Parthenophilie

Vom realen Unrecht einer abgründigen Dogmatik


Liebe und Sexualität unterhalb der völlig abstrakt gesetzten Definitionsgrenze ,vierzehn Jahre’ als ,Missbrauch’ oder gar ,schweren Missbrauch’ und damit letztlich als ,Gewalt’ (seit 2021 sogar ganz ausdrücklich: ,Sexualisierte Gewalt’) zu werten, ist weder wissenschaftlich noch rechtlich – es schafft unwissenschaftliche Pseudo-Realitäten und reales Unrecht.

Gegenüber all den zuvor ja nur beispielhaft geschilderten Fällen wirkt es geradezu lächerlich – wenn es nicht so traurig wäre –, wie man auf diese ganze Frage schaut, ohne je irgendwelche Ausnahmen denken zu können – altersangepasst, entwicklungsangepasst, individuell, wie auch immer! Das Gesetz kennt keine Ausnahmen – und genau deshalb wird es zu Unrecht. Ich greife als geradezu beliebiges Beispiel eine Seite über ,Missbrauch’ eines freien Trägers für Bildungs- und Sozialarbeit heraus. Dort heißt es:[1]

Wir entscheiden uns bewusst für eine weite Definition, wie sie z. B. Dirk Bange vorschlägt:
Demnach ist sexueller Missbrauch jede sexuelle Handlung an einem Kind, die entweder gegen dessen Willen vorgenommen wird oder der es nicht wissentlich zustimmen kann, da [es, H.N.] körperlich, psychisch, kognitiv oder sprachlich unterlegen ist. TäterInnen nutzen ihre Macht- und Autoritätsposition aus[,] um eigene Bedürfnisse auf Kosten eines Kindes zu stillen. (Bange 2007)
Einvernehmliche Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen kann es also nicht geben [...]. [...]
Vom deutschen Strafgesetz her betrachtet, verstößt die missbrauchende Person gegen das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung. Das kann – juristisch gesehen – auf zwei Arten passieren: eine sexuelle Handlung wird gegen bzw. ohne den Willen der betroffenen Person ausgeführt, oder eine sexuelle Handlung wird mit der scheinbaren Einwilligung der betroffenen Person ausgeführt, wobei der Täter / die Täterin die mangelnde Einwilligungskompetenz des Opfers ausnützt. Bei Kindern und Jugendlichen geht man davon aus, dass diese Einwilligungskompetenz grundsätzlich nicht vorliegt.

Genau das ist das verlogene Konstrukt. Bei Kindern und sogar Jugendlichen (hier wird es völlig absurd!) gehe ,man’ (!) davon aus, dass diese ,Einwilligungskompetenz grundsätzlich nicht vorliegt’. Die armen inkompetenten Mädchen! Sie werden aber vom Gesetz inkompetent gemacht – nämlich entmündigt. Ausnahmslos und jedes einzelne. Entsprechend muss der Mann (oder der nur etwas ältere Junge) dann natürlich als ,Täter’ hingestellt werden – als ,Täter’, der das arme, in jeder Hinsicht ,unterlegene’ Mädchen und dessen ,Unterlegenheit’ böswillig ,ausnutzt’ – und warum? Um ,eigene Bedürfnisse auf Kosten eines Kindes zu stillen’. Weil das ,Kind’ ja, wie wir sahen, gar keine ,eigenen Bedürfnisse’ hat! Und obwohl es sie hat, werden sie ihm vom Gesetz wegdefiniert – beziehungsweise verschämt einfach nicht weiter erwähnt. Aber nicht nur ein junger Mann kann gegen die ,sexuelle Selbstbestimmung’ eines Mädchens verstoßen – sondern auch der Gesetzgeber! Und das tut er, indem er sie dem Mädchen abspricht.

Im weiteren wird dann fein säuberlich ,aufgelistet’, was alles ,sexueller Missbrauch’ sein kann – so zum Beispiel ,ein Kind zur sexuellen Erregung anfassen oder sich von ihm / ihr berühren zu lassen’. Und wenn das Mädchen eine bestimmte Berührung schön findet? Oder sogar von sich aus möchte, verlangt und initiiert? Davon ist natürlich und wohlweislich nicht die Rede. Oder: ,den Intimbereich eines Mädchens / eines Jungen zu berühren’. Genau das Gleiche! Und nach vielen anderen, nicht unbedingt schönen Dingen, heißt es:[2]

Ein entscheidendes Kriterium des sexuellen Missbrauchs ist der Verstoß gegen die sexuelle Selstbestimmung [sic!][3] und die Grenzen der Persönlichkeit.

