Parthenophilie

Chronik Grieshuus (1884)


Diese wie ,Aquis submersis’ und ,Eekenhof’ in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts spielende Novelle wollen wir nur ausschnitthaft anhand der abstrusen ,Deutungen’ eines ,Literaturwissenschaftlers’ betrachten.

Hier gibt es schon früh eine erste Szene zwischen dem Junker Hinrich und einem ,süßen zehnjährigen Dirnlein’, der Tochter eines Kornschreibers, der bisweilen Schriften für den alten Junker anfertigte. Schon hier heißt es: ,nach dem blonden Dirnlein hat der Junker Hinrich noch manch einmal vergebens ausgeschaut’. – Einige Jahre später rettet Hinrich die beiden aus der Gefangenschaft einer polnischen Kriegsrotte. Darauf ziehen der Vater und das Mädchen in das Turmhaus des alten Jägers Owe Heikens.

Und nun heißt es seitens der ,literaturwissenschaftlichen’ Deutungsversuche angesichts einer bald darauf folgenden Situation:[1]

[...] kann man nicht umhin, die Szene als metaphorische Entjungferung zu deuten, als Bärbe es nicht über sich bringt, ein Huhn zu schlachten. Da tut Hinrich es mit seinem Messer, ein „Blutstrahl“ schießt empor, und „ein paar Tropfen standen rot auf ihrer weißen Schürze.“ Dabei tut „das schöne Mädchen gleichzeitig mit dem Huhne einen lauten Schrei“, d.h. Mädchen und Tier werden bildlich enggeführt, so dass sich die Worte Hinrichs an Bärbe als sehr ambivalent herausstellen: „,Ich wollt’s dir abnehmen, Bärbe’, sprach er; ,aber nun fürchtest du dich wieder vor mir [...]’“
Dass diese Lektüre [...] stimmig ist, zeigt sich daran, dass Bärbe und Hinrich kurz nachher sehr schnell heiraten und das Trauerjahr nach dem Tod von Hinrichs Vater allen Gewohnheiten zum Trotz nicht einhalten. Als Bärbe dann – wie üblich in solchen Situationen – ein „Siebenmonatskind“ gebiert [...].[2]

Unterstellt wird hier, dass sich Hinrich ,die schöne Kindsbraut ohne allzu viel Rücksicht angeeignet hat’. In Wirklichkeit ist es Gerrekens selbst, der sich die Kindsbraut angeeignet und mit seiner Deutung zugleich vergewaltigt hat. Zunächst wollen wir die Szene in ihrer Wahrheit selbst erleben:[3]

