Parthenophilie

Zensur der Mann-Mädchen-Liebe


Als Vladimir Nabokov auf die Schwierigkeiten der Veröffentlichung seines Romans ,Lolita’ zurückblickte, schrieb er mit einigem Sarkasmus:[1]

[...] kann ich nur die Akkuratesse des Urteils jener bewundern, die schöne junge Säugetiere für Illustriertenphotos posieren lassen, auf denen der Ausschnitt gerade tief genug ist, um den Philister zu ergötzen, und gerade hoch genug, um nicht das Stirnrunzeln des Zensors zu erregen.

Was wollte er damit zum Ausdruck bringen? Die erschreckende Normalität, in der der Trieb des Durchschnittsmannes an der nackten Haut der auf den Illustrierten-Covern sich prostituierenden Frauen befriedigt wird, ohne dass ihm diese Frauen irgendetwas Weitergehendes bedeuten. Für zahllose Betrachter sinken sie damit auf den Status ,junger Säugetiere’ hinab – sie sind nichts weiter als ,optisches Frischfleisch’. Diese tägliche Triebbefriedigung läuft ganz zivilisiert nebenher – man macht davon nicht viel Aufhebens. Die Nahrung für den Trieb und seine Befriedigung wird geliefert – und fertig. Es ist praktisch eine Art Massenabfertigung männlicher Lüste durch junge weibliche Säugetiere auf Illustrierten-Covern, Woche für Woche, diskret und völlig offen zugleich.[2]

Für Nabokov war dies ebenso obszön wie für Marcuse der General in seinem ganzen ,Wichs’ – und ich führe dieses wichtige Zitat noch einmal an:[3]

Diese Gesellschaft ist insofern obszön, als sie einen erstickenden Überfluss an Waren produziert und schamlos zur Schau stellt, während sie draußen ihre Opfer der Lebenschancen beraubt; obszön, weil sie sich und ihre Mülleimer vollstopft, während sie die kärglichen Lebensmittel in den Gebieten ihrer Aggression vergiftet und niederbrennt [...]. [...] Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt, ist obszön, sondern das eines Generals in vollem Wichs, der seine in einem Aggressionskrieg verdienten Orden zur Schau stellt [...].

Obszön ist, mit anderen Worten, ein tiefgehender Verlust des Menschlichen – ein so tiefgehender Verlust, dass er nicht einmal mehr bemerkt wird. Denn er wird überdeckt von der Banalität der Normalität. Von ihrem erdrückenden Gesetz. Was normal ist, ist kein Tabu mehr – selbst wenn es das Wesen des Menschen ,obszönisiert’. So wie die Heucheleien unserer kapitalistischen Vernichtungswelt, die Normalität des nur noch in Kriegskategorien denkenden Generals, das ach, so Normale der in Illustrierten ihre Haut zu Markte tragenden jungen weiblichen Säugetieren...

Und dann auf einmal ... ein Humbert (Nabokovs männliche Hauptfigur). Ein Mann, der von einzelnen Mädchen so fasziniert ist, dass er nur noch an eines denken kann: an sie... Ein Mann, der in den Strudel der Anziehung dieser – wie er sie nennt – Nymphchen gerät. Ein Mann, der überwältigt wird von der Ausstrahlung dieser gewissen Mädchen.

Und natürlich ist alle Welt mit dem Urteil sofort bei der Hand – insbesondere da wir den Verlauf des Romans kennen. Aber an dieser Stelle will ich nur auf eines aufmerksam machen: Das ,Frischfleisch’ der ,jungen Säugetiere’ auf den Illustrierten-Fotos bedeutet dem Durchschnittsmann nichts – er befriedigt sich daran, ohne dass er es groß merkt. Er konsumiert das Dargebotene, das sich Darbietende, und bleibt unverändert – ja wird womöglich arroganter denn je, Tag für Tag.

In dieser Weise arrogant und selbstgefällig war Humbert nie. Er war seiner ,Lolita’ verfallen – auch wenn er sie missbrauchte, weil er sie auf verzweifelte Weise als sein Eigentum betrachtete und behandelte, bis die Katastrophe ihren Lauf nahm. Kann man hier nicht von Liebe sprechen, so noch weniger von Gleichgültigkeit. Es war die totale Abhängigkeit. Humbert war von seiner Lolita vollkommen abhängig. Sie war nicht nur die ,Lust seiner Lenden’ – sie war sein Leben.

Und hätte er in seiner Seele nur einige kleine geheime Schlüssel zu einer völligen Wandlung gefunden – er hätte Lolita auch wahrhaft geliebt. Er hat es sogar getan ... aber zu spät. Er hat zu spät bemerkt, dass viel mehr im Spiel war als Lust. Er hat Lolita zerstört – und am Ende gemerkt, wie sehr er sie geliebt hat. Der ganze Roman ist eine Geschichte des Missbrauchs, aber noch dahinter liegt das ungehobene Geheimnis der Liebe zu einem Mädchen.►6

                                                                                                                                       *

Meine Romane beschreiben das Mysterium der Liebe. In einem völligen Kontrast zu den ,Frischfleisch-Männern’[4] und überhaupt zu der heute immer mehr sich ausbreitenden Empfindungsarmut und Ichbezogenheit. Sie treten den Beweis an, dass man ein Mädchen wahrhaft lieben kann – und nicht nur das. Auch der Leser wird nicht mehr derselbe sein, der einen solchen Roman gelesen hat. Er wird tief miterleben, was Liebe eigentlich ist. Das Miterleben dieser Romane führt in Seelentiefen, die der heutigen Welt immer mehr verlorengehen. Nicht nur, weil sie so schnelllebig ist. Sondern auch, weil sie immer weniger an die Seele glaubt – und immer weniger weiß, was die Seele eigentlich ist. Gerade das kann in meinen Romanen wieder erlebt und empfunden werden...►10

Und es ist kein Wunder, dass es in diesen Romanen immer und immer wieder um Mädchen geht. Dass gerade Mädchen die großen Lehrerinnen des Wiederfindens von Seele sind, sollte nicht überraschen. Wer aber gar nicht mehr weiß, was Seele ist, wird dies zunächst überhaupt nicht begreifen. Das ist nicht schlimm. Schlimm ist nur, wenn man sich nie auf die Erfahrung einlässt; sie gleichsam für immer versäumt. Schlimm ist, wenn man nie erfährt, was eigentlich ein Mädchen einem schenken könnte...

Der Mädchenliebende weiß dies bis in alle Tiefen. Ihm schenkt das Wesen der Mädchen in jeder Sekunde unendlich viel. Aber auf ihn kommt es eigentlich gar nicht an. Die Welt ist es ... die das Geheimnis, das die Mädchen so sehr hüten, verloren hat. Auf die Welt kommt es an. Sie hätte dieses Geheimnis der Mädchen wieder zu entdecken ... und überhaupt erstmals zu entdecken. Es ist ein Wunder.

                                                                                                                                       *

Aber – das Urteil der Welt steht bereits fest. Es lautet: ,Was Mädchen? Mädchen interessieren uns nicht. Sie sind niedlich, ja, sympathisch ja, manchmal, nein oft, auch unausstehlich. Was willst du mit Mädchen? Sie sollen schnell – oder meinetwegen auch langsam – größer werden und zu verantwortungsvollen Menschen, wie ich einer bin. Dann reden wir weiter.’

Also völliges Desinteresse an Mädchen und ihrem Geheimnis.

Und auf der anderen Seite: ,Lass die Mädchen in Ruhe, du Perverser. Sie haben ihr eigenes Leben, und du willst es ihn nehmen, indem du irgendein absonderliches Begehren auslebst. Lass sie einfach in Ruhe, du Freak!’

Also ein absoluter, bloßer Fokus auf die Missbrauchsthematik – und im übrigen ,political correctness’: Mädchen und Erwachsene, zwei völlig getrennte Welten. Mädchen können zwar Töchter sein, Schülerinnen, seltsam unerwachsene Wesen unter sich – aber nichts anderes. Mädchen sind einfach Kinder, oder aber Jugendliche, und sie gehören einer Parallelwelt an, man kann ihnen eine gute Ausbildung, gute Eltern, gutes Verständnis etc. zukommen lassen, aber sich sonst nicht in ihr Leben mischen. Die Minderjährigen haben ihr Recht auf eine abgeschottete Welt. Und erst wenn sie volljährig sind, treten sie ein in die Welt der Erwachsenen, werden als Erwachsene ernstgenommen – und dann kannst du machen, was du willst, dann gehören sie derselben ,Liga’ an.

Da haben wir also die Kombination: Man begreift das Geheimnis der Mädchen nicht mehr, leugnet sogar seine Existenz – und fokussiert sich im Übrigen ach so bequem auf das Missbrauchsthema. Auch das eine Art tiefgehende Ignoranz – getarnt als ganz besondere ,Empathie’. In Wirklichkeit missbraucht man sie als bloßes Missbrauchs-Objekt, um ihr Geheimnis um so weniger sehen zu müssen. Denn wenn Mädchen nicht nur Opfer wären – oder potentielle Opfer –, sondern der Welt auch etwas zu sagen hätten, dann, spätestens dann, müsste man ja umdenken! Aber das will man nicht. Also fokussiert man sich immer krampfhafter und immer noch tiefer auf das Missbrauchsthema. Was hier wirkt, ist das eigene schlechte Gewissen. Im tiefsten Inneren weiß man, dass man auf einem völlig falschen Weg ist. Aber wer sich einmal geweigert hat, seinen Irrtum einzusehen, der marschiert immer krampfhafter weiter...

Was ich sagen will, ist: Ja, auf jeden Fall! Mädchen sind tatsächlich sehr gefährdet. Nichts anderes mache ich auch in diesen Bänden unter anderem erlebbar. Aber: Es geht um noch viel mehr. Und das will man dann nicht mehr hören.

Dabei müsste man sich nur einmal fragen, warum Mädchen so gefährdet sind. Würde man sich wirklich auf die Antwort einlassen und tief dabei verweilen, würde man von selbst weiterkommen – und der Krampf würde sich lösen. Aber man will bei der bloßen Gefährdung bleiben. Diese ist ein wunderbares Mittel, die eigene Blindheit aufrechtzuerhalten. Die ,Gefährdung des Mädchens’ ist ein großartiges Instrument, um die eigene innere Sackgasse zu pflegen und zu hätscheln und sich ach so verantwortungsvoll zu fühlen!

Und wie großartig kann man sich fühlen, wenn man ,diesen ganzen Pädophilen und Perversen’ entgegentritt, die behaupten, sie würden Mädchen lieben! Kinder lieben ja, Jugendliche lieben ja, sie sind schließlich unser aller Zukunft – und nichts liegt uns so am Herzen wie sie. Aber doch nicht auf deine Art, du Verbrecher; sie alle, die diese schmutzigen Lügen von ,Liebe’ aufstellen, wollen von den Mädchen doch nur das Eine – und das ist so völlig offensichtlich, dass sie gar nicht erst anzufangen brauchen, es zu leugnen.

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Ich habe nie behauptet, dass jeder, der sich von den Mädchen angezogen fühlt, in der Lage ist, sie auch zu lieben. Vielleicht sind die wenigsten dazu in der Lage. Das gilt im Übrigen aber auch für die Erwachsenen untereinander. Vielleicht sind die wenigsten Menschen in der Lage, wirklich zu lieben. Schon Erich Fromm hat dies für die heutige Welt, deren Wirtschaftssystem noch immer auf dem Egoismus aufbaut, ganz klar ausgesprochen.[5]

Aber – die eine große Wahrheit ist: Man kann ein Mädchen genauso tief lieben wie jeden anderen Menschen. Und sogar noch tiefer. Denn welcher Mensch wäre überhaupt so liebenswert wie ein Mädchen?

Menschen, die es fast zu einem inneren Automatismus gemacht haben, anderen Menschen die Fähigkeit abzusprechen, ein Mädchen zu lieben, offenbaren nur ihre eigene Unmenschlichkeit. Denn sie begreifen überhaupt nicht mehr, was Liebe eigentlich ist. Denn würden sie es begreifen, wäre ihr Urteil um so unverständlicher: Wie kann man einem Menschen die Fähigkeit der Liebe absprechen? Und wieso nur, gerade und genau dann, wenn er ein Mädchen liebt?

Wir müssen also in der tiefsten Aufrichtigkeit unserer Seele feststellen und zugeben, dass es möglich ist, ein Mädchen zu lieben. Und dass es abartig und irreführend ist, einem Menschen, der dies tut, dann das Etikett ,pädophil’ zu verpassen, denn dieser Mensch verpasst den anderen auch nicht das Etikett ,adultophil’. Sobald Liebe etwas Individuelles wird, sind alle Etiketten falsch. Das Wort ,Parthenophilie’ wurde allerdings noch nicht für Etikettierungen missbraucht – aus ihm leuchtet im Grunde noch wirklich das Wunder des Mädchens hervor. Aber auch die parthenophile Seele kann sich zu einem Mädchen zutiefst hingezogen fühlen. Und sie kann dieses eine Mädchen so lieben, wie es nur die Liebe kann.

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Von alledem weiß die Welt nichts – aber nur deshalb, weil es sie auch in keiner Weise interessiert. Das Missbrauchsthema ist groß genug – wozu sich noch mit etwas so Verkomplizierendem wie der Liebe abgeben? Viel einfacher ist es doch, davon auszugehen, dass Männer Mädchen immer missbrauchen! Selbst die, die von ,Liebe’ sprechen. Genau – im Grunde ist doch diese ,Liebe’ eine einzige große Lüge, und zuallererst eine gigantische Selbstlüge.

So unglaublich einfach macht es sich die Welt – und so leichtfertig geht sie mit der Liebe um. Sie redet sich eben mit Gewalt immer wieder neu ein, dass es Liebe nur zwischen Erwachsenen gibt – und nur zwischen Jugendlichen, aber niemals zwischen diesen beiden hermetisch getrennten Parallelwelten. Wo kämen wir da auch hin! In Teufels Küche! Deswegen nieder mit der Liebe, nieder mit den Grenzgängern, hoch mit der Mauer, hermetisch, aseptisch, wir wollen die volle ,political correctness’. Sonst wird uns die Welt zu kompliziert.

Die Liebe aber weht, wo sie will. Mit anmutiger Hand reißt sie die Grenzen nieder, wandelt auf Niemandsland, lässt sich auch von Schüssen nicht irritieren, entweicht den Soldaten und findet das Geliebte und lässt sich nicht mehr trennen...

Wenn es so einfach wäre! Auch die Liebe kann gebannt, gefesselt, eingekerkert, getötet, gezwungen, gehirngewaschen, gedemütigt, vergewaltigt und verhöhnt werden. Auch aus der Liebe eines Mannes zu einem Mädchen kann man alles Mögliche machen, was sie nicht ist – und macht es täglich, stündlich, ja in jedem Moment. Man muss nur einmal in seinen eigenen Kopf schauen. Wie schaut man da auf die Liebe eines Mannes zu einem Mädchen? Was darf sie alles nicht sein – und wozu macht man sie?

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Was das Gesetz nicht tut, das holt man schnell selbst nach. Nehmen wir an, ein Mann und ein Mädchen könnten miteinander ins Bett gehen, weil sie einander lieben und weil auch das Mädchen schon vierzehn ist, so dass das Gesetz nichts dagegen hat – dann ist man selbst aber immer noch Herr der Moral, um diese beiden und insbesondere den Mann dennoch zu verteufeln, denn wie kann man auch nur daran denken, so ein junges Ding ... schon der Gedanke ist doch absolut pervers!