Wie schön, wenn dies einmal ernst genommen würde! Auch in seiner Umkehrung: dass nämlich Missbrauch dann gar nicht vorliegen kann, wenn gegen die sexuelle Selbstbestimmung des Mädchens gar nicht verstoßen wird, weil das Mädchen selbst sie ausübt! Sie dem entmündigenden Gesetzgeber entreißt und wieder an sich nimmt, wo sie nämlich hingehört – und dann souverän entscheidet, was sie will und was sie nicht will. Und wenn gegen die Grenzen der Persönlichkeit des Mädchens gar nicht verstoßen werden kann, weil es selbst bestimmt, wo ihre Grenzen liegen sollen und wo sie sich öffnet – für die Zärtlichkeiten eines Menschen, von dem sie diese haben will!

Doch genauso suggestiv und falsch – bezüglich der Ausnahmen, von denen hier fortwährend die Rede ist – heißt es dann weiter:[4]

Psychosoziale Komponenten täterbegünstigenden Verhaltens:
• die missbrauchende Person kann sich nicht in die Situation der Opfer hinein versetzen
• Gewalt gegenüber Schwächeren wird als Möglichkeit angesehen, eigene Schwächen zu kompensieren
• es bestehen sozialisationsbedingte, unverarbeitete Defizite
• der Dominanzanspruch gegenüber der Frau und / oder dem Kind kollidiert mit dem Wunsch des Täters nach Geborgenheit und Zärtlichkeit, deshalb werden die Gefühle und Bedürfnisse auf Mädchen und / oder Jungen übertragen
• das Kind wird als Eigentum gesehen, das der Verfügungsgewalt des Erwachsenen unterliegt

Hier wird eine Unterstellung nach der anderen aufgelistet, und alles erzeugt, schwammig zusammengerührt, ein bestimmtes Bild. Dieses Bild ist aber absolut untauglich für sämtliche Ausnahmen, in denen ein Mädchen und ein Mann miteinander zärtlich sein wollen, obwohl das Gesetz das Mädchen noch entmündigt hat. Weder fehlt einem solchen zärtlichen Mann dann die Empathie (vielmehr kann sich der Gesetzgeber nicht in das Mädchen hineinversetzen), noch übt er irgendwelche Gewalt gegen das schwächere Mädchen aus (auch das tut nur der Gesetzgeber), noch gibt es ,unverarbeitete Defizite’ (außer im Gesetzestext) oder irgendeinen Dominanzanspruch (außer auf Seiten des Gesetzes) – und erst recht wird das Mädchen nicht als Eigentum angesehen! Außer durch den Gesetzgeber, was die sexuelle Selbstbestimmung und den Körper des Mädchens angeht, was ihr beides noch nicht gehört!

Nicht nur die Situation in den USA, sondern auch deutsche Beobachtungen zeigen, dass Mädchen teilweise vor allem durch Gleichaltrige Erfahrungen von Nötigung und Gewalt drohen:[5]

Fast alle Mädchen fühlten sich schon mehrfach sexuell von Jungen bedrängt [...] und hatten teilweise massive Gewalterfahrungen mit Gleichaltrigen gemacht.

Dennoch sind Mädchen heute sehr selbstständig:[6]

Das Selbstbild der Mädchen, bezogen auf ihre real existierenden oder gewünschten Partnerschaften, war geprägt von dem Bewusstsein: ,Ich bin sexuell und sozial gleichberechtigt und habe ein Recht auf die Anerkennung von beidem’. Insgesamt betrachtet waren die Mädchen wesentlich aktiver in der Gestaltung von Partnerschaften als Jungen. Sie waren in der Regel der Motor für Auseinandersetzungen über einen befriedigerenden Weg für beide.

