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Fazit
Was ist die Frucht all der inzwischen, nach jahrzehntelanger Forschung, vorliegenden Studien? Wir wollen zum Abschluss versuchen, ihre Essenz zu finden. Dazu versuchen wir – der Chronologie der letzten Seiten entsprechend – noch einmal einen Blick auf die allerwesentlichsten Ergebnisse zu werfen, um sie gleichsam in eine Übersicht zu bekommen und in eine Erkenntnis zusammenzufassen. Beginnen wir also unsere kleine Reise und Zusammenfassung...
1953 erschien Kinseys Studie über die Frau. Hier zeigte sich, dass 18 % schon vor der Pubertät mindestens einen Kontakt mit einer älteren Person hatten, 22 % (absolut 4 %) mit genitaler Manipulation, 3 % (0,5 %) mit Koitus.
Gagnon zeigte 1965, dass 90 % dieser Kontakte flüchtig und meist einmalig waren, die übrigen zur zu 1,5 % erzwungen, während bei 8 % das Mädchen eindeutig mitwirkte. Auch Schönfelder 1968 gab für deutsche Mädchen an, dass über 80 % den Handlungen nicht abgeneigt, 37 % sogar aktiv beteiligt oder gar initiativ waren, in der Altersgruppe der zwölf- bis vierzehnjährigen Mädchen sogar die Hälfte. Brauneck bestätigte 1970, dass 80-90 % der Mädchen wohlwollend-duldend oder sogar aktiv sind.
1972 betonen die Sexualforscher Schorsch, Schmidt und Sigusch, dass zwei Drittel der verfolgten Straftaten emotional getragene Liebesbeziehungen sind.
1979 weist David Finkelhor darauf hin, dass Erlebnisse Minderjähriger auch nicht mehr ,Schäden’ zur Folge haben als in späterem Alter. Dennoch errichtet er das Dogma des nicht möglichen ,informed consent’ vor der Pubertät – das ,age of consent’ in den USA bleibt dennoch bei sechzehn bis achtzehn.
Obwohl sexueller Missbrauch nur einen geringen Bruchteil (USA: 7 %) aller Missbrauchsfälle ausmacht, wird in den 80er Jahren ,sexueller Missbrauch’, ausgehend von den USA, zu dem alles überwältigenden Diskurs überhaupt. Die Definition wird immer weiter ausgeweitet, und die kursierenden Zahlen schießen ständig in die Höhe.
1983 macht der Psychologe des Bundeskriminalamts, Michael Baurmann, darauf aufmerksam, dass sich viele ,Opfer’ überhaupt nicht als geschädigt empfinden – und dass Strafverfolgung etc. vielmehr oft zu einer sekundären ,Viktimisierung’ (bzw. Traumatisierung) führe. Diese Hinweise verhallen ungehört, 2013 wird die Studie ,verschwinden’ gelassen.
1989 weist Sandfort darauf hin, dass sexuelle Erfahrungen von Mädchen mit Bekannten fast zur Hälfte, mit Fremden zu fast zwei Dritteln, mit dem eigenen Freund zu drei Viertel einvernehmlich sind.
In den USA untersucht Terry Leahy 1991 in einer Doktorarbeit ausführlich neunzehn Beispiele intergenerationeller Sexualität und analysiert eindrücklich die Vorurteile, Axiome, Einseitigkeiten und repressiven Elemente des dominanten Diskurses. Eine Studie von Allie Kilpatrick zeigt 1992, dass über die Hälfte aller Mädchen vor fünfzehn mindestens eine sexuelle Erfahrung mit deutlich älterem Partner haben, wobei die Initiative zu 30 % von beiden Seiten, zu 23 % vom Mädchen ausgeht und die angenehmen Erfahrungen schon bei Kindern die unangenehmen deutlich überwiegen.
1996 weist ,The Scapegoat Generation’ von Mike Males die ausgeprägte Jugendfeindlichkeit in den USA mit größter Detailliertheit nach. Miles bezeichnet Kinder- und Jugendarmut als ,politischen Kindesmissbrauch’ und betont, dass gerade die USA mit ihrem absurden Sexualstrafrecht die höchste Rate mädchenschwängernder Männer in der ganzen westlichen Welt haben. Im selben Jahr zeigt Sharon Thompson mit ,Going All The Way’ anhand zahlreicher Interviews, dass viele Mädchen Beziehungen zu Männern sehr positiv erleben – im Gegensatz zu solchen mit Gleichaltrigen.
