Umfassende Chronik der Finanzkrise – Teil III: 2010 bis 2012
Diese Chronik ist die wohl umfassendste Chronik zur Finanzkrise, die überhaupt existiert - natürlich mit Quellenangaben!
Teil I (vor 2007) | Teil II (2007-2009).
2010, 1. Quartal
03.01. – USA: Fed-Chef Bernanke auf der Jahresversammlung der American Economic Association in Atlanta, „Monetary Policy and the Housing Bubble“: “Monetary policy is also a blunt tool, and interest rate increases in 2003 or 2004 sufficient to constrain the bubble could have seriously weakened the economy at just the time when the recovery from the previous recession was becoming established. [...] Clearly, we still have much to learn about how best to make monetary policy and to meet threats to financial stability in this new era.” [o].
06.01. – EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark: „Wer glaubt, dass die EU-Mitgliedsländer am Ende doch in den Geldbeutel greifen, um Griechenland zu retten, der täuscht sich.“ [o]. Als Staatssekretär war er einer der wesentlichen Initiatoren des EU-Stabilitätspaktes [o].
13.01. – USA: Die im Mai 2009 eingesetzte Untersuchungskommission zur Finanzkrise FCIC beginnt ihre Arbeit mit einer zweitätigen Anhörung der Top-Manager [o]. – Entwurf für ein Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung. BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde [o].
19.01. – JAP: Japan Airlines (17,8 Mrd € Schulden) meldet Insolvenz an [o o].
21.01. – USA: Obama’s Remarks on Financial Reform nach einem Treffen mit Paul Volcker und Bill Donaldson. Obama: „Nie mehr darf der US-Steuerzahler Geisel einer Bank sein“. „Never again will the American taxpayer be held hostage by a bank that is too big to fail. [...] But what we’ve seen so far in recent weeks is an army of industry lobbyists from Wall Street descending on Capitol Hill to try and block basic and common-sense rules of the road that would protect our economy and the American people. So if these folks want a fight, it’s a fight I’m ready to have.” [o o].
Volcker-Regel: Verbot des Eigenhandels, d.h. Trennung zwischen Commercial Banking und Investmentbanking (Eigenhandel); keine Investitionen in Hedgefonds und PEG; größen-proportionale Eigenkapitalvorschriften [o]. Strafsteuer von 117 Mrd $ für die Bankenrettung. Unterdessen schütteten allein die größten US-Finanzkonzerne geschätzte 145 Mrd $ an ihre Mitarbeiter aus [o o]. Auch die Deutsche Bank in den USA hat 2009 wieder kräftig mit Eigenhandel verdient, die Erträge im Aktienhandel stiegen in Q1-3 um 46% auf 2,1 Mrd €, davon der Großteil aus Eigenhandel [o]. Aber: Eigen- und Kundenhandel verschwimmen oft; Lehman war eine reine Investmentbank; IKB und HRE waren klein, aber sehr vernetzt. Geschäftsbanken dürften Investmentbanken auch keine Kredite mehr geben dürfen [o]. – Schäuble hält die Idee einer Strafsteuer für „charmant“ [o]. GB: Ein Regierungssprecher: Wenn Einzelheiten bekannt würden, werde sich Großbritannien damit beschäftigen. Jedes Land müsse aber eigene Wege finden, um auf seine Herausforderungen zu reagieren. FR: Ministerin Lagarde: „Ich denke, es ist ein sehr, sehr guter Schritt nach vorn. [...] Ich freue mich, dass der Präsident der Vereinigten Staaten uns folgt.“ EU-Währungskommissar Almunia: Der Vorstoß von Obama sei mehr als angebracht, aber in der Europäischen Union nicht nötig [o].
28.01. – USA: Der Senat stimmt einer zweiten Amtszeit von Fed-Chef Ben Bernanke zu [o o].
Ende Jan – ES: Mit Haushaltskürzungen von 50 Mrd € und Steuererhöhungen soll das Haushaltsdefizit 2011 auf 6% und 2013 auf 3% gedrückt werden [o].
02.02. – GR: Westerwelle soll Griechenland trotz Finanznot zum Kauf des Eurofighters gedrängt haben [o]. – Der Film Inside Job [o o] hat in Belgien Premiere. Im Mai wird er in Cannes gezeigt und erhält 2011 den Oskar für den besten Dokumentarfilm.
03.02. – GR: Die EU-Kommission stellt den griechischen Haushalt unter EU-Kontrolle; Athen muss 2-3 Monate über Einsparungserfolge berichten, bis 2012 die Neuverschuldung unter 3% des BIP drücken [o o].
11.02. – GR: Ein Sondergipfel in Brüssel fordert Papandreou zu drastischer Sparpolitik auf. Die EU garantiert Griechenland politische Unterstützung, aber noch kein Hilfspaket [o].
12.02. – GR: FTD schreibt: „Es wäre gar nicht so weit gekommen wie jetzt, hätten Angela Merkel und ihre Freunde schon im Herbst klargemacht, daß sie von der griechischen Regierung zwar einen vernünftigen Abbau des Staatsdefizits einfordern, sich ansonsten aber jedem Versuch entgegenstellen, das Land in den Ruin zu spekulieren.“ [o]. – Nach einem Gespräch mit Sarkozy gibt Vizeverteidigungsminister Beglitis bekannt, man werde sechs Fregatten kaufen, ein Vertrag der Vorgängerregierung (s.a. 07.05.) [o].
13.02. – GR: Die New York Times berichtet über die griechische Staatsschul-Verschleierung durch Goldman Sachs und JP Morgan (siehe 2001/02) [o o].
19.02. – USA: Die Fed verteuert Notkredite erstmals von 0,5 auf 0,75%.
23.02. – USA: Die FDIC nennt mittlerweile 702 „distressed banks“ – jede elfte der 8.000 US-Banken, die höchste Zahl seit September 1993 (Feb 2008: 171, Aug 2008: 416 o) – und meldet 20,9 Mrd $ Quartalsverlust [o].
28.02. – Die Nachfrage für iTraxx Index-CDS stieg von 52,9 (Jan) auf 109,3 Mrd $, allein bezüglich griechischer Schulden auf 85 Mrd $ (Vorjahr: 38 Mrd $); die größte Nachfrage kommt von Großbanken wie Credit Suisse, UBS, Société Générale, BNP Paribas, Deutsche Bank [o o]. – Die britische Finanzaufsicht schätzt allerdings den Anteil der Spekulationsgeschäfte (Leerverkäufe) auf nur 3-4% der insgesamt ausstehenden CDS auf griechische Staatsanleihen [o], und laut BIZ-Statistik sind nur 2% der griechischen Staatsanleihen CDS-gesichert [o]. Der Anleihen-Handel stagniert wegen des Risikos bzw. mangelnder Nachfrage [o o].
03.03. – GR: Die Regierung kündigt zusätzliche Sparmaßnahmen von 4,8 Mrd € (rund 2% des BIP) an [o]. – USA: Das Justizministerium eröffnet ein Verfahren gegen vier Hedge-Funds (SAC, Greenlight, Soros, Paulson) wegen des Verdachts der Absprache (Kollusion) zur Spekulation gegen den Euro. Fed und Börsenaufsicht ermitteln gegen Goldman Sachs und weitere Banken, ob sie Griechenland zunächst halfen, seine Finanzlage zu schönen, um später mittels CDS auf die Zahlungsfähigkeit zu wetten. Bisher führten solche Verfahren ins Leere [o].
05.03. – GR: Das Parlament verabschiedet ein Sparprogramm, u.a. Erhöhung von Mehrwertsteuer und Verbrauchssteuern, Einfrieren der Renten, Kürzung der Beamtenbezüge. Es folgen landesweite Proteste [o].
07.03. – IS: Eine Volksabstimmung wendet sich mit 93,3% gegen Schuldenrückzahlung an GB und NL [o].
09.03. – USA: Greenspan-Studie „The Crisis“ [o]. Am 25.3. bezeichnet James Galbraith die Studie als „Müll“ (garbage). Greenspan stellt es so hin, als hätte er schon Jahre vor der Krise gewarnt und als hätte man nichts tun können [o].
13.03. – USA: Der 2.200-seitige Valukas-Report zum Zusammenbruch und den Bilanzmanipulationen von Lehman Brothers wird veröffentlicht [o o].
16.03. – Die EU-Finanzminister begrüßen Griechenlands Maßnahmen und fordern weitere Anstrengungen, auch bei strukturellen Reformen [o]. – Ratingagentur Moody’s droht Großbritannien mit Herabstufung, das Defizit enstpricht mit 12,6% dem Griechenlands, Spekulanten wetten auf eine weitere Abwertung des Pfund [o].
19.03. – EZB-Chef Trichet fordert auf einer Konferenz der EU-Kommission einen gläsernen Derivate-Markt: „Bestimmte Finanzinstrumente, die wegen ihrer positiven Wirkungen bei der Risikoabsicherung geschaffen wurden, dürfen nicht spekulativ missbraucht werden.“ [o].
20.03. – USA: Im US-Senat können sich die Senatoren Jack Reed und Judd Gregg zunächst nicht auf die Ausnahmen für eine Börsenregulierung des OTC-Derivatehandels (450.000 Mrd $) einigen [o]. – IS: Der Vulkan Eyjafjallajökull bricht aus, die Eruptionen dauern bis Ende Juni [o]. Ein Radarbild wird „Fratze des Todes“ genannt [o].
21.03. – Laut Börsenblatt „investieren die Finanzakteure in [griechische] Staatsschulden, weil hier die Rendite höher ist und vergeben weniger Kredite an Unternehmen“ [o].
24.03. – PT: Fitch stuft Portugal von AA auf AA- herab. Das BIP sank 2009 um 3,7%, die Staatsverschuldung stieg 2008-09 von 66,3% auf 77,4%, das Haushaltsdefizit von 2,7 auf 8,0% des BIP [o]. – Albert Edwards, Chefstratege der Société Générale: „Ich glaube, dass im Grunde alle Regierungen pleite sind. [...] Ob man nun auf einen strengen Sparkurs setzt oder nicht, macht eigentlich keinen Unterschied mehr. [...] Ich rechne damit, dass wir in zehn Jahren zweistellige Inflationsraten sehen werden.“ [o]. – Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie. Regelungen für Verbriefungen, verschärfte Offenlegung; Änderung der Großkreditvorschriften zur besseren Erfassung von Konzentrationsrisiken; verstärkte Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden [o].
25.03. – GR: Der Europäische Rat beschließt, Griechenland „im äußersten Notfall“ (für die Eurostabilität) mit bilateralen Krediten zu helfen [o]. – EZB-Chef Trichet wird auch über 2010 hinaus Staatsanleihen mit schwächerem Rating als A- als Sicherheiten akzeptieren [o]. – HU: Ungarische Staatsanleihen werden auf BBB herabgestuft.
26.03. – Sarkozy und Brown lehnen Merkels Idee des Ausschlusses chronischer Schuldner aus der Euro-Zone ganz klar ab [o]. – PT: Das Parlament genehmigt das Sparprogramm [o].
27.03. – USA: Greenspan sagt im Interview (zit. Bloomberg): that the rise in house prices was fed by low long-term interest rates on Treasury securities and home loans that stayed down even as the Fed began tightening credit in 2004. “For decades, every time the Fed raised its short-term rates, the 10-year note, which is really a proxy for mortgage rates, the yield went up with it. This time it did not.” Eine “global savings glut” durch China, Russland u.a. tribe die Immobilienpreise weltweit nach oben. “We all misjudged the risks involved. Everybody missed it – academia, the Federal Reserve, all regulators.” Die Lösung liegt in mehr Eigenkapital: “I think we’re making this issue much too complex. If you have adequate capital requirements, it almost doesn’t matter what else you do with regulation.” [o].
29.03. – GR: Griechenland beauftragt sechs Banken, eine neue siebenjährige Staatsanleihe auszugeben [o].
31.03. – USA: Der Hightech-Trader Getco verpflichtet das ehemalige Fed-Vorstandsmitglied Randall Kroszner als Berater [o]. – Das Kabinett beschließt eine Bankenabgabe für alle Finanzdienstleister; Höhe je nach Systemrisiko und Bilanzsumme, Zinssatz von ca. 0,15% ist angedacht. Die Erträge sollen in einen Stabilitätsfonds fließen, vermutet werden zunächst 1,2 Mrd € pro Jahr [o o]. Da aber der Abschluss nach HGB und nicht IFRS zugrundegelegt wird, muss z.B. die Deutsche Bank nur 73 statt 500 Mio € einzahlen [o].
2010, 2. Quartal
05.04. – USA: Artikel „The Great American Bubble Machine“ von Matt Taibbi in “Rolling Stone”: Goldman Sachs soll institutionelle Investoren überzeugt haben, in Öl-Futures zu investieren. 2003-08 stiegen Rohstoff-Spekulationen von 13 Mrd $ auf 317 Mrd $ (+2.300%). 2008 wurde ein Barrel Öl vor dem Konsum 27x gehandelt. Der Ölpreis stieg Mitte 2007 bis Mitte 2008 von 60$ auf 147$ [o].
11.04. – GR: Die Eurogruppe einigt sich auf ein dreijähriges 110 Mrd €-Hilfspaket für Griechenland (EU 80, IWF 30; 2010 45 Mrd €; deutscher Gesamtanteil rd. 22,4 Mrd €). Die Zinsen betragen rund 6-7% (Euribor-Zinssatz + 3% + 0,5% Bearbeitungsaufschlag) [o o].
12.04. – USA: Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss [„Kabarett der Krokodilstränen“ o]. Robert Rubin, Ex-Vorstand-Berater der Citigroup gibt zu, dass einige schlaue Investoren die Krise kommen sahen (d.h. sonst niemand) [o]. „Wir alle tragen Verantwortung, und ich bedauere das sehr.“ Ex-Citigroup-CEO Prince: „Es tut mir leid, dass unsere Managementteams, allen voran ich, den beispiellosen Marktkollaps, der uns bevorstand, wie so viele andere nicht sehen konnten.“ [o]. – IS: Auf über 8.000 Seiten dokumentiert eine parlamentarische Untersuchungskommission, wie es 2008 zum Bankrott der grössten Banken Islands kommen konnte [o o].
