16.07.2002

Der Internationale Strafgerichtshof

Am 1.7.2002 trat das Statut des Internationalen Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC) in Kraft, der Völkermord, schwere Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden soll. Die offiziellen Erwartungen des in Den Haag angesiedelten Gerichts sind hochgesteckt. UNO-Generalsekretär Kofi Annan sagte Anfang 2002: "Vor allem aber hoffen wir, dass er künftige Kriegsverbrecher abschreckt und uns dem Tag näher bringen wird, an dem kein Herrscher, kein Staat, keine Junta und keine Armee der Welt mehr Menschenrechte ungestraft verletzen kann."

 

  • Die Vorgeschichte
  • Die Entstehung des Vertrages für einen Internationalen Strafgerichtshof
  • Die Rolle der USA
  • Die Haltlosigkeit der Argumente
  • Die gegenwärtige Lage
  • Der Abbau des Völkerrechts
  • Die ungesühnten Sexualstraftaten der Uno-Soldaten


Der ICC darf allerdings nur dann ein Verfahren eröffnen, wenn die Justizorgane der einzelnen Länder nicht fähig oder willig sind (Prinzip der Komplementarität, Art. 7), wenn sich also z.B. die Verfolgung einflußreicher Persönlichkeiten verzögert, wenn eine Regierung Verbrechen billigt oder sich sogar beteiligt oder wenn das Justizsystem eines Staates zusammenbricht.

Eine Situation kann durch den UN-Sicherheitsrat, einen Staat oder die unabhängige Anklagebehörde des Gerichts selbst vor den Strafgerichtshof gebracht werden. In den beiden letzteren Fällen muß der Staat, auf dessen Gebiet das Verbrechen geschah (oder dessen Nationalität der Täter besitzt), ICC-Vertragspartei sein oder die Zuständigkeit des ICC anerkennen. Der Sicherheitsrat darf Strafverfolgungsmaßnahmen auch bei bereits anhängigem Verfahren zweimal für 12 Monate aussetzen (Art. 16).

Als Völkermord gelten Handlungen, die das Ziel haben, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören (z.B. Tötung oder Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe). Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten die vorsätzliche Tötung, Ausrottung, Versklavung, Vertreibung, Folter, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution oder erzwungene Schwangerschaft, Verfolgung aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen und religiösen Gründen oder aus Gründen des Geschlechts, sowie das zwangsweise Verschwindenlassen von Personen, wenn diese Handlungen im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung erfolgen. Kriegsverbrechen sind nach dem Statut schwere Verletzungen der Genfer Konventionen von 1949 sowie andere schwere Verletzungen des Kriegsvölkerrechts und -völkergewohnheitsrechts, soweit diese Verletzungen als Teil eines Planes oder einer Politik oder in großem Umfang verübt werden.

Der ICC ist keine Einrichtung der Vereinten Nationen. Die Pflichtbeiträge der Vertragsstaaten werden jedoch nach dem für den ordentlichen Haushalt der Vereinten Nationen festgelegten Beitragsschlüssel bemessen.

Die Vorgeschichte

1907 formulierte die IV. Haager Konvention eine Individualhaftung für Kriegsverbrechen, allerdings noch ohne Strafverfolgung. Nach dem 1. Weltkrieg scheiterte das Vorhaben, Kaiser Wilhelm II und die politisch Verantwortlichen des Deutschen Reiches vor einem internationalen Gericht wegen Kriegsverbrechen zu verurteilen. abgeurteilt werden. Nach dem Attentat auf König Alexander von Jugoslawien in Marseille 1934 versuchte der Völkerbund nochmals, einen internationalen Strafgerichtshof zur Verfolgung von internationalen Verbrechen einzurichten, doch zwei Entwürfe blieben international ohne Resonanz. Erst nach den Greueltaten des 2. Weltkriegs entstanden die internationalen Militärtribunale von Nürnberg und Tokio. Erstmals griff das Strafrecht in die staatliche Politik über.

Schon 1942 forderten Vertreter von neun Exilregierungen in London eine internationale Strafgerichtsbarkeit. Das Motiv war hierbei nicht Vergeltung, sondern Gerechtigkeit. Als man den Alliierten immer neue Beweise für die Nazi-Verbrechen präsentierte, schlugen diese im Oktober eine Untersuchungskommission vor (United Nations War Crimes Commission). Die dahinter stehende Intention formulierte der Chefankläger der späteren Prozesse, Justice Robert H. Jackson, folgendermaßen: "Wenn wir diese (Nazi-)Bewegung nicht klar und präzise dokumentieren, dann können wir künftigen Generationen keinen Vorwurf daraus machen, wenn sie die im Krieg geäußerten allgemeinen Beschuldigungen in Friedenszeiten für unglaublich halten. Wir müssen unglaubliche Ereignisse durch glaubwürdige Beweise festhalten." Er betonte aber in seiner Anklageschrift aber auch, daß die gleichen Maßstäbe für alle gelten: "Denn wir dürfen niemals vergessen, daß nach dem gleichen Maß, mit dem wir die Angeklagten heute messen, auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden."

