03.04.2015

Kernaussagen Clements und die nie beantworteten Fragen

Steiner-Deutung zwischen Hochmut und inhaltlicher Blässe.


Im Folgenden zitiere ich falsche, problematische und solche Aussagen Clements, an denen seine Thesen überhaupt erst konkrete Klarheit gewinnen. Es zeigt sich, dass er erst nach und nach erläutert, wie er sich die Deutung Steiners vor dem Hintergrund des deutschen Idealismus (Clementscher Deutung) vorstellt. Schließlich aber ergibt sich ein Gesamtbild, das sich dann in seiner ganzen Abstraktheit offenbart - und die Unwahrheit seiner Deutungen klar erleben lässt.

Die Aussagen sind im wesentlichen nach drei Hauptfragen geordnet: den Bedingungen der Geisteswissenschaft, dem Wesen der Geist-Erkenntnis und Clements eigenen abstrakten Thesen. Am Ende sind nochmals alle Punkte aufgelistet, an denen die Clementsche Deutung zerfällt - jene Fragen, auf die Clement in den letzten Tagen und Wochen schlicht nicht eingegangen ist, obwohl ich sie gestellt und aufgeworfen habe.

Überheblichkeit statt Ehrfurcht vor Erkenntnis und Wahrheit

Der "Luzifer" des Steiner kurz nach der Wende zur Theosophie ist übrigens ein sehr Blavatskyscher Genosse: er kann in der Tat als "good guy" nach einem moralischen schwarzweiß-Schema beschrieben werden. (Siehe den Auftakt-Artikel der Zeitschrift "Luzifer" 1903.) Der Luzifer der "Geheimwissenschaft" sieht ganz anders aus, der steht, wie sein Freund Ahri, gewissermaßen jenseits von gut und böse.
07.04.2015, 04:37 Uhr. o

Für mich geht es nicht bloß darum, dass Wissenschaft und Kunst durch Initiatenwissen "befruchtet" werden. Das klingt doch etwas zu sehr nach Einbahnstrasse bzw. nach Sex in Missionarsstellung. Vielleicht ist "Befruchtung" überhaupt hier nicht die richtige Metapher. [...] Da muss sich auch die Esoterik durch die Wissenschaft befördern und verändern lassen. Also nicht die biologische Ebene der Befruchtung, sondern eher die seelisch-geistige bzw. die ganzheitliche Dimension der Liebe wäre die treffende Metapher für das, was zu geschehen hat.
14.11.2014, 14:59 Uhr. o

Diese Art von Sprache lässt unmittelbar erleben, wie eine wahrhaftige Geistes-Suche bei Clement überhaupt nicht zu finden ist. Alles ist durchtränkt von Hochmut und Spott - und wird darum zur Anthroposophie überhaupt keinen Zugang finden. Clement pervertiert die ihm unbekannte geistige Befruchtung, beansprucht aber die "Liebe", um die Geisteswissenschaft durch die intellektuelle Wissenschaft zu verändern. Die Stoßrichtung ist deutlich...

Und es ist die größte Frivolität der Seele, zu glauben, daß man ein gewisses Recht auf subjektive Meinungen habe. Dieses Recht auf subjektive Meinungen hat man nicht, sondern man hat als Mensch die Verpflichtung, hinauszudringen über seine Subjektivität zu dem Objektiven. [...] Diese heutige Zeit ist ja vor allen Dingen voller Hochmut, voller Emotionen selbst in dem, was man objektive Wissenschaft nennt [...].
Rudolf Steiner, 1.2.1919, GA 188, S. 232f.