Und sogar die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betont, dass ein Mädchen unterhalb des Schutzalters die Sexualität ebenso schön erleben kann wie eine erwachsene junge Frau. Interviews zeigen nämlich, dass ein positives Erleben des ,ersten Mal’ wesentlich davon abhängt, es wirklich gewollt zu haben, und darauf vertrauen zu können, in den eigenen Wünschen und Grenzen vom Partner verstanden zu werden. Dann kann eine Dreizehnjährige ihr ,erstes Mal’ genauso schön und passend erleben wie eine Zwanzigjährige.[7]

Frühe Sexualität kann sogar die Grundlage für eine erfülltere Sexualität und größere sexuelle Selbstbestimmung im Erwachsenenalter sein. Nach einer Potsdamer Studie bewerteten Mädchen und Jungen, die ihr erstes Mal mit vierzehn oder früher erlebten, als junge Erwachsene ihre Fähigkeiten, sexuelle Wünsche und Bedürfnisse mitteilen zu können, zur Hälfte mit ,sehr gut’ – bei jenen, die es im Altersdurchschnitt erlebten, waren es weniger als ein Drittel, bei den späteren unter ein Fünftel. Ein gleiches Bild zeigt der Grad sexueller Zufriedenheit.[8]

Mit anderen Worten: Die Argumente für ein abstrakt bleibendes ,Schutzalter’ oder die Kriminalisierung von Sexualität vor diesem fallen letztlich in sich zusammen, erweisen sich als repressiv bis reaktionär. Frühe Sexualität ist, wenn sie für das Mädchen stimmt, etwas Positives. Und entscheidend für ihr Erleben ist einzig und allein, es ,wirklich gewollt’ zu haben, und in den eigenen Wünschen und Grenzen auf den Partner vertrauen zu können. Oft aber kann ein Mädchen in einen erfahreneren Mann viel besser und gerechtfertigter vertrauen als in einen drängenden Jungen!

Der Punkt ist, dass das Strafrecht genau da versagt, wo es seine einzige Aufgabe hätte: Unrecht zu verhindern. Es soll nicht Liebesverhältnisse zwischen Mädchen und Männern kriminalisieren und missbräuchliche Beziehungen unter Gleichaltrigen frei ausgehen lassen – oder auch Missbrauch in Heimen mit Freisprüchen oder Bagatellstrafen enden lassen, während zärtlichste Liebesbeziehungen zu den ,schwersten Verbrechen’ gehören, die das Strafrecht kennt. Das ist absurd.

Von einem modernen Strafrecht des 21. Jahrhunderts wäre zu erwarten, dass es die vermeintlichen oder realen Opfer hört – und sich vor allem nach ihnen richtet. Stattdessen wird noch immer obrigkeitsstaatlich über deren Köpfe hinweg entschieden. Physisch missbrauchte Kinder und Jugendliche müssen damit leben, dass ihre Peiniger weiter frei herumlaufen. Zärtlich liebende Mädchen müssen damit leben, dass die Menschen, mit denen sie bisher am meisten Zärtlichkeit erlebt haben, eingesperrt werden. Welch eine verkehrte Welt!

Und wenn der mächtigste Schöpfer dieser neuen Dogmatik, David Finkelhor, schreibt:[9]

It may be true that children are oppressed by arbitrary adult-imposed controls. But it seems extremely doubtful that any large group of children are complaining that they are not "allowed" to engage in sex with adults. If polled, we suspect children would vote for better protection against adult sexual overtures, not more "freedom."

– so hat (auch) er noch immer nicht verstanden, was die Aufgabe des Strafrechts ist oder wäre. Es geht nicht darum, das Eine oder das Andere zu tun. Es geht darum, Mädchen zu schützen und Mädchen die Freiheit zu geben, zu lieben, wen sie wollen – ohne dass der Staat dessen Leben zerstört. Die Aufgabe, zwischen Liebe und Missbrauch zu unterscheiden, wäre die allererste eines modernen Strafrechts – und nicht, Liebe zum Missbrauch dazuzuzählen. Ein Strafrecht muss anhand der Realität individualisieren – sonst wird es zum Unrecht.[10]

Eine ganz andere Absurdität ist, dass Finkelhor, der ,Kindern’ ja gerade per neuer Definition jede Urteils- und Entscheidungsfähigkeit abspricht, ihnen hier auf einmal erwachsen-dominant in den Mund legt, wofür sie sich entscheiden würden.