Jackson setzte vor allem durch, daß die Strafbarkeit des Angriffskrieges völkerrechtlich festgeschrieben wurde (was schon die Pariser Kommission von 1919 beschäftigt hatte). Problematisch blieb einerseits die rückwirkende Verurteilung eines zunächst noch nicht existierenden Straftatbestandes, andererseits die Tatsache, daß die Alliierten sich einig waren, ihre eigene Kriegsführung (z.B. Bombardierung Dresdens) nicht zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Hannah Arendt hielt den Völkermord der Nazis für juristisch überhaupt nicht faßbar: "Für diese Verbrechen gibt es keine angemessene Strafe mehr; Göring zu hängen, ist zwar notwendig aber völlig inadäquat. Das heißt, diese Schuld, im Gegensatz zu aller kriminellen Schuld, übersteigt und bricht alle Rechtsordnungen". Darin war sie sich mit Karl Jaspers einig, der ihr anläßlich des Eichmann-Prozesses antwortete: "Das Politische hat einen mit Rechtsbegriffen nicht einzufangenden Rang (der Versuch, dies zu tun, ist angelsächsisch und eine Selbsttäuschung zur Verschleierung einer Grundtatsache der Wirkungen politischen Daseins)."

Nach dem Urteil von Nürnberg anerkannte die UN-Generalversammlung bereits am 11.12.1946 die dem Statut und dem Urteil zugrunde liegenden Rechtsprinzipien als geltendes Völkerrecht und beauftragte die Völkerrechtskommission, ein internationales Strafrecht zu entwickeln. Die 1948 beschlossene UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes sah die Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofes vor (Art. VI). 1950 legte die Völkerrechtskommission zwei Berichte vor, die die Nürnberger Prinzipien in einem völkerrechtlichen Verbrechenskodex zusammenfassten und darauf aufbauend ein Völkerstrafrecht für die Zukunft zu formulieren versuchten. Man war sich frühzeitig einig, das strafrechtliche Verfahren auf Individuen und auf zentrale Verbrechen zu beschränken (Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit).

Während des Kalten Krieges, in dem sich alle ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates in schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit verstrickten, blieb dann die Aufgabe eines Strafgerichtshofes vollständig liegen.

So entstanden zunächst Tribunale der Zivilgesellschaft, die sich unter der Teilnahme weltweit anerkannter Intellektueller solchen gewaltigen Kriegs- und Verbrechenskomplexen wie dem Vietnam-Krieg, den Verbrechen der Militärregime in Lateinamerika, der Intervention der Sowjetunion in Afghanistan usw. bis zum Krieg der NATO gegen Jugoslawien widmeten. Diese Tribunale sollten das öffentliche Bewußtsein soweit wachrütteln, daß die angeklagten Verbrechen in Zukunft unmöglich würden. Daß sie dieser Aufgabe nicht gerecht werden konnten, liegt nicht an ihnen selbst, sondern an der durchgängigen Weigerung der Staaten und ihrer angepassten Medien, sich der Aufarbeitung und Kritik der Vorgänge zu stellen. Seit geraumer Zeit haben nichtstaatliche Organisationen wie amnesty international und Human Rights Watch diese Aufgabe wahrgenommen.

Erst in den 90er Jahren wurde die Idee eines internationalen Strafgerichtshofes wieder aufgegriffen, nachdem der Staat Trinidad und Tobago in der UN-Generalversammlung einen Antrag zur Bekämpfung grenzüberschreitender Verbrechen (v.a. Drogenhandel) gestellt hatte. Schon zuvor gab es komplizierte und immer wieder unterbrochene Beratungen zwischen Völkerrechtskommission und UNO-Generalversammlung. Der seit 1987 offiziell "Draft Code of Crimes against Peace and Security of Mankind" genannte Katalog von Straftaten enthielt in seiner Vorlage von 1991 auch Drohung mit Aggression, Intervention, Apartheid, gewaltsame Aufrechterhaltung von Kolonialismus, Söldnertum, Terrorismus, Drogenhandel, schwere Menschenrechtsverletzungen und schwere Umweltschädigungen. In der zweiten Lesung von 1994 wurde der Entwurf vor allem auf Wunsch der USA wieder auf die Nürnberger Kerntatbestände beschränkt, später ergänzt durch Verbrechen gegen UN-Personal. - 1993 betraute die Generalversammlung die International Law Commission mit der Erarbeitung eines Entwurfs für das ICC-Statut. 1994 legte diese einen Entwurf vor, der einen möglichst unabhängig von Einzelstaaten, der UNO und dem Sicherheitsrat agierenden Strafgerichtshof vorsah. In einer zweiten Phase entwickelte eine vorbereitende Kommission (PrepCom) in sechs Sitzungen einen Statutenentwurf (Draft Statute), in den in rund 1400 eckigen Klammern alle bisher vorgebrachten, realistischen Vorschläge eingearbeitet wurden. Dies war die Grundlage für die Verhandlungen von Rom.