Trotz dieser Tatsachen löst eine Metastudie von Rind, Bausermann und Tromovitch 1998 ein politisches Erdbeben aus. Die Forscher fanden, dass jedes vierte Mädchen Erfahrungen mit Älteren gemacht hatte, drei Viertel diese später negativ bewerteten, aber nur 13 % einen negativen Einfluss auf ihre jetzige Sexualität sahen, viel wichtiger dagegen waren körperliche Misshandlung, Vernachlässigung etc. Anstatt auf diese schwerwiegenden Problematiken einzugehen und politisch zu reagieren, wurde schlicht behauptet, die Forscher würden ,Pädophilen’ in die Hände spielen, und sogar das amerikanische Parlament schaltete sich ein – deutlicher kann sich die Schizophrenie nicht offenbaren!
Ein Jahr später kritisiert die Feministin Sharon Lamb in dem von ihr herausgegebenen Sammelband ,New Versions of Victims’ den einseitigen Opfer-Begriff und ebenfalls die Ausblendung von physischem Missbrauch, Vernachlässigung etc. Und auch sie weist aus ihrer eigenen Arbeit darauf hin, dass viele Mädchen Beziehungen mit Männern viel positiver als mit Gleichaltrigen erleben, teilweise geradezu rettend.
2002 beschreibt Judith Levine in einem Artikel ihren ,Summer of Love’ mit einem älteren Camp-Betreuer, wie er 1967 noch möglich war – und kritisiert in ihrem Buch ,Harmful to Minors: The Perils of Protecting Children from Sex’, das den Buchpreis der ,Los Angeles Time’ erhält, scharf die unrealistischen und entmündigenden ,age-of-consent’-Gesetze in den USA.
2006 zeigt eine schwedische Zwillingsstudie, dass Sex mit vierzehn oder früher keine negativen Folgen hat und dass 12 % aller Mädchen gesetzwidrige sexuelle Erfahrungen machen, in denen sie sich nicht missbraucht fühlen.
Eine Neuauswertung der Kinsey-Daten zeigt 2012, dass der erste Geschlechtsverkehr am häufigsten dann als ,sehr positiv’ erlebt wird, wenn er als Mädchen mit einem Mann erlebt wurde – im Gegensatz zu Gleichaltrigen oder überhaupt erst im Erwachsenenalter.
Eine Studie von 2013 zeigte, dass Mädchen, die Beziehungen zu Männern wählen, sich in keiner Weise von anderen Mädchen unterscheiden.
2011 wurde in Nürnberg der elf Jahre ältere Freund eines dreizehnjährigen Mädchens zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, und das Mädchen weinte vor Gericht angesichts der Gnadenlosigkeit der Gesetzeslage und der Richter.
Regensburger Forscher zeigten 2001, dass Bilder von Frauen für Männer dann am erotischsten sind, wenn sie digital in Richtung Mädchen nachbearbeitet werden.
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Aus all diesen Erkenntnissen und Tatsachen lässt sich nur eine Folgerung ziehen: Mann und Mädchen suchen sich durchaus gegenseitig, und zahllose Erlebnisse auch des Mädchens sind absolut positiv, nach mehreren Studien die überwiegende Zahl – und insbesondere in den USA ganz im Gegensatz zu gleichaltrigen Beziehungen.
Damit aber wird jede Kriminalisierung solcher Mann-Mädchen-Beziehungen haltlos. Die ,age-of-consent’-Gesetze der USA und anderer Staaten sind ein absoluter Anachronismus, der mehr der Repression des Mädchens dient als irgendeinem Schutz. Aber auch die ,Schutzalter’-Grenze von vierzehn in Deutschland ist in ihrer jetzigen Form in Frage zu stellen. Gesetze, die selbst zärtlichste Beziehungen kriminalisieren, ohne irgendeine Straflosigkeit auch nur zulassen zu können, sind mit den Erkenntnissen dieser Fülle von Studien in keiner Weise mehr vereinbar.[1]
Der Missbrauch ist eine Seite der Wirklichkeit. Mit dessen ,Hilfe’ aber die andere Seite auszublenden – dass es Liebe zwischen Mädchen und Männern gibt –, wird für immer ,Missbrauch mit dem Missbrauch’ bleiben. Mädchen werden von Männern missbraucht. Mädchen werden von Gleichaltrigen missbraucht. Mädchen werden von Gleichaltrigen manchmal nicht missbraucht. Und Mädchen werden von Männern oft nicht missbraucht. Die pointierte Formulierung der letzten beiden Sätze nimmt erneut Bezug auf die in vielen Studien erwiesene Situation in den USA.
Viele Männer gehen mit Mädchen zärtlicher und aufrichtiger um als Gleichaltrige – und die Mädchen fühlen sich dann mit Recht wohl und geborgen, genießen den Altersunterschied und können sich keine bessere Beziehung vorstellen.