Wie abgründig die Vor- und Fehlurteile auch im deutschen Strafrecht vielfach sind, zeigt auch ein Einblick des Psychologen Griesemer in Prozessakten:[11]

Im mir vorliegenden Therapieprotokoll unterhält sich der Massregelpsychologe mit einem therapiemotivierten Ephebophilen – anlässlich eines Fünfzehnjährigen [man kann hier genausogut an ein dreizehnjähriges Mädchen denken, H.N.] einsitzend, der den Sexualkontakt offenbar selber hergestellt hat, allen Kontexten nach. Als der Mann nun sein Leiden anspricht, wegen so einer Angelegenheit eingesperrt worden zu sein wie ein Gewaltverbrecher, obwohl doch der Junge noch selber für ihn ausgesagt habe – geht der Massregelvollzugspsychologe ihn scharf und definitiv mit folgender „Expertise“ an: Seine Liebesempfindungen seien eingebildet, und – apodiktisch: – bei „Kindern“ gebe es so was nicht. Es sei „wissenschaftlich“ völlig klar, dass die Initiative „immer“ vom Erwachsenen ausgeht – und ehe sich der Patient dieser Realität nicht anschlösse, käme er, unter seiner Federführung jedenfalls, hier nie wieder raus (!).

Griesemer ist es auch, der darauf hinweist, dass im Regelfall eben während der Pubertät die Umstellung des erotischen Ideals auf das Erwachsenenalter beginnt:[12]

„Kinder“ können also selbstverständlich schon auf Erwachsene orientiert sein – episodisch meist; allerdings gibt es gelegentlich auch Mädchen und Jungen, wo dies bereits ausserordentlich früh und durchgehend der Fall ist, wohingegen Gleichaltrige für sie erotisch völlig „langweilig“ zu sein scheinen. Gerade, w e i l ab dem Pubertätseintritt die Umstellung vom präadoleszenten auf das erwachsene Erscheinungsbild beim Normalfall beginnt, ist nichts andres zu erwarten.

Ein zwölfjähriges Mädchen muss gar keinen explizit sexuellen Kontakt wollen, um Zärtlichkeit mit einem Mann, die bis ins Erotische geht, schön zu finden. Folgenden Grenzfall schilderte ein Mann:[13]

[...] als ich noch mit diesem 12jährigen Mädchen zusammen war, hab ich sie gefragt ob sie schon ein anderer Junge so wie ich angefasst hat und da hat sie ganz komisch und bekümmert gesagt: "nein", sie hat mir gesagt für Sex fühlt sie sich noch zu jung, aber anfassen ist ok, aber eigentlich konnte sie damit noch gar nichts anfangen und ich glaube das war der Missbrauch für den ich verantwortlich bin, sie wollte nur mit mir kuscheln und mich küssen und hat immer gesagt, immer wenn sie mich sieht will sie mich küssen und es ist am schönsten wenn sie in meinen Armen liegt [...].

Dieses Mädchen fand es mit diesem Mann wunderschön und wollte ihn von sich aus immer küssen! Und als er erkannte, dass sie allzu sexuelle, nämlich genitale Berührungen eigentlich noch gar nicht wollte, hat er offenbar sofort aufgehört. Da er das Mädchen liebte, war ihm selbst klar, dass er nichts tun wollte, was das Mädchen nicht wollte. Und trotzdem hat er vor dem Gesetz eine ,schwere Straftat’ begangen – was für ein Irrsinn! Die behutsame Liebe dieses Mannes kam zu der richtigen Erkenntnis, und die Beziehung hätte voller Glück auch für das Mädchen weitergehen können. Wer würde etwas anderes sagen, wenn ein Mädchen so glücklich ist?

Aber auch ohne genitale Zärtlichkeiten und trotz eines glücklichen Mädchens steht ein solcher Mann im Grunde mit einem Bein im Gefängnis[14] – und ist den Lynchjustiz-Gedanken der Öffentlichkeit schutzlos preisgegeben. In welch einer seelenlosen, blinden Zeit leben wir?