Und wieder gilt: Diese Menschen kennen die Liebe nicht. Sie kennen nicht ihr Geheimnis. Sie kennen nicht dieses heilige ,weht wo sie will’. Sie kennen auch das Geheimnis der Zärtlichkeit überhaupt nicht. Sie ahnen zum Beispiel nicht einmal, dass ein Mann zu einem Mädchen hundertmal zärtlicher sein kann, als er es je zu einer Frau sein würde. Sie wissen nicht, dass ein Mann sich dem, was ein Mädchen für Bedürfnisse hat (oder auch nicht hat) unendlich anpassen kann. Aber – ist dies nicht ohnehin das heilige Geheimnis der Liebe? Dann wäre die Frage: Wieso traut man dieses Geheimnis einem Mann so wenig zu? Vielleicht tragen gerade die Männer, die ein Mädchen lieben, dieses Geheimnis besonders tief in sich...? Nicht immer – aber oft genug.

Aber all diese Dinge sind unbekannt. Und sie werden verdeckt von all jenen Fällen, die als Missbrauchsfälle die Schlagzeilen und Statistiken bestimmen. Und natürlich von jenen Fällen, die zu ,Missbrauch’ gemacht werden, weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf: dass es auch zwischen Männern und Mädchen Liebe gibt. Diese Dinge also bestimmen die Schlagzeilen. Während erwachsenen Vergewaltigungen heute kein Hahn mehr hinterherkräht, weil man weiß, dass die meisten Erwachsenen sich eben lieben. Aber warum gesteht man dieses heilige Phänomen nicht auch Begegnungen zwischen Mann und Mädchen zu? Nicht allen, aber all jenen, die eben ... beidseitig sind? Und warum gesteht man es nicht als unabweisbare Tatsache, dass unzählige Männer ein Mädchen lieben und ihm niemals irgendetwas tun könnten, weil sie es lieben, selbst wenn dies tragischerweise völlig einseitig bliebe?

Warum leugnet man so fortwährend und brutal das Phänomen der Liebe zum Mädchen?

                                                                                                                                       *

Es ist ein knallhartes Tabu – nahezu nichts wird heute so sehr bekämpft wie die Liebe von Männern zu Mädchen. Natürlich wegen all der schwarzen Schafe auf diesem Gebiet, das so scheint, als müsste man die weißen Schafe wie die Nadel im Heuhaufen suchen. Aber das liegt eben nur daran, dass die weißen Schafe nicht auffallen. Oder auch daran, dass man selbst die weißen Schafe zu schwarzen erklärt, weil man es besser wissen will.

Die schwarzen Schafe beflecken das Ganze. So, wie die Vergewaltiger und Missbraucher auch im erwachsenen Bereich das Bild des Mannes beflecken; wie die Kreuzzüge und die Dekadenz des päpstlichen Roms das Christentum befleckt hat, wie geopolitische Machtspiele jede Behauptung von Friedfertigkeit beflecken, wie der Kapitalismus als unmenschliche Ideologie das Menschentum des 21. Jahrhunderts befleckt und so weiter. Überall leben wir in Sümpfen der Lüge, der Heuchelei, Selbstlüge und Ignoranz.

Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, auch nur den geringsten Missbrauch eines Mädchens durch einen Mann zu beschönigen. Aber ich habe auch kein Verständnis für die Heuchelei, mit der geleugnet wird, dass es auch das volle Gegenteil gibt: echte Liebe, die ein Mädchen gar nicht missbrauchen kann.

Das militant-feministische Dogma, alle Männer seien ,potentielle Vergewaltiger’ ist zum Glück längst gefallen und vergessen. Jener Irrglaube, alle Mädchen liebenden Männer seien potentielle Missbrauchstäter und tickende Zeitbomben, spukt noch in sehr vielen Köpfen. Womit hat dies zu tun? Zum einen damit, dass die Statistiken natürlich von jenen Männern gefüttert werden, die Mädchen missbrauchen. Zum anderen mit der Heuchelei, mit der der Missbrauch eines Mädchens tausendfach sensationeller in die Presse gepeitscht wird als der einer nur wenige Jahre älteren Frau. Und zum dritten auch damit, dass das Mädchen oft gar nicht gefragt wird, wenn man das Urteil über Mann und Mädchen ausgießt.

Und auf unzählige Weisen wird also das Missbrauchsthema in die Köpfe gehämmert – und von Liebe hört man nichts. Will sie sich doch einmal zärtlich in das Bewusstsein schleichen, kommen längst die Schlägertrupps der Gehirnwäschegedanken an, stoßen jeden zarten anderen Gedanken mit ihren Springerstiefeln brutal in den Schmutz und erneuern das einzige Dogma von der ,Perversität der Mädchenliebe’, die stets nur Missbrauch oder völlig schmutzige Neigungen beinhalten kann. Dieses Urteil brennt sich in den Köpfen ein, fest und immer fester – und durch alles, was man in der Öffentlichkeit liest, hört und gesagt bekommt, wird es nur weiter zementiert. Längst ist auf diese Weise ein undurchdringliches Gefängnis der Gedanken und auch der Realität entstanden.

                                                                                                                                       *

Wo das Gesetz die Liebe zwischen Mann und Mädchen erlauben würde, schrieb ich, zerschmettert dieses Dogma den entstehenden zarten Freiraum.

Und zwar – was schlimm genug wäre – nicht nur in der äußeren Realität, sondern sogar schon in der fiktiven. Selbst Literatur darf, selbst Romane dürfen bestimmte Themen nicht mehr behandeln. Nicht, dass es gesetzlich nicht erlaubt wäre, nein, sondern eine unglaubliche Selbstzensur beginnt hier längst zu greifen und ihren lähmenden, erstickenden Mantel auf alles zu legen.

Und das ist das Unfassbarste: Dass aus verschiedensten Gründen – sei es Angst vor möglichen Gesetzesverstößen, auch aufgrund einer teilweise völligen Unkenntnis über die reale Gesetzeslage, aber auch aus einer massiven Tendenz zu vorauseilendem Gehorsam und ,political correctness’ – das Tabu nicht nur aufrechterhalten, sondern immer noch weiter verstärkt wird.

Dabei muss man bedenken: Alles andere ist kein Tabu! In Romanen darf gemordet werden, geblutet, beleidigt, gemetzelt, es darf obszön, eklig, vulgär, nihilistisch, sarkastisch und was weiß ich noch alles zugehen. Es darf Horror-, Psychothriller-, Sado-Maso- und unzählige andere Literatur in einer wahren Flut geben ... aber das Thema ,Mann und Mädchen’ stößt extrem schnell an Grenzen. Wie das Gegenteil eines schwarzen Lochs: Während dieses alles aufsaugt, wird hier alles abgestoßen, sobald es auch nur in die Nähe kommt. Es darf sozusagen gar nicht in Erscheinung treten.

Man mag glauben, dass bei den neuen Verlagen, die ,Print on Demand’ anbieten, jeder Autor heute alles veröffentlichen darf – schließlich tut er es sozusagen auf eigene Kosten –, aber dem ist nicht so. Und es ist eben auch nicht so, dass nur das ,verboten’ wäre, was gesetzlich verboten ist, wie zum Beispiel offensichtliche Pornografie. Sondern, wie gesagt, das Thema ,Mann und Mädchen’ ist ein unsichtbares, aber sehr deutliches Tabu. Das bemerkt man, wenn man an die unsichtbare Mauer stößt.

So wurden zum Beispiel mehrere meiner Bücher bei ,Books on Demand’ abgelehnt. Das Perfide ist, dass das Unternehmen bzw. die entsprechende Abteilung und deren zuständige Person sich auch gar nicht auf irgendeine Erörterung des Sachverhaltes einlässt. Argumente verschwinden in diesem Fall in einem schwarzen Loch – denn man beruft sich dann einfach auf die ,Allgemeinen Geschäftsbedingungen’, die praktischerweise stets die Klausel enthalten, dass der Verlag ,Manuskripte ohne Angaben von Gründen ablehnen’ kann. Selbst wenn man nach möglichen Begründungen fragt, wird dann auf diesen Passus verwiesen.

Die Ablehnung selbst hat dann standardmäßig folgenden Wortlaut:

Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihr eingereichtes Manuskript aufgrund seines Inhaltes den Grundsätzen unseres Unternehmens bzw. unserer Vertriebspartner widerspricht und wir es deshalb nicht in den Handel bringen möchten.

Bekommt man einen solchen aus einem Satz bestehenden Zweizeiler das erste Mal, fragt man sich natürlich: Was habe ich eigentlich geschrieben? Wird mein Buch als Pornografie betrachtet? Als pädophiles Machwerk (auch wenn es gar nicht um Kinder geht)? Als Aufruf zur Mädchenschändung? Als Anregung zum Missbrauch? Was ist es? Was ist gemeint mit ,aufgrund seines Inhalts’? Welches Inhalts? Und was ist gemeint mit den ,Grundsätzen unseres Unternehmens’ und ja, natürlich gleich der ganzen Welt, nämlich auch ,unserer Vertriebspartner’?

Was ist gemeint? Was für ein grauenhaftes Machwerk habe ich da geschrieben? Man erkennt sich selbst nicht wieder. Bis man erkennt, dass man an die unsichtbare Mauer gestoßen ist. Diese Mauer ist nicht rational. Sie besteht aus einem Tabu – einem brutalen Tabu. Und alles, was hier in die Nähe kommt, ,widerspricht’ den ,Grundsätzen’ der ,gesamten zivilisierten Welt’ (,unseres Unternehmens bzw. unserer Vertriebspartner’).

Aber noch einmal – was habe ich eigentlich geschrieben? Ich zitiere einmal aus meinem damaligen – schlicht naiven, weil noch an den Menschen glaubenden – Versuch, in Bezug auf meinen Roman ,Mädchenliebe’ (2016) in ein Gespräch zu kommen:

Es geht in diesem Roman nicht um sexuelle Handlungen mit Minderjährigen, sondern um das Thema Zärtlichkeit – und zwar um solche Formen der Zärtlichkeit, die das volle Einverständnis des Mädchens haben. Auch die erwachsene Hauptperson des Romans möchte und würde nie etwas tun, was die Freiheit und Selbstbestimmung des Mädchens auch nur berühren würde.
Das Mädchen selbst kämpft bei seinem Vater darum, den Mann, mit dem sie eine wachsende Freundschaft verbindet, weiter sehen zu dürfen.
Dass das Thema nicht unsensibel ist und eine gesellschaftliche Frage berührt, kann ich nicht verneinen. [...] In diesem Roman jedoch beruht das Bedürfnis nach Nähe, Vertrauen und Zärtlichkeit auf absoluter Gegenseitigkeit. Es ist das Mädchen, das aufgrund seiner Kindheit, in der es keine wirkliche Zärtlichkeit erfahren hat, eine große Sehnsucht danach hat. Wenn Sie dies auch unter das Tabu fassen, wäre dies ein Tabu, das Zärtlichkeit generell tabuisiert – und eigentlich gerade dann das Mädchen schutzlos lässt.
Was ich schlimm finde, ist, dass heute unendlich viel Literatur auf dem Markt ist, in der Sexualität und Brutalität in jeder oder fast jeder Form völlig normal ist und selbst Jugendliche oder sogar Kinder dem ausgesetzt werden. Unsere Gesellschaft leidet an einer extremen Sexualisierung, das wissen Sie doch auch – und die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit sind dem völlig schutzlos ausgeliefert.
In meinem Roman geht es um das absolute Gegenteil [...].

Und so weiter... Die Standardantwort kennen wir bereits.

Nachdem einige weitere Romane von mir abgelehnt wurden, bekam ich schließlich, als ich einmal vorab fragte, ob ein bestimmtes Manuskript (,Nur Maja’) ebenfalls abgelehnt werden würde, endlich einen Hinweis auf die Gründe. Es wurde auf die ,Veröffentlichungsrichtlinien’ hingewiesen und darauf, dass man ,Beschreibungen von strafbaren Handlungen’ nicht veröffentliche.

Abgesehen davon, dass man auf der Webseite des Verlages keine ,Veröffentlichungsrichtlinien’ findet, sondern nur ,Nutzungsbedingungen’, heißt es in diesen unter anderem:[6]

3.4. Der Kunde verpflichtet sich auf den BoD-Webseiten keine Inhalte einzustellen, die [...]
d. unsachlich, unwahr, beleidigend, ehrverletzend, herabwürdigend, verleumderisch, rassistisch, menschenverachtend, sittlich anstößig, obszön oder pornographisch sind oder die Privatsphäre eines Dritten verletzen oder in sonstiger Weise rechtsverletzend sind oder einen Straftatbestand erfüllen [...].

Ganz abgesehen davon, dass jede Fiktion sowohl ,unsachlich’ als auch in gewisser Weise ,unwahr’ ist, erfüllt ein Roman in keiner Weise einen Straftatbestand, wenn er eine ,Beschreibung einer strafbaren Handlung’ enthält! Und doch wurde in dem oben genannten Zweizeiler behauptet, etwas Derartiges würde man nicht veröffentlichen.

Worin bestanden nun aber die strafbaren Handlungen, die in meinen Romanen fiktiv enthalten sein mochten? Etwa in körperlichen Zärtlichkeiten mit einem Mädchen, das, weil es noch nicht vierzehn ist, noch keinerlei ,sexuellen Handlungen’ (wie zum Beispiel bereits ein zärtliches Streicheln auch nur der Brust) erfahren darf? Nein, sondern in allen Romanen waren die Mädchen mindestens vierzehn Jahre alt. In der fiktiven Handlung strafbar war allenfalls, dass:

• in ,Mädchenliebe’ der Mann das Sorgerecht für das Mädchen (14) nach dem Unfalltod ihrer Eltern nur dadurch bekommt, dass sie fälschlich behaupten, sich schon lange zu kennen.
• in ,Feuerbahn’ das Mädchen (15), das eine spirituelle Aufgabe empfindet, seinen Eltern weggelaufen ist und hier das Jugendamt zuletzt eingreift, um sie von dem Mann zu trennen, bei dem sie unbedingt bleiben will.
• in ,Blümchensex’ das Mädchen (16) ohne Wissen der Eltern mit einem Mann verreist.
• in ,Nur Maja’ der Mann mit dem Mädchen (14) zu einem Wettkampf fährt, obwohl der Vater ihr Hausarrest erteilt hat.

• In ,Unmöglich, sagten sie’ ist schließlich keine einzige Handlung strafbar.
• Dasselbe gilt für ,Der Mann und das Mädchen’.

Wie man sieht, geht es – ein anderer Schluss ist für mich nicht zu ziehen – nur darum, Romane zu verhindern, in denen zärtliche Beziehungen zwischen einem Mann und einem Mädchen geschildert werden. Allein schon, weil ihnen der ,Geruch’ der Strafbarkeit anhaftet – obwohl das Gegenteil der Fall ist.