Das sind Tatsachen. Mit welchem Recht beharren wir daher auf einem brutalen, blinden Strafrecht, das sich weigert, diese Realitäten zur Kenntnis zu nehmen? Mit welchem Recht starren wir wie das Kaninchen auf die Schlange auf das Missbrauchsthema, anstatt zu versuchen, jeden Missbrauch noch besser als bisher zu verhindern – und zugleich all jene Begegnungen zu ermöglichen und nicht mehr zu kriminalisieren, in denen Mädchen sich wohlfühlen und glücklich sind?
Was wir stattdessen tun, ist, unter dem Vorwand der missbrauchten Mädchen auch jene zu missbrauchen, die nicht missbraucht wurden – denn genau dies geschieht durch Kriminalisierung von Verhältnissen, die keinerlei Missbrauch, sondern das Gegenteil darstellen. Beziehungen, die von Mädchen gewünscht und in denen sie glücklich sind, werden auseinandergerissen, der vom Mädchen geliebte Mann wird ins Gefängnis geworfen, sein Leben wird vernichtet – und das Mädchen selbst wird schwer traumatisiert. Das ist die Realität des Strafrechts! Nichts anderes ist Realität für all jene Mädchen, die ihren erwachsenen Freund mit vollem Recht und getragen von dessen Liebe geliebt haben – während in unseren Augen ,nicht sein kann, was nicht sein darf’.
Wie unmenschlich wollen wir nach all den vorhandenen Studien weiterhin denken? Und wann nehmen wir zur Kenntnis, dass auch die Liebe zwischen Mann und Mädchen genauso positiv sein kann wie jede andere Liebe?
Und was diese Liebe ab jenem Alter betrifft, in dem das Mädchen auch laut Gesetz in jeder Hinsicht ,sexuell aktiv’ sein darf – nämlich ab vierzehn: Wann hören wir hier auf, diese Liebe zu verurteilen – und beginnen, nur noch Übergriffe, rein körperliches Begehren etc. zu verurteilen, nicht aber echte Liebe, die beidseitig in voller Aufrichtigkeit empfunden wird? Wie sehr stellen wir uns noch über das Gesetz – und über wissenschaftliche Studien? Wann beginnen wir, ehrlich zu werden – und wirklich menschlich?
Wann überlassen wir da, wo auch auf Seiten des Mannes tiefe Aufrichtigkeit lebt, das Urteil und das wirkliche Empfinden ... dem Mädchen?
Und wann, um auch diesen Punkt zu vervollständigen, hören wir endlich auf, die Begegnung zwischen Mann und Mädchen bloß deshalb zu verurteilen, weil es zu ,Sexualität’ kommen könnte? Wann können wir auch die Liebe zwischen Mann und Mädchen völlig dem heiligen Bereich eines innigsten Geheimnisses überlassen – wie es überall sonst so unendlich selbstverständlich wäre? Wann hören wir auf, die Sexualität des Mädchens wie auf dem Präsentierteller zu diskutieren, nur weil es einen Mann liebt?
Wie abartig und selbstentlarvend ist diese Tendenz der Gesellschaft? Ist nicht hier jenes unbewusste Begehren, das unter anderem auch durch die Boulevardpresse täglich angeheizt wird, fast mit Händen greifbar? Kann man von dem Mädchen vielleicht nur deshalb nicht lassen, weil die ganze Welt das Mädchen irgendwo begehrt...?
Und wenn dies aber nicht der Fall wäre: Wann beginnen wir endlich, Mädchen in Ruhe zu lassen, wenn sie glücklich sind – und erst dann unruhig zu werden, wenn die Mädchen signalisieren, dass es anders ist? Legen wir das Urteil endlich in die Hände derer, die es angeht: in die Hände der Mädchen selbst. Erst dann könnte sich übrigens erweisen, wieviele Mädchen wirklich ebenso einen Mann lieben können, wie ein Mann ein Mädchen lieben kann. Denn dann bräuchte auch das Mädchen endlich keine Angst mehr vor der ungeheuren Verurteilung zu haben, die es jetzt schon befürchten muss, wenn es nur daran denkt, sich vielleicht in einen Mann zu verlieben...
Und dann – wenn diese Angst nicht mehr sein müsste –, dann könnten ganz neue Studien beginnen... Und dann würde sich vielleicht die gesamte Welt verwandeln. Weil die Mädchen endlich wahrhaft Heilerinnen werden könnten...
Fußnoten
[1] Zur möglichen Gestalt eines diesen Erkenntnissen angepassten Strafrechts siehe den achten Band.