Die belgische Schriftstellerin Hilde Dillen hatte mit dreizehn oder vierzehn Jahren eine wunderschöne Beziehung zu einem etwa dreißigjährigen Mann, aber ihre Umgebung machte ihr das Leben deshalb immer wieder zur Hölle – sie sagt:[15]

Because of that relationship I’ve been through difficult situations that wore me to shreds, at school, in my direct environment. | I think it would be good for parents to realize that their twelve- or 13-year-olds – neither children, nor yet adults – can sometimes be preoccupied with the erotic. [...] | People aren’t tolerant enough. [...] You make that choice and you want to be left alone.

                                                                                                                                       *

Nietzsche war ein großer Vorläufer der geistigen Befreiung von überkommenen moralischen Normen, wie sie sich ganz besonders sowohl in repressiven und reaktionären Gesellschaften finden – als auch solchen, die durch Paniken aller Art in Reaktionen aller Art verfallen. So schrieb er einmal:[16]

Als ich jüngst den Versuch machte, meine älteren Schriften, die ich vergessen hatte, kennen zu lernen, erschrak ich über ein gemeinsames Merkmal derselben: sie sprechen die Sprache des Fanatismus. Fast überall, wo in ihnen die Rede auf Andersdenkende kommt, macht sich jene blutige Art zu lästern und jene [...] Bosheit bemerklich, welche die Abzeichen des Fanatismus sind [...].

Und etwas später:[17]

Einem kommenden Zeitalter, welches wir das bunte nennen wollen und das viele Experimente des Lebens machen soll, wird eigenthümlich sein: erstens die Enthaltung in Bezug auf die letzten Entscheidungen [...];zweitens die Voreingenommenheit gegen alle Sitten und alles nach Art der Sitte Bindende; drittens eine größere Ehrlichkeit im Sichtbar-werden-lassen sogenannter böser Eigenschaften.

Wer mit bürgerlichen Normen und Tabus angefüllt und von ihnen konditioniert ist, wird nie wahrhaft Individuum. Und das sogenannte Böse ist oft nur das von der Gesellschaft abgelehnte Authentische – dessen Entwicklung aber ist in jedem Fall Voraussetzung für jegliche innere Entwicklung des wahrhaft Guten. Jede Begegnung mit einem Mädchen kann zu dieser Entwicklung nur beitragen. Eine Gesellschaft, die diese Begegnungen verhindert, verhindert ihr eigenes Gutwerden.

                                                                                                                                       *

Es kann aber unter Umständen sogar verhindert werden, dass die Frage intimer Begegnungen zwischen einem Mann und einem Mädchen überhaupt diskutiert werden darf. Es ist möglich, eine Zensur gegenüber Schriften auszuüben, die das pauschale, ausnahmslose Tabu intimer Zärtlichkeiten mit einem gesetzlich definierten ,Kind’ auch nur in Frage stellen.

Denn es gibt noch einen weiteren Paragrafen des Strafgesetzbuches, und dieser lautet:[18]

§ 140 Belohnung und Billigung von Straftaten
Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Abs. 3, nach den §§ 176a und 176b, nach § 177 Absatz 4 bis 8 oder nach § 178, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist,
1. belohnt oder
2. in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) billigt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Neben solchen Verbrechen wie Hoch- und Landesverrat, Schwerer Landfriedensbruch, Mord und Totschlag, Kriegsverbrechen und Völkermord, Schwere Körperverletzung, Schwere Straftaten gegen die persönliche Freiheit, Brandstiftung, Geld- und Scheckfälschung sowie Vergewaltigung in besonders schweren Fällen ist auch der ,sexuelle Missbrauch von Kindern’ damit berührt.[19]

Wenn also die Strafverfolgungsbehörden der Ansicht sind, dass zärtliche Intimitäten mit einem Mädchen unter vierzehn Jahren in jedem Fall ,sexueller Kindesmissbrauch’ sind, in diesem Band jedoch ,begangene Taten’ nicht nur erwähnt sondern auch gebilligt werden – etwa, weil das Mädchen sie billigte und wollte und schön fand –, und wenn dieselben Behörden finden, dass dies in einer Weise geschieht, die ,geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören’,[20] so wäre das Verfügbarmachen dieses Bandes in deren Augen ebenfalls eine Straftat.