Ich antwortete dem Verlag in Bezug auf mein Manuskript von ,Nur Maja’ und die Behauptung, eine ,Beschreibung einer strafbaren Handlung’ würde nicht veröffentlicht:

Das würde aber bedeuten, dass Sie keinerlei Romane veröffentlichen, in denen beschrieben wird, wie
- sich jemand zum Beispiel Drogen beschafft
- Graffiti gesprüht wird
- ein Diebstahl geschieht
- ein Mensch umgebracht oder beraubt oder sonstwie geschädigt wird
- ein Mensch entführt wird
- in irgendeiner Weise illegal gegen irgendeine Staatsmacht vorgegangen wird
- ein Konzern Steuern hinterzieht
- eine Firma die Umwelt verseucht
- und unzählige andere Dinge und Handlungen
Falls Sie solche Romane dennoch veröffentlichen – welchen Maßstab legen Sie hier an? Denn dann wären Ihre Nutzungsrichtlinien hoch inkonsistent und letztlich willkürlich, weil aus ihnen nicht hervorgeht, was nun wirklich abgelehnt wird und was nicht und mit welcher Begründung (natürlich mit keiner, denn die braucht es ja nicht).
Romane sollen die Fülle des menschlichen Lebens darstellen, letztlich kann man sagen: die Wahrheit.
Eine Handlung mag in der realen Welt strafbar sein, wenn sie aber bereits als Bestandteil eines Romans verboten wird, entsteht eine ganze Literatur und damit Kunst, die politisch überkorrekt selbst im Bereich des Fiktiven nur noch den perfekten Bürger schildert. Stellen Sie sich einen Orwell-Staat vor, in dem es strafbar wäre, Romane zu veröffentlichen, die eine strafbare Handlung enthalten. Ihre Nutzungsrichtlinien passen da perfekt hinein!
Das Leben besteht dann nur noch aus Gehorchen und Funktionieren. Die Fülle des Lebens ist gesetzlich abgeschafft. Steril und vorhersehbar reproduzieren Romane nur noch das, was ohnehin schon jeder weiß und tut. Wozu dann noch die Kunst, dieser einst stets grenzüberschreitende, provozierende, Fragen und Diskussionen anregende Bereich?
Bei ihren Richtlinien hätte nicht einmal die Kinsey-Studie erscheinen dürfen, denn sie belegte, dass 95 % der US-Bürger sexuelle Handlungen begingen, die damals in irgendeinem US-Bundesstaat strafbar waren. Oder war die Studie erlaubt, weil sie nur Statistik lieferte und das Verbotene nicht beschrieb? Die Realität zu beschreiben, und sei es nur in einem fiktiven Roman (!), wäre also falsch und verboten...
Und noch eines: Selbst im Fernsehen erscheinen zur besten Sendezeit unzählige Schilderungen, deren reales Pendant strafbar ist – und bei weitem nicht alle werden schließlich vom ,unbestechlichen Arm des Gesetzes’ ereilt. Die Veröffentlichungen sind heute vielfach sogar schon so brutal (Actionfilme, Krimis etc.), dass man sich fragen muss, wie sehr Kälte, Brutalität und Gewalt noch verherrlicht werden sollen.
,Romeo und Julia’ hätte bei Ihnen heute auch nicht mehr veröffentlicht werden können.
Und so könnte man viele, viele weitere Anmerkungen machen.
Mein Roman beschreibt, wie zwei Menschen einander glücklich machen – gegen den Widerstand der übrigen Welt. Wie ein Mädchen befreit wird und sich befreit – gegen den (anfänglichen) Widerstand ihres Vaters, der väterlichen Erziehungsgewalt.
Ist das so verwerflich, dass es nicht erscheinen darf? Ist Literatur wirklich nur noch das perfekte Abbild des Gesetzbuches?
Ich habe das alles nicht geschrieben, um Sie anzugreifen, es ist nur unglaublich bestürzend und traurig.

Natürlich erhielt ich keinerlei weitere Antwort...

Hier sehen wir also, wie unglaublich tiefgreifend die Zensur bereits wirkt – in diesem Fall die Selbstzensur und damit Autoren-Zensur eines großen Verlages, der mit dem Slogan wirbt:

Unsere Mission
Jedem die Freiheit zu geben, genau sein Buch zu verwirklichen.

Und würde man Sex-, Porno- und andere Geschichten suchen, so würde man im dortigen Buchshop problemlos fündig werden. Es gibt hier nahezu kein Limit. Doch wo es um zärtliche, behutsame Begegnungen zwischen Mann und Mädchen geht – da ist die unsichtbare Mauer sofort da. Jedenfalls sobald auch nur annähernd irgendeine rechtliche Grauzone aufzuspüren ist.

Der Mann fährt mit dem Mädchen unerlaubt irgendwohin, obwohl es Hausarrest hat? Keine Veröffentlichung! Der Mann ,erschleicht’ sich das Sorgerecht, weil das Mädchen bei niemandem sonst leben will? Keine Veröffentlichung! Ein Mädchen besucht einen Mann heimlich, obwohl ihr Vater es ihr verboten hat? Keine Veröffentlichung!

Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so ernst wäre. Ernst, weil sich hier eine Tendenz abzeichnet, die nicht nur der größte Verlag für freie Autoren auf seine Fahnen geschrieben hat. Die Zensur schreitet mit riesigen Schritten durch das Land...

Und was wird auf diese Weise verhindert? Literatur, die zeigen könnte, dass es auch etwas anderes gibt als Missbrauch. Die zeigt, dass Begegnungen zwischen Mann und Mädchen auch gelingen können, große Liebe werden können – oder von Anfang an sind –, auf beiden Seiten. Und der große Verdacht drängt sich auf: Ist es vielleicht genau das, was beabsichtigt ist? Das nicht durchdringen zu lassen? Weil es angeblich eine Lüge sei – während man seine eigene Lüge schafft, nämlich eine Welt, die in Bezug auf Mann und Mädchen nur aus Missbrauch besteht? Ist es das, was man will? Dieses ausschließliche Bild verewigen?

                                                                                                                                       *

Im Sommer 2021 erhielt man nach einer Buch-Beauftragung bei ,Books on Demand’ eine Rückantwort, die die einzelnen Schritte auflistete, die nun ,im Hintergrund’ abliefen. Dort heißt es unter ,Schritt 2: Inhaltliche Prüfung’:

Alle Titel werden im zweiten Schritt einer inhaltlichen Prüfung unterzogen. Hierbei achten wir besonders darauf, ob die Inhalte öffentlich Anstoß erregen können, politisch extremistische Positionen beinhalten, Personen verunglimpfen oder gegen geltende Gesetze verstoßen.
Dies erfolgt in einem mehrstufigen Prozess: zum einen überprüfen erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die eingereichten Manuskripte sowie die verwendeten Bilder. Gleichzeitig suchen wir mit Hilfe eines umfangreichen Schlagwortkatalogs, der ständig aktualisiert und erweitert wird, nach auffälligen Inhalten. Strittige Titel werden abschließend von unserer Expertenkommission begutachtet und entweder zur Veröffentlichung freigegeben oder abgelehnt.

Schon hier deutet sich an, dass es nicht nur um ,Pornografie’ oder ,Straftatbestände’ geht, sondern dass es für jegliche Themen, die ,öffentlich Anstoß erregen’ können (!) – also bereits rein potenziell –, ja für ,auffällige Inhalte’ überhaupt kritisch werden könnte. Was ,auffällig’ ist, ist vielleicht allein schon deshalb ,Anstoß erregend’, ,strittig’ und vor der Gefahr, abgelehnt zu werden. Wir haben es hier also mit einer generellen Tendenz zur Unauffälligkeit und Angepasstheit zu tun.

Wer diese Deutung übertrieben findet, der wird eines Besseren belehrt, wenn er unter dem Menüpunkt ,Hilfe’ in das Suchfeld zum Beispiel ,Inhalte’ eingibt. In einem eigenen Abschnitt ,Lehnt BoD Inhalte zur Veröffentlichung ab?’ ist dann nicht nur dasselbe noch einmal zu lesen, sondern es geht weiter:[7]

Vorgaben [...] setzt auch der Buchhandel [...]. Zur Überprüfung nutzen Online-Shops automatisierte Prozesse, die bei festgestellten Verstößen zur Sperrung eines Titels auch nach Veröffentlichung führen können. Um dies zu vermeiden, setzen sich die Inhaltsrichtlinien, die über eine Titelveröffentlichung bei BoD entscheiden, aus Vorgaben der Vertriebsplattformen sowie eigenen Kriterien zusammen.
Inhalte, von denen sich BoD für eine Veröffentlichung distanziert, umfassen unter anderem:
• Inhalte, die gegen das Urheber-, Persönlichkeits- oder Markenrecht verstoßen
• Extremistische politische Inhalte, die im Widerspruch zu Grundgesetz und Demokratie stehen
• Diskriminierende Inhalte, die Gruppen aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Religion herabwürdigen
• Gewaltverherrlichende Inhalte
• Explizite pornografische Inhalte sowie sexuelle Handlungen mit minderjährigen Protagonisten unter 21
• Sexuell explizite Begriffe und Beschreibungen in den Metadaten
• Explizite Bilder von Geschlechtsorganen und sexuellen Handlungen

Wild durcheinandergewürfelt finden sich hier also schon rein straf- und zivilrechtlich unzulässige Punkte neben anderen, die einfach nur deshalb unterdrückt werden, weil ,der Buchhandel’ hier ,Vorgaben’ setzt. Wer ist ,der’ Buchhandel!? Warum unterwirft man sich ,automatisierten Prozessen’ von ,Online-Shops’? Wenn ein Buch von manchen ,Vertriebsplattformen’ selbstherrlich gesperrt wird – was interessiert das ,Books on Demand’? Wenn das Buch nicht verkauft und gedruckt wird, macht BoD keine Verluste – aber wenn Titel auch dort aus mangelnder Courage und Anpassungswilligkeit etc. unterdrückt und abgelehnt werden, ist einem sterilen Mittelmaß der Boden bereitet.

Absurd und entlarvend ist nun jener Punkt, wo geradezu unverschämt innerhalb ein und derselben Zeile zwei völlig verschiedene Inhalte angesprochen werden – nämlich zum einen ,explizite pornografische Inhalte’ (!) und zum anderen ,sexuelle Handlungen’ mit ,minderjährigen Protagonisten’ ,unter 21’.

Hier ist die Suggestion, die erreicht werden soll, mit Händen zu greifen – und sie ist lächerlich. Sie lautet: ,Jede sexuelle Handlung mit einer Person unter 21 ist Kinder- oder Jugendpornografie’. Das ist derart erbärmlich, dass man laut loslachen müsste, wenn es nicht so traurig wäre. Jugendliche ab vierzehn dürfen Sex haben, mit wem und wie sie wollen – aber jede Fiktion einer (auch) sexuellen Begegnung mit ,minderjährigen Protagonisten unter 21’ wird von BoD potenziell selbstherrlich unterdrückt!

Die Lächerlichkeit erreicht ungeahnte Ausmaße, indem selbst erwachsene Personen über achtzehn für ,minderjährig’ erklärt werden. Soviel Unverschämtheit muss man sich erst einmal erlauben. Aber die Unverschämtheit geht weiter. Denn die Sexualität und die sexuelle Würde auch der Minderjährigen unter achtzehn wird hier voll angegriffen. Man deckelt sie zu, man verschweigt sie, man verweigert ihre Thematisierung, man unterdrückt und sperrt Titel, die sie behandeln oder auch nur erwähnen. So gesehen entspricht dies einem Rückfall in die Adenauer-Zeit: Sexualität Minderjähriger gibt es nicht, sie darf nicht Thema von Romanen werden, sie darf nicht in Erscheinung treten.

,Begründet’ wird dies dann mit den ,Vorgaben’ der ,Vertriebspartner’. So versteckt sich einer hinter dem anderen – und niemand ist es gewesen, wenn die deutsche und internationale Literatur in ein wilhelminisches Zeitalter zurückfällt.

Die Darstellung von Sexualität ,minderjähriger Protagonisten’, die mit vierzehn sexuell mündig geworden sind, berührt das Strafrecht nicht einmal ansatzweise, solange sie nicht selbst pornografisch ist – aber ,Books on Demand’ und seine ,Vertriebspartner’ wissen es besser. Bei ihnen muss es züchtiger zugehen. Sexualität von und mit ,Protagonisten’ unter achtzehn, Verzeihung, unter einundzwanzig, erregt dann doch zu viel Anstoß.

Dies ist nichts anderes als Zensur. Auch wenn es heuchlerisch nicht so genannt wird. Selbstherrlich und in irgendeinem ominösen vorauseilenden Gehorsam – und die große Frage ist: wem eigentlich gegenüber? – wird Literatur unterdrückt, die jenes Thema berührt, das die wilhelminisch-adenauerischen Geister am liebsten ganz inexistent sähen: die jugendliche Sexualität. Was gesetzlich erlaubt ist, darf noch lange nicht Roman und Literatur werden! Wo kämen wir denn da hin? Dann wäre die Literatur ja frei, ein freies Reich der Gedanken, der Phantasie, der Fiktion – niemals! Nicht bei ,Books on Demand’, nicht bei dessen Vertriebspartnern.

Es ist traurig, wie sehr sich diese große Plattform, die nach außen hin einer freien Literatur das Wort redet, in eine repressive Haltung einigelt – auf diesem einen Gebiet der jugendlichen Sexualität. Wie hier in lächerlicher und zugleich absolut befremdender Weise etwas tabuisiert wird, was gesetzlich ab dem Alter von vierzehn Jahren ein Geschehen ist, das der Autonomie auch des jugendlichen ,Protagonisten’ oder der jugendlichen Progagonistin überlassen ist. Hieraus ein Tabu zu machen, gerade auch für die Literatur, das Reich der Fiktion, des freien Geistes, ist eine Erbärmlichkeit, über die sich nur jene freuen können, denen generell an Unterdrückung, Kontrolle, Totalitarismus, Lenkung, Anti-Demokratie und Unfreiheit liegt. Jede andere Begründung für derartige Zensurbemühungen ist entweder reine Heuchelei oder weit fortgeschrittene Paranoia.

Ich zitiere nochmals:

,...sowie sexuelle Handlungen mit minderjährigen Protagonisten unter 21’

Hiermit hat ,Books on Demand’ sich selbst auf die Seite der ,Orwell’-Fraktion geschlagen, die einen großen Teil der Wirklichkeit schlicht unterdrücken möchte.

                                                                                                                                       *

Dass dieser so falsch werbende Verlag (,jedem die Freiheit zu geben...’) nicht nur einem völlig übersteigerten ,Political-Correctness’-Denken erliegt, sondern damit direkt eine Erosion der geistigen Freiheit und Demokratie begünstigt und mitverursacht, könnte einem spätestens dann bewusst werden, wenn man ernst nimmt, was vor kurzem Kulturstaatsministerin Monika Grütters in einem Interview engagiert und ausführlich geradezu warnend betonte:[8]

Wir haben in Deutschland schmerzlich erfahren, dass es immer die Künstler und die Intellektuellen sind, die als erste mundtot gemacht werden, wenn eine Gesellschaft in autoritäre Strukturen verfällt. [...] Ich bin der Meinung, dass eine Demokratie erlahmt, wenn wir nicht aktiv jene Kräfte unterstützen, die uns immer wieder den Spiegel vorhalten und Widerspruch leisten. Ohne diese Stimmen, die uns vielleicht nicht immer gefallen, sondern immer auch Zumutung sein können, wird eine Gesellschaft schnell schwerfällig und saturiert. [...]
[...] Künstler dürfen provozieren und selbstverständlich – fast – alles sagen. [...] Es gehört zur vornehmsten Rolle des Künstlers, gerade solche Positionen einzunehmen. [...] Eine Kunst, die sich gesellschaftlichen Moden unterordnete oder gar einer Ideologie diente, würde sich nicht nur ihrer Möglichkeiten, sondern ihres Wertes berauben. Mit solcherart Spannungen umzugehen, macht den Reifegrad unserer Demokratie aus. [...]
Ich fände es fatal, wenn Künstler in ihrer Leidenschaft nicht unbefangen sein können.

