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Vorwort zu diesem Band
Nach den drei vorangegangenen Grundlagen-Bänden zur Geschichte des Patriarchats, zur Frage nach dem Männlich-Weiblichen und zur Sexualität ist dieser Band der erste, der sich im engeren Sinne der Liebe zum Mädchen zuwendet – indem er sich dem Mädchen selbst zuwendet.
Was ist ein Mädchen? Wie ist es Mädchen im Laufe der Geschichte ergangen – wie (er)geht es ihnen heute? Was fühlen Mädchen?
In einem ersten Teil wird ein Blick in die Vergangenheit geworfen, um empfinden zu können, was das Schicksal der Mädchen in den letzten Jahrhundert war – wie auf sie geblickt wurde, wie sie gesehen, wie sie erzogen wurden. Es ist deutlich, dass man Mädchen immer im Blick auf die spätere Frau und ihre vorbestimmten Rollen erzogen hat – so dass die jeweiligen patriarchalen Ideologien mit voller Wucht auf das fast immer mehr oder weniger wehrlose Mädchen trafen.
Aber wie schon der zweite Band erlebbar machen sollte – nicht alles, was in der Zeit des Patriarchats gefordert und teilweise auch verehrt wurde, muss heute abgelehnt werden. Abgelehnt werden muss nur jegliche Forderung. Es gibt aber auch Ideale. Und so lebte im viktorianischen Zeitalter nicht nur eine repressive Ideologie, sondern auch eine hingebungsvolle Idealisierung des Mädchens. Diesen Unterschied zu verstehen, wäre eine große Aufgabe.
Der zweite Teil widmet sich zunächst der Psychologie der Mädchenseele. Dass es hier ausgewiesene Expertinnen gibt, entlastet von dem Verdacht, auch hier wieder männliche Ideologien hineinzubringen. Dass auch kein Schematismus gemeint ist, wird deutlich, wenn es um ganz verschiedene Arten geht, wie Mädchen heute mit der Tatsache ihres Mädchenseins umgehen können und dies auch tun.
Körper und Geschlecht – was bedeutet dies für ein Mädchen? Natürlich betrifft dies dann auch den großen Bereich der Sexualisierung – und letztendlich die ganze Frage des Verhältnisses Mädchen-Jungen oder Mädchen-Männer. Damit ist die Situation von Mädchen heute immer auch eine Diagnose einer ganzen Gesellschaft.
Stets sind Mädchen das schutzlosere Geschlecht – und gerade diese Tatsache ist so berührend. Wo immer diese Schutzlosigkeit ausgenutzt wird, zeigen sich die Krankheitssymptome einer Gesellschaft. Dass Mädchen aber gefährdet sind, zeigt etwas von ihrem Wesen. Und so soll auch dieser Band etwas dazu beitragen, das berührende Wesen von Mädchen – und auch seine vielfach so unterschiedliche Offenbarung, bei allem Gemeinsamen – tiefer als gewöhnlich erlebbar zu machen.