Falsche Alternative Kritisch < > Religiös

Auch als Herausgeber der SKA beanspruche ich nicht, mit meinem Verständnis der Anthroposophie deren "wahre" Gestalt herauszuarbeiten. Ich arbeite nur eine solche Gestalt heraus, die 1. meiner Individualität gemäß ist und 2. meiner Ansicht nach dialogfähig mit der Wissenschaft ist. Natürlich gehe ich davon aus, dass am Ende Anthroposophie nur in einer solchen Gestalt wirklich zukunftsfähig ist, weil das Religiöse und das Wischiwaschi irgendwann obsolet geworden sein wird.
29.10.2014, 16:52 Uhr. o

Wenn sich Anthroposophie und kritisches Denken nicht vereinbaren lassen, dann hinweg mit ihr! Dann hat sie für den Menschen im Bewusstseinsseelenzeitalter keinen Wert und keine Existenzberechtigung, ist reiner Anachronismus, sentimentaler Balsam und Droge für die Seele, die nicht damit klarkommt, dass, in Nietzsches treffendem Wort, Gott tot ist.
02.11.2014, 15:46 Uhr. o

Clement hat sich ganz seine eigene dualistische Welt zurechtgelegt: Alles, was nicht seiner abstrakten Umdeutung entspricht, ist "religiös", "Wischiwaschi", "unkritisch" etc.

Geisteswissenschaft ohne spirituelle Schulung

Ich habe zudem den Eindruck, sie vermischen ständig diese beiden Ebenen: Anthroposophie als Instrument persönlicher spiritueller Schulung und Anthroposophie als wissenschaftlicher Zugang zur Wirklichkeit.
01.04.2015, 17:42 Uhr. o

Dies ist ein Lieblingsargument Clements, der zu einem inneren Schulungsweg gar nicht bereit ist. Er muss daher den letzteren von der Anthroposophie als Geistes-Wissenschaft abtrennen. Sie wird aber gerade zur Geisteswissenschaft, weil sie vollkommen wissenschaftlich seelisch-geistige Erkenntnisorgane entwickelt - und ohne diese gar nichts erkannt werden kann. Übrig bleiben bei Clement hochmütige Umdeutungen und rein persönliche Behauptungen, fußend auf illusionären Ansprüchen seiner eigenen "Wissenschaftlichkeit".

„Alles ist wahr“ und „Ein Mensch eine Deutung“

Nicht weil ich glauben würde, dass einer von uns mehr „Recht“ hätte, sondern weil meine individuelle Deutung nun mal das einzige ist, was ich einzubringen habe und weil ich glaube, dass in dieser Differenzierung und Entfaltung der Wirklichkeit in möglichst viele individuelle Spiegelungen der Erkenntnisprozess weitergetrieben wird. Das Wahre ist, da gehe ich mit Hegel, immer das Ganze.
01.04.2015 15:13 Uhr. o

Wohlklingend und suggestiv. Völlig ausgeblendet wird hier, dass es neben der umfassenden Wahrheit auch Unwahrheit gibt - und dass ein Mensch sich im Laufe seines Lebens auf die Wahrheit zu-, von ihr wegbewegen oder überhaupt weitgehend in Irrtum und selbstgestrickten Deutungen verhaftet bleiben kann. Wahr ist erst das Ganze, das auch die Unwahrheit umfasst.

Von der „Wirkung“ zur Unterstellung

Diese Texte [von Niederhausen, H.N.] wirken auf mich aufgeblasen, überheblich, unreflektiert, einseitig, dogmatisch, unoriginell, verurteilend und arrogant. Wie Steiner aufgesogen und unverdaut wieder ausgespuckt. [...] Ich behaupte nicht, dass Ihre Texte oder Sie WIRKLICH SO SIND; ich sage nur, dass sie AUF MICH SO WIRKEN. Daher habe ich nicht die geringste Lust, mich darauf einzulassen. Nicht mal, sie zu kritisieren. Denn alles, was ich sagen könnte, würde ja an Ihnen abprallen und abgleiten wie das Fett von der Teflonpfanne.
19.03.2015 06:56 o 

Da Clement schon mit Steiner nicht zurechtkommt bzw. ihn völlig umdeutet, ist klar, dass jeder, der näher bei Steiner bleibt, auf ihn so wirken muss. In dieser Äußerung hier übersieht er aber eklatant, wie er sich von einem Satz zum anderen selbst widerspricht. Was er zunächst nur als subjektive "Wirkung" bezeichnete, behauptet er gleich darauf als Realität [mehr dazu hier]. Dass ich dann sehr wohl differenziert auf Clement einging, während meine kritischen Fragen an ihm abprallten und er sich ihnen völlig entzog, ist eine andere Geschichte...