Das ist aber der Fall – sie dürfen es nicht mehr. Eine immer weiter voranschreitende Ideologie legt sich wie Mehltau über alles, und unterdrückt wird zum Beispiel, sogar in einem ,Print-on-Demand’-Verlag für freie Autoren (!), die romanhafte Darstellung einer Liebesbeziehung zwischen einem Mädchen und einem Mann. Unterdrückt werden können jederzeit sogar Darstellungen von Beziehungen zwischen ,minderjährigen Protagonisten unter 21’ und Erwachsenen (über achtzehn?). Die Beziehung darf vielleicht gerade noch sein – aber sie hat aseptisch dargestellt zu werden. Geht es auch um den sexuellen Aspekt der gegenseitigen Zuneigung, droht sofort der Hammer der Zensur...

Längst ist man damit wieder bei einem autoritären, diktatur-offenen Denken angelangt, ob man sich dies eingestehen mag oder nicht. Selbst die fiktive Romankunst ist überhaupt nicht mehr frei. Dies zu behaupten, geht an den offen zutage liegenden Realitäten einfach vorbei.

                                                                                                                                       *

Ein anderes Symptom. Die Veröffentlichungsplattform ,epubli’,[9] bei der man für Romane eine Altersempfehlung auswählen kann (zum Beispiel ,für Erwachsene’), interpretierte dies bei meinem Roman ,Blümchensex’ (2020) kurzerhand als Altersbeschränkung!

Dasselbe Unternehmen entwickelte eine Software, die im eigenen Buchshop im Sinne des ,Jugendschutzes’ verschiedenste Cover und Inhaltsangaben einfach ausblendet. Diese Software war so fehlerhaft, dass unzählige Bücher ausgeblendet wurden, die völlig jugendfrei waren. All dies geschah, ohne dass die Autoren zuvor oder überhaupt informiert worden waren!

Ich schrieb an das Unternehmen, das offenbar bereits erotische Literatur nicht in einer Vorschau – wohlgemerkt: nur Cover und kurze Inhaltsangabe! – anzeigen wollte, da auch Minderjährige diese sehen könnten:

Ich habe die Einstellung nun auf 1-99 geändert,[10] weil der Roman definitiv kein bloßer Erwachsenenroman ist, sondern zugleich ganz genauso ein Jugendroman und Jugendliche unmittelbar und direkt auch betrifft. Er ist ganz eindeutig jugendfrei und wendet sich sogar an Jugendliche, und zwar mit einer tief menschlichen Botschaft.
Noch eine Randbemerkung hätte ich zum Thema "Erotik": Wenn Sie entgegen aller Wortlaute des Jugendschutzes auch jegliche Erotik von Jugendlichen fernhalten wollen, kann ich Ihnen eine wirklich unglaubliche Menge von Büchern in Ihrem Shop nennen, die Sie definitiv ausblenden müssten. Je unterschiedsloser man hier jedoch vorgeht, desto mehr gefährdet man die Jugendlichen, da man ihnen die Unterscheidungskriterien vorenthält und alles als gefährlich imaginiert. Dies aber liefe auf nichts anderes hinaus als auf eine Infantilisierung der Jugend. Demgegenüber zeigen sogar zahlreiche Studien, dass Jugendliche mit all diesen Themen sehr selbstständig und verantwortlich umgehen können. Erschreckenderweise konsumiert sogar jeder dritte männliche Jugendliche bereits wöchentlich Pornos (!),[11] ohne dass aber die generelle Orientierung von Jugendlichen zu Freundschaft, Liebe, Treue etc. abgenommen hätte.
Bitte bevormunden Sie die "Minderjährigen" – und auch die Autoren – nicht über das gesetzliche Maß hinaus. Ich hätte mir einen persönlicheren Kontakt gewünscht, zumal ich Ihre Arbeit sehr schätze. Aber simple Zweizeiler ohne Ansprechpartner verdienen die Bezeichnung "Autorenberatung" leider einfach nicht. Ich persönlich finde diese rasante Anonymisierung sämtlicher menschlicher Zusammenhänge erschreckend – und sehe darin eine unglaubliche Gefährdung auch der Jugendlichen, aber nicht nur dieser. Wünschen Sie sich tatsächlich eine solche Welt, in der man sich nur noch anonym, unverbindlich und unangreifbar "unterhält" (um nicht zu sagen: abgefertigt wird)? Mein Roman steht für etwas grundsätzlich anderes...

Mir wurde dann geantwortet, dass meine Kritik durchaus nachvollziehbar sei, dass man aber ,aus rechtlichen Gründen gezwungen’ sei, Inhalte, die ,für Jugendliche unangemessen erscheinen’, nicht offen anzuzeigen. Dabei würde man nicht selbst darüber entscheiden, was jugendgefährdend sei, sondern ein eigens entwickelter Algorithmus, der bei einer zu großer Häufung bestimmter Worte die Vorschau sperre.

Ganz abgesehen von der nicht zu verstehenden Logik, dass die Vertriebspartner (zum Beispiel Amazon) die Titel nach wie vor zeigten, listete ich, fassungslos darüber, dass der sogenannte Jugendschutz von einem Computer (!) beurteilt werden sollte, meine sämtlichen Kritikpunkte noch einmal auf – neben dem bisher schon Gesagten nun auch darauf hinweisend, dass:

• die von dem System des Unternehmens angebotene „Altersempfehlung“ in keiner Weise dem Buchhandel entspricht, weil Auswahlen wie „ab 14, ab 16 etc.“ nicht möglich sind;
• sie missverständlich sind, weil sie intern als „Altersbeschränkung“ verstanden zu werden scheinen, was so nicht angegeben wird;
• meine Romane alle ausdrücklich auch für Jugendliche gedacht sind, eindeutig jugendfrei sind und eine tief menschliche Botschaft enthalten;
• ,Gießkannen’-Indizierungen nach Algorithmus die „Minderjährigen“ und die Autoren bevormunden, aber auch sämtliche Leser, denn niemand erfährt nun mehr etwas über Inhalt oder Cover und niemand kann sich mehr ein eigenes Urteil bilden;
• auch anonyme Zweizeiler absolut bevormundend wirken und den Namen „Autorenberatung“ nicht einmal im Ansatz verdienen (eher: „Fließband-Abfertigung“);
• Kategorien wie „unangemessen“ oder „erotisch“ keine jugendschutzrechtlichen Begriffe sind;
• es für den Jugendschutz klare Kriterien gibt, die ein Algorithmus aus Prinzip nicht erfassen kann, dessen "Wort-Klauberei" allenfalls ein erstes grobes Siebverfahren bietet, das auf Formalitäten zielt, ohne über den Inhalt irgendetwas aussagen zu können;
• ein Algorithmus allenfalls potenzielle Jugendschutzgefährdungen grob aufspüren kann, während erst der Augenschein beurteilen kann, ob die drastischen, sehr engen Kriterien des Jugendschutzes (pornografisch, verrohend etc.!) gegeben sind oder nicht;
• es sehr wichtig wäre, die Autoren über den neuen Algorithmus überhaupt einmal zu informieren (!) – und gleichzeitig Kommunikationswege anzugeben, um hier Anpassungen vorzunehmen;
• die Ausblendung keineswegs so harmlos ist, wie sie dem Unternehmen vielleicht erscheinen mag, da die Botschaft "Cover aus Jugendschutzgründen deaktiviert", "Beschreibungstext aus Jugendschutzgründen ausgeblendet" etc. vielmehr extrem hartes Geschütz ist;
• so für Besucher des Shops der unmittelbare Eindruck entsteht, dieser biete einen Haufen "Schund- und Schmutzliteratur";
• bei der Suche nach bestimmten Autoren diese "Botschaft" verheerende Wirkungen hat, weil jeder sogleich annimmt, hier läge in Cover und Inhalt wirklich Pornografisches oder Sittenwidriges vor – denn das und nichts anderes sind die Jugendschutz-Kriterien;
• das Unternehmen seine Autoren indirekt einer realen und ernstzunehmenden Rufschädigung aussetzt, weshalb unbedingt der Algorithmus durch individuelle Prüfung wieder in den Bereich des Menschlichen und des realen Jugendschutzes und seiner Kriterien gebracht werden muss.

Das Unternehmen, das die Software erst wenige Tage getestet hatte, gab zu, dass allzu viele Titel ausgeblendet worden waren und man ,das Tool’ nochmals überarbeiten und zu gegebener Zeit wieder aktivieren werde...

Ich bin noch immer fassungslos, wie man einem Computer die Bewertung übertragen kann! Dieser Computer, der nur Worte filtern kann, würde auch ein Sachbuch über Pornografie filtern, obwohl nur pornografische Werke unter den Jugendschutz fallen. Allerdings ist zu befürchten, dass verschiedenste Menschen Pornografie und Erotik verwechseln – und dann verwechselt ein Computer diese beiden absolut unterschiedlichen Sphären erst recht.

Aber die Frage bleibt: Welche ,rechtlichen Gründe’ zwingen angeblich einen Verlag, eine Veröffentlichungsplattform oder wen auch immer, Cover und Inhaltsbeschreibungen auszublenden, wenn andere Anbieter dies nicht tun – und wenn die Bundesprüfstelle den entsprechenden Titel auch gar nicht indiziert oder noch nicht einmal geprüft hat? Dann muss rein rechtlich gar nichts ausgeblendet werden.[12] Auch hier droht also wiederum nichts weiter als Angst, Anpassung, vorauseilender Gehorsam, Übervorsichtigkeit und sukzessive Einschränkung des Literaturangebotes und der Freiheit des menschlichen Geistes und Herzens. Denn wer kauft schon ein Buch, von dem er weder Cover noch Inhaltsbeschreibung sehen kann? Das ist dann einfach sinnlos.

Selbstverständlich verteidige ich hier nicht das Anzeigen massiv pornografischer Werke oder völlig wertloser Sexliteratur. Aber – nach allen Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe, geht es ja um weit, weit mehr. Es bleibt dabei: Die Zensur droht überall.

                                                                                                                                       *

Und ich behandle das Thema Zensur hier, weil massive Tendenzen bestehen, sich weder an der Gesetzeslage noch an den Bestimmungen des Jugendschutzes zu orientieren, sondern in vorauseilendem Gehorsam – man muss es wiederholen – an allem, was irgendwie mit ,Mädchen und Mann’ zu tun hat. Ginge es wirklich um den Jugendschutz, braucht man sich nur zu vergegenwärtigen, dass selbst ein so (kinder-)pornografisches Werk wie ,Josefine Mutzenbacher’ 2017 durch die Bundesprüfstelle wieder von der Liste der ,jugendgefährdenden Medien’ gestrichen wurde.[13]

Es ist eigentlich armselig und traurig, dass man auf diese Dinge überhaupt aufmerksam machen muss – denn in meinen Romanen zum Beispiel geht es um alles andere als um pornografische, obszöne oder auch nur jugendgefährdende Szenen oder auch nur Stellen. Es geht – um die Liebe zwischen Mann und Mädchen. Und es ist traurig, bestürzend und erschütternd, wenn solche Romane – also selbst schon fiktive Literatur – zensiert werden, weil sie nicht ,den Grundsätzen unseres Unternehmens’ entsprechen. Wohlgemerkt eines Unternehmens, das sich auf die Fahnen geschrieben hat und sogar damit wirbt, ,jedem die Freiheit zu geben, genau sein Buch zu verwirklichen’.

Diese Freiheit hört bereits da auf, wo ein Mann ein Mädchen liebt... Sogar in Deutschland im 21. Jahrhundert. Und das Mädchen ist eindeutig in einem Alter, wo es auch den Mann lieben darf – was es auch tut... Aber manche wissen es besser. Am Gesetz vorbei wissen sie besser, was das Mädchen darf und was nicht. Das wirkliche Gesetz sind dann die ,Grundsätze unseres Unternehmens und unserer Vertriebspartner’. Die Liebe zwischen Mann und Mädchen fällt ihnen zum Opfer.

                                                                                                                                       *

Drei weitere Beispiele werden das Ausgeführte weiter vertiefen.

,Books on Demand’ lehnte auch meinen Roman ,Lolitas Apologie’►10 (2022) ab. In diesem Roman geht es darum, dass sich ein erfolgreicher Mann der Oberklasse in einem Schwedenurlaub in ein fünfzehnjähriges Mädchen verliebt, das sich sehr freizügig kleidet, von ihm aber nicht das Geringste wissen will und die ganze Welt, in der er sich bewegt, verachtet. Die Liebe zu diesem Mädchen wird derart aufrichtig und zugleich verzweifelt, dass sich der Roman zu einer der vielleicht berührendsten Liebesgeschichten entwickelt, die je geschrieben wurden. Und sie verändert den Mann vollkommen.

Von ,Books on Demand’, dessen Mission uns längst bekannt ist, wurde mir dagegen mitgeteilt, das Manuskript widerpreche ,aufgrund seines Inhaltes den Grundsätzen unseres Unternehmens bzw. unserer Vertriebspartner’. Ich schrieb:

Sehr geehrte Frau [...],
können Sie bitte kurz skizzieren, welchen Inhalt Sie meinen?
In dem Roman verliebt sich ein Mann in ein Mädchen, das er zunächst nur etwas sexistisch wahrnimmt – was sich aber sehr schnell ändert (zumal dieses ihn auch ausdrücklich damit konfrontiert).
Ich frage mich, inwieweit das Manuskript überhaupt gelesen wurde – und was bereits ausreicht, um von Ihrem Haus, das explizit ein Verlag für freie Autoren sein will, abgelehnt zu werden und den "Grundsätzen" zu widersprechen. Was genau sind diese Grundsätze? Sind diese irgendwo nachzulesen?
Bedeutet das, dass sich in einem fiktiven Literaturwerk kein Mann in ein Mädchen verlieben darf, sich von ihm angezogen fühlen darf? Im Grunde finde ich bereits diese Frage lächerlich – wenn sie nicht so traurig wäre. Ich kann es fast nicht fassen, an welchem Punkt Ihr Haus angekommen ist, wenn diese Ablehnung wirklich Bestand haben sollte.
Sind Sie sich im Klaren darüber, wie massiv Sie damit die Kunstfreiheit des Mediums Roman schlechthin beschneiden und selbst zur bloßen Theorie und Fiktion werden lassen?
Was genau hat dieser Roman "verbrochen", dass Sie einen Druck ablehnen?
Würden Sie ihn wirklich lesen, würden Sie erkennen, dass es sich um eine tief berührende Liebesgeschichte handelt, die in ihrer Aufrichtigkeit ihresgleichen sucht.
Wir sprechen von Literatur, von Kunst – aber Sie sprechen von "Grundsätzen". Ich möchte wissen, was diese Grundsätze sind, die eine Ablehnung eines literarischen Werkes rechtfertigen können.
Denn Sie haben als größte Plattform für freie Autoren natürlich auch in anderer Hinsicht einen Ruf zu verlieren - wenn sich zeigt, dass nebulöse, niemals nachprüfbare "Grundsätze" den gesamten Bereich der literarischen Kunst zu einer bloßen Illusion und einem fast Orwell'schen Rudiment werden lassen.

Auch jetzt wurde ich nur kurz auf die ,Veröffentlichungsrichtlinien’ hingewiesen und schrieb daraufhin:

Sehr geehrte Frau [...],

danke für Ihren Hinweis auf die Richtlinien Ihres Hauses. Verständnis habe ich nicht wirklich, aber natürlich muss ich es akzeptieren, dass Sie Entscheidungen nicht einmal erläutern.