Wie absurd selbst das Bundesverfassungsgericht urteilen kann, zeigt sich, als es die Strafbarkeit selbst erwachsenen Geschwisterinzests 2008 mit den Worten bestätigte:[21]

Da das strafrechtliche Inzestverbot nur ein eng umgrenztes Verhalten zum Gegenstand hat und die Möglichkeiten intimer Kommunikation nur punktuell verkürzt, werden die Betroffenen auch nicht in eine mit der Achtung der Menschenwürde unvereinbare ausweglose Lage versetzt.

Sogar die sonst konservative ,Welt’ kommentierte mit vollem Recht: ,Provokativ übersetzt: Sex [...], darauf können Liebende verzichten.’[22]
 

Fußnoten


[1] www.dreist-ev.de, dort unter ,Fachkräfte’, dann ,Missbrauch’. Stand Februar 2022.

[2] Ebd.

[3] Allein schon die ganzen Fehler dieser Seite, könnte man sagen, offenbaren die völlig abstrakte Selbstgerechtigkeit jener Menschen, die aus eigener Verbohrtheit Ausnahmen nicht einmal vorstellen können – dafür aber achtlos ihre Dogmen daherstümpern können!

[4] Ebd.

[5] Anne Schwarz: Mädchen auf ihrem Weg zu einer selbstbestimmten Sexualität, in: Meine Sache. Fachtagung zur Sexualpädagogischen Mädchenarbeit, 19.-21. Juni 2000. Dokumentation. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln 2000, S. 28-38, hier 31.

[6] Ebd., S. 32.

[7] Clemens Dannenbeck & Jutta Stich: Sexuelle Erfahrungen im Jugendalter. Aushandlungsprozesse im Geschlechterverhältnis. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln 3.2005, S. 48 & 51. Wörtlich: ,Auf ein an Jahren optimales Alter für den ersten Geschlechtsverkehr haben wir innerhalb des Altersrahmens zwischen 13 und Anfang 20 keine Hinweise gefunden.’ Ebd., S. 51.

[8] Alexandra Klein, Anja Zeiske & Hans Oswald: „Früh übt sich…“ Sexuelle Handlungsfähigkeit und das Alter beim ,ersten Mal’, in: Angela Ittel et al. (Hg.): Jahrbuch Jugendforschung 2007. Wiesbaden 2008, S. 93-114, zitiert nach Alexandra Klein und Christin Sager: Wandel der Jugendsexualität in der Bundesrepublik, in: Michael Schetsche & Renate Berenike Schmidt (Hg.): Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde – Gesellschaftliche Diskurse – Sozialethische Reflexionen. Wiesbaden 2010, S. 95-117, hier 108. • Hier können natürlich auch Korrelationen mitspielen: Wer zum Beispiel ohenhin subtil oder offen leibfeindlich erzogen wurde, wird viel später sexuell aktiv und kann auch dann seine Bedürfnisse schlecht artikulieren etc. Aber es gibt auch direkte Kausalitäten. Wenn ein Mädchen selbstbestimmt früh sexuell aktiv wird, dann ,stimmt’ es für sie – und sie lernt, auch in diesem Bereich ihre Bedürfnisse zu äußern, wird auch weniger stark von in der Gesellschaft existierenden Tabus gehemmt (auch nicht durch eine ,Schere im Kopf’) etc. Das muss nicht einmal bedeuten, dass das Mädchen dann besonders lustorientiert ist. Es bedeutet zunächst nur eine sehr unbefangene Einstellung zur Sexualität, die auch sehr unschuldig sein kann.

[9] David Finkelhor: Sexual Abuse as a Moral Problem, in: ders. (Ed.): Child Sexual Abuse: New Theory and Research. New York 1984, p. 14-22, hier 19. • Ein Artikel der ,Gigi’ trifft es völlig: ,Passen angenommene kindliche Willensäußerungen in sein Konzept, gesteht Finkelhor Kindern plötzlich ungeheure kognitive Fähigkeiten zu, über die nicht einmal Erwachsene verfügen: Die Frage nach der Grenze zwischen Kinderschutz und sexueller Freiheit konnten selbst Sexualwissenschaftler in hundert Jahren nicht klären. Wie soll das ein Kind, das laut Finkelhor über keinerlei kognitive Fähigkeiten bezüglich Sexualität verfügt, abschätzen können?’ Sebastian Anders: Das impotente Kind. Die tautologische Argumentationsbasis anerkannter Experten für Kinderschändereien aller Art. Gigi 38, Juli 2005. • Auch Anders weist auf den Missbrauch, ja die Vergewaltigung des Mädchens hin, die darin besteht, im Namen einer angeblichen ,Konsensmoral’ zu definieren, ,wer zu wünschen fähig zu sein hat und wer nicht’. Anstatt zu erkennen, dass ein Mädchen, das eine sexuelle Beziehung beginnt, dazu fähig ist – und sie mit dem gewählten Partner auch möchte.