Unterstellungen gegenüber Steiner

Ist der "Gott" in Steiners Spätwerk der "Gott" der Religionen, oder der "Gott" des steinerschen Frühwerks? DAS scheint mir die Gretchenfrage zu sein. Steiner hat es versäumt, seinen Anhänger diese Frage ganz klar zu beantworten, sei es, weil er seinen Anhängern das Selberdenken nicht abnehmen wollte, sei es, weil er sich am Ende in der Rolle des Propheten verloren hat.
29.10.2014, 13:56 Uhr. o

Um seine eigenen Thesen und Deutungen zu halten, ist Clement keine Begründung zu platt...

Verglichen mit den maßgebenden Texten [der neueren abendländischen Philosophie] ist Steiner [und seine "Philosophie der Freiheit", H.N.], was die Reflexionstiefe, die Weite des Blicks, die Genauigkeit im Umgang mir anderen Denkern, was den Denkaufwand betrifft, der geleistet werden muss, um auch nur zu verstehen, worum es geht, mehrere Stufen zurück. [...] Wie ich es verstehe, ist der Anspruch lediglich, dass hier innerhalb eines sehr überschaubaren begrifflichen Raumens und auf sehr anspruchslosem Reflexionniveau ein "lebendiger Gedankenorganismus" hingestellt wird, also gewissermaßen eine "Philosophie für den kleinen Mann" [...].
28.11.2014, 22:04 Uhr. o

Nicht auf das "Reflexionsniveau" kommt es Steiner an, sondern auf ein Erleben des reinen Denkens als erste (!) Stufe des Geistes. Nicht auf ungeheure Gedankengebäude, sondern auf ein Eintreten in eine Realität. Dass man diese Realität auch mit Fichte und Hegel betreten kann, ist ohne Zweifel. Dass man bei ihnen dann aber auch auf einer bestimmten Stufe verharrt und letztlich sehr in die Irre gehen kann, ist die andere Tatsache.

[Clement behauptet, dass] Rudolf Steiner mit seiner Freiheitsphilosophie in die abendländische Mystik und insbesondere in die Theosophie Helena Petrowna Blavatskys eintauchte und mittels dieser Fusion einen dem modernen Bewusstsein angemessenen rationalen Mythos zu erschaffen suchte [...].
11.04.2015,
Ein Klassiker der Geisteswissenschaft: Schellings "Weltalter". o 

Mystik und Blavatskys Theosophie führen Steiner zur Erschaffung eines "rationalen Mythos"? Clement hat von der Geistes-Wissenschaft nichts und absolut nichts verstanden!

In Johann Gottlieb Fichtes Schrift "Die Bestimmung des Menschen" (1800 ) ist in vieler Hinsicht das Experiment keimhaft vorgebildet, das Rudolf Steiner knapp 100 Jahre später unternahm, als er den Versuch unternahm, auf bruchlose Weise die Anschauungen seiner begrifflich-philosophischen  Phase in die Anschaulichkeit einer religiös-theosophischen Weltanschauung zu überführen. Der Übergang von Steiners philosophischem Werk bis 1894 zur theosophisch-anthroposophischen Geisteswissenschaft nach 1904 entspricht im Gestus dem Übergang von den ersten beiden Büchern in Fichtes Schrift ("Zweifel" und "Wissen") zum dritten Buch (über den "Glauben").
13.04.2015, Ein Klassiker der Geisteswissenschaft: Fichtes "Bestimmung des Menschen". o

Dies ist, abgesehen von der völligen Diffamierung der Geisteswissenschaft als "religiös-theosophisch" und weiteren suggestiven Formulierungen, auch in Bezug auf Fichte ein völlig willkürlicher Unsinn. Mehr dazu hier.