1993 und 1994 wurden vom UN-Sicherheitsrat auch die Ad-hoc-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda eingerichtet (als Maßnahme der Friedenssicherung nach UN-Charta Kapitel VII). Sie können in jedem Staat Ermittlungen durchführen, ihre Haftbefehle müssen überall befolgt werden, ihre Auslieferungsersuchen gehen jedem Auslieferungsvertrag vor. Sie haben Vorrang vor jeder nationalen Gerichtsbarkeit und können jedes beliebige Verfahren vor einem nationalen Gericht an sich ziehen, haben also noch nicht den Grundsatz der "Komplementarität".

Die Einrichtung eines Strafgerichts auf der Basis von Kapitel VII ist nach dessen Wortlaut und Sinn durchaus zweifelhaft. Ein ad-hoc-Tribunal verstößt auch gegen den Anspruch eines jeden Angeklagten auf ein auf Gesetz beruhendes unabhängiges Gericht (Art. 14 I S. 3 des Internationalen Paktes für politischen und bürgerliche Rechte), denn das völkerrechtliche Äquivalent zum Gesetz ist nicht ein Beschluss des Sicherheitsrats, sondern nur ein internationaler Vertrag (bei der Einrichtung der Tribunale zu Kambodscha und Sierra Leone versucht man die Akzeptanz zu steigern, indem man über Standort, Besetzung, Geschäftsordnung und ähnliche Fragen ausführlich mit den jeweiligen Regierungen verhandelt). 

Im Jugoslawien-Tribunal wurde eine Überprüfung der NATO-Kriegsführung ebenso abgelehnt, wie der Antrag der Milosevic zugeteilten „amici curiae“, die Rechtmäßigkeit des Tribunals durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) überprüfen zu lassen. Das Tribunal wird entgegen seinem eigenen Statut (Art. 32) nicht aus dem UN-Haushalt bestritten, sondern zu über 80% aus anderen Quellen der NATO- und anderer Staaten wie Saudi-Arabien. Der Vorwurf der „Siegerjustiz“ wird noch bestätigt durch die Haftbedingungen von Milosevic (Mediensperre, teilweise Telefonsperre, permanente Beobachtung wegen angeblicher Selbstmordgefahr etc.). Weiterhin wurde Milosevic auf Druck der USA (mittels Kreditversprechen) gegen den Beschluß des Verfassungsgerichts ausgeliefert und bevor das jugoslawische Parlament in die Verfassung einen Auslieferungs-Passus aufgenommen hatte. Ohne die weitgehende Vorverurteilung Milosevic´s in Europa würden die schweren rechtsstaatlichen Defizite des Tribunals schon lange zu einer Forderung nach einem Verfahrensstop und Neugründung des Gerichts geführt haben. Es erhebt sich der Verdacht, daß die NATO-Staaten auf den Prozeß aus dem Grund keinesfalls verzichten wollen, weil ohne ihn die Bombardierung Jugoslawiens vollends jede Legitimation verlöre.

Die Entstehung des Vertrages für einen Internationalen Strafgerichtshof

Am 17.7.98 wurde auf einer Konferenz in Rom das Statut zur Errichtung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes beschlossen. Das Scheitern der fünfwöchigen zähen Verhandlungen unter den Delegierten aus 160 Ländern und 800 Nichtregierungsorganisationen konnte - vor allem aufgrund des Verhaltens der USA - bis zuletzt nicht ausgeschlossen werden.

Noch zu Beginn der Konferenz waren auch die anderen ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates außer Großbritannien gegen ein (von der Zustimmung der betroffenen Staaten) unabhängiges Gericht. Rußland und China verbaten sich die Zuständigkeit des ICC bei sog. "innerstaatlichen" Konflikten (Tschetschenien bzw. Tibet). Am Ende waren jedoch fast alle Länder für das vereinbarte Statut. Auf Antrag der USA erfolgte die Abstimmung geheim: Es gab 120 Ja-Stimmen, 21 Enthaltungen und nur sieben Nein-Stimmen (neben den USA noch China, Israel, Irak, Libyen, Jemen und Katar).

Im Juni 2000 stellte die PrepCom-Kommission die Prozessordnung und die Regeln der Beweisaufnahme sowie einen Text über „Verbrechenselemente" in Entwürfen fertig (letztere vertiefen die Definition der Verbrechenstatbestände durch einen Katalog von Bedingungen, Zusammenhängen, Einstellungen und Absichten, die für die Erfüllung der Tatbestände gegeben sein müssen). Seither hat die Kommission ein Abkommen über die Beziehungen zwischen ICC und UNO, die Finanzbestimmungen, das Abkommen über Privilegien und Immunitäten des Gerichtshofes, sowie die Geschäftsordnung der Versammlung der Vertragsstaaten ausgearbeitet. Bis zur ersten Zusammenkunft der Vertragsstaaten im September 2002 wird die PrepCom als letztes vor allem einen Entwurf zur Definition des Verbrechens der Aggression erarbeiten, die als Straftat mit aufgenommen werden soll. Änderungen können jedoch frühestens sieben Jahre nach Inkrafttreten des Statuts auf einer Konferenz der Vertragsstaaten beschlossen werden.

