstrer die Gräser,
immer dunkler das Laub.
Ein großer Verweser
entzaubert den Staub.
Ringsum stehet Stille
mit weisendem Blick.
Es fordert ihr Wille
das Wahre zurück.
Was fruchtlos verglommen,
verfällt dem Gericht.
Aus Särgen des Sommers
erhebt sich ein Licht. –
Kein Geist mehr, der blühend
den Sinn inspiriert;
doch einer, der glühend
die Folgenden führt
durch Stille und Starre
zum freien Entschluß.
Du Seele: erharre
den schweigenden Gruß. 

Susanne von Bonin


Verehrung Michaels


Geistes-Wort-Gewalten
Kampfes-kühn verkünden;
Starkes froh gestalten,
Ruhevolles ründen!
Ach, es wird den Müden schwer!
Aber Götter gaben
Wahrheit uns zu denken,
und mit ihnen haben
Schönes wir zu schenken.
Wer will Göttern wehren? Wer?
Soll euch Düsterlinge
Wirklich nichts bezähmen?
Wollt ihr Nüchterlinge
Uns den Willen lähmen?
Weichet! Einmal ist´s genug.
Fort mit den Gefühlen,
die im Dumpfen wühlen!
Weg mit allem Zagen!
Höchstes gilts zu wagen.
Fasset an den Sonnenpflug! 

Friedrich Doldinger


Michael


Über die Höhen braust herbstlicher Sturm.
Drunten in Tiefen haust giftiger Wurm.
Goldenes Laub vom Baum raschelt herab.
Seele erwacht vom Traum, fliehet das Grab.
Hebt sich aus finstrer Gruft himmelwärts auf –
Drache in dunkler Kluft hemmt ihren Lauf.
Flammenden Lichtes-Speer Michael schwingt,
nächtig Gespensterheer mächtig er zwingt.
Seele, vom Tod befreit,
jubelt empor hin zu der Ewigkeit
jauchzendem Chor. 

Elsbeth Palmer-Paulsen


(Michael...)


Michael –
leihe mir Dein Schwert,
daß ich gerüstet bin,
den Drachen in mir
zu besiegen.
Erfülle mich
mit Deiner Kraft,
damit ich Geistern,
die mich lähmen wollen,
trotze.

So wirke in mir,
daß leuchtend
mich mein Ich durchdringe
und mich zu Taten führe,
die Deiner würdig,
Michael. 

Rudolf Steiner / Klaus Burghardt


(Wie der Gedanke...)


Wie der Gedanke ringt,
die Offenbarung des Göttlichen
zu erfassen und zu pflegen,
ist in heutiger Zeit
ein Mutdienst am Abgrund.
Denn das Böse
will den Gedanken nur dulden
im Reich der Selbstsucht und Macht
und die Menschenseele
in eitelstolze Truggespinste locken.
Wer Hingabe übte an den Geist,
der weiß: jede Überwindung
wird ein Stern auf dem Wege,
aus dessen geläutertem Golde
Michael seines Sieges Lanze schmiedet. 

Friedrich Doldinger


Michaelsfest


Was dumpf in unserm Fühlen,
was starr in unserm Denken,
was schwach in unserm Wollen:
Wir werden es wieder erheben
zu den Gefilden des Lichts,
wo Michael, der Engelfürst
und Drachenbezwinger,
unser Denken aufruft,
zu wirken für Gottes Offenbarung,
der unser Fühlen aufruft,
zu leben vor Gottes Angesicht,
auf daß wir erwecken
unseren tiefsten Willen,
mit ihm zu dienen
dem Sohne Gottes. 

Adam Bittleston


(Lichter Engel...)


Lichter Engel, hebe deine Schwingen,
tritt hervor aus deiner Himmelsruh!
Allen Herzen, welche einsam ringen,
sei des höchsten Trostes Leuchte du.
Sieh, ich irre in den Labyrinthen
Meiner dunklen Seele rastlos hin,
stoße gegen Mauern wie die Blinden –
starker Engel, heile meinen Sinn!

„Menschenkind! Aus finsteren Gelassen
hebe dich empor und schaue mich.
Habe Mut, dich selber zu erfassen –
Horch, die hellen Scharen rufen dich.
Sieh, ich bin in meiner Welt ein Streiter,
kenne nicht die süße Himmelsruh.
Bin für dich der ernste Wegbereiter.
Sei ein treuer Kampfgenosse du.“ 

Ida Rüchardt


(Von drüben tönt...)


Von drüben tönt ein Ruf zu mir:
Dem Feind der Liebe und des Lichts
Ins Auge schauen! Weiter nichts
Verlangt der Engel jetzt von dir! 

Nur, daß du wie ein Spiegel wirst,
Darin der Dämon sich erkennt,
in deiner Läuterung verbrennt,
Das Böse in sich selbst zerbirst. 

Der Herr des Schicksals fordert nicht,
daß du die Hand als Richter hebst,
nur, daß du in der Wahrheit lebst:
Der Geist ist selber das Gericht. 

Albert Steffen


"Ändert den Sinn..."


Wach auf – und tritt aus deiner Tür,
Ein namenlose Wandrer,
Das Gestern modert noch an Dir –
Wirf´s ab! Du bist ein andrer.
Heut gehst du fremd und neu heraus,
Man wird dich nicht mehr kennen,
Und keinen Mantel und kein Haus
Wirst du dein eigen nennen.
Was wendest du den Blick zurück
Und hängst an goldnem Glänzen!
Das war das Gitterwerk vom Glück,
Den Blick dir zu begrenzen.
Da tritt heraus – und was du hast
Entsinke deinen Händen,
Auf mußt du von Besitzeslast
Den Sinn zum Himmel wenden!
Das ist der Ruf. Und was du bist,
Es werde Wegebereiter
Und namenlos, ein rechter Christ,
Zum Michael-Begleiter. 

Roswitha Jäger