Sagen will ich nur nochmals eines:
Die genannten Richtlinien entsprechen ganz Ihrer rigiden Regelung, Ablehnungen nicht einmal begründen zu müssen. Auf diese Weise entsteht eine Vollmacht, die geradezu total ist.
Die Folge ist, dass eine Art Zensur-Stimmung herrscht – in dem Sinne, dass literarisch Schaffende eine Entscheidung selbst dann "schlucken" müssen, wenn sie ihnen unverständlich und nicht nachvollziehbar ist.
Das hat aber auch Auswirkungen auf die Öffentlichkeit, das Publikum. Man nimmt wahr, dass bestimmte Dinge bei Books on Demand nicht erscheinen, dass hier eine sehr rigide, restriktive Atmosphäre herrscht, die – wiederum – Zensur-Atmosphäre atmet.
Was Ihnen wie ein starker Begriff erscheinen könnte, wäre auf Ihre Richtlinien selbst anzuwenden.

Diese Richtlinien tut nichts weiter, als den Bereich fiktiver Literatur in einer noch vor wenigen Jahren geradezu unvorstellbaren Weise zu beschneiden, zu beschränken und zu zensieren.
Natürlich – der Autor kann es ja, wenn die größte Plattform für freie Autoren Werke ablehnt – anderweitig versuchen. Nur setzt Books on Demand natürlich Maßstäbe, was Ihnen auch sehr klar sein wird.
Ihre Richtlinien bedeuten, dass ein ungeheurer Bereich der Wirklichkeit aus der fiktiven Literatur ausgeschieden wird, unterdrückt, als sei er nicht vorhanden. Während fiktive Literatur als Kunst unter anderem auch die Aufgabe hat, die Realität wiederzugeben – oder sogar über sie hinauszugehen –, wird durch Ihre Richtlinien dies gerade verhindert.
Fiktive Literatur, Kunst, wird so zu einem wohlgefälligen Schoßhündchen, gerade noch gut genug zur Unterhaltung, aber wertlos, was ihre eigentliche Aufgabe und Dimension betrifft.
Mit Angst und Unterdrückung wurde der Kunst noch nie geholfen – im Gegenteil. Das wissen Sie selbst – aber es scheint für Books on Demand nicht relevant zu sein.

Dass Sie in Ihren Richtlinien Menschen unter einundzwanzig als "minderjährig" bezeichnen, ist im 21. Jahrhundert geradezu schockierend, es ist eine völlig offene Diskriminierung (Ageismus). Allein schon dieser Punkt ist für mich unfassbar. Die Cancel-Kultur und die Paranoia in Bezug auf das Gebiet der sogenannten "Sexualität" erreicht hier absolut ungeahnte Ausmaße – wie gesagt, vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar. Und ein vernichtender Schlag für die Kunst als Kunst, als fiktive Literatur. Ich kann es nur wiederholen. Fiktive Literatur! Wir sprechen nicht einmal von Filmen, sondern von Romanen.

In den USA wurde vor über einem halben Jahrhundert durch den Supreme Court entschieden, dass Literatur von künstlerischem Wert nicht nach Maßgabe irgendwelcher Auffassungen von "Sittsamkeit" etc. unterdrückt werden dürfe – damals wurde die Kunst erstmalig in der Geschichte voll anerkannt und geschützt. Ihre Richtlinien tun das Gegenteil - sie vernichten die Kunst und reduzieren sie auf ein perverses, ungefährliches Rudiment, eine bloße Karikatur von Kunst, einen Bettvorleger. Kunst und fiktive (!) Literatur werden etwas Aseptisches – der Orwell-Staat ist hier nicht fern. Ein rigides Regime, das genau vorgibt, was auch nur gedruckt (!) werden darf. Etwa keine Sexualität mit Menschen unter einundzwanzig (!) – und sei sie noch so sehr von gegenseitiger Liebe durchdrungen. Es geht hier ja nicht um Missbrauch (obwohl es erschütternd genug ist, dass so ein Meisterwerk wie Nabokovs ,Lolita’ bei Ihnen nicht einmal den Hauch einer Chance hätte, erscheinen zu dürfen) – es geht hier um einen Bereich des Lebens, der so natürlich UND so bedeutsam ist wie das Atmen. Bei Ihnen wird er, wenn es um Menschen geht, die das Pech haben, noch nicht einundzwanzig zu sein, radikal unterdrückt. Als gäbe es ihn nicht! Die Realität wird hier dieselbe wie in der extrem puritanistischen Adenauer-Ära, wo Sexualität allenfalls etwas war, was verschämt und verboten unter dem Ladentisch weitergereicht wurde. Begreifen Sie, was für Realitäten Sie hier schaffen?

Da in meinem Roman keinerlei sexuelle Handlungen mit Unter-Einundzwanzigjährigen geschildert werden, weder explizit noch überhaupt, kann ich mir Ihre Ablehnung überhaupt nur aus EINEM Grund erklären: Vielleicht wurde der Titel "Lolitas Apologie" als "sexuell expliziter Begriff" gesehen? Und allein deshalb ein gesamter Roman abgelehnt, völlig unabhängig von seinem Inhalt? Lolita als sexuell expliziter Begriff? Ich kann es nicht mehr fassen. Damit haben Sie wirklich (ebenfalls) eine Orwell-Stufe erreicht. Ich könnte Ihnen verschiedenste Aspekte erläutern, warum ich diesen Titel gewählt habe – und sie alle haben nichts zu tun mit expliziter Sexualität, mit primitiver Lüsternheit oder was auch immer. Allein schon der Titel ist künstlerisch und hat viele Bedeutungsebenen – die einem im Lesen des Romans klarwerden würden. Aber wie einen Roman lesen, der gar nicht erscheinen darf? Aufgrund seines Titels!? Oder aber etwa doch deswegen, weil es um eine Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einer sehr selbstständigen Minderjährigen geht, die zwar schon seit einer geraumen Zeit sogar gesetzlich mit jedem ,Sex’ haben könnte, mit dem sie will und wie sie will – der es aber verboten wird, in einem bloßen, fiktiven Roman, auch nur daran zu denken!? Und wie gesagt, nichts davon wird ja auch nur beschrieben – ja es geht in dem Roman überhaupt um etwas völlig anderes. Es geht um Anziehung und um echte Liebe. Aber selbst dies scheint ja schon zu weitgehend zu sein – obwohl Ihre Richtlinien nichts davon sagen, und ich daher letztlich immer nur zu dem Schluss kommen kann, dass hier eine reine Willkür-Entscheidung vorliegt. Weil mein Roman, ein fiktives Kunstwerk, allein schon von seiner Grund-Thematik her nicht in die neue Adenauer-Ära passt, die mit neuen Orwell-Methoden daherkommt.

Nochmals: Gegen Ihre Entscheidungen kann ich ohnehin nichts machen. Aber ich kann Sie darauf aufmerksam machen, welche enormen Dimensionen diese haben.
Sie schaffen ein aseptisches Schein-Reich. Eine Welt von Romanen, die fein säuberlich alles ausschließen, was auch nur in die Nähe dessen kommen könnte, dass ein Mann ein Mädchen lieben könnte, ein sexuell völlig mündiges (!) Mädchen, und dass dies sogar gegenseitig sein könnte. Sie unterdrücken Liebesgeschichten. Selbst diese schon.
Und das erinnert sie noch immer nicht an Orwell? Wären Sie wahrhaftig, würden Sie das in Ihre Richtlinien mit aufnehmen. Denn warum Sie mein Manuskript abgelehnt haben, erschließt sich mir sonst nicht.
Sie könnten fordern, der Titel müsse geändert werden. Aber selbst das wäre lächerlich – wenn es nicht so erschütternd und so traurig wäre.

Ihre Politik ist von einer extremen Angst bestimmt - und mit dieser Angst versetzen Sie der gesamten Gattung des fiktiven Romans vernichtende Schläge, von denen sie sich nicht mehr erholen wird. So gesehen ist Ihr Haus der Tod des Romans. Was übrigbleibt, ist ein weichgewaschener Zombie, der aber den Namen Kunst nicht mehr verdient. Und, ich wiederhole mich, das ist absolut erschütternd.

Natürlich erhielt ich keine weitere Antwort.

Jedoch wurde mir zwei Wochen später ein Titel gekündigt, der zunächst angenommen worden war: ,Der Mann und das Mädchen’►10 (2022). Hier verwies man darauf, dass dies laut Buchvertrag jederzeit möglich sei, etwa bei Inhalten, ,die öffentlich Anstoß erregen können’.

Worum geht es in dem Roman? Der Rückentext lautet:

In der Osterzeit beginnt ihre Begegnung – der Vierziger und das fast fünfzehnjährige Nachbarmädchen, das ihn anspricht... Ein urbildlicher und doch unendlich individueller Roman über Interesse, Unbefangenheit, Zuneigung, Anziehung, zartes Provozieren, Leichtigkeit und Tiefe, Wahrheit, Idealismus, Liebe, Begehren, Glück, Hilflosigkeit, Aufrichtigkeit, Zärtlichkeit und Behutsamkeit, Hingabe, Emanzipation, Vorurteile, Dogmen, Verlogenheit, Menschheitszukunft, Ängste, Grenzen, Freiheit, Vertrauen, Sanftheit, Anmut und andere Mysterien.

Zwischen dem Mann und dem Mädchen entsteht schnell eine tiefe Vertrauensbasis – und er verliebt sich in sie, und sie weiß es, was ihrer sich vertiefenden Begegnung aber keinen Abbruch tut, denn auch er ist für sie längst einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben geworden. Es ist ein tief berührender Roman, der zugleich eine wirkliche Fülle von Fragen berührt.

Was kann die nachträgliche Titelkündigung ,aufgrund einer weiteren inhaltlichen Prüfung’ überhaupt verursacht haben? Einzig und allein das Ende – wo der Mann das Mädchen zu Zärtlichkeit zu überreden scheint, obwohl sie ihn nicht liebt, sondern nur mag. Durch seine unendliche Liebe zu ihr und die damit verbundene Sehnsucht versucht er, ihr zu erklären, dass ein Sich-Küssen selbst schon etwas unendlich Schönes ist und man sich nicht bis ins Letzte lieben müsse, um dieses eigene Mysterium erleben zu können, auch miteinander.

Was angesichts der Realität eine triviale Wahrheit ist – unzählige Jugendliche lernen heute die Liebe überhaupt erst durch Sex (!), nicht umgekehrt – scheint in der Begegnung zwischen Mann und Mädchen selbst bei größter Zärtlichkeit, tiefster Liebe des Mannes und grenzenloser Achtung gegenüber dem Mädchen ein derart absolutes Tabu zu sein, dass ein in Gänze tief berührender Roman sogar nachträglich noch wieder gekündigt wird.

Und dann folgt sogar noch eine ganz spezielle Demütigung der neuen Orwell-Zeit – eine Standardmail mit dem Betreff ,Ihr Kündigungswunsch’. Nachdem also ,Books on Demand’ selbst meinen Titel aus dem System geworfen hatte, generiert eben dieses System eine Mail, in der es heißt:

Lieber Holger Niederhausen,
wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Kündigungsschreibens vom 25.05.2022 und bedauern Ihre Entscheidung.
Die von Ihnen gewünschte Löschung der Buchdaten haben wir für den 25.05.2022 vorgemerkt. Ab diesem Zeitpunkt ist Ihr Titel „Der Mann und das Mädchen“ [...] aus unserer Datenbank gelöscht und somit für Sie und den Buchhandel nicht mehr bestellbar.
Gerne würden wir mit Ihnen persönlich über Ihre Entscheidung sprechen, denn wir freuen uns immer über Feedback und möchten Sie auch gerne weiterhin bei Ihren Buchprojekten unterstützen. Sollten Sie sich daher eine professionelle Beratung wünschen [...], erreichen Sie uns [...].
Wir freuen uns auf Ihren Anruf!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr BoD-Kundenservice

Ich schrieb an ,Books on Demand’ noch einmal:

Sehr geehrte Frau [...],
erneut lehnen Sie einen Titel ab, indem es um tief menschliche Fragen geht, um eine von tiefem gegenseitigem Vertrauen geprägte Begegnung, in der beide einander begegnenden Menschen, der Mann und das Mädchen, über so unendlich vieles sprechen können, einander tief gegenseitig beschenken.
Was ist es diesmal, was ,öffentlich Anstoß erregen kann’ – und zwar so sehr, dass Sie den Titel sogar nachträglich fristlos gekündigt haben?
Ich weise zunächst einmal nochmals darauf hin, dass es sich um eine Orwell-Formulierung handelt, die jegliche Literatur jederzeit unterdrücken kann. Kunst hatte spätestens seit der Moderne immer auch die Aufgabe und das geradezu heilige Vorrecht, auch öffentlich ,Anstoß’ zu erregen – um Gewissheiten aller Art zu erschüttern, Verhärtungen, Erstarrungen, Heucheleien, Unwahrhaftigkeiten oder einfach nur allzugroße Gewissheiten umzustoßen, zu hinterfragen, zu konfrontieren – oder schlicht alternative Wirklichkeiten zu zeigen und zu zeichnen, für die jederzeit jemand (oder sogar eine ,Mehrheit’) gefunden kann, wo diese ,Anstoß’ erregen.
Es gibt Mehrheiten, die erregen sich sowieso gern. Ich verweise noch einmal auf die Adenauer-Zeit, die sich vielleicht so gern erregt hat wie kaum eine Zeit zuvor – über alles Mögliche, was eben ,Anstoß’ erregte! Hauptsache, man konnte sich erregen – dann war die Welt wieder in Ordnung. Dass nebenbei die Kunst vernichtet wurde, weil man ihr alles verbot, was ,erregen’ konnte, war dann wieder sehr befriedigend. Was man hiermit anrichtete und auf welcher Heuchelei dies basierte, davon nahm man keine Kenntnis – denn um die Selbstgerechtigkeit ging es ja, nicht um die Kunst.
Was also ist es diesmal? Dass ganz am Ende ein unsäglich liebender Mann ein Mädchen dazu zu ,überreden’ versucht, sich auf Küsse einzulassen? Ist es wirklich soweit gekommen, dass ,Books on Demand’ also nun auch solche Titel kündigt? Romanliteratur, die einfach nur eine mögliche Wirklichkeit zeigt – und selbst das darf bereits nicht sein? Während das reale Mädchen bereits ein Jahr zuvor jede Form von Sexualität hätte haben dürfen – jede!? Wie verlogen wollen Sie das große Feld fiktiver Literatur noch behandeln, wie sehr wollen Sie es missbrauchen, vergewaltigen, zurechtstutzen auf ein absolutes Opfer, das nur noch tut, was Sie verlangen?
Und während der Mann in zartester Weise an das Mädchen appelliert, es doch wenigstens zu versuchen – ob es nicht auch spüren könne, dass ein Sich-Küssen etwas Schönes sein kann auch dann, wenn man sich nicht bereits gegenseitig ganz und gar ,liebt’, aber das Mädchen liebt ihn auf anderer Ebene sehr wohl ... während also der Mann in zartester Weise appelliert, ohne jemals die tiefste Achtung und Liebe für das Mädchen zu verlieren ... haben unzählige andere Mädchen jederzeit Sex (!), geben unzählige Mädchen Jungen und Männern ,Blow-Jobs’ und anderes, in dem schutzlosen Glauben, sich damit ein wenig Zärtlichkeit erkaufen zu können – wachen Sie einmal auf für unsere bestürzende Realität heute an unzähligen Orten!
Und dann fragen Sie sich noch einmal, was eigentlich ,Anstoß’ erregen sollte und was nicht – und ob es je Aufgabe einer internen Zensurbehörde war, der Kunst zu verbieten, Anstoß zu erregen.
Ich möchte nur noch auf eine weitere Vergewaltigung Ihres Unternehmens aufmerksam machen. Nachdem Sie selbstherrlich und angstgetrieben meinen Titel nachträglich fristlos gekündigt hatten, erhielt ich von Ihrem System ein weiteres demütigendes Schreiben mit dem Betreff ,Ihr Kündigungswunsch’ und dass man den Eingang meines (!) Kündigungsschreibens bestätige und bedaure und sich auf meinen Anruf freuen würde, um mich zu beraten, wie mein Titel weiterhin lieferbar bleiben könnte.
Ich kann es nicht fassen, mit welchen Methoden Ihr Unternehmen arbeitet – weder in Bezug auf die Kunst noch in Bezug auf die Behandlung seiner Kunden und Autoren. Es ist einfach nur absolut bestürzend.