Die für das Inkrafttreten erforderliche Anzahl von 60 Ratifikationen wurde am 11. April 2002 überschritten, als zehn Mitgliedstaaten gleichzeitig ihre Ratifikationsurkunden in New York hinterlegten.

Die Rolle der USA

Während der Verhandlungen in Rom versuchten die USA bis zuletzt, wenigstens noch eine Ausnahmeregelung für US-Soldaten und US-Agenten durchzusetzen, obwohl schon ungeheure Kompromisse gemacht wurden: Der UN-Sicherheitsrat kann mit Rücksicht auf friedenssichernde Maßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta die Untersuchungen des ICC zweimal je ein Jahr aussetzen lassen. Frankreich hatte außerdem durchgesetzt, daß Vertragsstaaten ihre Bürger im Fall von Kriegsverbrechen sieben Jahre lang der ICC-Rechtssprechung entziehen können.

Wenige Tage nach der Konferenz von Rom kündigte das US-Außenministerium seinen "aktiven Widerstand" gegen den ICC an, sollte dessen Gründungsstatut in seiner jetzigen Form erhalten bleiben. Die USA argumentierten weiter gegen den ICC, unterzeichneten aber am 31.12.2000 in letzter Minute das Statut, um sich das Recht weiterer Mitwirkung zu sichern (aus den gleichen Gründen unterzeichnete auch Israel am selben Tag wenige Stunden vor Mitternacht). Nach der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 ist ein Staat nach Unterzeichnung eines internationalen Vertrages gehalten, dem Geist desselben nicht zuwiderzuhandeln (Art. 18), doch für die USA war dies von vornherein nur eine poli­tische Entscheidung. Bald nach der Wahl von George W. Bush warnte dessen designierter Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, dass "Amerikas Führung in der Welt das erste Opfer" des neuen Tribunals werden könne.

Am 6.5.2002 zog die Regierung Bush in einem diplomatisch einmaligen Schritt ihre Unterschrift förmlich zurück.

Die USA betonen, daß die beste Lösung immer die Rechtssprechung des betreffenden Staates selbst sei, die notfalls international zu unterstützen sei. Wo der staatliche Wille nicht vorhanden sei, könne die internationale Gemeinschaft durch den UN-Sicherheitsrat intervenieren und z.B. situationsspezifische Mechanismen wie die ad-hoc-Tribunale einsetzen.

Am 6. Juni billigte der US-Senat den sogenannten "American Servicemembers' Protection Act" (ASPA), wonach der US-Präsident befugt ist, alle notwendigen und geeigneten Mittel zu gebrauchen, um die Befreiung eines jeden US-Bürgers zu erreichen, der vom Strafgerichtshof festgehalten wird. Das Gesetz verbietet jede Kooperation der USA mit dem ICC und soll eine Beteiligung an UN-Friedenseinsätzen solange verhindern, bis US-Soldaten Immunität genießen. Weiterhin streicht es jede militärische Hilfe für ICC-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von NATO-Staaten und anderen engen Verbündeten wie Ägypten, Israel oder Taiwan (der Präsident kann weitere Ausnahmen benennen). Wörtlich ist dann gesagt, daß die USA die Aufgaben des ICC auf ihre Art wahrnehmen: "Nichts in diesem Gesetz soll es den USA verbieten, internationale Bemühungen zu unterstützen, Saddam Hussein, Slobodan Milosevic, Usama bin Ladin, andere Mitglieder von al-Qaida, Führer des Islamischen Dschihad und andere Staatsangehörige anderer Länder, die des Völkermords, der Kriegsverbrechen oder der Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt werden, der Gerechtigkeit zuzuführen."

Ende Juni legten die USA ihr Veto zu einer Verlängerung des Bosnien-Mandats der UN-Sfor-Truppen ein. Der US-Botschafter bei der UNO, John Negroponte, ließ am 30.6. im UN-Sicherheitsrat keinen Zweifel daran, daß die USA den Internationalen Strafgerichtshof rundweg ablehnen, Immunitätsgarantien für ihre Mitarbeiter im Ausland verlangen und ganz allgemein keinerlei Justiz außer der eigenen anerkennen. Die USA wollen an internationalen Peacekeeping-Aktionen teilnehmen, würden aber als ein "Hauptgarant des Friedens und der Sicherheit in der ganzen Welt" auf keinen Fall die Rechtsprechung des ICC über die Peacekeepers "akzeptieren". Friedenserhaltende und -schaffende Maßnahmen brächten für alle Beteiligten Mühen und Gefahren mit sich, und man werde ihnen nicht zumuten das zusätzliche Risiko politischer Verfolgungen vor einem Gericht zu akzeptieren, dessen Rechtssprechung die US-Regierung nicht anerkenne. Die USA fordern Immunität für UN-Friedenseinsätze, was mit Artikel 98 des Statuts vereinbar sei.