14.04. – USA: JPMorgan Chase-CEO Jamie Dimon schätzt bei einem Börsenhandel der OTC-Derivate Verluste der Bank von „$700 million to a couple billion dollars.“ [o].
15.04. – EU-Währungskommissar Olli Rehn fordert eine „Ausweitung der haushaltspolitischen Überwachung“ der EU-Mitgliedsstaaten [o]. Die Haushaltspolitik soll sich künftig nach europäischen Vorgaben richten, die Euro-Gruppe wie ein europäischer Finanzplanungsrat funktionieren [o]. Die Regierungen sollen ihre Haushaltsentwürfe noch vor Einschaltung der nationalen Parlamente an die EU-Kommission schicken, die die Einhaltung der EU-Regeln prüfen werde [o]. (Ähnliche Forderungen zur Koordination der nationalen Budgetpläne hatte Rehns Vorgänger Almunia mehrfach erfolglos erhoben). Jean-Claude Juncker (LX, Vorsitzender der Euro-Gruppe) beschwichtigt: „Wir nehmen den Parlamenten nichts weg.“ Es gehe um einen engeren Informationsaustausch. „Dass wir dann einem Land auch einmal vorab einen Ratschlag geben, wird sicher nicht schaden.“ [o]. Lothar Bisky (Linke): „Eine Koordination der Haushalte ohne eine Koordination der Wirtschaftspolitik wird die Probleme der disproportionalen Wirtschaftsentwicklung in der EU nicht lösen und birgt die Gefahr neuer sozialer Ungerechtigkeiten. Herr Rehn sollte die Möglichkeiten von Artikel 136 der EU-Verträge dann auch ganz ausschöpfen.“ [o].
16.04. – USA: Die SEC erhebt Betrugsklage [o o] gegen Goldman Sachs und Fabrice Tourre (31, Vizepräsident, Exekutivdirektor in London) wegen Unterschlagung wichtiger Informationen zur CDO „ABACUS 2007-AC1“. Es wurde „anderen Investoren versichert, dass diese Kreditprodukte von einer unabhängigen, objektiven dritten Partei ausgewählt worden seien.“, obwohl einer der weltgrößten Hedgefonds Paulson & Co. das Portfolio beeinflusste und zugleich auf den Absturz wettete [o]. Goldman habe die Anleger um über 1 Mrd $ betrogen. Goldmans Aktie stürzt um bis zu 13% [o]. 2004-08 machte Goldman 25 ABACUS-Deals von 10,9 Mrd $, sieben gingen an AIG [o].
17.04. – USA: Ex-Präsident Clinton im Interview: „Now, on derivatives, yeah I think they were wrong and I think I was wrong to take it because the argument on derivatives was that these things are expensive and sophisticated and only a handful of investors will buy them and they don’t need any extra protection, and any extra transparency. [...] Now, I think if I had tried to regulate them because the Republicans were the majority in the Congress, they would have stopped it. But I wish I should have been caught trying. I mean, that was a mistake I made.” [o].
20.04. – USA: Goldman Sachs meldet 3,46 Mrd $, Citigroup 4,4 Mrd $ Quartalsgewinn [o]. – Die Deutsche Bank ernennt Pius Sprenger als Chef für den CDO-Handel [o]. Greg Lippmann wechselt zum neuen Hedgefond „Libre Max“ [o].
21.04. – IWF: Die Kosten direkter Hilfen betragen im Mittel 2,7% des BIP der advanced G-20 countries. Deren Staatsschulden werden 2008-15, v.a. wegen der Krise, um fast 40% wachsen [o]. – USA: Goldman Sachs holt beim Analystentreffen Greg Palm zu Hilfe, Executive Vice President, General Counsel und Co-Chef der Rechtsabteilung. „Wir würden nie jemanden vorsätzlich hintergehen, ganz sicher nicht unsere Klienten oder Gegenparteien. Wir hatten sicher keinen Anreiz, eine Transaktion zu konstruieren, die darauf abzielte, Geld zu verlieren.“ Auch Goldman verlor im ABACUS-Geschäft über 100 Mio $ [o].
22.04. – Eurostat veröffentlicht Defizite der Mitgliedstaaten, Griechenland wird für 2009 auf 13,6% des BIP nach oben revidiert, was zu weiter steigenden Risikoaufschlägen führt [o]. – DE: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Bankenregulierung nach dem Verursacherprinzip“ [o]. – USA: Obama in einer Rede an einem College nahe der Wall Street: „Wir müssen unsere Lehren aus dieser Krise ziehen, sonst verdammen wir uns selbst zu einer Wiederholung. Und genau das wird passieren, wenn wir diesen Moment verstreichen lassen.“ „Ein freier Markt war nie als Freibrief dafür gedacht, zu nehmen, was man kriegen kann, egal wie“ [o].
23.04. – GR: Griechenland beantragt das Hilfsprogramm. Papandreou sagt, die Hoffnung, die internationalen Märkte würden positiv auf das griechische Sparprogramm und den Hilfsplan der EU reagieren, habe sich nicht erfüllt. Griechenland laufe Gefahr, dass wegen der Spekulanten alle Sparanstrengungen zunichtegemacht werden; aus diesem Grund sei man gezwungen, jetzt schon zu handeln [o o]. Nach Veröffentlichungen der Tageszeitung Eleftheros Typos beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft mit der Tatsache, dass kurz nach dem Regierungswechsel die Bank of Greece mit einer großzügigen Fristverlängerung für Short-Seller (erst Anfang April wieder abgeschafft) der Finanzspekulation Tür und Tor öffnete [o]. – USA: Senator Levin vor dem Untersuchungsausschuss: Von den 2007 (2006) emittierten AAA Subprime RMBS haben 91% (93%) nur noch Junkstatus [o].
24.04. – USA: „New York Times“, “Goldman Cited ‘Serious’ Profits On Mortgages”: „In late 2007, as the mortgage crisis gained momentum and many banks were suffering losses, Goldman Sachs executives traded e-mail messages saying that they would make “some serious money” betting against the housing markets. [...] In the messages, Lloyd C. Blankfein, the bank’s chief executive, acknowledged in November 2007 that the firm had lost money initially. But it later recovered by making negative bets, known as short positions, to profit as housing prices plummeted. “Of course we didn’t dodge the mortgage mess,” he wrote. “We lost money, then made more than we lost because of shorts.” He added, “It’s not over, so who knows how it will turn out ultimately.” | In another message, dated July 25, 2007, David A. Viniar, Goldman’s chief financial officer, reacted to figures that said the company had made a $51 million profit from bets that housing securities would drop in value. “Tells you what might be happening to people who don’t have the big short,” he wrote to Gary D. Cohn, now Goldman’s president [o o].
26.04. – Beim Finanzgipfel der G20 in Washington befürworten USA, GB, F, D und IWF-Chef Strauss-Kahn eine Bankenabgabe, die Mehrheit der weniger von der Krise getroffenen Länder ist jedoch dagegen [o]. – Ein Zwischenbericht des IWF spricht sich für eine Finanzstabilitätsbeitrages (Financial Stability Contribution, „Bankenabgabe“) und eine Finanzaktivitätssteuer (Financial Activity Tax) auf Gewinne und Vergütungen von Finanzinstitutionen aus [o]. – GR: Rekord-Risikoaufschläge: Rendite für zweijährige Anleihen steigt übers Wochenende von 11% auf 13%, Aufschlag für 10j. Anleihen 663 Basispunkte (bedenklich auch PT: 224, IT, ES je über 100) [o].
27.04. – GR: Griechenland wird im Rating auf BB+ herabgestuft (Schrottwert) [o]. – PT: Portugal fällt von A+ auf A-. Ein massives Sparprogramm der Regierung wird von Protesten und Streiks begleitet [o]. – ES: In Spanien steigt die Arbeitslosigkeit auf über 20% [o].
28.04. – ES: S&P stuft Spanien von AA+ auf AA herab [o].
30.04. – HRE erhält weitere 1,85 Mrd €, damit bisher insgesamt 7,85 von angemeldeten 10 Mrd € [o]. – USA: Laut National Association of Realtors sind die Median-Immobilienpreise (April: 173.000 $) seit Juli 2006 um 25% gefallen [o].
Anf. Mai: Anzeichen einer akut bevorstehenden systemischen Krise: Risikoaufschläge für Staatsanleihen insb. von Portugal, Irland und Spanien steigen rapide und erreichen das Niveau Griechenlands. Auch europäische Banken leihen sich kaum mehr untereinander Geld [o].
02.05. – GR: IWF, EZB und EU-Kommission einigen sich mit Griechenland auf ein 30 Mrd €-Sparpaket. Die Kernpunkte: Senkung des Defizits von 13,6% (2009) um 5%, 4%, 2%, 2%. Mehrwertsteuer auf 23% (schon im März von 19% auf 21%). Steuern auf Treibstoff, Tabak und Alkohol +10%. Vermögensabgaben, Einmalsteuer für besonders rentable Unternehmen. Beamtenpensionen sinken, Einmalzahlungen werden gekappt, Beihilfen für den öffentlichen Dienst um 8% (schon zuvor um 12%) u.a. [o o o]. Die Binnennachfrage sinkt dadurch um rund 20% [o].
03.05. – GR: Die EZB akzeptiert griechische Staatsanleihen unabhängig vom Rating [o]. – DE: Die Regierung beschließt Griechenlandhilfe (KfW-Kredite von ca. 22,4 Mrd € bis Ende 2012). Merkel sagt, als Lehre aus der Situation müsse Spekulanten das Handwerk gelegt und eine europäische Rating-Agentur aufgebaut werden. Westerwelle: „Wir bekämpfen ein Feuer, das in Griechenland entstanden ist, damit es nicht übergreift auf Europa und unsere Währung.“ [o]. – Der „Spiegel“ berichtet über einen von einem US-Senatskomitee herausgegebenen E-Mail-Verkehr von S&P. Da ist z.B. die Rede davon, die Bewertung von Subprime-Papieren ein wenig „zu massieren“, um den Marktanteil zu sichern. Nobelpreisträger Paul Krugman: „Ein zutiefst korruptes System“ [o].
05.05. – GR: Bei Protesten sterben in Athen drei Menschen durch einen Brandsatz in einer Bankfiliale [o].
06.05. – USA: Dow Jones „flash crash“. Der Index fällt innerhalb von 15 Minuten um fast 1.000 Punkte, um sich dann ebensoschnell wieder zu erholen, die Gründe bleiben zunächst unklar [o]. Am 30.9. veröffentlichen CFTC und SEC einen 104-seitigen Bericht [o o]. Demnach verkaufte ein Marktteilnehmer (nach internen Papieren der Investmentfonds Waddell & Reed Financial) ein 4,1 Mrd $-Volumen von 75.000 E-Mini-Kontrakten, bei denen auf den S&P 500 spekuliert wird. Der Fall des Dow Jones führte zu einer Verkaufswelle. Nach Angaben der Beratungsgesellschaft Tabb Group machen Computertrader in den USA schon über 70% des täglichen Handelsvolumens aus (2006 weniger als ein Drittel), in Europa 30-50% [o]. „At 2:45:28 p.m., trading on the E-Mini was paused for five seconds when the Chicago Mercantile Exchange ('CME') Stop Logic Functionality was triggered in order to prevent a cascade of further price declines. In that short period of time, sell-side pressure in the E-Mini was partly alleviated and buy-side interest increased. When trading resumed at 2:45:33 p.m., prices stabilized and shortly thereafter, the E-Mini began to recover.” [o]. Der Datendienstleister Nanex hält diese Erklärung für unmöglich [o o], führt weitere Forschungen durch [o] und gibt am 14.10. die Erklärung: Die Käufer verursachten das Chaos [o]. Die untersuchten Börsendaten umfassen 10.000 Gigabyte, über 2.000 DVDs [o]. – GR: Das Parlament stimmt dem Sparpaket zu [o]. – IS: Verhaftung des ehemaligen Kaupthing-Chefs Hreidar Mar Sigurdsson [o].
07.05. – Bundestag und Bundesrat verabschieden das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz. Die Linksfraktion: „Rettung der Griechenland-Spekulanten“ [o]. – Daniel Cohn-Bendit auf Spiegel online: „Wir sagen, die Griechen sollen sparen, aber sowohl die französische wie die deutsche Regierung fordern, dass die Verträge mit der Vorgängerregierung über Waffenkäufe nicht angetastet werden. Die Franzosen haben denen Fregatten für zweieinhalb Milliarden Euro verkauft [s.a. 12.02. o], dazu Helikopter und Flugzeuge. Die Deutschen haben U-Boote im Wert von einer Milliarde in Griechenland abgesetzt. In den letzten drei Monaten sind Rüstungsgüter für mehrere Milliarden Euro an Griechenland verkauft worden. ... Die griechische Regierung hat gebeten, die Rüstungskäufe zu verschieben, zu strecken. Und da haben die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident gesagt: Nein! ... Die haben Papandreou knallhart gesagt: Du bekommst Hilfe, ja, aber die Verträge über die militärischen Beschaffungen müssen eingehalten werden.“ [o o]. Ein ausführlicher Artikel des Wall Street Journal vom 10.07.10 beschreibt, wie im März über zwei U-Boote für 1,3 Mrd € verhandelt wurde [o]. Siehe auch [o]. Die Neue Rheinische Zeitung weist auf frühere Schmiergeldzahlungen über 83 Mio € allein durch die Ex-Mannesmann-Tochter Ferrostaal hin [o]. Rügemer verweist auf weitere Bestechungen durch Siemens [o o]. Bis 2002 war Bestechung im Ausland nicht nur zulässig, sondern sogar steuerlich abzugsfähig, also „unternehmenspolitische Realpolitik“ [o].