Er hatte das Tor geöffnet; aber es war kein Falke aufgeflogen; statt dessen sah er drüben neben der Haustür das schöne Mädchen [...] auf dem großen Feldstein sitzen. Zwischen ihren Knien hielt sie ein schwarzes Huhn, das krächzend mit den Flügeln schlug und mit dem Schnabel nach der blonden Flechte hackte, die in ihren Schoß herabgestürzt war.
Das erhitzte Köpfchen, das rückwärts gegen die Mauer lehnte, hatte sich aufgerichtet: „Ich kann nicht!“ sprach sie wie zu sich selber. Sie grüßte nicht, nur ihre blauen Augen blickten ratlos und fast hilfesuchend auf den vor ihr Stehenden.
„Was könnet Ihr nicht, Jungfer?“ frug Junker Hinrich [...].
Da kam ein kläglich Lächeln auf des Mädchens Antlitz; sie hub das Huhn empor und sagte: „Der Ohm, da er mit dem Knecht früh in den Wald ging, hat es mir geschenkt; mein Vater verträgt anitzo nicht die rauhe Kost.“
„Ist denn dein Vater krank?“
„Er ist alt, Herr; das jüngsthin in der Nacht,[4] Ihr wisset ja, er hat es nicht verwinden können.“ Dann stand sie plötzlich mit heißem Antlitz vor ihm: „Zürnet auch nicht, Herr Junker; ich hätt's Euch tausendmal schon danken sollen!“
Sie hatte das Messer samt dem Tiere fahren lassen; doch Junker Hinrich hatte sich gebückt und beides aufgegriffen: „Vergeßt nur nicht auf Eures Vaters Süpplein, Jungfer!“ sagte er.
Dann aber tat das schöne Mädchen gleichzeitig mit dem Huhne einen lauten Schrei, denn ein Blutstrahl war emporgeschossen, gar ein paar Tropfen standen rot auf ihrer weißen Schürze. „Ihr habt es totgemacht!“ rief sie und sah bestürzt auf den noch zuckenden Vogel, den er jetzt nebst dem Messer auf den Steinsitz niederlegte.
„Ich wollt’s dir abnehmen, Bärbe“, sprach er; „aber nun fürchtest du dich wieder vor mir, wie dazumal die kleine Bärbe, die dann nimmermehr auf unsern Hof gekommen ist; und, freilich, ich hatte ihr Ursach vollauf dazu gegeben.“
„Nein, o nein, Herr Junker!“ Und sie sah wie eine Schuldige zu Boden. „Lasset doch das, Ihr waret dermalen noch so jung! – Itzt, ich weiß es, und alle wissen es, auch drüben in der Stadt – Ihr könntet keinem Kind ein Leides tun!“[5]
Den Junker Hinrich überkam’s: „Sprecht mich nicht heilig, Jungfer Bärbe; das mit dem Christoph mag schon ruhen bleiben; aber ein andres ist noch, das sich nicht mehr bessern läßt.“
„Um Gott, Herr Junker!“ rief sie, „Ihr habet doch nicht gar ein Menschenleben auf der Seele?“
Er schüttelte den Kopf: „Nein, Bärbe, es ist nur ein Hund, ein weißer Hund! Aber er steht oft nachts vor meinem Bette und schaut mich an, als wollt er mir die Hände lecken; und ich hab ihn doch selbst im jähen Zorn erschlagen, da er nicht mit den andern auf den Wolf wollte, den Owe und ich nach langer Jagd gestellet hatten.“
„Tiras!“ rief das Mädchen. „Euren guten Tiras?“
Er nickte: „Und ich konnt’s nicht einmal von ihm verlangen; es war ein Hund nur auf das leichte Wild und gegen seine Natur, den Wolf zu packen.“
„O Junker“, und sie streckte wie ein Kind die Hände gegen ihn; „tut doch solches nimmer wieder!“
Er ergriff sie heftig: „Nein, nein, so Gott mir helfe; man müßte mir denn ans Leben wollen!“
Die blauen Augen sahen strahlend in die seinen: „Merket“, sprach sie leise, „das war ein Schwur!“
Und der Junker nickte: „Nur um mein Leben, Bärbe!“

Diese unendlich zarte und innige Szene kann nur durch grobe und unendlich abstrakte, empfindungslose, besserwisserische ,Literaturwissenschaftler’ derart vergewaltigt werden, wie es oben wiedergegeben wurde.[6]

Bei der ersten Begegnung mit dem zehnjährigen Mädchen hatte Hinrich einen ganz jungen Knecht grob mit dem Stock niedergeschlagen, weil dieser ein Fuchseisen vergessen hatte, in das sich sein Tsiras verfangen hatte. Hier nun zeigt sich, dass er an seinem heftigen Charakter sehr gearbeitet hat, denn was er dann selbst mit seinem Hund getan hat, reut ihn bis ins Innerste – und Bärbel und auch die Menschen in der Stadt wissen, dass er niemandem etwas tun könnte. Und er gibt dem Mädchen darauf sogar ein heiliges Versprechen. – Jede empfindsame Seele muss man fragen: Wie kann eine so innige Szene derart missbraucht werden!?

Hinrichs fürchtet nur deshalb, dass das Mädchen wieder Angst vor ihm habe, weil er bei ihrer ersten Begegnung so grob war – und er nun wieder, um ihretwillen, das Huhn tötete. Es war eine Tat der Liebe, aber nicht, wie es herbeigedeutet wird. Es ist dramatisch genug, dass das Blut des Huhns mit einigen Tropfen bis auf die Schürze des unschuldigen Mädchens spritzt – schon das ist für das Mädchen ein Schock. Man muss nicht eine halbe Vergewaltigung (oder Defloration) herbeideuten, nicht einmal symbolisch!