Hierauf folgte nur ein Standard-Zweizeiler, dass die zuletzt erwähnte automatisierte Kündigungsbestätigung ein Fehler des Systems sei, den man schnellstmöglich beheben werde...

                                                                                                                                       *

Auch mein Roman ,Die Erlöserin’►10 (2022) wurde dann verweigert – mit demselben nichtssagenden Standard-Zweizeiler, der bei allen Ablehnungen versandt wird. Auf dem Buchrücken heißt es:

Ein spiritueller, empfindsamer Mann begegnet einem Mädchen, das aus tief selbstlosen Gründen die Schule verweigern will. Ihr Wesen berührt ihn immer tiefer, und ihre Fragen stoßen schließlich sein gesamtes Weltbild um. Ein erschütternder Roman über das Zukunftsmysterium des Mädchens.

Ich schrieb daraufhin:

Sehr geehrte Frau [...],
was ist es diesmal? Wo erregt nun dieser fiktive Roman wieder potenziell so sehr ,Anstoß’, dass Sie als größte Plattform für freie Autoren dieses Literaturwerk ablehnen? Von einer Freiheit der Autoren kann hier doch keine Rede mehr sein.
Geht es darum, was der Protagonist in dem Mädchen sieht? Unterstellen Sie ihm ein sexistisches Rollenbild? Übersehen Sie, dass hier der männliche Protagonist eine männlich gewachsene und noch immer dominierte Welt-Kultur (einschließlich erbarmungslosem Kapitalismus etc.) auf das Schärfste kritisiert – und eine ganz andere Kultur voraussieht? Und das unterdrücken Sie? Als fiktive Literatur?
Es ist mir unfassbar, wie weit Sie damit die Kunst, die stets sogar das ausdrückliche Vorrecht, ja die Pflicht hatte, auch zu polarisieren, Ärgernis zu erregen, Dinge auszusprechen, die in den Ohren einer Mehrheit unbegreiflich klangen, und anderes mehr – wie weit Sie damit die Kunst selbst knebeln, unterdrücken, bekämpfen. Und dies immer schön mit einem unangreifbaren Zweizeiler. Die Banalität des Bösen hat es auch nicht anders gemacht. Ich frage mich, wie sehr Sie mit dem Hinweis auf die ,Grundsätze Ihres Unternehmens’ die Grundlage der Kunst und des Romans schlechthin noch vernichten wollen.
Ist Ihnen aufgefallen, dass der Protagonist betont, jeder Mensch dürfe so sein, wie er will? Sie aber vernichten sogar die Meinungsfreiheit, und zwar sogar auf fiktivem Felde! Man spürt Orwells Vision näherrücken. Und Sie als Unternehmen haben Anteil daran, eine unmittelbare Verantwortung dafür, sind Teil dessen.

                                                                                                                                       *

Zwanzig Bücher hatte ich daher schließlich bei ,epubli’ veröffentlicht, überwiegend Romane, in denen es um Begegnungen zwischen Männern und Mädchen geht, die auf unterschiedlichste, berührende Weise zu tiefen Vertrauens- und Zärtlichkeitsverhältnissen führen, weil die Männer eine tief empfindsame, weit entwickelte Seele haben. Ein Buch behandelte das Thema ,Spirituelle Erziehung im 21. Jahrhundert’. Zwei Bücher offenbarten den absoluten Gegensatz zwischen dem Wesen des Mädchens und dem Kapitalismus (,Der Kapitalismus und das Mädchen’ und ,Mädchenland’). Die meisten Bücher waren nie ,ausgeblendet’ worden.

Anfang 2023 erschien der letzte dieser Romane, ,Mädchenaufstand’, der von Mädchen handelt, die angesichts der Klimakrise aus Protest die Schule zu verweigern beginnen. Ermutigt werden sie unter anderem von einem Mann, der schon sein Leben lang Mädchen liebt – und ein Mädchen sucht, als der Streik zusammenbricht, die Nähe gerade dieses Mannes und wählt ihn zu ihrer Vertrauensperson...

Als dieser Roman erneut der ,Ausblendung’ zum Opfer fiel, bat ich auch hier mit einer ausführlichen Begründung um Aufhebung dessen. Die Folge war, dass ,epubli’ mir mitteilte, dass meine Romane gegen die AGB verstoßen würden, man sie aus dem Shop genommen und mein Konto gesperrt habe.

Das muss man sich einmal vorstellen! Und man muss sich klarmachen, dass ,Books on Demand’ und ,epubli’ die einzigen realen Möglichkeiten im Bereich des Self-Publishing sind – insofern, als dass Bücher, die hier abgelehnt werden, woanders erst recht keine Chance haben. Der reale Effekt ist also eine komplette Zensur. Ganz unauffällig, hinter den Kulissen, einfach so. Und sogar Bücher, die jahrelang nicht beanstandet wurden, können auf einmal gekündigt, Konten gesperrt werden – die Arbeit von Jahren!

Das bedeutet: Alles darf veröffentlicht werden – von Gewalt über Morde, Horror, hemmungsloser Sex und anderes mehr – nicht aber Romane (Romane!) über zarte Begegnungen zwischen einem Mann und einem Mädchen. Fiktive Literatur, während dasselbe Geschehen als Realität keinerlei Problem wäre, denn jedes Mädchen darf mit vierzehn selbst entscheiden, mit wem es zärtliche Beziehungen eingeht. Aber selbst fiktiv ist es ein derartiges Tabu, dass auf einen Schlag zwanzig Romane zensiert und gelöscht werden – aufgrund von AGBs, die ,epubli’ jegliche Willkür ermöglichen.

Es reicht, dass gewisse Menschen finden, dass ein Roman einen ,in sonstiger Weise abzulehnenden’ Inhalt hat. Dieser Passus in den AGB reicht schon, um etwas zu unterdrücken, weil ,nicht sein kann, was nicht sein darf’ – innige Beziehungen zwischen Mann und Mädchen. Dies ist ganz klar offene Diskriminierung. Aber im 21. Jahrhundert Normalität.

Eines ist ganz deutlich. Man ist nicht einmal mehr fähig, Zärtlichkeit zuzulassen. Den Gedanken, dass ein Mann und ein Mädchen einander auf eine tiefste Weise beschenken können. Man ist nicht einmal mehr fähig, dies auch nur zu denken – als bloße Möglichkeit. Und so verurteilt man fiktive Literatur (!), zu deren Verwirklichung das Mädchen in der Realität alle Rechte hätte. So tief ist die literarisch-künstlerische Freiheit inzwischen gesunken. Sie steht nur noch auf dem Papier. Oder ist dem gegeben, der einen eigenen Verlag hat.

Im Folgenden gebe ich mein ursprüngliches Schreiben an ,epubli’ und die erschütternde Antwort dieser Plattform wieder. Das komplette Manuskript meines Romans ,Mädchenaufstand’ ist auf meiner Webseite zugänglich – und so kann sich jeder ein eigenes Bild davon machen, was hier selbstherrlich abgeurteilt wird, weil man die Macht dazu hat.

Ich sage es ganz klar: Für mich sind diese Begegnungen zwischen Mann und Mädchen Ideale einer heiligen Aufrichtigkeit und Behutsamkeit, die zwischen Menschen nahezu niemals erreicht wird. Nicht umsonst verknüpft dieser umfassende Roman das Thema ,Liebe zu Mädchen’ und eine schonungslose Kritik am Kapitalismus. Er ist es, der die Seelen, die menschlichen Verhältnisse und auch den Planeten zugrunde richtet. Die Mädchen dieses Romans wehren sich dagegen. Aber sie sind chancenlos. Denn die Herzen sind zu hart, das Denken zu starr – und die Liebe nicht vorhanden. Urteilen aber kann man. Es ist so erbärmlich und so erschütternd...

Mein Brief an ,epubli’ lautete:

Sehr geehrtes epubli-Team,
ich bitte darum, dass die Ausblendung von Cover und Inhaltsangabe meines Romans ,Mädchenaufstand’ aufgehoben werden.
Ich kann nicht erkennen, welche Kriterien und Gründe des Jugendschutzes dies rechtfertigen könnten – ganz abgesehen davon, dass jeder derart ausgeblendete Titel Ihr Haus und Ihren Shop automatisch ein Stück weiter in die ,Schmuddelecke’ stellt. Die große Mehrheit der Besucher Ihres Shops wird hinter jedem geradezu alarmistisch ausgeblendeten Titel regelmäßig ,Schmutz- und Schundliteratur’ erwarten. Wollen Sie dieses Außenbild vermitteln? Das wäre außerordentlich zu bedauern.
Das Feld des Jugendschutzes ist sehr klar definiert. Jugendliche sollen geschützt werden vor Darstellungen, die ihre Entwicklung gefährden könnten – dies sind insbesondere Darstellungen sexualisierten, gewaltverherrlichenden oder anderweitig verrohenden Charakters. Sollten Sie weitere Kriterien zugrunde legen, die über den offiziellen Begriff Jugendschutz hinausgehen, bitte ich Sie um Erläuterung.
Zu meinem Roman: In diesem geht es um den Versuch von Mädchen, diese Welt vor einer Klimakatastrophe zu retten – er ist damit hoch aktuell. Diese Thematik steigert sich zu der Frage, inwieweit der Kapitalismus selbst eine zutiefst unmenschliche Welt hervorbringt und täglich reproduziert – in unzähligen Einzelheiten, mit denen sich die Mehrheit längst abgefunden hat, etwa damit, dass es für alte und kranke Menschen sowohl im klinischen als auch im Pflegebereich kaum noch Zeit gibt, dass die Minuten hier gezählt werden etc.
Dieses Buch ist geschrieben aus der Sicht eines Protagonisten, der für diese Mädchen viel empfindet, weil er sich von Mädchen angezogen fühlt. Diese auch erotische Ausrichtung ist es gerade, die es ihm möglich macht, Mädchen ernster zu nehmen als die große Mehrheit, einschließlich der Presse, die unhinterfragt das Narrativ übernimmt, Mädchen hätten zur Schule zu gehen und kein Recht auf ,zivilen Ungehorsam’, um dem zu folgen, was ihr Gewissen ihnen sagt.
Die ganze Thematik ist hoch aktuell, und es ist doch wohl verständlich, dass gerade ein Mensch, der Mädchen buchstäblich liebt, die gängigen Dogmen durchbrechen kann, die diese Gesellschaft nach wie vor durchziehen – und als einer der Wenigen existenziell mit den weiblichen Protagonistinnen mitempfinden kann. Wie hier eine ,Jugendgefährdung’ konstruiert werden kann, ist mir schleierhaft.
Es ist auch nicht jugendgefährdend, wenn ein Roman einen Protagonisten hat, der sich von Mädchen angezogen fühlt – denn, im Gegenteil, es wäre weltfremd, wenn den Jugendlichen weisgemacht würde, es gäbe solche Menschen nicht oder als wäre alles, was ,damit’ zu tun hat, ,Schmuddelliteratur’ oder als wäre jeder Mensch mit einem solchen Empfinden gefährlich. Ganz abgesehen davon, dass dies dann ein krasses Beispiel für offene Diskriminierung wäre. Auch Menschen, die sich von Mädchen angezogen fühlen, dürfen existieren, dürfen ihre Empfindungen äußern, dürfen Protagonisten von Romanen sein. Oder stellen Sie dies in Abrede?
Ein solcher Protagonist dürfte sogar zusammen mit jedem Mädchen ab vierzehn alles machen, was das Mädchen auch möchte – einschließlich Sexualität in jeder Form, denn Jugendliche ab vierzehn sind sexuell mündig. Ich hoffe, auch das streiten Sie nicht ab. Dass der Jugendschutz die Jugend jedoch vor explizit sexuellen Darstellungen bewahren will, ist etwas völlig anderes. Auch das kann man hinterfragen, in einer Zeit, in der viele Jugendliche sogar von sich aus solche Darstellungen regelrecht suchen oder gar ständig konsumieren (vielleicht kennen Sie die Statistiken zum regelmäßigen Pornokonsum Jugendlicher!).
Aber der Punkt ist: In meinem Roman kommen weder sexualisierte Darstellungen vor noch sexuelle Handlungen überhaupt. Mit den Mädchen, die dem männlichen Protagonisten begegnen, kommt es zu nichts von dem, was auch die Mädchen jederzeit dürften – und was auch als Romanhandlung absolut zulässig wäre, wenn es nicht explizit beschrieben würde. Aber es kommt ja gar nicht vor! Es geht schlicht nur um einen Mann, der sich auf äußerst zurückhaltende Weise in eine Protagonistin verliebt – und auch von diesem Mädchen aus zu einer tiefen Vertrauensperson wird.
Wollen Sie dies nun inkriminieren und unter einem ,Jugendschutzgedanken’, der in keiner Hinsicht dem offiziellen Wortgebrauch entspricht, ausblenden, weil dies nicht sein darf? Die Begegnung zwischen einem Mann, der sich von Mädchen berührt und angezogen fühlt – und so einem Mädchen? Dies zu beurteilen, sollte man doch dem Mädchen selbst überlassen – und auch den lesenden Mädchen (so es denn durch irgendwelche Zufälle solche geben sollte). Oder haben Sie Angst, dass ein Mädchen, das diesen Roman läse, dann denken würde, alle Männer seien so grenzenlos vertrauenswürdig wie der Protagonist? Ich glaube, für so naiv brauchen Sie kein einziges Mädchen zu halten! Oder wollen Sie das Narrativ stützen, dass jeder Mann, der sich von Mädchen angezogen fühlt, ein mögliches Monster ist? Dann wären wir wieder bei offener Diskriminierung.
Oder hat ihr bloßer Algorithmus auf das Wort ,Pädophilie’ reagiert, die dem Mann in völliger Begriffsverwirrung von einer erwachsenen Protagonistin vorgeworfen wird – bis sich auch dies aufklärt? Übrigens dürfte auch ein pädophil empfindender Mann in einem Roman existieren – aber dieser Roman handelt davon überhaupt nicht!
Interessanterweise ist es also nun dieser Mann, der für Mädchen mehr empfindet als die Mehrheit, der die Mädchen des Romans auch versteht – und für eines dieser Mädchen, das dann die weitere Handlung trägt, zu einer tiefen Vertrauensperson wird, übrigens ausdrücklich, während sie um seine Empfindungen weiß.
Es ist geradezu eine innere Notwendigkeit, dass dieser Mann Mädchen – und gerade dieses eine Mädchen – liebt, um den Roman bis auf eine existenzielle Ebene zu führen – und nicht einfach nur einen abstrakten ,Klimaschutz’- oder ,Kapitalismuskritik’-Roman zu schreiben, was natürlich jederzeit auch möglich gewesen wäre. Und es ist ebenso aufschlussreich, dass gerade jene erwachsene Protagonistin, die die Mädchen ähnlich tief versteht wie dieser Mann, ihm aus Vorurteilen heraus zunächst die heftigsten Vorwürfe macht (,Pädophilie’ etc.) – nur, um sein Wesen und seine Empfindungen am Ende sehr tief verstehen zu können, gerade sie.
Von dieser ganzen Frage und Entwicklung handelt der Roman also auch. Von der Frage: Welches Bild hat man von Männern, die sich von Mädchen berührt fühlen? Was wird ihnen regelmäßig völlig automatisch unterstellt? Ohne je in Betracht zu ziehen, ob es nicht auch sehr, sehr andere Gründe geben könnte, warum Mädchen die Seele eines Mannes tief berühren und auch anziehen können. Und diese Frage wiederum hängt unmittelbar mit der anderen zusammen: ob wir als Menschheit eigentlich noch fähig sind, das wirkliche Geschehen auf diesem Planeten zu begreifen oder nicht. Denn solange wir im Kopf bleiben, begreifen wir es nicht – sondern meinen dies nur.
Was den Protagonisten jedenfalls berührt, ist insbesondere das Phänomen der Unschuld – das die Welt als Ganzes längst verloren hat. Und genau davon handelt dieser Roman. Wenn Sie das ,ausblenden’ wollen, aus ,Jugendschutzgründen’, bitte ich um eine echte Begründung!
Mit freundlichen Grüßen
Holger Niederhausen