Die Haltlosigkeit der Argumente

Die USA befürchten politische Prozesse gegen US-Bürger, die z.B. von „Schurkenstaaten“ ausgelöst werden und sind prinzipiell gegen eine unabhängige Anklagebefugnis des Gerichts. Sie sehen durch den ICC ihre Souveränität verletzt, weil eine internationale Organisation Befugnisse über US-Staatsbürger hätte, die ihr von den USA nicht übertragen wurden. (Auch das Grundgesetz verbot in Artikel 16 bisher die Auslieferung eines deutschen Staatsbürgers; es wurde am 27.10.2001 fast einstimmig geändert).

Tatsächlich aber kann schon jetzt jeder Staat Ausländer für Straftaten auf eigenem Staatsgebiet jederzeit zur Verantwortung ziehen. Der ICC erhält diese Befugnisse nur zusätzlich von den ICC-Mitgliedern übergeben.

Die USA vertrauen offenbar nur ihren eigenen Instrumenten. Auf ihr Betreiben wurde das Tribunal für das ehemalige Jugoslawien eingesetzt. Wenn sie damit dem Balkan „Recht und Gesetz“ zurückbringen wollten, wieso weigern sie sich kategorisch, jemals einen ihrer eigenen Bürger einem Weltstrafgerichtshof zu überstellen?

Die USA haben durchgesetzt, daß der UN-Sicherheitsrat Untersuchungen des ICC für zweimal 12 Monate aussetzen kann. Damit hatte der UN-Sicherheitsrat einen überragenden Einfluß auf das Gericht gewonnen, wovor u.a. der ehemalige Chefankläger der Jugoslawien- und Ruanda-Tribunale, der südafrikanische Richter Richard Goldstone, gewarnt hatte: "Kein Gericht wird vernünftig arbeiten können, ohne völlig unabhängig zu sein. Aber die politischen Entscheidungsträger wollen einfach nicht verstehen, dass es in dieser Frage keinen Unterschied zwischen nationalem und internationalem Strafrecht gibt. Einem Gericht, das politisch nicht unabhängig ist, traut niemand Gerechtigkeit zu. Lieber überhaupt keinen internationalen Strafgerichtshof als einen, der vom UN-Sicher­heitsrat kontrolliert wird."(Frankfurter Rundschau vom 22.8.1996).

Das wichtigste Argument gegen die Vorbehalte der USA ist aber das Prinzip der Komplementarität: Sollten sich US-Soldaten tatsächlich eines der vier Kernverbrechen des Statuts, hinter denen überdies immer ein zielgerichteter politischer Wille stehen muß, schuldig machen, so hat eine existierende nationale Gerichtsbarkeit der USA immer noch Vorrang vor der des ICC. Die Bundesregierung schreibt auf ihrer Website: „Gerade die USA mit ihrer Jahrhunderte alten rechtstaatlichen Tradition haben insoweit nichts zu befürchten.“ (die Befürchtungen politischen Mißbrauchs des ICC seien zwar zunächst „verständlich“, die Verknüpfung mit der Bosnien-Mission durch die USA sei jedoch „erpresserisch“).

Möglicherweise ist die Haltung der USA so starr, weil sie tatsächlich nicht gewillt sind, entsprechende Verbrechen von US-Bürgern wenigstens vor eigenen Gerichten zu verurteilen. Ihr Bündnispartner Israel hat gerade einer UN-Untersuchungskommission die Einreise verweigert, die ein vermutliches Massaker im Flüchtlingslager Dschenin untersuchen sollte. Und die Anti-Terror-Gesetze sind - nicht nur in den USA - gerade dabei, das demokratische Justizwesen auszuhöhlen.

Die gegenwärtige Lage

Am 13. Juli verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 1422, mit der er gemäß Artikel 16 des ICC-Statuts beantragt, daß der ICC im Zusammenhang mit von der UNO genehmigten Einsätzen zwölf Monate lang keine Untersuchung oder Strafverfolgung gegen Personen einleitet, die nicht ICC-Vertragsstaaten angehören. Zugleich bekundet er die Absicht, diesen Antrag jährlich jeweils am 1. Juli zu erneuern, solange dies erforderlich ist.