Die genannte Szene hatte sich im Herbst ereignet, als die Eichen sich zu färben begannen. Seit jenem Tage kam der Junker immer wieder zum Hause des Jägers, wenn dieser im Wald ist:

Kein Menschenauge, nur die Amseln, die noch durch die fast entblätterten Zweige hüpften, konnten es gesehen haben, daß dann ein Mädchen ihr blondes Haupt an seine Brust legte und seine Arme sie so sanft und doch so fest umfingen, als ob er gegen Feindesmacht sie schützen müsse.

Aber, so heißt es dann weiter, ,auch von heimlichster Liebe geht ein Schimmer aus, der sie verrät.’ Eines Tages ist der alte Jäger zu Hause geblieben und sagt ihm, sie mögen gemeinsam den Wolf jagen, aber ,lasset das Kind in Frieden, das itzt unter meinem Dache schläft’. Hinrich beteuert, dass er dem Mädchen nichts zuleide getan hat[7] und dass er es aufrichtig liebt.

„Wenn Ihr das denkt, Herr Hinrich“, und der Alte sah schier traurig zu ihm auf, „was denket Ihr dann weiter? In welcher Kammer in Eures Vaters Hause soll Euer Ehbett mit des geringen Mannes Tochter stehen? Oder wolltet Ihr Euer Erbe gar darum verspielen? Und wenn Ihr es wolltet – ich sag nichts gegen unsers Herrn Söhne; aber es würde groß Klagen geben, so Euer hochgelahrter Herr Bruder hier zum Regiment gelangte.“

Der Jäger verschließt ihm das Tor – aber dann sprechen der Junker und das Mädchen ,heiße Worte durch die trennenden Bohlen hin und wider’. Und eines Tages, als das neue Jahr angebrochen ist, können sie sich auch einmal wieder begegnen. Er betritt das unverschlossene Haus:

Noch eine Weile stand er einsam: dann hing ein jugendlicher Leib in seinen Armen; ein blonder Kopf, ein schönes Antlitz drängte sich mit geschlossenen Augen gegen seine Brust.
„Du zitterst, Bärbe!“ sprach er.
„Ja, weil du wieder da bist, Hinrich!“ und sie schloß noch fester ihre Hände um des Mannes Nacken.
Wie ehrfürchtig vor der jungfräulichen Schönheit strich seine Hand über ihre Wange, über ihr seidenweiches Haar.

Hier sieht man ein vor Liebe und Hingabe und Freude des Wiedersehens zitterndes Mädchen und ein von Ehrfurcht bewegten Geliebten. Inniger und zarter kann ein Liebesverhältnis nicht sein. Angesichts dieser Schilderung ist das oben genannte intellektualistische[8] Machwerk der Deutungsfanatiker reine Blasphemie.

Es ist noch Winter, da sagt Hinrich seinem Vater vor dem Gottesdienst, dass er das Mädchen heiraten wolle. Der Vater will den Pastor auf seine Seite ziehen, aber dieser hat gegen eine christliche Ehe nicht den geringsten Einwand und bestätigt, dass Hinrich kein ,Jungfernschänder’ ist, worauf der Vater entgegnet, er wolle ,ein ganz Geschlecht von makellosen Rittern’ schänden.

Als die Schlehen blühen, also etwa Ende März oder bald darauf, sterben sowohl sein als auch des Mädchens Vater und werden am gleichen Tag begraben – und an diesem Tag bittet Hinrichs den Pfarrer um seine Trauung:

Als aber, da der schwere Schaufelwurf vom Sarge widerdröhnte, mit selbigem ein heller Wehlaut [...] erscholl, da drängte sich die hohe Gestalt des Junkers Hinrich durch die Menge, und als sodann auch hier das letzte Vaterunser war gesprochen worden, nahm er vor aller Angesicht die Tochter des Begrabenen an seine Brust und hielt sie so unbeweglich, bis er den Pastor schon drunten auf dem Wege nach seinem Hause zuschreiten sah. „Komm!“ sprach er leise zu dem schönen Mädchen [...]; und als ob jedes von ihnen wußte, daß sie beide eines Sinnes seien, folgten sie Hand in Hand dem geistlichen Herrn in sein Haus. Da sprach der Junker: „Ehrwürden, wir bitten, verlobet uns einander, daß diese hier an meinem Herzen ihre Heimat habe!“ Und die Hände des alten Priesters legten zitternd sich auf ihre Häupter.