Die Antwort von ,epubli’ lautete:

Hallo Holger Niederhausen,
bei der Durchsicht Ihrer Publikationen ist uns leider aufgefallen, dass der Inhalt gegen unsere AGB verstößt. Wir mussten Ihre Veröffentlichungen daher in Rücksprache mit unserer Rechtsabteilung depublizieren und Ihr Kundenkonto sperren.
Bitte stellen Sie sicher, dass es sich bei Ihren Inhalten um keine rechtswidrigen, obszönen, rassistischen, diffamierenden, pornographischen, bedrohlichen, die Persönlichkeitsrechte Dritter verletzenden oder in sonstiger Weise abzulehnenden oder schädlichen Inhalte handelt.
Viele Grüße
Ihre epubli Autorenberatung

,Depublizieren’! So verlogen wird die Tatsache der Zensur übertüncht. Und natürlich weit von oben herab die ,Belehrung’, dass man nicht all diese .schlimmen Dinge’ veröffentlichen dürfe, einschließlich in sonstiger Weise abzulehnender Inhalte! Also nur das, was ,genehm’ ist...

In einem Aufsatz aus diesen Tagen schrieb ich:

Wir sehen also eine Vernichtung der Kunstfreiheit und eine neue ,Mittelalterisierung’ – man kann auch sagen Amerikanisierung, denn in Amerika gilt man ohnehin erst mit siebzehn oder achtzehn als sexuell mündig, bis dahin ist der eigene Körper noch der Staatsmacht unterworfen. Zarte Autonomie des Mädchens? Existiert nicht! Auf diese Weise wird sogar der Begriff des Mädchens selbst abgeschafft. Es ist entweder ,Kind’ oder ,junge Frau’ – was dazwischen liegt, dieses ungeheure Wunder ... wird ausgelöscht. Es ist derselbe Impuls, der überhaupt alles zarter Seelische auslöschen will. Wir stehen mittendrin in einer Entwicklung, deren Ziel es ist, das Menschliche immer abstrakter zu machen, zu bloßen Verwaltungsvorgängen. Die ,Depublizierung’ von zwanzig Romanen, in denen es um die zarte Beziehung zwischen Mann und Mädchen ging, passt unmittelbar dazu. Es sind Störfaktoren. Sie haben von etwas anderem gesprochen. Von Behutsamkeit. Von Wärme. Von Nähe. Von Zärtlichkeit im allerweitesten Sinne. Von etwas, was unsere heutige Welt so sehr verdrängt wie nichts anderes. Fiktive Literatur! Aber schon das ist zuviel...

Im Zusammenhang mit der Begegnung von Mann und Mädchen ist oft von ,toxischem Machtungleichgewicht’ die Rede. Das wirklich toxische Machtungleichgewicht findet sich aber zwischen einem letztlich anonymen Unternehmen wie ,epubli’ und einem einzelnen Autor, der, schon durch die AGB, absolut machtlos ist.

Einige Wochen später machte ich noch einen Versuch, die Zensur zu thematisieren und ,epubli’ bzw. die dort zuständigen Menschen zu einer Einsicht in das Irrwitzige des erfolgten Schrittes zu bewegen:

Sehr geehrte Damen und Herren,
im Januar wurde von Ihnen der Autorenvertrag mit mir gekündigt, weil ich in Ihren Augen gegen die AGB verstoßen hätte. Ich hatte unmittelbar nachgefragt und habe keine weitere Begründung oder Antwort erhalten.
Eine solche wäre mir aber sehr wichtig, denn ich kann nicht glauben, dass Sie in allen zwanzig Büchern einen solchen Verstoß gesehen haben. Auch bitte ich darum, wieder Bücher bei Ihnen veröffentlichen zu können. Dafür muss ich konkret wissen, worauf ich achten muss.
Zur Erläuterung: Im Zentrum meiner Bücher steht die Gestalt des Mädchens als Wesen mit weit überdurchschnittlicher Empfindungstiefe. Wie unendlich notwendig diese ist, muss man wahrscheinlich angesichts von Krieg, Klimakrise, ökologischer Krise, zunehmender Arm-Reich-Schere, Verrohung der Diskurse, Eskalation der Geopolitik etc. nicht betonen. Ganz zentral behandeln dies z. B. meine Bücher ,Der Kapitalismus und das Mädchen’, ,Mädchenland’ und ,Die Erlöserin’.
In diesen wird auch deutlich wie sehr die Gestalt des seelisch noch tief empfindenden Mädchens der genaue Gegenpol des emotional verarmten Mannes ist, auf dessen Wirken alle genannten Krisen zurückzuführen sind.
Diese Konstellation ist auch der Hintergrund jeglichen Missbrauchs: das Mädchen verletzlich, der Mann ausnutzend.
Die meisten meiner Bücher schildern nun gerade Begegnungen zwischen einem Mann und einem Mädchen – und zwar in völlig gegenteiliger Art: behutsam, vorsichtig, in tiefer Achtung. Die Protagonisten dieser Bücher sind von dem Mädchen tief berührt, verlieben sich deshalb und können in der Begegnung oft nur geradezu scheu um dessen Zuneigung werben. Da sie aber selbst auch innerlich empfindsam und entwickelt sind, oft sogar eine tief idealistische Seele haben, fühlt auch das Mädchen sich in der Begegnung beschenkt. Aufgrund dieser zutiefst behutsamen Qualität der Begegnung wird diese geradezu ein berührendes Vorbild für tief menschliche Begegnung überhaupt – im Grunde für die Menschheitszukunft. Dabei ist es gerade das Verletzliche im Mädchen, was die reinsten und menschlichsten Regungen in der Seele des Mannes hervorruft – so sehr, dass auch vom Mädchen aus oft eine sehr innige Beziehung entsteht.
Ich möchte Sie daher bitten, Ihre Gesamtkündigung sämtlicher zwanzig Titel zu überprüfen. Fast alle Titel waren zuvor nicht einmal ,aus Jugendschutzgründen’ ausgeblendet, in anderen Fällen hatte eine Nachfrage und Erläuterungen meinerseits sogar zur Wiedereinblendung eines Titels geführt.
Thema meiner Romane ist das Wesen tiefster Menschlichkeit und Begegnungsqualität. Der einzige ,Fehler’ dieser Romane ist, dass sich diese berührenden Begegnungen zwischen Mann und Mädchen ereignen, also genau auf dem Feld so häufigen Missbrauchs, völliger Abwesenheit dieser Qualität bzw. Begegnung überhaupt. In meinen Romanen dagegen zeigt sich, was Begegnung in Wahrheit sein kann. Diese tiefe Menschlichkeit ist mein Thema. Andere Autoren widmen sich Psychothrillern, Splatter-Themen, seelenlosem Sex, Gewalt, Horror, Krimis (die doch auch immer um Gewalt und Verbrechen kreisen). Dass all dieses Material täglich veröffentlicht wird, in einem Gewöhnungseffekt längst als völlig normal ,durchgeht’, während meine Romane als Verstoß gegen die AGB gewertet werden, kann ich gerade vor dem Hintergrund, welche Qualitäten es heute mehr denn je braucht, nicht begreifen.
Ich bitte daher sehr um die nochmalige wohlwollende, unbefangene, gerechte Prüfung meiner derzeit gekündigten Bücher. Und ich bitte um die Möglichkeit, wieder Bücher bei Ihnen veröffentlichen zu können, gerne mit jedem Hinweis, was genau zu beachten wäre.

Die folgenden Reaktionen von ,epubli’ lassen ungeheuer tief blicken:

Hallo Holger Niederhausen,
entsprechend unserer AGB sind wir nicht dazu verpflichtet, unsere Entscheidung weiter zu begründen. Eine erneute Veröffentlichung der Titel über unsere Plattform ist ausgeschlossen. Sie können die Bücher gern über eine andere Plattform veröffentlichen.
Viele Grüße
Ihre epubli Autorenberatung

Ich hakte nach: Und was ist mit künftigen Titeln? Was muss ich beachten? Wie kann ich verhindern, dass ich die AGB verletze?

Hallo Holger Niederhausen,
da Sie anscheinend wirklich nicht verstehen, worum es geht, würden wir Sie bitten, von künftigen Veröffentlichungen über unsere Plattform abzusehen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei einem anderen Geschäftspartner.
Viele Grüße
Ihre epubli Autorenberatung

Nachdem diese ,Kommunikation’ innerhalb von nur einer einzigen Viertelstunde (!) geschehen war, konnte ich nur noch folgende Gedanken zurücksenden.

Sehr geehrte Mitarbeiter,
meine erste lange, ausführlich erläuternde E-Mail hatten Sie nach vier Minuten (!) bereits beantwortet. Ich frage mich, wie das sein kann. Meine unmittelbar darauf gestellte Frage, was ich tun kann, um Ihre AGB aus Ihrer Sicht künftig nicht zu verletzen, hatten Sie ebenfalls innerhalb weniger Minuten beantwortet.
Weder von meinen Erläuterungen noch erst recht von meinen Büchern konnten Sie sich in diesen wenigen Minuten wirklich ein Urteil bilden. Es kann also nur so sein, dass in Ihrem System ein ,Vermerk’ vorliegt – und ich frage mich, was für ein Vermerk dies ist.
Sie ,bitten’ mich, von künftigen Veröffentlichungen über epubli abzusehen, da ich ,anscheinend wirklich nicht verstehe, worum es geht’. Ich bat Sie ja darum, mir die entscheidenden Hinweise zu geben.
Nicht einmal dieser Bitte kommen Sie nach, während Ihre ,Bitte’ so heuchlerisch ist, wie ich es selten erlebt habe – da Sie mich ja für Ihre Plattform gesperrt haben. Das ist in etwa so, wie wenn man jemandem ungerührt die Beine wegschießt, keine Begründung dafür geben muss, ihn dann aber ,bittet’, ein von nun an abgesperrtes Gebäude nicht mehr zu betreten.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass meine ProtagonistInnen unendlich viel menschlicher handeln als Sie.
Sie schreiben anonyme, hastige Einzeiler, die mit einem unglaublichen Machtungleichgewicht Tatsachen schaffen, Menschen sperren, keine Begründung geben müssen, jegliche Wahrheit mit ungeheurer Arroganz (,da Sie anscheinend wirklich nicht verstehen, worum es geht’) für sich beanspruchen – und das Ganze dann noch ungeniert ,Autorenberatung’ nennen.
Sie sind damit ein besonders schlimmes Beispiel für jenes maskuline Machtverhalten, dem nicht nur Mädchen, sondern die Menschlichkeit überhaupt und dieser ganze Planet zum Opfer fallen. Sie sind schlimmer als sogar der Durchschnitt – Sie sind Vorreiter der Anonymität und Unmenschlichkeit, der reinen Arroganz der Macht.
Und nebenbei tragen Sie zur Zensur bei und dazu, dass selbst fiktive Literatur immer unehrlicher wird. Meine ProtagonistInnen begegnen sich mit tiefster Achtung. Aber weil es sich um einen Mann und ein Mädchen handelt, ist dies von Ihnen nicht gewollt. Das Opfer-Narrativ soll das einzige sein – auch in der Literatur. Andere Welten, andere Realitäten, andere Begegnungen darf es nicht geben. Nicht einmal in der Kunst, nicht einmal als Roman. Unmenschlichkeit – jederzeit, ist ja ,nur Literatur’! Aber eine tiefe, berührende Menschlichkeit – nein! Sperren, canceln, nicht weiter begründen, einfach nur Machtspruch und fertig. Reine Maskulinität. Toxisch.
Freundliche Grüße,
Holger Niederhausen

Selbstverständlich erhielt ich auch hierauf keine Antwort mehr.

                                                                                                                                       *

Der Begriff Zensur kann jederzeit abgestritten werden – denn man kann ja ,überallsonst’ hingehen ... und wenn man überall abgewiesen wird, gründet man eben selbst einen Verlag, nichts einfacher als das! Selbst Diskriminierung kann man einem Unternehmen wie ,epubli’ nicht nachweisen, das sonst im Grunde alles druckt – denn die schwammigen AGBs lassen jederzeit die Ablehnung von etwas zu, was ,in sonstiger Weise abzulehnen’ ist, eine ,Formulierung’, die bei Anwendung nicht einmal weiter begründet werden muss. Und wenn man solche ,abzulehnenden Dinge’ geschrieben hat und ,epubli’ das Jahre später ,entdeckt’, kann sogar das gesamte Konto gesperrt und jede künftige Veröffentlichung unmöglich gemacht werden. Und wenn man ,noch immer nicht’ versteht, ist man schlicht selbst schuld... Diskriminierung und toxisches Machtgefälle im 21. Jahrhundert...

Aber wie gesagt, kann man ja einfach mal seinen eigenen Verlag gründen. Die Freiheit ist grenzenlos und ,eine Zensur findet nicht statt’!

Ich habe meinen eigenen Verlag gegründet. Aber was war die nächste Stufe der Zensur?

Die Druckerei, bei der ich die zwanzig Bücher nachzudrucken begann, stornierte plötzlich die Aufträge – und verweigerte auch künftige Aufträge, sperrte mein Konto also ebenfalls. Mit welcher Begründung? Aufgrund von ,ethischen Bedenken’ und weil man nur Produkte und Dienstleistungen anbieten wolle, ,die unseren Grundsätzen und Werten entsprechen’.