08.05. – EU und IWF beschließen einen provisorischen Stabilisierungsmechanismus (Euro-Rettungsschirm, 750 Milliarden Euro) auf einer nächtlichen Sondersitzung des Europäischen Rates [o o o]. 440 Mrd € Euro-Mitglieder = EFSF, siehe unten (DE gemäß EZB-Kapitalanteil rund 28% bzw. 123,2 Mrd €), 60 Mrd € EU-Kommission = Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus EFSM, 250 Mrd € IWF [o]. Die EZB kündigt an, notfalls Staatsanleihen der Euro-Länder aufzukaufen; bisher sträubte sie sich dagegen, da dies die Inflation fördern kann [o]. FTD-Artikel „Der Kriegsrat“ [o]. Kommissionspräsident Barroso: „Die europäischen Institutionen [...] werden den Euro um jeden Preis verteidigen“ [o]. Sarkozy: „Wir werden die Spekulation ohne Gnade bekämpfen“, man habe sich für die „absolute Generalmobilmachung entschieden“ [o]. Merkel sagt, es gebe „an den Märkten Spekulationen gegen den Euro als Ganzes“, es gehe darum, „für die Bürger das Geld zu sichern“ [o]. Das Milliardenpaket führt zu den größten Börsenanstiegen seit über einem Jahr [o]. – Art. 122 AEU-Vertrag lautet: „Ist ein Mitgliedstaat aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaat unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren.“ [o]. – Pressekonferenz mit IWF-Vizechef John Lipsky [o].
11.05. – Die Euro-Euphorie verpufft, der Kurs fällt erneut [o]. – US-Vizepräsident Biden wirbt in Brüssel für die Stabilisierung des Euro. Auch Obama und Geithner drängten bei Merkel „auf entschlossene Schritte, um an den Märkten Vertrauen zu schaffen“ [o].
12.05. – Ackermann weist Vorwürfe des ehem. IKB-Chef Ortseifen zurück, das Kappen der Handelslinie der Deutschen Bank hätte die IKB ins Verderben gestürzt; es habe klare Hinweise auf die Schieflage gegeben [o].
12.05. – GR: Griechenland erhält vom IWF die ersten 5,5 Mrd €. – ES: Spanien kündigt ein 15 Mrd €-Sparprogramm an: Im öffentlichen Dienst 13.000 Stellenstreichungen und 5% Lohnkürzung [o].
18.05. Die EU-Finanzminister beschließen einheitliche Regeln für Hedgefonds: Meldepflicht, Offenlegung der Anlagestrategie, Fremdfinanzierungs-Grenzen, Verbot von Leerverkäufen. Auch gegen den Widerstand Londons (Sitz von 80% der europ. HF), das den Prozess seit April 2009 blockierte. Unter Mithilfe Schwedens wurde die Richtlinie erheblich verwässert, Schuldenobergrenzen und eine EU-Residenzpflicht für Fondsmanager gestrichen [o o]. Vorsitzender Jean-Claude Juncker will notfalls auch im Europa-Alleingang eine Finanztransaktionssteuer: „Es wird so sein, dass diejenigen auch bezahlen müssen, die nicht unschuldig sind an dem Schlamassel, in dem wir alle stecken.“ [o]. – BaFin-Verbot bezüglich Leerverkäufe von Aktien von zehn Finanzinstituten, von Schuldtiteln und CDS auf Verbindlichkeiten von Euro-Staaten [o]. Kritik aus USA und Japan, das Verbot habe erhebliche Auswirkungen auf die Aktienmärkte gehabt und Japans Exporte über eine Yen-Aufwertung negativ getroffen [o]. – GR: Die Euroländer überweisen ihre erste Tranche von 14,5 Mrd € (DE: 4,4 Mrd) [o]. – Der Euro fällt weiter auf 1,21 zum Dollar.
19.05. – GR: Eine griechische Anleihe von 8,5 Mrd € wird fällig [o].
20.05. – Internationale Finanzmarktkonferenz in Berlin. Merkel wirbt für Finanztransaktionssteuer und Bankenabgabe, aber Kanada (G20-Gipfel im Juni) und andere Länder lehnen dies ab [o]. Bisher war Merkel gegen eine Steuer und begründete dies mit fehlender internationaler Unterstützung [o]. – GR: Ein weiterer Generalstreik gegen das Sparprogramm legt das öffentliche Leben lahm. – ifo-Chef Hans-Werner Sinn übt scharfe Kritik am Euro-Rettungsschirm [o].
21.05. – Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus verabschiedet, Deutschland beteiligt sich mit Garantien von bis zu 123 Mrd € [o o]. – Positionspapier „Der Euro brennt“ von Michael Schlecht, Chefökonom der LINKE und ehemaliger Chefredakteur des Handesblattes [o o].
25.05. – ES: Spanien hat die der Kirche gehörende Sparkasse CajaSur verstaatlicht [o].
26.05. – EU-Kommissar für Finanzmarktregulierung Barnier legt einen Plan für EU-weite Bankenabgabe vor; nach IWF-Vorschlag 2-4% des BIP (für 27 EU-Staaten 250-500 Mrd €) [o].
27.05. – Laut Joaquín Almunia, Vizepräsident der EU-Kommission, erhielten die Banken seit Oktober 2008 4.131 Mrd € Staatshilfen, davon 3.149 Mrd € als staatliche Garantien, von letzteren nahmen sie 994 Mrd € in Anspruch [o]. – ES: Das Parlament verabschiedet bis 2011 weitere 15 Mrd € Einsparungen (also 65 Mrd) [o].
28.05. – ES: Fitch stuft Spanien von AAA auf AA+ herab [o].
Ende Mai – ITA: Sparpaket von 24 Mrd € in zwei Jahren [o]. Die Staatsverschuldung war 2004 mit 106% des BIP die höchste der EU, 2009 betrug sie 114,6% bzw. 1.757 Mrd € [o]. – USA: Elizabeth Warren, Leiterin des Congressional Oversight Panel, sagt bei einer Anhörung, bei der AIG-Rettung habe die Regierung alle Regeln gebrochen, AIG sei ein „corporate Frankenstein“. In einer normalen Restrukturierung “[shareholders] should have lost everything, and its creditors should have taken substantial losses.” [o].
Juni – Die Bundesregierung setzt ein Expertengremium zur Ermittlung von „Strategien für den Ausstieg des Bundes aus krisenbedingten Beteiligungen an Banken“ ein [o].
02.06. – Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte [o].
03.06. – Seit 10.5. kaufte die EZB Staatsanleihen für rd. 40 Mrd €, v.a. aus Griechenland (über 20 Mrd), Irland und Portugal, deren Risikoaufschläge sich dadurch weniger schlecht entwickeln als die Spaniens und Italiens [o]; bis Dezember insgesamt 72 Mrd € [o].
04.06. – HU: Die neue Regierung teilt mit, Ungarns Haushaltsdefizit könnte 2010 auf 7,5% steigen, doppelt so viel wie bisher angenommen [o].
06.06. – USA: Der Congressional Oversight Panel für das TARP-Programm kritisiert die Hilfe für AIG scharf: „The government’s actions in rescuing AIG continue to have a poisonous effect on the marketplace.“ [o].
07.06. – Gründung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF [o o o o] (European Financial Stability Facility, „Euro-Rettungsschirm“) als AG mit Sitz in Luxemburg. Im Krisenfall kann die EFSF Kredite bis zu 440 Mrd € aufnehmen, indem sie Anleihen begibt, für die die Euro-Mitgliedstaaten haften. Jeder Hilfe muss ein einstimmiger Beschluss des Direktoriums vorangehen [o]. Geschäftsführer wurde am 1.7. Klaus Regling (2001-08 Leiter der GD Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission) [o o].
10.06. – USA: Die SEC beendet ihre Prüfung von AIG und ihren Managern, das Justizministerium schon im Mai, es werden keine Anklagen erhoben [o]. – Für einige Aktien gibt es in den USA analog der Frankfurter Börse „Notbremsen“, wenn ein Preiskorridor verlassen wird [o].
11.06. – USA: Der Hochfrequenz-Trader Getco verpflichtet Elizabeth King, Ex-Direktorin der SEC trading and markets division [o], die SEC leitet Ermittlungen ein [o].
18.06. – Hans-Werner Sinn und drei andere Ökonomen formulieren „Zehn Regeln zur Rettung des Euro“, insbesondere ein Insolvenzverfahren und schuldenquoten-abhängige Defizitgrenze [o].
24.06. – USA: Der Eigenhandel soll doch nicht ganz verboten werden. Nach einem Kompromissvorschlag dürfen Banken künftig auch bis 2% Kernkapital in Hedgefonds und Private-Equity-Firmen investieren. Gestrichen wurde ein 150 Mrd $ Fonds der Industrie zur Abwicklung pleitegefährdeter Institute; die Kosten sollen durch Verkauf der betroffenen Vermögenswerte (und ggf. Sonderabgabe) gedeckt werden. Die Abtrennung des Swap-Handels bleibt umstritten [o].
28.06. – G-20-Gipfel in Kanada: Halbierung der Staatsdefizite bis 2013 und Schuldenabbau ab 2016 [o].
29.06. – USA: Um 13 Uhr verliert die Citigroup-Aktie nach Panikverkäufen 17%. Ein Verkäufer soll mit einer besonders großen, später stornierten Order eine Kettenreaktion ausgelöst haben; der Handel wird fünf Minuten ausgesetzt [o].
30.06. – USA: US-Banken halten Derivate im Nominalwert von 223.400 Mrd $, 84% Zinsprodukte, 6% bzw. 13.900 Mrd $ Kreditderivate [o].
31.06. – Die Demokraten ziehen im Ringen um das Bankenregulierungsgesetz die Bankenabgabe zurück. Obama hatte sie im Januar als Financial Crisis Responsibility Fee für Banken und Versicherungen mit Bilanzsumme über 50 Mrd $ vorgeschlagen [o].
2010, 3. und 4. Quartal
Ab Sommer bildet sich eine neue Spekulationsblase auf dem Nahrungsmittelmarkt.
07.07. – Vier Professoren, die 1998 bereits gegen den Euro klagten (Schachtschneider, Starbatty, Hankel, Nölling), erheben Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm, u.a. da er gegen das Haftungsverbot für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten in Art. 125 AEUV verstößt [o o]. – Eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) spricht von einer verhängnisvollen „Schuldenmechanik“ im Euro-Raum. Ärmere Länder hätten mit Eintritt in die Währungsunion eine längere Phase negativer Realzinsen durchlaufen, was zusammen mit kurzfristiger Klientelpolitik zur Verschuldung geführt habe; die Südeuropäer müssten aus eigener ihre Haushalte konsolidieren und eine moderate Lohnpolitik betreiben [o].
09.07. – Der Bundesrat stimmt dem Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte zu [o], Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Aktien und Schuldtiteln von Euro-Staaten; von CDS auf Verbindlichkeiten von EU-Mitgliedstaaten ohne eigenen Absicherungszweck [o o o].
13.07. – GR: Die Regierung versteigert erfolgreich 6-monatige Zinspapiere, zahlt durchschnitlich 4,65% und nimmt 1,625 Mrd € ein [o].
15.07. – USA: Obamas Bankenregulierungsgesetz (Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act) wird nach Streichung der Bankenabgabe (19 Mrd $) vom Senat verabschiedet. Insolvenzverfahren und „Sterbepläne“, strenge Kontrolle des Derivate-Handels mit Clearingstelle, größere Transparenz und Haftung für Hedgefonds und Hypothekenhändler, Konsumentenschutzbüro innerhalb der Fed (Bureau of Consumer Financial Protection), Financial Stability Oversight Council [o] zur Identifizierung von Systemrisiken [o o o].
16.07. – USA: Der Spekulant Anthony Ward kauft für 1 Mrd $ 7% der Weltkakaoernte (241.000 t), der Preis steigt um 25% auf einen 30-Jahres-Höchstwert [o o]. – Goldman Sachs zahlt 550 Mio $ Strafe, um eine Zivilklage der SEC wegen des „Abacus 2007-AC1“-Skandals aus der Welt zu schaffen – die höchste je von der SEC verhängte Strafe [o].
17.07. – Nobelpreisträger Reinhard Selten: „Ich befürworte die Einschränkung von Leerverkäufen“, „Man denke nur an die zum Teil unüberlegte, nicht konsequent in ihrer Wirkungsweise durchdachte Liberalisierung der Finanzmärkte in den letzten beiden Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts, die ein wesentlicher Grund für die aktuelle Finanzkrise ist. ... die postulierte Effizienz des Marktes wurde geradezu vergöttert.“ [o].
23.07. – Die BaFin veröffentlicht die Ergebnisse des EU-weiten Stresstests [o], bei dem nur 7 von 91 Banken scheitern, darunter HRE und fünf spanische Banken [o].
24.07. – USA: Bericht des Sonderbeauftragten Kenneth Feinberg, der seit Juni 2009 die Vergütung von Spitzenmanagern in massiv unterstützten Unternehmen überwacht: Zum Jahreswechsel 2008 zahlten 17 US-Banken 1,6 Mrd $ ungerechtfertigte Boni [o].
30.07. – Der Baseler Bankenausschuss weicht Basel III auf: Erleichterte Liquiditätsregeln, erst ab 2018, stärkere Berücksichtigung des Eigenkapitals der Mehrheitsbeteiligungen. Laut Morgan Stanley kostet die Umsetzung nur noch 95 Mrd $ gegenüber 263 Mrd € im Februar (in der Erstfassung hätten die Banken 1.500 Mrd € zusätzliche längerfristige Refinanzierungsmittel beschaffen müssen) [o]. Das Geschäftsvolumen soll pauschal auf das 33-fache Eigenkapital begrenzt werden. Allerdings können die Banken ihre Geschäfte mit Derivaten zum Teil miteinander verrechnen; auch außerbilanzielle Positionen werden nur eingeschränkt berücksichtigt; aus deutscher Sicht können auch stille Einlagen Verluste kompensieren [o]. Gerade die deutsche Seite trug die neue Fassung nicht mit, die Deutsche Bank hat wohl ein Leverage von 40. Selbst das Bündnis mit Frankreich und Japan ist nun zerbrochen [o].