Unwahrheit über Imagination/Inspiration

Steiner [...] hat sich an bestimmten Stellen seiner Schrift auch durchaus bemüht, seinen Lesern klarzumachen, dass die von ihm geschilderten imaginativen und inspirativen Phänomene, als solche, nichts als „Halluzinationen, Visionen und Illusionen“ (SE, 251) sind [...].
SKA 7, XXVIII f. [Nov. 2014] [Mehr dazu hier]

Clement missachtet völlig, dass Steiner an der angegebenen Stelle von dem Urteil der äußeren Welt über das imaginative Erleben spricht. Vor allem entgeht ihm ganz der entscheidende Unterschied zwischen der Erkenntnisstufe der Imagination und jener der Inspiration, von der Steiner hier überhaupt noch nicht spricht. Clement konstruiert hier also eine völlig unwahre Aussage und legt sie Steiner in den Mund. [Mehr dazu hier]. 

Unwahrheit über Autosuggestion

In WE, 137 macht Steiner zudem deutlich, dass selbstsuggestive Übungen durchaus Teil des Schulungsweges sind.
SKA 7, LXXXIV. [Nov. 2014]

Steiner spricht in "Wie erlangt man...?", S. 137, von einem realen Vorgang: „Ist man mit hellseherischen Fähigkeiten begabt, so kann man sich mit vollem Bewußtsein den physischen Körper eines Menschen, der vor einem steht, absuggerieren. [...] so vermag der Hellseher einen physischen Körper für seine Wahrnehmung ganz auszulöschen, so daß er für ihn physisch ganz durchsichtig wird.“
Man kann solche Bemerkungen Clements nur als suggestive Unterstellungen werten, die für den Leser den wahren Sachverhalt gerade völlig verdunkeln.

Clement versteht Esoterik, andere sind naive (metaphysische) Realisten

Schlimmer noch: der naive Realist ist nicht nur unfähig, in das moderne Bewusstsein einzutreten; er ist auch unfähig, Esoterik zu verstehen.
10.03.2015, 13:38. o

Aber es wurmt mich schon, wenn Leute, die noch an den Weihnachtsmann glauben, daran rummäkeln, dass ich ernsthaft versuche, denn Sinn und die Bedeutung der Idee vom Weihnachtsmann zu verstehen – und die sich dabei auch noch einbilden, an der vordersten Front der Bewusstseinsentwicklung zu stehen.
10.03.2015, 16:17 Uhr. o

Was gäbe es denn an Steiner noch zu kritisieren oder zu verteidigen, wenn sich das Pochen auf die wortwörtliche Bedeutung der Steinerschen Imaginationen ebenso verflüchtigen würde, wie (glücklicherweise bei den meisten heute) der Glaube an die wortwörtliche Bedeutung der biblischen Schilderungen von Brotvermehrung, Sintflut oder Teilung des Roten Meeres? [...] Der Doktor ist einfach noch nicht lange genug tot.
30.03.2015 22:10 Uhr. o

Clement unterstellt hier implizit allen, die nicht so denken wie er, dass sie Steiner gläubig wortwörtlich auffassen, nicht zwischen imaginativen Schilderungen und geistiger Wirklichkeit, die letztlich in der Intuition erlebt werden muss, unterscheiden können etc. etc. – Er behauptet, er könne Esoterik (!) verstehen und beweist doch nur einmal mehr seine Überheblichkeit, die schon immer das Haupthindernis jeder wahren Esoterik war. 

Geistesforschung oder bloß Steiners Geist?

"Gott" ist "tot"; genauer, die Mordtat dauert noch an, in jedem Akt der Individualisierung und Rationalisierung und Autonomisierung eines Menschen. Aber das ist recht so. Denn der so Ermordete kann neu auferstehen, im "Ich", durch das "Ich", als "Ich".  [...] Von da aus gesehen wären die 360 Bände der GA zu verstehen als Schilderung der "Auferstehung Gottes" im Bewusstsein Rudolf Steiners, genauer: als Bewusstsein Rudolf Steiners. Wer diese Schilderung dann aber versteht als Schilderung DER geistigen Welt (und eben nicht Steiners geistiger Welt), d. h. als Offenbarung im Sinne der traditionellen Religionen, [...] der sieht meiner Auffassung nach den Wald vor lauter Bäumen nicht, er sieht vor lauter steinerschen Imaginationen die zentrale Botschaft Steiners nicht mehr.
02.11.2014, 18:59 Uhr. o