Im Leitartikel der Süddeutschen Zeitung ("Der amerikanische Verrat") vom 15. Juli heißt es dazu: „Der so genannte Kompromiss, den der UN-Sicherheitsrat nun mit verlogener Einstimmigkeit beschloss, erlaubt es den EU-Staaten kaum, ihr Gesicht zu wahren. Allen gegenteiligen Beteuerungen aus London, Paris und Brüssel zum Trotz haben sie am Ende kapituliert vor dem brutalen Druck der USA. ... Theoretisch darf jedes Land Verbrechen, die auf seinem Territorium begangen wurden, aburteilen – die USA selbst nehmen sich sogar die Freiheit, ausländische Staatsbürger hinzurichten. Die 76 Staaten, die das Statut des Weltgerichts bereits ratifizierten, haben ihr Recht zur Strafverfolgung für extreme Ausnahmefälle an einen gemeinsamen Gerichtshof übertragen. Er soll in die Bresche springen, wenn einzelne Nationen nicht mehr die Kraft aufbringen, Völkermörder und Kriegsverbrecher zur Verantwortung zu ziehen. ... Die Szene zeigt eine Supermacht, die rücksichtslos und unkontrolliert ihre eigenen Interessen lebt und dabei Gefahr läuft, zunehmend irrational zu agieren.“

In der Frankfurter Rundschau heißt es:  „Es ist nicht nur ein fauler Kompromiss, der da vom UN-Sicherheitsrat abgesegnet wurde. Derartige Einigungen auf niederem Niveau kommen schließlich häufiger vor, wenn sich die Starken und Halb-Starken der Welt im Grunde nicht einig sind. Die Resolution aber, die US-Bürger gegen internationale Strafverfolgung immunisiert, legt einen Keim der Fäulnis an das moderne Völkerrecht. Sie beschädigt das Ansehen von UN-Friedensmissionen und das Vertrauen in den internationalen Strafgerichtshof, bevor der ICC noch die Chance hat, solches durch Rechtsprechung zu erwerben. Wer mag an die Stärke des Rechts glauben, solange die Mächtigen es nach ihrem Gusto auslegen und sogar beugen dürfen. Ein fauler Kompromiss wäre vielleicht die auf ein Jahr befristete Immunität gewesen; deren halbautomatische Verlängerungsmöglichkeit verwandelt das Zugeständnis an die Argwöhnischen in eine Niederlage des Völkerrechts.“

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt dagegen in einem Kommentar: „Aber selbst diejenigen, die sich erpreßt fühlen, müssen die Frage beantworten, was gewonnen wäre, wäre es bei der scharfen Konfrontation mit Amerika geblieben. Ein strahlender Sieg des Rechts über die Macht? Die Weltpolitik gehorcht nicht einem solchen egalitären Idealismus; das ist ja gerade ein Grund des amerikanischen Einspruchs. Die naheliegende Konsequenz wäre vermutlich gewesen, daß die Vereinigten Staaten um Friedensmissionen fortan einen Bogen gemacht hätten. Damit wäre der Graben zum Beispiel zu den Verbündeten noch tiefer geworden: die einen vermutlich nur noch fürs Grobe, die anderen für die Zeit danach - wenn überhaupt. Viele würden Amerika nur allzugern an die Kandare nehmen und sein militärisch gestütztes Engagement unter "Aggressionsverdacht" stellen. In einer solchen Welt wären nur die Schurken sicher.“

Der Abbau des Völkerrechts

Die UN-Charta nennt in Artikel 1 das Ziel, "eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen". Im Grunde ist dies bis heute ein fernes Ziel geblieben. Zunächst kämpften die kolonisierten Völker um ihre Unabhängigkeit (z.B. in Algerien und Vietnam), die Rivalität der Supermächte führte zu blutigen Stellvertreterkriegen (z.B. in Angola und Nicaragua) und endlosen Einmischungen (z.B. in vielen Staaten Südamerikas oder in der Tschechoslowakei). Ein wesentlicher Grund für die Machtlosigkeit der Vereinten Nationen und der ihnen zugrunde liegenden Idee war der UN-Sicherheitsrat, mit dem die fünf Siegermächte des 2. Weltkriegs einen machtvollen Sonderstatus in der Hand hatten, wobei jeder dieser fünf Staaten jede Resolution mit seinem Veto blockieren konnte. Dennoch konnten zahlreiche Konflikte gelöst werden, wurden Verletzungen des Völkerrechts verurteilt (am häufigsten übrigens im Falle von Israel, auch wenn es durch die Parteinahme der USA nie Sanktionen gab). Der relative Frieden bis 1990 ist aber nicht den Vereinten Nationen sondern der Bipolarität der Mächte zu danken, die auf der Grundlage der UN-Charta einen relativen Frieden erhalten konnte.