10.08. – Die Fed baut ihre Unterstützung nicht ab, sondern wird mit Geld aus Fälligkeiten erworbener Immobilienpapiere neue Staatsanleihen kaufen. 7 von 17 Notenbankern waren dagegen [o]. – Der Dollar rutscht im Vergleich zum Yen fast auf ein 15-Jahres-Tief, China stürzt sich auf Yen-Anleihen [o].
12.08. – GR: Das BIP sank im Q2 um 1,5% (Q4 und Q1 je 0,8%). Die Arbeitslosenquote stieg von 8,5% auf 12% (602.185 Arbeitslose, 43% mehr als im Vorjahr) [o], für 2011 rechnet der Gewerkschaftsverband GSEE mit real 20%. In Athen gehen 17% der Geschäfte pleite [o].
13.08. – DE: BIP-Quartalswachstum von 2,2%, Rekord seit 1987. Wirtschaftsminister Brüderle: „Wir erleben derzeit einen Aufschwung XL“ [o]. Kritisch siehe z.B. [o].
24.08. – GB: In London stürzen gegen 14 Uhr einige Kurse ab, allein British Telecom verliert 9%; der Handel mit fünf Aktien wird kurzzeitig ausgesetzt [o].
25.08. – Entwurf eines Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) [o o].
02.09. – Laut Economist war die Deutsche Bank in den letzten sechs Jahren der größte Währungshändler (fast 20%), ist außerdem der weltgrößte Zinsswaphandler und der drittgrößte Händler für andere Finanzinstrumente. Durch die Krise kontrollieren die fünf Top-Banken inzwischen 55% des Währungshandels (2001: 36%) [o].
03.09. – GB und D lenken in Bezug auf eine europäische Finanzaufsicht ein. Sobald ein großer Finanzkonzern in Schieflage gerät (Entscheidung des Finanzministerrats), sollen die neuen EU-Behörden entscheiden dürfen [o].
10.09. – Die HRE soll im Zuge der Abspaltung von Bereichen in die Abwicklungsgesellschaft „FMS Wertmanagment“ weitere 40 Mrd € Garantien erhalten (damit temporär 142 Mrd €) [o]. Kritisch dazu die NachDenkSeiten [o].
15.09. – EU-Vorschlag für OTC-Derivatehandel (Nominalvolumen 615.000 Mrd $): Transaktionsregister bei der ESMA; CCPs (clearing). Der Vorschlag entspricht den G20-Verpflichtungen und dem Ansatz der USA; könnte Ende 2012 in Kraft treten [o o].
16.09. – Finanzminister Peer Steinbrücks Buch „Unterm Strich“ erscheint [o]. Über Ex-HRE-Chef Georg Funke: „Eine solche Mischung aus Realitätsverweigerung, Selbstüberschätzung und Verständnislosigkeit gegenüber den Vorgängen der vergangenen Tage bei einem Mann, dessen Bank gerade mit 50 Milliarden Euro fremden Geldes gerettet worden war, ist mir in meinem Leben nicht wieder begegnet.“ Das produzierte in ihm Gedanken, die ihn „in einen Schlund der Vergeblichkeit und Ausweglosigkeit ziehen wollten“ [o]. – USA: Obama will Elizabeth Warren [o] zur Sonderbeauftragten für Verbraucherschutz machen. Eigentlich sollte sie Vorsitzende des neuen Bureau of Consumer Financial Protection werden, das sie so lange gefordert hatte und das trotz erbitterten Widerstands der Wall Street in der Finanzreform verankert wurde, doch im Senat bereiteten die Republikaner eine Blockade vor. Schon vor der Krise hatte die Harvard-Professorin die Bändigung der Finanzindustrie gefordert. Im November 2008 wurde sie Vorsitzende des Senatsausschusses zur Überwachung des TARP-Programms und wurde landesweit als Anwältin der Über-den-Tisch-Gezogenen bekannt [o o o]. In einem Telegraph-Interview vom 19.5. sagt sie: “This is the new Wild West, the place where extraordinary profits can be made and the bonuses that come from them are to be sought. Remind me, what ARE they for? Business as usual? Because that did so well for us, right?” [o]
22.09. – Europäische Finanzaufsichtssystem ESFS beschlossen [o], bestehend aus folgenden Behörden (bisher Ausschüsse): Bankaufsicht EBA (London), Versicherungsaufsicht EIOPA (Frankfurt), Wertpapieraufsicht ESMA (Paris), Ausschuss für Systemrisiken ESRB (Frankfurt) [o]. – Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts [o]. – Wirtschaftswoche: „Zwar reisen Aktienorder fast mit Lichtgeschwindigkeit. Von London bis Frankfurt brauchen sie aktuell aber immer noch 4,9 Millisekunden. Konkurrenten vor Ort haben somit 3,9 Millisekunden Vorsprung. Der privilegierte Börsenzugang wird zum entscheidenden Marktvorteil.“ [o].
30.09. – IRL: Die Zentralbank teilt mit, dass die staatliche Anglo Irish Bank insgesamt 29,3 Mrd € Kapital braucht. Das staatliche Budgetdefizit wird auf 32% vom BIP ansteigen [o], die Schulden auf 99% vom BIP [o].
Okt – USA: PWG-Report „Money Market Fund Reform Options” [o].
02.10. – GR: China will Griechenland einen Kredit von 3,6 Mrd € geben, um den Kauf chinesischer Schiffe zu finanzieren [o].
03.10. – Die Auslagerung von Risikopapieren und Geschäftsbereichen der HRE im Nominalwert von 173 Mrd € in die Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement („Bad Bank“ o) ist beendet. Von den zugesagten 40 Mrd € Staatsgarantien nahm die HRE 3,5 Mrd € zur Liquiditätssicherung in Anspruch. SoFFin-Sprecher Rehm: „Es war ein steiniger Weg, aber festzuhalten bleibt, dass ein Zusammenbruch der HRE im Jahr 2008 unermesslich größeren Schaden angerichtet hätte. Auch eine Abwicklung des gesamten Instituts wäre für den Steuerzahler um ein Vielfaches teurer geworden.“ In der Pressmitteilung heißt es: „Die aus dem Gesamtvolumen aus heutiger Sicht zu erwartenden Verluste werden durch Eigenkapital in Höhe von bis zu 3,87 Mrd. Euro abgedeckt.“ [o o].
05.10. – Der IWF Global Financial Stability Report schätzt die krisenbedingten Abschreibungen der Banken 2007-10 auf 2.200 Mrd $ [o o].
09.10. – Der Ausschuss der Europäischen Bankenaufseher CEBS legt Richtlinien für Boni-Regeln vor. So sollen je nach Risikoprofil 40-60% der Boni erst nach 3-5 Jahren gezahlt werden, bei höchstens 50% Baranteil [o].
13.10. – Lone Star will die IKB verkaufen, die in 2-3 Jahren wieder Gewinne bringe [o]. Sueddeutsche.de am 26.03.: „Ausgequetscht und leergesaugt“ [o].
15.10. – USA: Angelo Mozilo, Ex-CEO von Countrywide Finance, stimmt einer Zahlung von 67,5 Mio $ zur Beilegung eines Verfahrens durch die SEC wegen Irreführung von Investoren und Insiderhandel zu [o].
19.10. – Martin Walser rühmt Finanzminister Steinbrück und dessen Buch „Unterm Strich“ und schreibt: „Bitte, vielleicht fühle nur ich in meiner Unwissenheit und Bedürftigkeit mich so angewiesen auf ein solches Buch. Das eigene Gefühl im Zustand der Ratlosigkeit, der Unzuständigkeit, also Abhängigkeit von weiß Gott wem.“ [o].
20.10. – Kritischer Aufsatz der NachDenkSeiten zur „Bad Bank“: „Auslagerung von ‚faulen Forderungen’? Auslagerung von festen Verbindlichkeiten!“. Die HRE emittierte zur Liquiditätsbeschaffung Wertpapiere von rund 124 Mrd €, abgesichert vom SoFFin, die ebenfalls auf die FMS übertragen werden. Wie sind sie verzinst, welche Banken haben sie gekauft? Die Bad Bank schiebt die Verluste für den Steuerzahler nur auf die (10 Jahre) lange Bank [o o].
23.10. – G20-Gipfel in Seoul/Südkorea einigt sich auf schärfere Bankenregulierung und Basel III, sowie mehr Macht von Schwellenländern im IWF [o].
25.10. – USA: Anlagenversicherer Assured Guarantee Ltd., unterstützt von Milliardär Wilbur Ross, verklagt die Deutsche-Bank-Töchter DB Structured Products und ACE Securities wegen Hypotheken-gesicherter Wertpapiere (MBS) von 312 Mio $. Bei einer der überprüften Transaktionen fanden sich bei über 83% der nicht bedienten 1.306 Darlehen Widersprüche zu den Angaben und Garantien der Deutschen Bank [o o].
30.10. – China kaufte im Oktober wieder US-Staatsanleihen für 23,3 Mrd $. Insgesamt hat China 2.850 Mrd $ Devisenreserven [o o]. – USA: Studie „Wall Street Pay“ des Council of Institutional Investors. „Despite [...] changes, none of the banks in the study has addressed adequately the importance of tying compensation to long-term value growth. Some banks have increased fixed pay excessively.“ „In summary, very little [...] has changed; on balance, pay practices have worsened.“ [o].
11.11. – Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) vom Europaparlament verabschiedet [o o o o o]. Hedgefonds ab 100 Mio € und PEG ab 500 Mio € müssen ihre Strategien und Risiken offenlegen und erhalten ab 2013 einen Pass, der die EU-weite Vermarktung erlaubt. Bei Übernahmen ist die Unternehmenssubstanz zwei Jahre tabu [o].
18.11. – USA: Rückkehr von GM an die Börse, die Aktienausschüttung soll 23 Mrd $ einbringen, die Regierung hatte mit 50 Mrd $ geholfen [o].
21.11. – Irlandkrise. IRL: Aufgrund der Finanz- und Bankenkrise (v.a. Anglo Irish Bank) bittet Ministerpräsident Brian Cowen EU und IWF um Hilfe. Als die Immobilienblase platzte, trat schon im Q3 2007 eine Rezession ein, im Q4 2008 brach die Wirtschaft um 8% ein, 2009 erneut 7-8%. Die Staatsverschuldung stieg von 2007-09 von 25% auf 66% des BIP bzw. 180 Mrd € [o].
24.11. – EU-Verordnungen 1093 bis 1095/2010 zur Errichtung der Europäischen Bankenaufsicht EBA [o o o o], Versicherungsaufsicht EIOPA [o o o o] und Wertpapieraufsicht ESMA [o o o o].
26.11. – Der Bundesrat verabschiedet das Restrukturierungsgesetz [o o]: Ab 2011 besonderes Banken-Insolvenzverfahren; Bankenabgabe in einen „Restrukturierungsfonds“ für Stabilisierungen im Krisenfall; zehnjährige (bisher fünf Jahre) Verjährungsfristen für Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten; Vergütungen auf 500.000 € pro Jahr begrenzt.
27.11. – IRL: Ein EU-Sondertreffen beschließt Kredithilfen von 85 Mrd € (über drei Jahre für 5,83% Zinsen), wovon Irland u.a. durch Rückgriff auf den National Pension Reserve Fund NPRF selbst 17,5 Mrd € übernimmt [o], IWF 22,5, EFSM 22,5, EFSF 17,5, GB 3,8, SE 0,6, DK 0,4 [o]. Irland verpflichtet sich zu Einsparungen von 15 Mrd € in vier Jahren, davon 40% bereits 2011 [o o], die Einkommen sind im Mittel um über 6% gesunken, über 16.000 mussten den öffentlichen Dienst verlassen, bis 2014 folgen weitere 21.000 [o]. Arbeitslosenhilfe wurde um 4%, Kindergeld um 10%, öffentliche Gehälter bis zu 15% gekürzt [o].
03.12. – Die EZB beschließt die Fortsetzung der Ankäufe von Staatsanleihen (bisher rd. 67 Mrd € von Griechenland, Irland, Portugal u.a.) [o].
05.12. – USA: Fed-Chef Bernanke bei „60 Minutes“: [Can you act quickly enough to prevent inflation from getting out of control?] “We could raise interest rates in 15 minutes if we have to. So, there really is no problem with raising rates, tightening monetary policy, slowing the economy, reducing inflation, at the appropriate time. Now, that time is not now.” [You have what degree of confidence in your ability to control this?] “One hundred percent.“ [o o].
15.12. – DIW: „Staatsverschuldung und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanz: Öffentliche Armut, privater Reichtum“: Die deutsche Staatsverschuldung stieg Ende 2007 bis Ende 2010 von 65% auf ca. 75,5%, das staatliche Nettovermögen sank 1991-2009 von 52% auf 6% des BIP, das private Nettovermögen stieg von 306% auf 405% des BIP bzw. 9.700 Mrd € [o].
16.12. – Einigung von CDU/FDP in der Neuordnung der Bankenaufsicht in zehn Eckpunkten [o o]. – Die von Schäuble geplante Finanztransaktionssteuer wird konkreter und soll 0,01% betragen [o].
17.12. – Der EU-Gipfel beschließt einen dauerhaften Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) ab Juli 2013. Erweiterung von Art. 136 AEU-Vertrag durch den Ende März 2011 formulierten Absatz: „Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“ [o]. Ab 2013 Aufnahme von Umschuldungsklauseln in alle neuen Staatsschuldtitel [o]. – Studie: Für Basel III fehlt 94 Großbanken Eigenkapital von 577 Mrd €, jedoch Zeit bis 2018 [o].
23.12. – USA: AIG muss wegen verletzter Meldepflichten zur Unfallversicherung 146,5 Mio $ Stafe zahlen [o]
24.12. – Erste Unruhen in Tunesien.
Dez – Die vorläufige Endfassung von Basel III zur Bankenregulierung wird veröffentlicht und soll ab 2013 schrittweise in Kraft treten: Erhöhung des Kernkapitals (4,5%), Kapitalerhaltungspuffer (2,5%), antizyklischer Kapitalpuffer (bis 2,5%, kann die Bankenaufsicht in wirtschaftlich starken Zeiten auferlegen), Begrenzung der Haftung der öffentlichen Hand u.a. [o o o].
