Parthenophilie

Vorwort zu diesem Band


Dieser Band umfasst nicht nur weitere Beispiele literarischer Werke, in denen die Liebe zum Mädchen eine zentrale Rolle spielt, die im sechsten Band nicht aufgenommen werden konnten – er hat eine ganz andere Ausrichtung.

Während der vorherige Band einen völligen Rundumblick geben sollte, gewissermaßen von der Welt der Märchen bis in die Gegenwart – und Malerei, Fotografie, Film, Musik, Werbung und Kommerz einschließend –, gibt dieser Band Gelegenheit, vor allem in die ganz besondere Welt des 19. Jahrhunderts einzutauchen und zu entdecken, wie sehr die Mädchenliebe in der deutschen Literatur dieser Zeit tatsächlich verankert ist. Gleichzeitig wird ein kritischer Blick auf die Literaturwissenschaft möglich.

Wir werden sehen, wie es in der Frühphase der Literatur, nämlich im 18. Jahrhundert, oft genug um die ,Jagd’ auf das Mädchen ging – etwa in Richardsons berühmtem Werk ,Clarissa’ und dann bis hin zu den Romanen des berüchtigten Marquis de Sade. Diese Zeit endete jedoch mit dem ungeheuren Impuls der Romantik um 1800. Was dann folgte, war ein vollkommen anderes Zeitalter.

Umfangreich wird dieser Band eintauchen in die Werke Storms, in denen die Liebe zum Mädchen immer wiederkehrt – aber auch die tragisch-unerwiderte Liebe des Mädchens zu finden ist. Schon hier werden wir im Anschluss erleben, wie hochrangige Vertreter der Literaturwissenschaft, völlig angekränkelt vom Missbrauchsdiskurs und von psychoanalytischem Dilettantismus Deutungsversuche unternehmen, die an Absurdität ihresgleichen suchen.

Über Stifter und Fontane geht es dann zu einem weiteren Hauptteil, der mit der Figur der sogenannten ,Femme fragile’ beginnt. Hier begegnen wir unter anderem Heinrich Mann und Rilke, dem bekannten Aufsatz ,Das Kindsweib’ von Wittels, wir begegnen der einzigartigen, aufrichtigen Liebe zum Mädchen eines Peter Altenberg – und den Werken von Hauptmann, in denen Mädchengestalten im Zentrum stehen und mit denen die Thematik das 20. Jahrhundert erreicht.

Ein ausführlicher Schlussteil, der sich noch einmal der ,Blindheit der Literaturwissenschaft’ bzw. zahlreicher ihrer Vertreter zuwendet, schließt den Band ab.

Mignons Spur – der Titel des ganzen Bandes steht nicht nur für den ,Liebreiz’ des Mädchens, der sich durch die ganze Literaturgeschichte zieht, sondern auch für die Tatsache, dass immer auch Mädchen die Liebenden waren und dass dieses ganze heilige Feld – die Liebe zwischen Mann und Mädchen, sei sie einseitig, sei sie voller Erfüllung oder auch Tragik wechselseitig – von der (oft nahezu gesamten) Umwelt immer wieder nicht verstanden wurde. So wenig, wie Mignon verstanden wurde. Schon von Goethe selbst nicht, wie dieser Band ebenfalls zeigen wird.