Falls meine persönliche Meinung interessiert: Natürlich gibt es "für mich" eine geistige Welt, weil ich diese ständig erschaffe. Ob es aber eine geistige Welt "an sich" gibt, also ein im naiv-metaphysischen Sinne unahbängig von Menschen bestehendes, hinter der sinnlichen Wirklichkeit liegendes "Jenseits", da habe ich so meine Zweifel. Aber die hatte Steiner ja wohl auch, und sprach das auch bis 1900 klar aus.
16.11.2014, 22:32 Uhr. o

Auch diese Behauptung ist wieder wunderbar suggestiv und spricht den "modernen" Egoismus sehr an: Jeder Mensch hat seine eigene geistige Welt, und wer etwas anderes glaubt, mache Steiner unkritisch zum Propheten. In Wirklichkeit treibt Clement hier einen Keil zwischen die reale geistige Welt und den individuellen Menschen und setzt an ihre Stelle unzählige Parallel-Welten. Steiner selbst hat seit seinen Grundwerken für die Erkenntnis gekämpft, dass der Mensch in der Erkenntnis die Wirklichkeit ergreift (eine Absage gegen allen Solipsismus, Konstruktivismus, Transzendentalismus, gegen Parallelwelten etc. etc.). Clement untertellt hier übrigens erneut, alle anderen könnten nicht zwischen imaginativen Schilderungen und intuitivem Erleben unterscheiden. Und er ist es, der einen Dualismus erschafft, nicht Steiner.

Menschengeist statt geistige Wesenheiten

Das einzige Wesen, dem der Mensch in der Meditation begegnet, ist nach Steiner letztlich das eigene, und zwar als zugleich individuell-persönliches und universell-absolutes.
SKA 7, IXXX. [Nov. 2014] [Mehr dazu hier]

Zwischen neomystischer Esoterik und wissenschaftlich betriebener Tiefenpsychologie als charakteristischen Erscheinungen des europäischen fin de siècle nehmen die Schriften Rudolf Steiners zur Erkenntnisschulung eine eigentümliche Mittelstellung ein. Auf der einen Seite scheint es sich bei ihnen um eine weitere Variante der Neomystik, einen Versuch der Wiederbelebung prämoderner unkritischer Metaphysik zu handeln, besonders wenn Steiner von „höheren Welten“ spricht und sich zur Darstellung derselben des aus Religion, Mystik und Okkultismus bekannten Arsenals höherer Wesen und Phänomene bedient – von „Auren“, „Astralleibern“ und „Chakren“ hin zu „Engeln“, „Meistern“ und „Schwellenhütern“. Auf der anderen Seite finden sich in diesen Texten bemerkenswert moderne bewusstseinsphilosophische, psychologische und psychotherapeutische Aspekte.
SKA 7, XXXIII. [Nov. 2014]

Rudolf Steiners Versuch, in seiner Anthroposophie die Entwicklung der sinnlichen und übersinnlichen Wirklichkeitsgestaltungen als Ausdruck einer sukzessiv fortschreitenden Metamorphose des Geistes im menschlichen Selbsterkennen zu verstehen [...].
14.04.2015, Ein Klassiker der Geisteswissenschaft: Hegels "Phänomenologie des Geistes". o

Ob mir ein Wesen in einer von mir als physisch vorgestellten Wirklichkeit entgegenkommt oder in einer als geistig vorgestellten, ist in einer konsequent monistischen Perspektive ja prinzipiell kein Unterschied. In beiden kommt mir dasjenige Wesen entgegen, in dem sowohl der mir physisch erscheinende Mensch wie z.B. der mir geistig erscheinende Engel (und übrigens ich selbst, der Erkennende, ja auch) gründen oder urständen. Genauer gesagt ist es also das eine Urwesen, welches sich (durch mich als sein Organ) im Bilde des physischen Menschen bzw. des Engels selbst anschaut. - - - Man könnte diesen etwas schwindelig machenden Gedanken ja auch ganz plastisch-biblisch ausdrücken: "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Ergo: Wenn ihr den geringsten meiner Brüder erkennt, so habt ihr mich erkannt."
20.11.2014, 22:00 Uhr. o