26.12. – FAZ: „Das angebliche Produktivitätswunder der Banker war nur eine Illusion.“ In GB liegt der Anteil des Finanzsektors am BIP bei 8%, der Anteil an den Gewinnen vor der Krise bei 15% [o].
31.12. – USA: Im Jahr 2010 mussten 157 Banken schließen (2009: 140) [o]. Die „großen Fünf“ machten dank Staatshilfe 94 Mrd $ Umsatz, nur 2009 war noch besser [o]. Bei den Direktzahlungen, Boni und Aktienoptionen allein der Wall-Street-Banker neuer Rekord von 144 Mrd $ [o].
2011, 1. Quartal
06.01. – Laut einer Allianz-Schätzung haben die Deutschen Ende 2010 ein Bruttogeldvermögen von 4.880 Mrd € (Mittel: 59.900 €) [o]. Eine DIW-Studie nennt Anfang 2009 Nettovermögen von 6.600 Mrd € (Mittel: 88.000 €, Median 15.000 €). Zwei Drittel haben kein (27%) oder nur sehr geringes Geld- oder Sachvermögen. Die reichsten 10% besitzen über 60% des Gesamtvermögens, die obersten 1% sogar knapp ein Viertel [o, S.6].
07.01. – PT: Portugal verkauft Staatsanleihen an einen geheimgehaltenen Geldgeber, evtl. China [o].
10.01. – Gutachten des wissenschaftlichen Beirates des BMWi: „Überschuldung und Staatsinsolvenz in der Europäischen Union“: Ein Insolvenzverfahren gibt nur ohne permanenten Rettungsschirm richtige Anreize. Umgekehrte Mehrheitsentscheidungen: Bei übermäßigem Defizit solle das Defizit-Verfahren automatisch ablaufen, wenn keine Mehrheit im Ministerrat dagegen ist [o]. Deutschland hat dies angestrebt, aber nicht durchsetzen können [o].
11.01. – USA: Morgan Stanley kündigt bis 2010 Abspaltung der letzten Eigenhandelseinheit Process Driven Trading (PDT) an; nachdem in der Krise 2008 bereits vier Einheiten geschlossen wurden. Im Herbst 2010 gab man die Kontrolle über den eigenen Hedge-Fonds Frontpoint an dessen Management ab. Bei Goldman macht der Eigenhandel noch rund 10% des Ertrags aus, aber ein Großteil der Mitarbeiter hat die Bank bereits verlassen, um neue Hedgefonds aufzulegen [o].
12.01. – GB: Erhöhung der Mehrwertsteuer von 17,5 auf 20% soll 15 Mrd € bringen, Schatzkanzler Osborne kürzt die Ausgaben bis 2014 um 81 Mrd GBP (92,6 Mrd €) [o].
13.01. – Bei einem Geheimtreffen führender Banker wird die Rückkehr von AIG an die Börse besprochen; sie soll 20-30 Mrd $ einbringen [o o].
14.01. – Laut IWF-Schätzungen (zit. von Schäuble) unterstützten die G20-Länder den Finanzsektor 2009 mit Nettokosten von 905 Mrd $. In nur einem Jahr erhöhte sich die Staatsverschuldung der Euro-Zone von 69,3% auf 78,7% [o].
17.01. – China überholt die Weltbank als Kreditgeber [o o].
19.01. – Brüderle: „Mit einem Rekordwachstum von 3,6 Prozent hat uns die Wirtschaft aus dem Konjunkturkeller katapultiert“, schon 2010 Rekord-Beschäftigung von 40,5 Mio Menschen [o].
24.01. – Der DGB fordert eine Europäische Bank für öffentliche Anleihen, um die Spekulationen einzudämmen und Staaten auch in konjunkturell schwierigen Zeiten Geld zu günstigen Konditionen zu ermöglichen. Statt dass Privatbanken gegen toxische „Sicherheiten“ billiges Kapital erhalten und teuer an den Staat weitergeben, kauft eine solche Bank Staatsanleihen, hinterlegt diese als Sicherheit und leitet günstiges EZB-Geld an den Staat weiter [o].
25.01. – Erste Unruhen in Ägypten.
28.01. – Abschlussbericht der US-Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise (FCIC) [o o]. Kommissionschef Phil Angelides: „Einige an der Wall Street und in Washington, die ein Interesse am Status Quo haben, könnten versucht sein, diese Krise aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen.“ [o o]. Ursache der Krise seien „enormes Versagen“ von Regierung und Finanzaufsicht (insb. Federal Reserve) und „rücksichtsloses Risikomanagement“ der Geldindustrie [o]. Bereits am 1.2. erscheint im „FinanzBuch Verlag“ eine zusammenfassende Dokumentation auf deutsch [o]. – USA: Hedgefondsmanager John Paulson verdiente 2010 die Rekordsumme von 5 Mrd $, nach 4 Mrd $ 2007. Das Vermögen der Hedgefonds weltweit stieg um 20% auf 1.920 Mrd $ [o]. – DE: In einem internen Diskussionspapier aus dem Kanzleramt ist ein „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ in der Eurozone geplant; vorstellbar seien etwa Indikatoren bezüglich der Lohnstückkosten oder zur Verhinderung von Unternehmenssteuer-Dumping; erwähnt sind auch Anpassung des Rentenalters; Verankerung einer Schuldenbremse; einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer [o]. – FR: Frankreichs Finanzministerin Lagarde nennt den Ankauf von Staatsanleihen durch den Rettungsfonds EFSF eine Option, ähnlich EZB-Chef Trichet. Griechenland erwägt den Rückkauf zum Marktwert unterhalb des Nennwertes, bräuchte dazu aber Geld. Die EZB kaufte seit Mai 2010 Problem-Staatsanleihen von 76,5 Mrd €. EU-Kommissionspräsident Barroso hatte zunächst schon für das Gipfeltreffen am 04.02. eine Verstärkung des EFSF gefordert (nominell 440 Mrd €, wegen erforderlicher Deckung aber nur rund 250 Mrd € verfügbar), Merkel fordert jedoch engere Politikabstimmung und Haushaltskontrolle [o].
31.01. – USA: Handelsblatt: Statistiken des Berkeley-Ökonomen Emmanuel Saez zeigen, dass das Einkommen der Top-1% (derzeit >368.000 $/Jahr) 1993-2008 jährlich um fast 4% stieg (Rest: 0,75%). Anteil am Gesamteinkommen 2008 (1985) in %: Oberste 10%: 46 (34) | 5%: 33 (22) | 1%: 18 (9) | 0,1%: 8 (3) [o]. Die britischen Epidemiologen Richard Wilkinson und Kate Pickett („The Spirit Level“, 2009) fanden in einem Land um so höhere Kriminalität und Drogenkonsum, je größer die Kluft zwischen Arm und Reich ist [o]. – CH: Rundschreiben der Finanzaufsicht FINMA zu Eigenmitteln, die je nach Bankgröße steigen [o]. Schon 2009 müssen USB und Credit Suisse doppelt so viel wie nach internationalen Vorschriften vorhalten [o]. – Spiegel online: China geht auf Einkaufstour bei Europas Banken, bietet mit für die WestLB [o].
Feb – IS: Das Parlament billigt einen neuen Rückzahlungsplan von 3,9 Mrd € bis 2046 (GB 2,6 Mrd, NL 1,3 Mrd, Zinssatz 3,3% bzw. 3,0%) [o].
02.02. – Wall Street Journal: Die Einnahmen der 25 größten Finanzinstitute stiegen 2010 auf die Rekordsumme von 417 Mrd $ (+1%), die Gehälter/Boni auf 135 Mrd $ (+6%), das Durchschnittsgehalt auf 114.000 $ (+3%), die Hälfte in Aktien und längerfristigen Auszahlungen (früher ein Drittel) [o o].
03.02. – Hans-Werner Sinn rechnet vor, dass der Euro-Rettungsschirm 562 Mrd € umfasst (plus 110 Mrd € Griechenlandhilfe und 77 Mrd € schon von der EZB gekaufte Anleihen), während EFSF-CEO Klaus Regling von ca. 250 Mrd € sprach. Sollten auch IR, PT, ES ausfallen, erhöht sich die Haftungssumme der sechs Höchstrating-Länder auf 315 Mrd €; dazu kommen 60 Mrd € der EU und 187 Mrd € des IWF. Der Refinanzierungsbedarf 2011-13 inkl. Neuverschuldung von 3% des BIP berägt 434 Mrd € [o]. – Hans-Böckler-Stiftung: Die Bruttoverdienste sanken 2000-10 real um 4% [o o], nominal stiegen die Arbeitnehmerentgelte um 16%, die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 45% [o S.15].
04.02. – Ein EU-Gipfel verabschiedet trotz heftiger Kritik das dt.-franz. Rezept einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung der Euro-Staaten, d.h. gemeinsame Ziele bei Löhnen, Renten und Steuern [o o]. – Studie der Universität Hohenheim und der ING-DiBa AG: 54% der Bürger glauben nicht, dass die Politik die Finanzkrise in den Griff bekommen wird; 72% glauben, dass Banken und Versicherungen nichts aus der Krise gelernt haben; 74% glauben, dass die Politik die Interessen des Finanzsektors mehr berücksichtigt als die der Steuerzahler [o].
08.02. – Der Bundesgerichtshof äußert deutliche Zweifel, ob die Deutsche Bank den hessischen Hygienebedarfs-Hersteller Ille 2005 bei komplexen Zinswetten (CMS Spread Ladder Swaps) richtig beraten habe. Ille verlangt 540.000 € Schadensersatz. Bank-Anwalt Reiner Hall warnte vor einer „zweiten Finanzkrise“, wenn Banken über ihre eigene Kalkulation aufklären müssten und mit Milliardenforderungen unzufriedener Kunden konfrontiert würden. Dabei liege es auf der Hand, dass eine Bank Gewinne machen wolle [o].
09.02. – Ein Gutachten des im Juni 2010 eingesetzten Expertengremiums „Strategien für den Ausstieg des Bundes aus krisenbedingten Beteiligungen an Banken“ sagt, HRE und WestLB erbrächten „keine volkswirtschaftlich unentbehrliche Leistung“, eine Komplettabwicklung der HRE, also inkl. dem Kerngeschäft der „Deutsche Pfandbriefbank“, sei „sehr ernsthaft in Betracht zu ziehen“ (und auch für die WestLB womöglich sinnvoll, worauf auch die EU-Kommission drängt). Von der bisherigen Kapitalzufuhr an die HRE über 6,3 Mrd € hat der SoFFin bereits 4,75 Mrd € abgeschrieben und rechnet mit weiteren Verlusten bis zu 3,87 Mrd € bei der Bad Bank, in die faule Papiere von 173 Mrd € ausgelagert wurden. Die deutsche Bankenlandschaft sei viel zu zersplittert, die Marktstrukturen müssten sich bereinigen [o].
10.02. – Das Handelsblatt titelt: „Aus der Schockstarre gelöst“ und schreibt: „Die Kritik an synthetischen Finanzinstrumenten währte nicht lange. An den Börsen für Derivate stehen die Zeichen wieder auf Wachstum.“. Der Marktwert übersteigt wieder 25.000 Mrd $ [o].
11.02. – USA: Fannie Mae und Freddie Mac sollen liquidiert werden. Die Regierung schlägt dem Kongress andere Modelle der Eigenheimfinanzierung vor [o].
15.02. – Bericht des Financial Stability Board: “Progress in the Implementation of the G20 Recommendations for Strengthening Financial Stability” [o].
17.02. – 189 Volkswirtschaftsprofessoren des „Plenum der Ökonomen“ sprechen sich scharf gegen einen dauerhaften Stabilisierungsmechanismus (ESM) aus. Damit blieben Fehlanreize bestehen; Merkels „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ sei nicht durchsetzbar. [o o o o]. Kritik von Robert von Heusinger [o] u.a. [o]. – USA: AIG meldet für das vierte Quartal durch Verkauf asiatischer Tochterunternehmen 11,2 Mrd $ Gewinn (operativer Verlust 2,2 Mrd $, seit Verstaatlichung über 75 Mrd $). Bis Mitte 2012 will die Regierung ihren Anteil von 92,1% wieder abstoßen [o]. Bereits im März 2010 stimmte AIG dem Verkauf von AIA und ALICO für 35,5 und 15,5 Mrd $ zu [o].
28.02. – Wirtschaftsminister Brüderle: Euro-Rettung könnte theoretisch 174 Mrd € kosten (EFSF 119; EFSM 11,4; Griechenland 22,4; EZB-Käufe 21) [o]. – Im Februar stiegen die weltweiten Nahrungsmittelpreise um mind. 70% gegenüber dem Vorjahr, noch über den extremen Höchststand von 2008 [o].
Mär – Der BIZ-Quartalsbericht listet, wo Griechenland, Irland, Portugal und Spanien verschuldet sind (GR: 278 Mrd €, davon FR 92, DE 69 | IRL 814 Mrd €, davon GB 225, DE 208 | PT: 322 Mrd €, davon ES 109, DE 49, FR 46 | ES 1099 Mrd €, davon DE 242, FR 225) [o].
02.03. – DIW-Bericht „Risiken im Bankensektor weiter hoch – Regulierung muss gestärkt werden“ [o].
08.03. – GR: Tausende Griechen in Athen demonstrieren mit Aufklebern: „Ich zahle nicht“: Umgehen der Autobahnmaut, Schwarzfahren usw. [o].
13.03. – Beim Euro-Gipfel setzt Merkel den Euro-Wettbewerbsfähigkeitspakt durch; erst nach weiteren Spar-Ankündigungen von Griechenland, Portugal, Irland und Spanien erhöht sie die deutsche Bürgschaft für den Euro-Rettungsschirm und gewährt Griechenland günstigere Kreditbedingungen. Als Irlands neuer Regierungschef Kenny in der Körperschaftsteuer stur bleibt, demütigt sie ihn mit einer schnippischen Bemerkung über die Notlage [o].