Ich erwiderte:

Ich nehme an, Ihre Grundsätze und Werte sind nirgendwo explizit formuliert? Und wahrscheinlich hat Ihr Unternehmen auch keine Schwierigkeiten mit Druckaufträgen zu Krimis, Horror, Splatter und unzähligen anderen Druckaufträgen? Denn wahrscheinlich würden Sie in einige Schwierigkeiten kommen, wenn Sie inhaltlich stets abwägen wollten, ob ein Druckauftrag wirklich Ihren Grundsätzen und Werten entspricht. Oder aber, Sie haben ansonsten in Bezug auf Sex, Crime, Gewalt etc. keine Grundsätze, Hauptsache, am Ende siegen die vermeintlich Guten. Aber ob Sie das alles jedesmal prüfen?
Sie meinen, die Grundsätze und Werte Ihres Unternehmens seien verletzt aufgrund der zarten Beziehungen, die sich in diesen beiden Romanen zwischen einem Mann und einem Mädchen ergeben. Sie fühlen sich hier in einer Weise verantwortlich, die sie an wohl kaum ein anderes Druckprodukt anlegen würden. Aber wofür genau? Dass ein Mann und ein Mädchen überhaupt zärtlich miteinander werden? Während sogar das Gesetz ihnen uneingeschränkt Zärtlichkeit aller Art (!) erlaubt? Heißt das, Sie stehen über dem Gesetz? Oder legen sogar weit härtere Maßstäbe an? Wissen Sie, was dadurch passiert? Sie zensieren massiv die freie Kunst, fiktive Literatur! Das ist die Realität, die Sie schaffen. Stimmt das mit Ihren Werten überein?
Wo selbst Druckereien sich zu eigenmächtiger Zensur berufen fühlen, braucht es wahrhaft keine staatliche Zensurbehörde mehr. Wobei der Staat die Literatur als Form der Kunst in ihrer vollen Freiheit in höchstem Maße schützt. Selbst ,Lolita’, ein Roman, der echten Missbrauch schildert, gilt heute als literarisches Meisterwerk, und eine Unterdrückung steht außer aller Diskussion. Ihr Unternehmen aber weiß es besser – und setzt ganz für sich die Zensur durch. Man fühlt sich eher an die Diskussion über ,Schmutz- und Schundliteratur’ zur Kaiserzeit oder über ,entartete Kunst’ während des Faschismus erinnert.
Für mich ist das Wesen des Mädchens etwas tief Wesentliches – was letztlich unmittelbar auch mit dem Schicksal unserer ganzen Welt zu tun hat, wie es in mehreren Romanen dem eintauchenden Leser tief erlebbar werden kann.
Es ist doch eine Tatsache, dass diese Welt in allem, von Massentierhaltung über Waffensysteme, Geopolitik, Machtkämpfe, Naturzerstörung, Turbokapitalismus, Konkurrenzdenken, Ausbeutung etc. etc. eine männliche Schöpfung ist. Die Gestalt des Mädchens steht dem diametral gegenüber. Selbstverständlich ist auch genau das der unmittelbare Grund für die Missbrauchsproblematik – abgesehen von kleinen Kindern ist das Mädchen das schwächste Wesen. Das betrifft erst recht die stillen, empfindsamen Mädchen – die zum Teil bereits am Schulsystem zerbrechen, weil ihr Wesen so beschaffen ist, dass sie den Ist-Zustand der Welt und schon das abstrakte Schulsystem nicht aushalten.
Mit geht es in meinen Romanen meist um Mädchen, die das radikal Andere verkörpern – eine Zukunft, die unendlich viel menschlicher, empathischer, liebevoller, schützender, kooperativer, heilsamer ist als die jetzige Gegenwart, die mit voller Fahrt auf Katastrophen zutreibt.
Dass gerade empfindsame Männer, die in gewisser Weise selbst sehr ,weiblich’ sind, gerade von einem Mädchen zutiefst berührt sein können, dürfte unmittelbar nachvollziehbar sein. Es geht um eine tiefe Sehnsucht nach etwas, was heute noch überhaupt nicht Realität ist – sozusagen auch um eine tiefe Seelen- und Wahlverwandtschaft.
Man kann es geradezu zuspitzen auf die Formel: Ein Mann, der sich in ein Mädchen verliebt, könnte ein Mädchen niemals missbrauchen (wenn er es denn je gekonnt hätte, denn allein schon die Fähigkeit, sich zu verlieben und nicht nur zu begehren, macht Missbrauch nahezu völlig unmöglich) – aber er kann auch nichts Anderes mehr missbrauchen! Das ist der entscheidende Punkt. Ein Mann, der ein Mädchen liebt, kann die Natur und andere Menschen nicht mehr ausbeuten, fällt heraus aus dem Konkurrenzdenken und aus allem, worin er bisher vielleicht gelebt hat.
Wenn man ein einziges Mal gedanklich nicht mehr nur der Missbrauchs-Schiene folgt, sondern versteht, was es heißt, sich aufrichtig in ein Mädchen zu verlieben, kann man vielleicht begreifen, was einem vorher (auf jener Schiene) absolut fremd erscheint: Diese ungeheure Verwandlung, die sogar dem gleichkommt, was früher andere Menschen im Christentum erlebt haben – reale Wandlung. Diese Dimension scheint in meinen Romanen immer wieder auf.
Die Begegnungen meiner Romane sind aber auch für die Mädchen immer wieder tief beschenkend oder sogar wirklich rettend – denn wie gesagt, gerade stille Mädchen mit ihren ungeheuren verborgenen Fähigkeiten emotionaler Intelligenz und Empathie gehen in unserer Welt schlicht unter und finden oft niemanden, nicht einen, der ihre Not wirklich versteht.
Es sind also Romane, die neben allem Weltbezug auch ganz persönliche Rettungen, Schicksalsbegegnungen, Wendepunkte und Glücks-Findungen beschreiben – und auch dies gehört zusammen, in einer Welt, die immer mehr vereinsamt.
Nicht zuletzt aber auch stehen diese Romane für das Recht zweier so unendlich verschiedener und doch auch so ähnlicher Menschen – nämlich sehr empfindsamen Mädchen und sehr empfindsamen Männern –, einander begegnen zu dürfen, auch literarisch, nicht unterdrückt, nicht wegzensiert, weil das Thema auf anderer Ebene eine so traurige Brisanz hat. Die erste Ebene ist eben auch wahr: dass diese Begegnungen, wo immer sie tief aufrichtig sind, unglaublich einzigartig sind.
Nur, weil es auch zahlreichen Missbrauch gibt – der gerade Produkt einer materialstischen, brutalisierten, immer ökonomisierteren und ungerechteren Welt ist –, ist die Begegnung zwischen Mann und Mädchen kein Verbrechen. Wer diese Begegnung aus lauter Angst aber so behandelt – und ich wiederhole es: sogar bereits rein fiktiv, in der Kunstform der Literatur! –, der wird Teil einer überhaupt immer mehr von Angst bestimmten Gesellschaft. Teil von Cancel Culture, bedingungsloser ,political correctness’, die bis zu ungeheuerlicher Intoleranz und selbstgerechter Zensur geht. Und hervorragend lässt sich dies immer mit ,Grundsätzen und Werten’ begründen. Selbst der Ku-Klux-Klan hatte seine Werte.
Dass auch der Mann und das Mädchen, die ProtagonistInnen meiner Romane, ihre Werte haben, interessiert Sie dann gar nicht mehr. Sie überlassen dem Mädchen selbst in keiner Weise die Entscheidung. Gerade das macht Ihre ,Grundsätze und Werte’ so hässlich. Sie sind schlicht entmündigend, bevormundend, zensierend und selbstgerecht, in Summe: brutal. Ob Sie es wollen oder nicht, es ist ihre objektive Wirkung. In meinen Romanen wird den Mädchen nur von jenen Gewalt angetan, die kein Verständnis für diese Begegnung zwischen Mann und Mädchen haben. Und die Mädchen empfinden diese Gewalt. Sie gehören dazu. Auch für Sie zählt das Mädchen in Wirklichkeit kein bisschen. Nur ihre offiziellen ,Grundsätze und Werte’, mit denen Sie jede Zensur vollziehen können.
Ich sehe darin nur Angst oder Verlogenheit oder Selbstgerechtigkeit oder Blindheit – alles macht mich gleichermaßen fassungslos.
Mit wirklich bestürztem Gruß,
Holger Niederhausen

Warum zitiere ich diese Schriftwechsel so ausführlich? Damit niemand sich Illusionen macht und man sehr klar begreift, wo wir inzwischen angelangt sind. Niemand will es am Ende gewesen sein, aber eine Zensur findet statt.

Aber man kann ja seine eigene Druckerei gründen... Und so geht es immer weiter. Schritt für Schritt wird eine Zensur verwirklicht, die man nicht so nennen darf, weil einen ja niemand daran hindert, alles alleine zu machen...

Und dann sind da noch die Suchmaschinen. Auch hier findet natürlich keine Zensur statt.

Ich gebe bei ,Google’ meinen Namen und meinen Roman ,Sex Offender’ ein und finde – neun Ergebnisse: Amazon, Google Books, Bücher.de, LovelyBooks, Buch findR, meine eigene Seite (Bücher, Autor) und zwei Buchhandlungen, wo der Titel nur unter anderem erwähnt ist. Weitere Ergebnisse findet man erst über den Link ,Suche unter Einbeziehung der übersprungenen Ergebnisse wiederholen’. Auch hier aber werden die Einträge zum Beispiel von Dussmann, Hugendubel oder Goodreads sowie anderen Buchshops schlicht nicht angezeigt!

Ich suche meine beiden Romane ,Nur Maja’ und ,Majas Magie’ über den Untertitel ,Ein Parthenophilie-Roman’ – und finde bloße drei Ergebnisse: Amazon, LovelyBooks und Google Books (für beide). Durch Klick auf den oben genannten Link erweitert sich dies angeblich auf achtundachtzig – wenn man sich aber durchklickt, sind es viel weniger. Hinzu kommen lediglich AbeBooks, Bücher.de, Goodreads, Buch findR, Booklooker und drei Buchshops.

Erneut fehlen zahlreiche Seiten, die man zum Beispiel über ,Bing’ bekäme: B&T, Dussmann, Eurobuch, Falter.at, Lesejury, Morawa.at, Weltbild oder ZVAB.

Was soll man daraus schließen? Dass die Liebe zum Mädchen und auch die wechselseitige Liebe zwischen einem Mann und einem Mädchen auf allen Ebenen zensiert wird: bei den Autorenverlagen, sogar bei reinen Publishing-Plattformen, sogar von gewissen Druckereien, von führenden Suchmaschinen ... und natürlich auch sonst.

Das ist die traurige Realität in einer Welt, die behauptet, die Freiheit zu ehren, die Diskriminierung zu bekämpfen und Liebe und Zärtlichkeit als heilige Werte zu achten.

Nichts davon ist wahr. Zieht man die euphemistisch gelackte Oberfläche fort, kommt dahinter ein hässliches System zum Vorschein, das aus Zensur, Dogmen, Vorurteilen, Kälte, Arroganz, Anonymität und Gleichgültigkeit besteht – ein wahrhaft toxisches Gemisch.

Bei ,Germanys Next Topmodel’ dürfen sich Mädchen zur besten Sendezeit in seelenlosen Fernsehformaten ausziehen – aber eine zärtliche Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einem Mädchen, ein heiliges Myterium von größter Seelentiefe, wird selbst als fiktive Romanschöpfung auf jeder Ebene gemobbt und diskriminiert. Die Geopolitik darf sich jeden Tag verschärfen, aber ein Roman wie ,Die Erlöserin’ wird ,depubliziert’! Die Menschheit kann sehenden Auges in die Klimakatastrophe rasen, aber ein Roman wie ,Mädchenaufstand’ ist ein Grund, einen Autor zu sperren – weil darin öffentlich von einem Mann geschrieben ist, der Mädchen liebt!

Warum wohl liebt er Mädchen? Nun ... dafür müsste man diesen Roman vielleicht lesen. Aber wie, wenn er unterdrückt wird? Im Gegensatz zu einer Flut aus Krimi-, Verbrechens-, Horror-, Psycho- und einer unübersehbaren Zahl anderer Literatur. Die Welt ist auf kriminelle Weise verrückt – so sehr, dass sie nicht einmal mehr in Ansätzen ihre eigene Schizophrenie begreift.

Würde man einmal die Augen öffnen, in Liebe zur Wahrheit, würde man sehen, dass es nur auf eines ankommt.

Auf die Aufrichtigkeit der Seele.
 

Fußnoten


[1] Vladimir Nabokov: Lolita. Reinbek bei Hamburg 1997, S. 514.

[2] Weiter oben habe ich die ,Stern’-Cover völlig unbekleideter Frauen verteidigt. Es kommt immer auf den Blickwinkel, die Art des Blickes und die gesamten Implikationen einer Entwicklung an. Wer aufrichtig genug liest, wird immer empfinden können, wie es gemeint ist, denn im Grunde ist es offensichtlich. • Den Blick, der weibliche Wesen zum Objekt degradiert, verurteile ich überall in diesen Bänden und in der gesamten männlichen Welt. Ich verurteile aber auch die Degradierung weiblicher Schönheit auf ein Objekt scheinheiligen ,Schutzes’ und gleichzeitiger Entmündigung. Auch hier werden Mädchen zum Objekt gemacht – man kann sich gegen diesen Gedanken wehren, wie man will.

[3] Herbert Marcuse: Versuch über die Befreiung. Frankfurt am Main 1969, S. 21 f, zitiert nach Wikiquote: Herbert Marcuse.

[4] Die sehr wohl auch vorkommen, etwa als Nebencharaktere in ,Mädchen-Opfer’ (2018) oder ,Sex Offender’ (2020). Auch in diesen Romanen aber sind die männlichen Hauptfiguren wahrhaft Liebende.

[5],Menschen, die unter unserem gegenwärtigen System zur Liebe fähig sind, bilden zwangsweise die Ausnahme.’ Die Kunst des Liebens (1956). GA IX, S. 437-518, hier 518.

[6] Nutzungsbedingungen, www.bod.de.

[7] Siehe www.bod.de.

[8] Monika Grütters: „Ich darf auch sagen, was ich will“. Berliner Zeitung, 26.8.2021.

[9] In diesem Fall kein Verlag, sondern wirklich eine ,Self-Publishing-Plattform’ weil zum Beispiel auch das Copyright ausschließlich bei einem selbst bleibt, obwohl sich ,epubli’ um die ISBN-Nummer, die generelle Verfügbarkeit etc. kümmert.

[10] Sinnvollere Möglichkeiten existieren nicht, siehe weiter unten.

[11] Ich kann das noch immer nicht glauben, und doch hieß es schon 2014, unter 16- bis 19-jährigen männlichen Jugendlichen konsumierten 20,6 % täglich Pornografie. Porno-Konsum in Zahlen. www.publik-forum.de, 21.11.2014. • Diese Rate bestätigt ein anderer Artikel, der mit Bezug auf die WDR Quarks-Studie 2017/18 außerdem anführt, dass unter den 14- bis 17-jährigen Jugendlichen sogar über 70 % (!) täglich bis wöchentlich Pornografie konsumieren. Wissen Sie, was Kinder und Jugendliche konsumieren? www.return-mediensucht.de, ohne Datum.

[12] Außer natürlich, wenn es sich um offensichtliche schwerwiegendste Rechtsverletzungen wie ,Volksverhetzung’ etc. handelt.

[13] In diesem Jahr endete die 25-jährige Indizierung, die letztmalig 1992 erklärt worden war. Magnus Klaue: Sie ist die Erste nicht. www.faz.net, 14.4.2019. • Wikipedia: Mutzenbacher-Entscheidung.