Wenn also [...] in den „geistigen Hierarchien“ dem Menschen im geistigen Schauen tatsächlich nichts anderes als sein eigenes Wesen entgegenkommt, ist es dann nicht legitim anzunehmen, dass das auch für alle sonstigen „Wesen“ gilt, sie sich sonst noch im „anthroposophischen Wesenszoo“ tummeln?
21.11.2014, Eine Replik auf Ansgar Martins Kritik an der Einleitung zu SKA 7. o

Können Sie den Gedanken fassen, dass eine Offenbarung, die ein "Engel" Ihnen aus der "geistigen Welt bringt", eigentlich eine Offenbarung ist, welche Sie der Welt bringen?
17.11.2014, 00:30 Uhr. o

Der „Engel“ – als Engel – existiert nur, solange ein Mensch da ist, der ihn sich vorstellt/imaginiert, genauso wie ein Baum, der im Wald umstürzt, nur ein Geräusch macht, solange ein Mensch da ist, der es hört.
[The "angel" - as angel - exists only as long as a human being is there to imagine it, just as a tree falling in the forest only makes a sound as long as there is a human being to hear it.]
28.03.2015, "A tame and sanitized Steiner". o

Hier offenbart sich Clements ganzes Unverständnis des Verhältnisses zwischen dem Menschengeist und der geistigen Welt. Was er bei Steiner nicht finden kann, deutet er sich um. Die Dialektik, dass dem "freien Erbilden" des Ich die geistige Welt gerade erst entgegenkommen kann, begreift er nicht. An die Stelle dieses realen Geist-Erlebens setzt er abstrakte Theorien, die auf den ersten Blick vielleicht ähnlich aussehen, vor innerer Leere aber geradezu scheppern. [Mehr dazu u.a. hier].

Falsche und nichtssagende Dialektik

Sie schrieben: "Die höheren Wesenheiten sind zunächst gewiss nicht abhängig vom menschlichen „Ich“, denn ihrem Wirken verdankt der Mensch überhaupt erst, dass er ein „Ich“ werden konnte."
Ich stimme Ihnen voll zu, solange Sie auch die andere Seite der Sache anerkennen:
"Das "Ich" ist zunächst gewiss nicht abhängig von geistigen Wesenheiten, denn seiner Tätigkeit verdanken es die physischen, sinnlichen und geistigen Wesen, dass sie da sind und erscheinen können."
29.03.2015, 20:12 Uhr. o

Aus der Perspektive des Ich erscheint der Engel (und die gesamten Hierarchien), wie alles, was dem Ich bewusst werden kann, als Hervorbringung des Ich. Aus der Perspektive des Engels bzw. der Hierarchien insgesamt, erscheint das Ich (wie auch alles andere in dieser Welt) als Hervorbringung des Engels.
30.03.2015, 18:52 Uhr. o

Sie sind offenbar auch nicht in der Lage, einen dialektischen Widerspruch als solchen zu denken, sondern fordern penetrant nach Auflösung. "Schafft nun der Engel das Ich, oder das Ich den Engel?" So fragt das naive unbewegliche Entweder-Oder-Denken; die Philosophen haben das schon lange hinter sich gelassen. [...] Ich kann nicht dafür, dass Steiner aus dem deutschen Idealismus hervorging.
31.03.2015, 01:26 Uhr. o

Dies ist einfach die Fortsetzung von Clements abstrakter "Dialektik". Ihren eigentlichen Hintergrund, sein herbeigezaubertes "Universal-Ich", hält er hier noch verborgen. Überheblich diffamiert er jedoch schon hier alle, die ihm in diese hohlen Abstraktionen nicht folgen wollen (obwohl dies wirklich nicht schwer wäre). Steiner ist aber nun einmal nicht aus dem deutschen Idealismus "hervorgegangen". Vielmehr hat er den Schritt von bloßen Gedankengebäuden zu wirklichem Geist-Erleben und der Begründung einer Wissenschaft vom Geiste gemacht. 