18.03. – Die EU-Bankenaufsicht präsentiert die Kriterien für den diesjährigen Stresstest von 88 Banken (Fragebogen-Untersuchung, ob eine Bank bei Wirtschaftsabschwung und Zinsschock genug Kapital hat) [o o]. EBA-Chef Andrea Enria, fordert von den Staaten klare Vorgaben für Banken mit Geldproblemen [o]. – USA: Mit Erlaubnis der Fed darf Goldman Sachs 5 Mrd $ an Warren Buffet zurückzahlen, vereinbart waren 10% Zinsen pro Jahr plus Aufschlag und Aktiensonderkaufsrecht, wahrscheinlich 3,7 Mrd $ Profit [o].
21.03. – Die EU-Finanzminister beschließen die Ausgestaltung des dauerhaften Stabilisierungsmechanismus ESM: Zum Start am 1.7.2013 ein Grundkapital von 40 Mrd € (DE: 11 Mrd €), in drei Jahresraten Aufstockung auf 80 Mrd €, hinzu kommt ein abrufbares Kapital von 420 Mrd € (tatsächliche Garantiesumme 620 Mrd €, um ein AAA-Rating zu sichern). Damit auch der EFSF die versprochene Ausleihkapazität von 440 Mrd € erreicht, sollen die Staaten bis Juli die Garantien erhöhen. Der ESM kann auch direkt Staatsanleihen ankaufen, wie es 2010 die EZB tat. Staatsanleihen sollen ab 2013 grundsätzlich die Regelung enthalten, dass in Notsituationen unter bestimmten Bedingungen auch private Gläubiger beteiligt werden können (entspricht faktisch der zunächst von Deutschland geforderten Staatsinsolvenzordnung). [o o].
22.03. – Der Bundesgerichtshof verklagt die Deutsche Bank zu Schadensersatz für den hessischen Hygienebedarfs-Hersteller Ille wegen schlechter Beratung bei komplexen Zinswetten. Beim BGH sind noch acht Verfahren anhängig, insgesamt hatten rund 200 Mittelständler, Städte und Kommunen Verluste [o].
23.03. – PT: Rücktritt von Ministerpräsident Sócrates nach verlorener Abstimmung über das Sparpaket der Regierung [o]. – Ein IWF-Diskussionspapier warnt vor weiter gestiegenen Fehlanreizen, an den Finanzmärkten Risiken einzugehen. Es gebe noch kein Modell, systemrelevante Finanzriesen so abzuwickeln oder zu restrukturieren, dass weniger die Steuerzahler bezahlen müssten [o].
24.03. – PT: Fitch senkt Portugals Rating von A+ auf A- [o]. – Der EU-Gipfel bestätigt die Ausgestaltung des ESM [o].
25.03. – Ein EU-Gipfel beschließt den „Euro-Plus-Pakt: Stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz“: „Um ein wirkliches Engagement für Veränderungen unter Beweis zu stellen und für die zur Verwirklichung unserer Ziele notwendigen politischen Impulse zu sorgen, werden die teilnehmenden Mitgliedstaaten jedes Jahr auf höchster Ebene eine Reihe von konkreten Maßnahmen vereinbaren, die innerhalb von 12 Monaten zu verwirklichen sind.“ [o].
26.03. – PT: Standard & Poor's senkt Portugals Rating auf BBB, vier Tage später auf BBB- [o]. – GB: In London demonstrieren 250.000 gegen den Sparkurs der Regierung [o].
29.03. – Übersicht des BMF: „Reform der Währungsunion im Fokus“ [o]. – Lüder Gerken, Vorsitzender der Stiftung Ordnungspolitik und des Centrums für Europäische Politik, kritisiert, der Rettungsschirm missachte die originären Leistungsbilanzdefizite der südeuropäischen Volkswirtschaften und sei ein „Weg in die Schuldenunion“ [o].
31.03. – Bundespräsident Christian Wulff beim Deutschen Bankentag: „Sind die Ursachen der Krise beseitigt? Haben wir aus den Fehlern wirklich gelernt? Ich möchte ganz offen sein, mein Fazit lautet: Nein – weder haben wir die Ursachen der Krise beseitigt, noch können wir heute sagen: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt.“ [o].
2011, 2. Quartal
01.04. – PT: Fitch senkt Portugals Rating weiter von A- auf BBB- [o].
02.04. – GR: Laut „Spiegel“ drängt der IWF Griechenland zur Umschuldung [o o].
05.04. – GR: IWF-Chef Strauss-Kahn: „Wir unterstützen die griechische Regierung in ihrer Position, keine Umschuldung zu wollen“. Vor allem die Wettbewerbsfähigkeit müsse gestärkt werden: „Das ist das wirkliche Problem und das haben wir versucht anzusprechen“ [o].
06.04. – Die Commerzbank will bis Juni 14,3 von 18,2 Mrd € Staatshilfe zurückzahlen [o]. – Kabinettsentwurf für Gesetz zur Graumarktregulierung. Kurzinformationsblätter müssen verständlich über die wesentlichen Eigenschaften und Risiken der Vermögensanlagen informieren usw. [o].
07.04. – PT: Portugal bittet um EU-Hilfe [o]. – Die EZB erhöht den Leitzins auf 1,25 [o].
09.04. – USA: Uneinigkeit über notwenige 78 Mrd $ Budgetkürzung, um einen „Government Shutdown“ zu verhindern. Die Schuldenobergrenze von 14.300 Mrd $ wird im Mai erreicht [o]. – IS: Auch die zweite Volksabstimmung ist mit 60% gegen Schuldenrückzahlung an GB und NL [o]. Nun muss das Gericht der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA entscheiden [o].
13.04. – GR: Offiziell lehnt die EU Umschuldung noch ab, doch in EU-Kreisen wird davon ausgegangen, dass 40-50% der Verbindlichkeiten gestrichen werden müssen [o]. S&P-Europa-Leiter Moritz Kraemer rechnet sogar mit 50-70% und sieht die Wahrscheinlichkeit dafür bei fast einem Drittel. Griechenlands Finanzminister Papakonstantinou: „Die umfangreichen Reformen werden zu Wachstum führen, und damit werden wir die Umschuldung abwenden.“. Häfen, Flughäfen u.a. sollen privatisiert werden [o]. Schwellenländer kritisieren, dass auch der IWF zu viel Geld in Europa ausgibt [o].
13.04. – USA: Der Levin-Coburn-Report, ein 650-seitiger Untersuchungsbericht für den US-Senat, “Wall Street and the Financial Crisis: Anatomy of a Financial Collapse“ [o o]. Levin: “Our investigation found a financial snake pit rife with greed, conflicts of interest, and wrongdoing.” Among the report’s highlights are the following... [o]. Der Bericht nennt als Hauptschuldige der Finanzkrise Goldman Sachs, Washington Mutual, die Ratingagenturen Moody's und S&P, die US-Bankenaufsicht OTS und die Deutsche Bank. Fazit: „Die Krise war [...] das Resultat hochriskanter, komplexer Finanzprodukte, verdeckter Interessenskonflikte und des Versagens der Aufsichtsbehörden, der Rating-Agenturen und des Markts selbst.“ Die Deutsche Bank habe trotz „der negativen Meinung ihres leitenden CDO-Traders [Lippmann], fallender Werte und sich verschlechternder Märkte“ hochriskante CDOs „aggressiv vermarktet“ (ein Banksprecher dementiert: Man habe gegenüber dem Markt jederzeit offen und transparent kommuniziert). Der Bericht dokumentiert die interne, vor Zynismus triefende Korrespondenz. Intern habe Lippmann seine Kollegen wiederholt gewarnt und oft von einem „Ponzi-Schema“ (Schneeballsystem) gesprochen. Eine Mitarbeiterin Mitte 2005: „Wir müssen Geld verdienen. Die Zufriedenheit des Kunden ist zweitrangig.“ Lippmann im April 2006 über RMBS: „Die Hälfte davon ist Mist“. Im August 2006 prahlt er, er könne RMBS „wahrscheinlich an irgend so einen CDO-Idioten leer verkaufen“. Im selben Monat: „Mir ist egal, was so eine trainierte Bullenmarkt-Research-Robbe sagt, dieses Zeug hat eine reale Chance, massiv in die Luft zu gehen.“ Und 2007: „Bitte leiten Sie diese E-Mails nicht außerhalb Ihrer Firma weiter… Ich will von den Emissionsleuten nicht beschuldigt werden, dass ich ihr Geschäft kaputtmache.“ [o]. Die Deutsche Bank soll allein mit Absturz-Wetten 1,6 Mrd $ Gewinn gemacht haben. Die Österreichischen Bundesbahnen erlitten 660 Mio € Verlust [o].
13.04. – USA: Die Fed-Balanz hat mittlerweile ein Volumen von 2.670 Mrd $ [o o].
14.04. – GR: Neues Rendite-Rekordhoch für 10-jährige Staatsanleihen mit 13,26%, für 2-jährige sogar 17,85%. Die Schulden wachsen damit schneller als vor der „Rettung“ [o]. Die Zinsen steigen seit zwei Tagen stark an und betragen am 29.04. für 2-jährige Anleihen 26% [o].
15.04. – GR: Papandreou: „Wenn wir unsere Arbeit tun und unsere Ohren vor den Sirenen der Katastrophe und des Elends zuhalten, dann kann 2012 der Weg aus der Krise sichtbar werden.“ [o]
17.04. – Zwei vertrauliche Gutachten äußern Bedenken bezüglich des Euro-Rettungsfonds. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages diagnostiziert Entmachtung des Parlaments und drohenden Verfassungsbruch bzgl. der Neuverschuldung. (Schon jetzt beträgt laut Prof. Sinn die Gesamtsumme der Hilfszusagen 1.542 Mrd €, davon hafte Deutschland für 391 Mrd €, beim ESM ist offenbar eine Obergrenze für die Zuschusspflicht gar nicht vorgesehen) [o]. Ein Gutachten des Bundesrechnungshofs [o] sagt: „Alle Festlegungen zur Art und Höhe, insbesondere die Bestimmungen von Obergrenzen der deutschen Beiträge zum ESM (Bareinlagen und Garantien) sind gesetzlich zu regeln und unterliegen damit der parlamentarischen Zustimmungserfordernis“ Der Bundeshaushalt kann mit bis zu 190 Mrd € belastet werden: 21,7 Mrd € Kapitaleinlage und 168,3 Mrd € Kreditgarantien [o]. In zwei Fällen soll der ESM-Verwaltungsrat Geld aus den Mitgliedstaaten mit einfacher Mehrheit abrufen können: in der Aufbauphase des Kapitalstocks, falls überraschend ein Euro-Staat Hilfe braucht, der eigentlich einzahlen muss; oder zur Erneuerung des Kapitalstocks, der aber erst genutzt wird, wenn der ESM keine Kredite mehr aufnehmen kann [o].
19.04. – S&P warnt die USA vor Abstufung, wenn bis 2013 keine Übereinkunft zur Budgetreduzierung vorliegt, der Ausblick wurde von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt [o]. – GR: Umschuldungsgerüchte treiben 2-jährige Anleihen auf 20% [o].
26.04. – GR: Griechenland verfehlt mit 10,5% Haushaltsdefizit 2010 sein Sparziel. Auch Portugal musste sein Defizit bereits auf 9,1% nach oben korrigieren, Irlands Defizit schoss sogar auf 32,4% [o]. EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark warnt im Falle einer Umschuldung vor einer Bankenkrise, die die „Auswirkungen der Lehman-Pleite in den Schatten stellen könnte.“ [o]. – isw-Meldung: Die Gewinne der Kapitalgesellschaften stiegen 2010 um 22%, bei den Dax-30-Konzernen stiegen die Vorsteuergewinne um 66% von 59 Mrd € auf 96,6 Mrd € (Ernst&Young-Studie selbst nennt: um 97% von 44 auf 87 Mrd € o o), die Nettogewinne um 123,6% auf 64,6 Mrd €. Die Energiekonzerne dürften etwa 30 Mrd € Jahresgewinn haben. (E&Y: Mitarbeiter um 1,5% auf 3,7 Millionen; Ertragsteueraufwand um 43% auf 26 Mrd €, Steuerzahlungen in Deutschland um 34% o). Gewinnausschüttung von 25,6 Mrd € (zweithöchste Ausschüttung überhaupt) [o o].
27.04. – „manager magazin“: „Schattenbanken: Geldhäuser verschieben erneut Milliardenrisiken“ [o]. Im sog. „Capital Relief Trade“ werden sie an Hedgefonds oder Private Equity Gesellschaften ausgelagert. Nach einer aktuellen Studie der New Yorker Fed verwalten die „Schattenbanken“ allein in den USA ein Kreditvolumen von 16.000 Mrd $, der eigentliche Bankensektor knapp 13.000 Mrd $. BaFin-Chef Sanio: „Wer nichts gegen die Verlagerung von Risiken ins Schattenbankensystem unternimmt, darf sich nicht wundern, wenn dort die nächste Finanzkrise ausbricht.“
28.04. – Die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ veröffentlicht ihr Memorandum 2011, „Strategien gegen Schuldenbremse, Exportwahn und Eurochaos“, ein Gegenentwurf zu den Jahresgutachten des „Sachverständigenrats für Wirtschaft“. Angemahnt werden: Umverteilung von oben nach unten durch Reallohnsteigerungen, umfassende kollektive Arbeitszeitverkürzung, ein öffentliches Investitions-, Beschäftigungs- und ökologisches Umbauprogramm in Höhe von jährlich 110 Mrd € [o].
29.04. – GR: Rekord-Renditen: Bei 2-jährigen Anleihen zeitweise über 26% Prozent, bei 10-jährigen 16% [o]. – DE: Die Bruttolohnquote sank 2000-10 von 72,2% auf 66,3%; die Nettolohnquote 1991-2010 von 48,1% auf 39,4% (Nettogewinnquote von 29,8% auf 34,0%) [o]. Die realen Nettolöhne sanken in den Aufschwungjahren 2005-08 um 4,2% [o].