Zeugnis der Liebe dieser beiden Menschen ist auch die Erinnerung der Nachwelt:

Noch heute, in des Erzählers Tagen, zeigt man in jener Gegend auf einem Vorsprung eine alte Linde, die trotz des völlig ausgehöhlten Stammes noch eine mächtige Krone in den Lüften wiegt; hier habe man derzeit die beiden schönen Menschen oftmals stehen sehen, wie sie Hand in Hand über das weite Flußtal hinausschauten, während der Sommerwind in ihren blonden Haaren wehte [...].

Hinrichs jüngerer Bruder will die Ehe um jeden Preis hintertreiben und ihm das Erbe streitig machen. Es ist August, als Hinrich mit seiner jungen Braut offen die Kirche betritt, obwohl auch sein Bruder erwartet wird:

[...] der Junker Hinrich mit seinem blonden Weibe schritt langsam durch die Kirche. Sie trug freilich nur ein schlicht Gewand; doch wurde ihr Haar, wie es derzeit dem Adel nur gestattet war, von einer goldenen Klammer gehalten, daß es in drei schimmernden Strähnen niederfloß; aber sie drückte sich an den hohen Mann, als ob sie Schutz bedürfe, und als beide die Treppe zum Emporium hinaufgestiegen waren, sahen es die Frauen, daß sie gesegneten Leibes sei.

Das finstere Treiben des Bruders hat Erfolg – durch einen juristischen Winkelzug wird die Ehe mit dem Mädchen für nichtig erklärt. Bärbe erfährt davon Ende Januar durch ein Schriftstück, während Hinrich in der Stadt ist. Als er zurückkehrt, hat sie eine Frühgeburt erlitten. Ihr selbst geht es sehr schlecht, und Hinrich jagt zu Pferde nach dem Arzt – aber es ist zu spät. Das geliebte Mädchen stirbt, bevor er wieder bei ihr ist.

Das ist die wahre Geschichte. Sie ist eine weitere Anklage Storms gegen den Hass des Standesdünkels gegenüber einer tief aufrichtigen Liebe. Und sie ist das Urteil gegen den Dünkel einer selbsternannten Wissenschaft, die nicht einmal die Novelle an sich sorgfältig genug zur Kenntnis nimmt. Die Zeitangaben sprechen für sich selbst.

Das Kind der Liebe dieser beiden Menschen wird Ende Januar im siebten Monat geboren – es ist also Ende Juni, zur Johannizeit, gezeugt worden. Die nach der Deutung so ,eilige’ Trauung wurde am Begräbnistag der beiden Väter etwa im März oder April vollzogen. Von da bis zur Zeugung des Kindes sind es mindestens zwei Monate gewesen. Und die Szene mit dem Huhn lag im Herbst, nochmals etwa fünf Monate vor der Trauung – und fünfzehn Monate vor der Frühgeburt. Wie aber schrieb Gerrekens?

Dass diese Lektüre [...] stimmig ist, zeigt sich daran, dass Bärbe und Hinrich kurz nachher sehr schnell heiraten und das Trauerjahr nach dem Tod von Hinrichs Vater allen Gewohnheiten zum Trotz nicht einhalten. Als Bärbe dann – wie üblich in solchen Situationen – ein „Siebenmonatskind“ gebiert [...].

,Kurz’ danach sind fünf Monate. Und das dann ,wie üblich’ geborene Kind kommt neun bis zehn Monate nach der Hochzeit auf die Welt. Gerrekens scheitert schon an dem simplen Verständnis des ,Siebenmonatskindes’. Es ist eine wirkliche Frühgeburt – aber nicht etwa eine Geburt sieben Monate nach der Hochzeit.