Die höheren Wesenheiten als abstrakte „Aspekte“

Nur weil der Engel aus dem ich kommt (und natürlich zugleich das Ich aus dem Engel), heisst das doch nicht, dass es den Engel "nicht gibt". [...] Im Gegenteil, er ist auf viele Weise: für den Hellseher als Imagination, für das abstrakte Denken, je nachdem wie man ihn fasst, eine Kraft oder Tätigkeit oder Wesen oder Manifestation oder Aspekt des Absoluten.
01.04.2015, 21:58 Uhr. o

Auch hier gibt es für Clement nichts zwischen Imagination und abstraktem Denken, dabei beginnt die Wissenschaft vom Geiste erst jenseits des abstrakten Denkens. Den Begriff des "Wesens" hätte Clement am liebsten aus der Welt geschafft und alles bloß zu Aspekten seines absolut konstruierten "Universal-Ich" gemacht.

Wenn Steiner, wie ich voraussetze, tatsächlich ideogenetisch gedacht hat, dann wäre alles Reden von "Meistern" und "okkulten Kräften" natürlich ebenso als ein Reden von Aspekten des eigenen Wesens gemeint, wie das Reden von "Engeln und "Erzengeln". [...] das "eigene Wesen", von dem hier die Rede ist, ist (im Sinne Steiners) nicht das Bewusstsein oder das empirische Ich Rudolf Steiners, sondern jenes universelle Wesen (singular), von dem Rudolf Steiner ebenso eine Manifestation ist wie alle "Wesen" (plural), also alle "Meister" und "Hierarchien" und "Kräfte" und was immer.
20.11.2014, 00:42 Uhr. o

Rudolf Steiner soll also nur von Aspekten des "eigenen Wesens" gesprochen haben, aber eben doch nicht des eigenen, sondern eines universellen, von dem er und alles andere nur eine "Manifestation" sei. Damit kommen wir nun endlich zur Quelle von Clements eigenen Vorstellungen:

Das abstrakte „Universal-Ich“ als Weltformel

1. Clement zitiert Steiner: „Ich werde also sagen müssen: einmal bin ich Individuum, beschränktes Ich; das andere Mal bin ich allgemeines, universelles Ich.“ Und sagt dann, nach Steiner müsse also das „Ich“ dialektisch einerseits als individuelles Wesen und sich selbst erschaffendes Selbstbewusstsein, andererseits als universelles Wesen gedacht werden.
2. Die Bezeichnung „Wesen“ und „Wesenskern“ sei schon ungenau und bildhaft, denn das individuelle Ich sei für Steiner (wie für Fichte) reine Tätigkeit und nicht etwa ein „Etwas“, das tätig wäre.
3. Das universelle Ich sei nur ein einziges (nicht nur ein „höheres Ich/Selbst“ unter anderen), es kenne kein Innen und Außen, andere „universelle Iche“ müssten aber außerhalb dieses ersteren gedacht werden.
4. Das universelle Ich sei der „Gott“ der Religionen, der „unbewegte Beweger“, das „Absolute“, der „Logos“, aus dem alle Welten, alle Indivdual-Iche, alle Engel usw. hervorgehen.
5. Das „Ich“ sei zugleich Individual-Ich und Universal-Ich, also Ergebnis und Ursprung/Grund/Medium der natürlichen Weltentwicklung. Es gebe nicht zwei „Iche“, nicht „Seele“ und „Gott“ (bloßes Bild), sondern nur ein „Ich“, das zugleich Vater(gott) und (Menschen)Sohn, universell und individuell sei (wobei sich das letztere in Individual-Ich und universelles Ich getrennt erscheint).
6. Das Individual-Ich werde vom „Engel“ = Universal-Ich hervorgebracht (der „Engel“ ist nur Bild für einen gewissen Aspekt von dessen Schöpfungstätigkeit), der Engel werde vom Universal-Ich hervorgebracht.
31.03.2015, 04:14 Uhr. o [dort Originalversion]

Hier offenbart sich endlich, wie Clement sich Steiner als "aus dem Idealismus hervorgegangen" denkt - bzw. wie er ihn wieder dorthin zurück-deutet. Er entstellt Steiners Gedanken einfach derart, dass er dort, wo Steiner vom universellen Wesen des Denkens spricht, sein abstraktes "transzendentales" "Universal-Ich" setzen kann. Nun geht er mit intellektuellen Trampelschritten über "Seele", "Gott", "Menschensohn", "Gottessohn", "Engel" usw. hinweg - und am Ende hat er alles in das Prokrustesbett seiner ureigen Clementsche Dialektik "Universal-/Individual-Ich" gespannt. Das ist "akademische Wissenschaft" (lies: Deutungs-Hohheit) im 21. Jahrhundert! [ausführliche Widerlegung der Clementschen Äußerungen hier] .