30.04. – Der Goldpreis steigt von 1.429 auf 1.559 USD je Unze (Januar 2009 noch 800-900 USD) [o].
01.05. – GR: EFSF-Chef wirft den Banken vor: „In den 80er- und 90er-Jahren haben die Banken für die Restrukturierung von Staatsschulden in Lateinamerika und Asien sehr hohe Honorare kassiert. Das würden sie in Europa gerne wiederholen.“ Ihre eigenen Verluste würden sich in Grenzen halten, die Provisionen wären vielversprechend. Auch EZB-Chef Trichet soll die Euro-Finanzminister explizit gewarnt haben, sich bezüglich Griechenland von den Banken beeinflussen zu lassen [o]. Die Staatsverschuldung beträgt Ende 2010 142,8% vom BIP. Größte Gläubiger sind französische (75 Mrd €), Schweizer (64 Mrd €) und deutsche Banken (43 Mrd €) [o].
05.05. – „Spiegel“: „Anlegerflucht lässt Rohstoffpreise abstürzen“ [o].
06.05. – GR: Nach „Spiegel online“ überlegt die Regierung, den Euro aufzugeben. Die EU-Kommisson beruft ein geheimes Krisentreffen ein. Schäubles Fachleute warnen vor Kursverlusten bis zu 50%, Kapitalflucht und schlagartiger Insolvenz der Banken [o]. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker: „Wir wollen nicht, dass der Euro-Raum ohne Grund explodiert.“ [o]. – Hans-Werner Sinn: „Wenn Griechenland dagegen eine sogenannte interne Abwertung in dem nötigen Umfang von 20 bis 30 Prozent im Euro-Raum durch Kürzung von Löhnen und Preisen versuchte hinzukriegen, geriete es an den Rand des Bürgerkriegs.“ Dann gebe es nämlich auch ein Massensterben der Firmen der Realwirtschaft, wodurch die Banken ebenfalls pleite gingen [o]. – PT: Portugal soll 78 Mrd € Kreditgarantien erhalten, Neuverschuldung soll bis 2013 von 9% auf 3% gesenkt werden. Kürzung des Arbeitslosengeldes auf max. 1.048 Euro und 18 Monate. Privatisierungen sollen 5,5 Mrd Euro bringen [o]. – Die Commerzbank wird ihr Kapital um 11 Mrd € erhöhen und den Großteil der 18 Mrd € Staatshilfe zurückzahlen [o].
07.05. – GR: Papandreou nennt Spekulationen über eine mögliche Euro-Abschaffung „fast schon kriminell“. „Kein solches Szenario wurde jemals diskutiert, nicht einmal inoffiziell.“ Sein Land solle in Ruhe gelassen werden, damit es den eingeschlagenen Spar- und Reformkurs zu Ende führen könne [o].
09.05. – GR: Die Steuereinnahmen sind bisher schon 3 Mrd € geringer als geplant, der Staat ist bei seinen Rechnungen rund 10 Mrd € im Rückstand. Die Rückkehr zur Drachme hätte nach Abwertung einen Ausverkauf des Landes durch Fluchtkapital und ausländische Investoren zur Folge. Die leitende Staatsanwältin Elena Raikou leitet wegen „Verbreitung falscher Nachrichten“ strafrechtliche Vorermittlungen gegen SPIEGEL-Online ein. Laut den NachDenkSeiten „sind informierte Beobachter und die seriöse Presse in der Meinung einig, dass hinter der Publikation politische Kreise in Berlin stehen“ [o].
10.05. – Eine DSW-Studie über deutsche Börsenunternehmen nennt für 2010 31,1 Mrd € Dividenden (davon die Dax-Firmen 26,4 Mrd €), 32% mehr als im Vorjahr [o].
11.05. – GR: Bilder exzessiver Polizeigewalt bei Protesten gehen um die Welt [o].
12.05. – GR: Vor dem Finanzministerium werden Vertreter von IWF, EZB und EU beinahe gelyncht. Sie gelten wirklich als „Besatzungsmacht“. In Athen treten Neonazis ganz offen auf. Im Frühjahr 2010 fehlten dem Staat 30 Mrd €, jetzt sind schon 40 Mrd € absehbar, die offizielle Arbeitslosenquote stieg von 9% auf 15,9%, die einkommens-relativen Energiepreise sind die teuersten in der EU, eine Getränkesteuer soll eingeführt werden [o]. Ohne die Zinsen wäre der Haushalt ausgeglichen! [o].
14.05. – IWF-Chef Strauß-Kahn wird festgenommen, weil er versucht haben soll, ein Zimmermädchen zum Oralverkehr zu zwingen [o o]. Kahn war aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat der Sozialisten in Frankreich für 2012 [o]. – GR: Wie vor kurzem bekannt wurde, hatten er und Papandreou schon Mitte 2009 den Gang zum IWF vorbereitet [o]. Papandreou log aber auch vor der Wahl bezüglich der Wirtschaftslage. Nach der Wahl sagte er noch vor deren Bekanntwerden „Griechenland ist wie die Titanic“ und „Wir sind am Rande des Ruins“, was Spekulanten ebenso anlockte wie die Erlaubnis risikoloser Leerverkäufe.
17.05. – USA: Generalstaatsanwalt Eric Schneidermann ermittelt gegen die Großbanken und ihre früheren Hypotheken-Verbriefungen [o o]. – ES: In Madrid demonstrieren 40.000 Menschen, in insgesamt 58 Städten gab es Proteste [o], initiiert von der Plattform „Wirkliche Demokratie Jetzt“ [o]. – Merkel: „Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen – das ist wichtig [...] Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig. Das geht auf Dauer auch nicht zusammen. [...] Deutschland hilft nur dann, wenn sich die anderen anstrengen.“ [o]. Jahresarbeitszeit (h) laut OECD: DE 1.390 | ES 1.654 | PT 1.710 | IT 1.773 | GR 2.119 [o]. Effektives Renteneintrittsalter: DE 62,6 | ES 62,0 | GR 62,3 | IT 62,8 [o].
18.05. – GR: Nachdenkseiten: Laut Citibank wird der Anteil von EZB und IWF an griech. Staatsschulden 2015 rund 56% betragen, ausländische Banken und Versicherungen/Fonds nur noch 8% bzw. 11%. März 2010: griech. Banken 40, Int. Banken 77*, Nicht-Banken 176 = 293 Mrd € | Aug. 2010: IWF 38, EZB 40, griech. 45, Int. 60, Nicht-Banken 118 = 301 | 2015: IWF 110, EZB 90, griech. 87, Int. 30, Nicht-Banken 40 = 357 [o]. * deutsche Banken 26,3 Mrd €.
27.05. – GR: Im Parlament gibt es keine Einigung über Sparmaßnahmen (in vier Jahren sollen 78 Mrd € eingespart werden). Damit aber wird der IWF die nächste Tranche von 12 Mrd € verweigern, laut Euro-Gruppen-Chef Juncker zeigen aber auch die Parlamente in DE/NL/FL fehlende Bereitschaft [o]. Die Regierung will die Häfen Thessaloniki und Piräus verkaufen, außerdem die staatlichen Anteile an der Telefongesellschaft OTE und der Postbank [o].
06.06. – Studie des Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft der Ruhr-Universität Bochum (ikf) „Aufsichtsqualität aus Sicht der Banken – empirische Ergebnisse nach der Krise“: Die Qualität der Bankenaufsicht wird von den deutschen Kreditinstituten schwächer als vor der Krise eingestuft [o].
08.06. – Böckler-Stiftung: Die Staatsschulden stiegen 2007-11 in Prozent vom BIP: DE 65% > 82% | ES 36% > 68% | PT 68% > 102% | IRL 25% > 121% | GR 105% > 158% [o]. Direkte Kosten der Wirtschaftskrise: Staat 22 Mrd €, Vermögensbesitzer 73 Mrd €, indirekte Kosten je nach Konjunkturerholung Staat (Steuerausfälle) 248-777 Mrd €, Vermögensbesitzer 188-527 Mrd €, Lohn- und Transferempfänger 177-755 Mrd € [o o]. – GR: Schäuble spricht sich für „sanfte Umschuldung“ mit Zahlungsaufschub und neuen Finanzhilfen aus, sonst drohe „der erste ungeordnete Bankrott in der Euro-Zone“ [o]. Laut Jean-Claude Juncker (LX) braucht Griechenland 90 Mrd $ zusätzliche Finanzhilfen. 2010 war die Wirtschaft um 4,5% geschrumpft [o].
09.06. – USA: Das Wall Street Journal berichtet über den Libyen-Skandal von Goldman Sachs [o]. Der libysche Staatsfonds LIA investierte von Januar bis Juni 2008 über Goldman Sachs 1,3 Mrd $ in Optionen auf Aktien und Devisen mehrerer Großbanken, weitere 350 Mio $ in zwei exklusive Goldman-Fonds. Im Februar 2010 waren die Anlagen nur noch 25,1 Mio $ wert. Goldman bemühte sich intensiv, den Schaden wiedergutzumachen und bot im Mai 2009 Vorzugsaktien im Wert von 3,7 Mrd $ an. Im Juli 2009 sei der Deal perfekt gewesen, aber Goldman schreckte eine Woche später wieder zurück, die Verhandlungen gingen ergebnislos bis Juni 2010 [o]. Derzeit überprüfen US-Behörden, ob die Bank gegen Anti-Bestechungsgesetze verstieß [o]. – Die Commerzbank zahlt eine letzte Rate von 14,3 Mrd € Staatshilfen zurück, es bleibt eine stille Einlage von 1,9 Mrd € [o]. – GR: Deutsche Banken halten im Februar noch griech. Anleihen über 10,3 Mrd € (April 2010: 16 Mrd €), deutsche Versicherungen über 2,8 Mrd € (5,8 Mrd €) [o].
Das zeigten neue Zahlen der Bundesbank. Demnach hielten die Banken im Januar und Februar 2011 Anleihen Athens über 10,3 Milliarden Euro. Ende April 2010 seien es noch 16 Milliarden Euro gewesen.
13.06. – GR: S&P stuft Griechenlands Rating nun von B auf CCC herunter [o], Moody’s ebenso [o]. – Robert Heusinger warnt in Zeit online vor steigenden nationalen Ressentiments: „Herdentrieb. Entmachtet die nationalen Parlamente in der Eurokrise“ [o].
15.06. – Mario Draghi, künftiger EZB-Chef, steht dem Europaparlament Rede und Antwort [o]. Er will weg von der überreichen Geld-Versorgung der Banken und will mehr Licht in die Rolle der Finanzmärkte bringen [o]. – GR: FR online, „In den Fesseln des Ratings“: Obwohl US-Gerichte in den Rating-Agenturen nur spezialisierte Fachmedien für Investoren sehen, versklavt sich die EZB selbst und sperrt sich gegen jegliche Laufzeitverlängerung, weil sie nach ihren eigenen Regeln griechische Staatsanleihen bei einem D-Rating (Default, Zahlungsverzug) nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren dürfte [o]. – Robert von Heusinger, „Wehe, wenn sie losgelassen“, über die Folgen eines Zahlungsausfalls, wenn der IWF Ende Juni die zugesagten 12 Mrd € nicht überweist: Massive Kapitalflucht (Schon jetzt laut IWF-Statistik von Anfang 2010 bis April 2011 gut 33 Mrd € Einlagenverlust der Banken o). Die griech. Banken haben Sie haben rund 40 Mrd € Eigenkapital und halten rund 60 Mrd € Staatsanleihen. Direkte Verluste deutscher Banken dürften bei 40% Abschlag nur bei 10 Mrd € liegen. Die EZB ist aber in Griechenland, Portugal und Irland laut Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Tom Mayer mit rund 400 Mrd € engagiert (Bondkäufe, Sicherheiten, Nothilfen). Vor allem aber wären unbesicherte Staatskredite über 340 Mrd € betroffen, dreimal so viel wie bei der Lehman-Pleite. Ebenso groß ist die „Domino-/Ansteckungsgefahr“, der Rettungsschirm reicht gerade noch für Spanien, nicht für Italien [o]. – Nach Merkel und Schäuble sollen Investoren griech. Anleihen vor Fälligkeit gegen neue 7j. Bonds tauschen. EZB und Frankreich wollen nur freiwillige Erneuerung nach Ablauf [o].
16.06. – GR: Zinsen für 10j. Anleihen erreichen 18% [o], für 2j. Anleihen 30% [o].
17.06. – GR: Finanzminister Giorgos Papakonstantinou wechselt ins Umweltministerium und wird von Evangelos Venizelos (bisher Verteidigung) ersetzt [o]. – Süddeutsche, „Verkaufte Heimat“: „Es sind Rentner und Studenten, Handwerker und Lehrer, einfache Bürger, linke Anarchisten und Rechtsextreme, die hier zusammenkommen. Die mageren Gehälter und Renten hat man ihnen im letzten Jahr um 15 Prozent gekürzt, die für manche lebenswichtigen Zulagen gestrichen, die Steuern sind in die Höhe geschnellt. Benzin kostet 60 Prozent mehr als vor einem Jahr - der Preis für Super steht bei 1,80 Euro -, die Schachtel Zigaretten ein Viertel mehr: vier Euro. Ein U-Bahn-Ticket kostet statt einem Euro nun 1,40. Athen ist zu einer der teuersten Städte Europas geworden. Viele Griechen müssen mit 20 bis 30 Prozent weniger Geld auskommen als vor einem Jahr, eine verbeamtete Lehrerin etwa verdient 1000 Euro im Monat. Vier von zehn Griechen unter 25 Jahren haben gar keine Arbeit. Wer kann, verlässt das Land.“ [o]. – USA: Laut Insidern erwägt die Börsenaufsicht zivilrechtliche Betrugsklagen gegen die Rating-Agenturen [o].