[10] Siehe auch den international bekannten, österreichischen Experten und Gutachter Helmut Graupner, der diese Fragen unter anderem in einem Artikel in homosexuellem Kontext thematisierte: Graupner H (1999): Love versus abuse: crossgenerational sexual relations of minors: a gay rights issue? Journal of Homosexuality 37(4), 23-56. • Im Abstract heißt es: ,[...] it leads to the conclusion that consensual sexual relations of and with adolescents over 14 (out of relations of authority) should be qualified a gay rights issue; likewise (as the exception to the rule) the possibility of filtering out cases from prosecution where a contact/relation is proven (beyond reasonable doubt) as consensual and harmless even though the minor involved is under 14.’

[11] Michael Griesemer (2004): Integrative Verursachungstheorie zur Entstehung der paedophilia erotica (PDF 81 S.), S. 47. www.fpe-griesemer.de.

[12] Ebd., S. 48.

[13] Kommentar von ,Basefan’ vom 6.12.2012 zu dem Buch ,Lufträume’ von Nils Engelmann auf Amazon. Schreibfehler korrigiert, Orthografie belassen.

[14] Der genannte Mann berichtet, er habe sich aus Reue selbst angezeigt – was das Sinnloseste ist, was er tun konnte. So zwang er sogar das Mädchen, das er liebte, in ein Verfahren und mit Sicherheit auch in traumatische Erlebnisse hinein. Wieso ist er nicht weiter seiner Liebe gefolgt?

[15] Consenting Juveniles. A Voice for the Silenced. www.consentingjuveniles.com, Cases, Girl with Older Male. • Übersetzt von: Ik rouw van jou: Jeugdschrijfster Hilde Dillen (Interview mit Mark Sargeant). ZiZo 22, Mai/Juni 1997.

[16] L’Ombra di Venezia, Vorrede, Frühjahr 1880, in: Nietzsche Werke. Kritische Gesamtausgabe, Hg. Giorgio Colli & Mazzino Montinari. Fünfte Abteilung, Erster Band: Morgenröthe. Nachgelassene Fragmente Anfang 1880 - Frühjahr 1881. Berlin/New York 1971, S. 377.

[17] Ebd., S. 378f, Abschnitt ,8.’

[18] www.gesetze-im-internet.de.

[19] Wikipedia: Belohnung und Billigung von Straftaten. • Der Aspekt ,sexueller Kindesmissbrauch’ ist dabei erst seit dem ,Sexualdelikteänderungsgesetz’ vom 27.12.2003 mit enthalten. Klaus Laubenthal: Handbuch Sexualstraftaten: Die Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Berlin/Heidelberg 2012, S. 27.

[20] Im Schrifttum findet sich hier eine Formulierung des BGH (BGHSt 22, 282), wonach es um die Aufhetzung weiterer potenzieller Täter durch die ,Schaffung eines Klimas, in dem gleichartige Untaten gedeihen’, geht.

[21] Strafbarkeit des Geschwisterinzests verfassungsgemäß. Pressemitteilung Nr. 29/2008 vom 13.3.2008. Beschluss 2 BvR 392/07 vom 26.2.2008. www.bundesverfassungsgericht.de. • Der scheidende Vorsitzende Winfried Hassemer und die Professorin Tatjana Hörnle wandten sich scharf gegen dieses Urteil: "Das Verbot ist nicht plausibel". Spiegel.de, 15.3.2008.

[22] Thomas Vitzthum: Die verbotene Liebe von Patrick und Susan. Welt.de, 13.3.2008. • 2012 wies auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage ab, 2014 empfahl allerdings der Deutsche Ethikrat die künftige Straflosigkeit. Ethikrat empfiehlt mehrheitlich eine Revision des § 173 StGB zum einvernehmlichen Geschwisterinzest. Pressemitteilung 08/2014. www.ethikrat.org.