Genau in den Übergang zum unipolaren System infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion fällt der zweite Golfkrieg. Die Invasion des Irak in Kuwait, die sehr wahrscheinlich von den USA gefördert wurde, war Anlaß für den US-Präsidenten George Bush, am 11. September (!) 1990 eine „neue Weltordnung“ zu verkünden: "Aus diesen schwierigen Zeiten kann unser fünftes Ziel - eine neue Weltordnung - hervorgehen: Eine neue Ära, freier von der Bedrohung durch Terror, stärker in der Durchsetzung von Gerechtigkeit und sicherer in der Suche nach Frieden. Eine Ära, in der die Nationen der Welt im Osten und Westen, Norden und Süden prosperieren und in Harmonie leben können. ... Heute kämpft diese neue Welt, um geboren zu werden, eine Welt, die völlig verschieden ist von der, die wir kannten. Eine Welt, in der die Herrschaft des Gesetzes das Faustrecht ersetzt. ... eine Welt, in der der Starke die Rechte des Schwachen respektiert."

Nachdem der Irak alle vorausgegangenen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates akzeptiert und umgesetzt hatte, beschloss der Sicherheitsrat die Resolution 688, die nicht nur die internationale Kontrolle der irakischen Rüstung festlegte, sondern dem Irak einen Teil seines Territoriums nahm, die Ökonomie des Irak dem IWF, der Weltbank und den Clubs von Paris und London unterstellte, die Souveränität des Irak über Teile seines Territorium eingeschränkte bzw. aufhob und das völkerrechtlich neue Prinzip der "humanitären Intervention" verankerte. Diese neue Prinzip wurde schon bald so sehr zum Völkergewohnheitsrecht, daß es einer Sanktionierung durch den Sicherheitsrat nicht mehr bedurfte: spätestens seit dem „Kosovo-Krieg“ fünf Jahre später. Zum NATO-Angriff auf Jugoslawien kam es nach den „Verhandlungen von Rambouillet“, in denen von Jugoslawien gefordert worden war, der NATO im ganzen Land Freizügigkeit zu gewähren, wobei die NATO-Truppen der inländischen Gerichtsbarkeit nicht unterstünden. Daß die „humanitären“ Argumente hochgradig vorgeschoben waren, zeigt der Skandal des von Scharping präsentierten fiktiven „Hufeisenplan“ und die Tatsache, daß die „ethnischen Säuberungen“ erst mit dem NATO-Angriff in katastrophalem Ausmaß einsetzten.

Nach dem 11. September nahmen sich die USA schließlich im Alleingang ganz offen das Recht heraus, eine nach ihren Vorstellungen gestaltete Weltordnung zu realisieren. Der UN-Sicherheitsrat hat dies in seiner Resolution 1368 gutgeheißen, indem er auf das Recht zur Selbstverteidigung verwies. Dies ist nach Artikel 51 der UN-Charta tatsächlich gegeben, doch nur „bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat." In der Resolution bekundete der Rat tatsächlich „seine Bereitschaft, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 zu antworten, und alle Formen des Terrorismus zu bekämpfen, im Einklang mit seiner Verantwortung nach der Charta der Vereinten Nationen" - getan hat er bis heute nichts.

Die Arroganz der Macht und ihr zweifaches Maß hat Bahman Nirumand am 29. September 2001 in einer Rede in Frankfurt auf den Punkt gebracht: „Lassen wir die Zeit des Kolonialismus beiseite, werfen wir nur einen Blick auf das soeben vergangene Jahrhundert. Ich bin kein Glaubensfanatiker und weiß wohl, welche Verbrechen im Namen des Islam begangen wurden und werden. Aber es waren nicht die Muslime, es war die zivilisierte Welt, die sechs Millionen Juden vergast und verbrannt, Millionen Vietnamesen mit Napalm verstümmelt und verseucht hat. Es war die zivilisierte Welt, die in Chile geputscht und Zehntausende in den Tod geschickt, in Algerien Massenmorde durchgeführt und in Südafrika das System der Apartheid den Einheimischen aufgezwungen hat. Es war die zivilisierte Welt, die in nahezu sämtlichen Entwicklungsländern Diktaturen errichtet und sie mit Waffen versorgt hat. Die Flüchtlingslager Sabra und Shatila sind nicht das Werk der Muslime. Es ist doch bekannt, dass Saddam Hussein, die Taliban und ähnliche Verbrecher Zöglinge des Westens waren. Selbst der Terrorist Bin Laden war ein Schützling der CIA. Waren es Muslime, die die Natur zerstört, die Umwelt verseucht haben? Zeugen diese Taten von Humanität, von geistiger, moralischer Erhabenheit, von Zivilität? Wenn man bedenkt, dass in Afrika Tag für Tag mehr Menschen an Aids sterben als bei dem Anschlag in New York und Washington, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Kinder und Erwachsene Armut, Hunger und Seuchenkrankheiten zum Opfer fallen, wenn man weiß, dass unzählige Menschen in den Entwicklungsländern ihre gesunden Organe gegen ein Handgeld an reiche Europäer und Amerikaner verkaufen, um ihr Dasein fristen zu können, dann sollte erlaubt sein, die Begriffe Zivilisation und Barbarei noch einmal anhand der Tatsachen unter die Lupe zu nehmen.“