Wenn solche Deutungen fester, anerkannter Bestandteil der ,Literaturwissenschaft’ sind, zeigt dies nur, dass man einer solchen Wissenschaft in nichts vertrauen darf – und alles selbst prüfen muss.

Und das Schlimme, Furchtbare ist, dass sogar der gesamte Gehalt der Novelle wegfällt, weil auf die brutale Zerstörung dieser Liebe durch den Bruder kein einziger Blick mehr fällt. Alles ist nur darauf gerichtet, das ,Phantasma der Kindsbraut’ aufrechtzuerhalten. Ja, Hinrich liebt ein Mädchen – aber er tut es in voller, edelster Aufrichtigkeit. Doch dies kann von seiner Umgebung nicht zugelassen werden – und von der ,Literaturwissenschaft’ ebensowenig. So offenbart sich diese nicht als Stütze der Liebenden, sondern als Teil der Kriegsrotte und der hasserfüllten Familie. Sie steht nicht auf Seiten der Wahrheit, sondern der Lüge und Perversion.
 

Fußnoten


[1] Louis Gerrekens: Erzählte Kindsbräute bei Heinrich von Kleist, E.T.A. Hoffmann und Theodor Storm, in: Malte Stein, Regina Fasold & Heinrich Detering (Hg.): Zwischen Mignon und Lulu. Das Phantasma der Kindsbraut in Biedermeier und Realismus. Husumer Beiträge zur Storm-Forschung, Band 7. Berlin 2010, S. 185-201, hier 199.

[2] Der zweite Teil des Satzes wird noch absurder und ist hier aus Platzgründen einfach weggelassen.

[3]● Theodor Storm: Chronik Grieshuus. Projekt Gutenberg (erste dortige Version). Auch für die folgenden Zitate.

[4] Hinrich hatte sie und ihren Vater in höchster Not aus den Händen zweier übler Kerle errettet.

[5] Siehe dazu gleich.

[6] Auch im ganz aktuellen ,Storm-Handbuch’ heißt es in substanzlos-intellektuellem Stil, als ob damit irgendetwas gesagt sei: ,In zeichenhaft aufgeladenen Szenen – etwa der Tötung eines Huhns, wobei der „Blutsstrahl“ auf Bärbes „weiße[] Schürze“ spritzt (220) – kommen die beiden sich trotz äußerer Widerstände näher.’ Christian Demandt & Philipp Theisohn (Hg.): Storm-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart 2017, S. 230. • Literaturwissenschaft ist eben so entseelt wie die Theologie der Religion entbehrt. Jedes Interpretieren verhindert das Erleben...

[7] Unter anderem: ,Schließ auf, Owe! Da sollst du sehen, daß Gottes Sonne uns bescheinen mag und keine Flecken dann zutage kommen!’ Es sind eben keine Flecken auf dem wahren Gewand des Mädchens. • Der Jäger Owe Heikens hatte das Mädchen an diesem Tag eingeschlossen, doch bei ihrer Rückkehr rüttelte sie gerade vorsichtig am Hoftor.

[8] Man denke noch einmal an eine solche Formulierung wie ,d.h. Mädchen und Tier werden bildlich enggeführt’. Man fragt sich, wie es anders denkbar sein soll, als dass das Tier und das Mädchen gleichzeitig aufschreien, weil das Tier getötet wird und das Mädchen diese für sein Herz furchtbare Tat mit ansehen muss. Diese Zeitgleichheit liegt in dem inneren Wesen der Szene. ,Enggeführt’ ist nur das Scheuklappendenken der ,Deuter’, die es nicht wagen, die innere Tiefe des reinen, realen, schlichten Geschehens ganz zu empfinden und zuzulassen, dass eine solche Szene wirklich frei ist von jeglichem perversem Gehalt, den nur der abstrakte Verstand ersinnt, um damit alles zu beschmutzen. Der Verstand vergewaltigt, weil er die Unschuld einer Szene nicht mehr empfinden, nicht mehr zulassen kann.