Abschließend liste ich alle Fragen, denen Clement sich (aus nunmehr nachvollziehbaren Gründen) letztlich immer wieder entzogen hat - wenn er sie nicht fortwährend in seinem Sinne umbiegt -, noch einmal auf.

Die offen bleibenden Fragen

Erkenntnistheorie
• Die Frage des entscheidenden Unterschiedes zwischen naivem Realismus und bewusstem Erkennen.

Entwicklung der Geist-Erkenntnis Rudolf Steiners
• Die Verständnisebenen bei Aufsätzen wie „Der Egoismus in der Philosophie“.
• Die Frage des Unterschiedes zwischen ideeller und viel wesenhafterer geistiger Erkenntnis im Lebensgang Steiners.

Bedingungen der Geist-Erkenntnis
• Die Irrtumsmöglichkeit „kritischer“ Deutungen. Steiners Rechnen auf den gesunden Menschenverstand.
• Die Bedeutung von Ehrfurcht im Denken, Ernst usw. für ein tieferes Verständnis der Anthroposophie.
• Die Bedeutung des gründlichen Aufnehmens der Schilderungen des Geistesforschers (Studium).
• Die falsche Verwendung der Begriffe „Kritiklosigkeit“ und „Gläubigkeit“.
• Die Frage der dialektischen Einheit von Anthroposophie als spiritueller Schulungsweg und Geisteswissenschaft.

Wesen der Geist-Erkenntnis
• Die unwahre Darstellung der Inspiration als „Halluzination“.
• Das dialektische Grundgeheimnis der Geisteswissenschaft: Dem „freien Erbilden“ des Menschengeistes kommt die reale, wesenhafte geistige Welt real entgegen.
• Die entscheidende Frage der Erkenntnisstufe der Intuition und Wesensbegegnung.
• Die Frage, ob der Menschengeist immer nur sich selbst erfasst oder auch noch anderes außer sich selbst?

Clements abstrakte Ich-Philosophie-Deutung
• Die Frage des Geräuschs eines fallenden Baumes ohne anwesenden Menschen.
• Die Änderung von „Denken“ in „Universal-Ich“ und der Polarität Fühlen/Denken in Individual-Ich / Universal-Ich.
• Fragen zum Verhältnis zwischen „Universal-Ich“ und individuellem Ich.
• Die Reduktion der geistigen Welt auf ein „Universal-Ich“ und seine „Aspekte“ als Gegensatz zur Anthroposophie.
• Fragen zum Verhältnis von Christus und Jesus.
• Unklarheiten, welche Ich-Ebene in bestimmten Äußerungen gemeint ist („Das Ich schafft den Engel“).
• Die Urpflanze: Kann man etwas „schauen“, was zuvor „überhaupt nirgendwo vorhanden“ gewesen wäre?
• Die Frage, ob der Engel nicht erkennt? Und zwar sogar in umfassenderem Sinne als das Individual-Ich.

 

Als Reaktion auf meine Fragen, Aufsätze und Dokumentationen trat Christian Clement nicht etwa wieder in die Diskussion ein, sondern zog sich stattdessen am 7. April mit einem Abschiedsbrief auf den "Egoisten" ganz zurück.

Hierfür verwendete er Worte aus Rudolf Steiners "Lebensgang". Ich wies ihn zum Abschied darauf hin, dass er selbst in diesen, von ihm so missbrauchten Original-Sätzen Worte Steiners finden könnte, die ihm zeigen könnten, dass auch in den Vorträgen kein "metaphysischer Realismus" gegeben wurde.

Seltsamerweise war beides - auch Clements Text! - wenige Minuten später auf dem "Egoisten-Blog" spurlos verschwunden. Dokumentiert ist es dennoch...