Die „humanitäre Intervention“, anläßlich des Golfkriegs aus der Taufe gehoben, erscheint nach nur gut zehn Jahren nur noch als eine Etappe, die den Krieg wieder zum Mittel der Politik gemacht hat. Was die USA wie selbstverständlich tun, beanspruchen auch andere Mächte. Indien wirft Pakistan die Unterstützung von Terroristen vor und droht mit der „Lösung“ des Kaschmirproblems durch Gewalt bis hin zum Einsatz von Atomwaffen. Israel definiert die palästinensische Autonomiebehörde als Terrororganisation und provoziert seit Sharons Besuch auf dem Tempelberg im September 2000 palästinensische Anschläge. Russland hat freie Hand in Tschetschenien, die Regierung in Kolumbien kann die Verhandlungen mit der FARC abbrechen usw. - Nach dem 11. September können alle Diktaturen noch hemmungsloser als zuvor ihre innenpolitischen Gegner verfolgen. Wenn schon die Vormacht der Zivilisation den Gefangenen in Guantanamo den Rechtsstatus verweigert, der ihnen aufgrund der Genfer Konventionen zusteht, weshalb sollten dann autoritäre Regime zimperlicher sein? Die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte wird künftig als reines Alibi gelten, um eine aus politischen, ökonomischen oder strategischen Gründen opportun erscheinende "humanitäre Intervention" durchzuführen.

Rechtsstaatliche Demokratien können es sich um den Preis ihrer eigenen Legitimität nicht leisten, in ihren Mitteln auf das Niveau der von ihnen angeklagten Barbarei herabsteigen - auch nicht im Kampf gegen die „Barbarei“. Die Anwendung brutaler Gewalt gegen die Verlierer des globalisierten Kapitalismus bestätigt nur die Diagnose eines bin Laden über die moralische Verkommenheit des Westens und produziert jene Terroristen, gegen die zu kämpfen der Westen behauptet. Das Faustrecht sichert die Reproduktion des Terrorismus, nicht aber die Sicherheit des Westens, die nur durch Anerkennung der Rechte und der Sicherheit der anderen zu haben sein wird.

Die ungesühnten Sexualstraftaten der Uno-Soldaten

Noch im Juli 2002 soll vor einem texanischen Bundesgericht ein Schadensersatz-Prozeß eines Flugzeugschlossers gegen seine für das Pentagon arbeitende Firma DynCorp beginnen. Ben Johnston hatte auf dem Luftwaffenstützpunkt in Tuzla (Bosnien) einen Kollegen mit seiner 12-jährigen Sexsklavin prahlen hören und darauf monatelang Indizien dafür gesammelt, daß mehrere US-Bürger bei Menschenhändlern Frauen gekauft hatten und daß DynCorp-Angestellte an Prostitution und Waffenhandel verdienen. Im Februar 2000 informierte er seine Vorgesetzten und das Ermittlungskommando der US-Army, - im Mai wurde er entlassen. Die Geschäftsleitung machte ihm nun selbst den Vorwurf, in Prostitutionsgeschäfte verwickelt zu sein. Doch die frühere UN-Polizistin Kathryn Bolkovac prozessiert aus ähnlichen Gründen in Großbritannien gegen DynCorp. - Hilfsorganisationen schätzen, daß jährlich 200.000 Frau­en und Mädchen mit Gewalt und falschen Versprechungen aus Osteuropa verschleppt werden, im UN-Protek­torat Bosnien-Herzegowina schätzt man ihre Zahl auf 5000. Daß die NATO-Soldaten und internationalen Polizeitruppen den größten Markt für den Sexhandel stellen, ist bekannt. Schon 1999 sagte die damalige Uno-Sonder­be­auf­tragte für Bosnien, Elisabeth Rehn: "Ich bin nicht so naiv zu glauben, daß meine Untergebenen nicht in Bordelle gehen, in denen Frauen in Sklaverei gehalten werden."

Strafen haben nicht einmal jene zu erwarten, gegen die die zuständige bosnische Polizei Beweise gesammelt hatte. Sobald Armee oder Vertrags­firma von Gesetzesbrüchen erfahren, werden Soldaten und Angestellte suspendiert oder entlassen und nach Hause geschickt, wo sie nicht mehr belangt werden können. - Das Komplementaritätsprinzip des ICC trifft hier gerade nicht zu: Die US-Gerichte sind für Verbrechen während eines UN-Einsatzes nicht zuständig (und die örtlichen Behörden sind meist machtlos, überfordert, unwillig oder korrupt). Anfang 2001 berichtete der ARD-„Weltspiegel“, daß auch deutsche Kfor-Soldaten regelmäßig Kinderbordelle besuchen. Das Verteidungsministerium erklärte dazu, das Problem sei durchaus bewußt und deutsche Soldaten dürften nur zu dritt und bis maximal 23 Uhr ausgehen. Die Kfor habe jedoch "keinerlei Befugnisse, gegen mögliche illegale Aktivitäten im zivilen Bereich vorzugehen oder dort Ermittlungen anzustellen".