18.06. – GR: In drei Tagen soll eine ganzseitige Anzeige für Hilfszahlungen an Griechenland u.a. in der FAZ und im Pariser Figaro erscheinen, rund 50 Manager aus beiden Ländern haben unterschrieben, darunter Chefs vieler Dax-Konzerne. Die Initiative geht auf Gerhard Cromme von Thyssen-Krupp zurück, der das deutsch-französische Unternehmertreffen moderiert [o]. – GB: Zeit.de: Die Staatsverschuldung stieg auf 1.000 Mrd GPB, das Haushaltsdefizit auf 156 Mrd GBP (11,6% des BIP) und soll bis 2014 auf 43 Mrd GPB verringert werden, allein im öffentlichen Dienst sollen 500.000 Stellen gestrichen werden. Ein Finanzbeamter: „Wären die Briten dem Euro beigetreten, dann hätte die Euro-Zone längst ein echtes Desaster erlebt. Dagegen wären Griechenland, Irland und Portugal Peanuts gewesen.“ Zentralbankchef Mervyn King senkte die mittelfristige Wachstumsprognose auf 1,5% und sagt einen Anstieg der Inflation auf 5% voraus [o].
19.06. – Die EU-Kommission bemängelt Merkels deutsche Euro-Plus-Maßnahmen und empfiehlt die weitere Liberalisierung von Eisenbahnverkehr und Energiesektor sowie die Senkung der Steuerbelastung, die für viele Menschen Arbeit unattraktiv mache [o].
20.06. – USA: Die National Credit Union Administration (NCUA) in Alexandria/VIR, die bei Pleiten einspringt, verklagt JPMorgan Chase und die Royal Bank of Scotland auf Schadenersatz von über 800 Mio $ wegen Verleitung zu MBS-Geschäften mit falschen Versprechungen, worauf fünf Zentralinstitute der Genossenschaftsbanken zusammenbrachen [o]. – GR: Hervorragende Zusammenstellung der Rosa-Luxemburg-Stiftung: „20 Beliebte Irrtümer der Schuldenkrise“ [o]. – In der Nacht beschlossen die EU-Finanzminister, die Auszahlung der nächsten 12-Mrd-€-Rate nur bei Beschluss der zugesagten Sparmaßnahmen [o]. Weiterhin sprechen alle nur von „freiwilligen“, aber „substantiellen“ Beiträgen der Gläubiger. Geithner fordert eine Telefonkonferenz der G7, ein IWF-Sonderbericht ein ein schnelles Ende der „unproduktiven Umschuldungsdebatte“ [o]. Westerwelle mahnt, von der Konsolidierung nicht abzurücken: „Gute Medizin schmeckt manchmal bitter, aber dafür wirkt sie dann auch.“ [o]. In Athen protestierten erneut 5.000 Menschen auf dem am Parlament gelegenen Syntagma-Platz, wo seit drei Wochen die sogenannten Empörten ("Aganaktisméni") campieren [o]. S&P kündigte an, wahrscheinlich auch im Falle einer freiwilligen Umschuldung ein D-Rating zu vergeben [o]. – ES: Die Nettosteuereinnahmen schrumpften Jan-Apr im Vorjahresvergleich um 32% auf 16 Mrd €; Tabak-, Alkohol- und Mineralölsteuern um 76% auf 346 Mio €; die Mehrwertsteuer (trotz Erhöhung von 16 auf 18%) um 48% auf 6,8 Mrd € [o]. – SPIEGEL Titel Nr. 25/2011: „Plötzlich und erwartet. Nachruf auf eine gemeinsame Währung“ [o]. – Rolf-Dieter Krause, Leiter des Brüsseler ARD-Fernsehstudios: „Uns droht dieser Laden um die Ohren zu fliegen. Der Euro, der eine Klammer für Europa sein sollte, ist der gefährlichste Sprengsatz für Europa geworden - ein Treppenwitz der Geschichte. Man hat nicht den Eindruck, dass damit adäquat umgegangen wird. Übrigens nicht nur von Berlin. Es gibt auch noch andere Länder, die bei einer Krise des Ganzen immer noch sehr individuelle Ziele verfolgen und das ist auch nicht angemessen. Da ist Berlin in schlechter Gesellschaft, hebt sich aber auch nicht davon ab.“ [o].
21.06. – GR: Regierungschef Papandreou übersteht Vertrauensvotum [o]. Zuvor sagte er: „Heute wird uns geholfen. Es ist aber unsere Pflicht, auf eigenen Beinen zu stehen. Wenn die Griechen sich nicht entscheiden, alles zu ändern, wird das Land nie aus der Krise kommen.“ [o]. EU-Kommissionspräsident Barroso stellt einen Vorschuss von 1 Mrd € z.B. aus dem Kohäsionsfonds in Aussicht, der normalerweise auch Eigenmittel erfordern würde [o].
29.06. – USA: Die Bank of America steht kurz vor Ankündigung einem Vergleich von 8,5 Mrd $ als Zahlungen an die Fed New York und Anleger wie Blackrock und Pimco für nicht bediente Hypotheken der übernommenen Countrywide [o].
30.06. – GR: Das Parlament nimmt den Sparplan an [o]. Schäuble verkündet nach Spitzengesprächen mit der Finanzwirtschaft, die Banken würden sich mit 3,2 Milliarden Euro beteiligen, was die bis 2014 auslaufenden Staatsanleihen betrifft. Dieser Wert ist völlig irreführend [o]: • 1,2 Milliarden Euro kommen von den staatlichen Banken HRE und WestLB [o]. • Von den restlichen 2,0 Milliarden Euro sollen die Banken nur 70% in neue 30-jährige Anleihen reinvestieren. • Von den 1,4 Milliarden Euro muss Griechenland wiederum 30% (0,42 Milliarden) an eine neu zu schaffende Finanzierungsgesellschaft verleihen, die das Geld bei supranationalen Organisationen wie dem EFSF anlegt und AAA-Anleihen erhält, die als Garantien dienen. • Die Banken erhalten auf die neuen Anleihen einen Zins von 5,5% bis 8%. Die alten Anleihen wären bei Verkauf jetzt nur ca. 74,7% wert, eine Umschichtung hat einen Gegenwartswert von 74,6 bis 85%.
2011, 3. und 4. Quartal
02.07. – GR: Die Euro-Finanzminister geben die 5. Rate von 12 Mrd € frei [o].
05.07. – PT: Moody’s stuft Portugal von Baa1 auf Ba2 herunter (BBB+ auf BB) [o].
06.07. – Schäuble: „Wir müssen den Einfluss der Rating-Agenturen begrenzen.“ Das Oligopol müsse gebrochen werden [o].
07.07. – Kritik an Rating-Agenturen: EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier überlegt, Rating-Agenturen die Bewertung von kriselnden Euro-Staaten zu untersagen. Die Kommission werde bis Herbst Vorschläge machen. EZB-Chef Trichet: „Es ist klar, dass eine kleine oligopolistische Struktur nicht wünschenswert ist auf der Ebene des globalen Finanzsystems“. Euro-Gruppen-Chef Juncker sagte, falls sich die Bonitätswächter weiter so verhielten wie bisher, würden sie an Bedeutung verlieren. OECD-Ökonom Pier Carlo Padoan warf ihnen vor, sie verschärften wirtschaftliche Krisen durch „sich selbst erfüllende Prophezeiungen“ [o].
12.07. – IRL: Moody´s senkt das Rating von Baa3 auf Ba1 [o].
13.07. – GR: Auch Fitch senkt das Rating von B+ auf CCC [o].
21.07. – GR: Euro-Gipfel: Zweites Rettungspaket von 109 Mrd € [o], Zinsen werden auf 3,5% gesenkt, wodurch sich die EU-Forderungen um etwa 30% verringern. Auch Allianz, Deutsche Bank und Commerzbank haben sich verpflichtet, ihre Staatsanleihen in neue 30-jährige Anleihen zu tauschen, wodurch sich deren Gegenwartswert um rund 20% verringert. Banken, die bereits auf Marktwert abgeschrieben haben, machen damit sogar wieder Gewinn. Der EFSF darf künftig am Anleihenmarkt intervenieren, um der Spekulation entgegenzutreten [o].
01.08. – IT: Bei der Ausgabe neuer Staatsanleihen stieg der Zins innerhalb eines Monats um rund 1%, für 3-jährige Anleihen nun 4,8%, für 10-jährige 5,8% [o]. – EU: Gegenüber China werden Zölle auf Fahrräder(teile) von 48,5% nach Beschwerden von DE und IT bis 2016 verlängert, ein Zoll von 69,7% auf Wand- und Bodenfliesen neu erhoben [o].
05.08. – USA: S&P stuft die USA auf AA+ herab [o].
08.08. – Die EZB kauft erstmals auch italienische und spanische Staatsanleihen am Sekundärmarkt; die Renditen auf 5-jährige italienische bzw. spanische Staatsanleihen fallen um rund 0,7 Punkte auf 4,85 bzw. 4,7%. Italien erklärt sich bis 2013 zu weiteren Kürzungen von 45 Mrd € bereit [o].
17.08. – Wolfgang Schäuble lehnt Eurobonds erneut ab, doch die Diskussion darum ist stärker entflammt als je zuvor: Die Krisenländer drängen darauf ebenso wie SPD und Grüne [o].
28.08. – Nach einer erneut zunehmenden Vertrauenskrise unter den europäischen Banken, die ihr Geld lieber bei der EZB hinterlegen [o], fordert IWF-Chefin Lagarde, die Banken mit EFSF-Geldern zu rekapitalisieren [o].
31.08. – Das Kabinett bringt zur Umsetzung der Gipfelbeschlüsse des 21.07. das „Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ auf den Weg [o].
07.09. – Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass die Beteiligung am Rettungsfonds EFSF mit dem Grundgesetz vereinbar ist, allerdings muss der Haushaltsausschuss allen Rettungsmaßnahmen zustimmen [o].
29.09. – Der Bundestag billigt die Aufstockung des EFSF auf 780 Mrd € [o].
26.10. – Der Bundestag stimmt erneut über eine Ausweitung des EFSF ab [o].
Merkel in ihrer Regierungserklärung [o]: „Ich glaube, wir sind uns einig: Dies ist die größte Belastungsprobe der Wirtschafts- und Währungsunion, die es je gegeben hat. [...] Die Wahrheit ist: Jahrelang war es möglich, Schulden zu machen, ohne dass es Sanktionen der Märkte in Form von erhöhten Zinsen gab oder die Sanktionen im Stabilitäts- und Wachstumspakt, die eigentlich dafür vorgesehen sind. Jahrelang war es möglich, notwendigen Reformen auszuweichen und in der Wettbewerbsfähigkeit zurückzufallen. [...]
Angesichts der Dimension bei der Bekämpfung der Krise ist nicht zu vergessen: Entstanden ist sie maßgeblich auch durch zu wenig Regulierung. Deshalb bleibt die Regulierung der Finanzmärkte eine der großen Aufgaben, die bei weitem noch nicht erledigt ist. [...] Ein wichtiger Schritt wird jetzt in Cannes gegangen werden: Systemrelevante Banken werden nicht mehr so, wie es in der Krise der Fall war, behandelt, dass nämlich letztlich der Steuerzahler dafür eintreten muss. "Too big to fail" gibt es nicht mehr, und international wird ein Restrukturierungsprozess für die systemischen Banken vereinbart [...]. [...]
Gestatten Sie mir angesichts der Lage - nicht nur der ökonomischen Lage wegen der Schuldenkrise, sondern auch der politischen Lage in einzelnen Staaten Europas - zum Schluss ein persönliches Wort. Niemand sollte glauben, dass ein weiteres halbes Jahrhundert Frieden und Wohlstand in Europa selbstverständlich ist. Es ist es nicht. Deshalb sage ich: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa."
Auf dem EU-Gipfel beschließen die Staats- und Regierungschefs einen Schuldenschnitt für Griechenland [o], eine Ausweitung des EFSF und eine Rekapitalisierung der Banken. Italien verspricht, stärker zu sparen [o].
31.10. – GR: Papandreou kündigt Referendum über Rettungspaket an [o].
03.11. – GR: Auf Druck der EU, deren Finanzminister die nächste Kredittranche auf Eis legen, sagt Papandreou das Referendum wieder ab [o].
06.11. – GR: Rücktritt Papandreous [o], neuer Ministerpräsident wird das frühere EZB-Ratsmitglied Lucas Papademos [o].
12.11. – IT: Rücktritt von Premier Silvio Berlusconi [o], nachdem die Zinsen auf ital. Staatsanleihen auf 7,5% stiegen; Nachfolger wird mit Hilfe von Staatspräsident Giorgio Napolitano der frühere EU-Komissar Mario Monti [o].
20.11. – ES: In Spanien erringt die konservative Partei (PP) die absolute Mehrheit. Spitzenkandidat Mariano Rajoy schwört die Spanier auf harte Zeiten ein [o].
16.12. – IT: Das Parlament stimmt dem Spar- und Reformpaket von Mario Monti zu [o].
2012
13.01. – S&P stuft Frankreich [o], einen Tag später neun weitere Länder [o] und dann auch den EFSF [o] von AAA herab.
19.01. – Joseph Stiglitz: "Und dieses Jahr wird voraussichtlich noch schlimmer." [o].
31.01. – EU-Gipfel beschließt Fiskalpakt und Vorziehen des ESM auf Juni 2012 [o].
21.02. – GR: EU-Finanzminister beschließen endgültig das zweite Hilfspaket von 130 Mrd € (ursprünglich 109 Mrd €, nun aber zusätzliche Garantien) [o].
27.02. - SPIEGEL-Artikel zu den ungeheuren Target-2-Risiken (Außenhandelsungleichgewichte), auf die Prof. Werner Sinn hinweist [o].
05.03. – Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut HWWI: "Es gibt ökonomische Ideen und Glaubenssätze, die ich zu lange akzeptiert habe, obwohl sie mit der Empirie nicht übereinstimmten. [...] Es ist unstrittig, dass die Deregulierung, die in der Reagan-Zeit angefangen hat, zu weit gegangen ist. Dass [...] mittlerweile mehr Kosten als Gewinne durch Abbau von Regeln entstehen." [o].
08.03. – GR: Die Gläubiger sind zu einem Schuldenschnitt (Umschuldung) bereit [o].
12.04. – Ökonom Amartya Sen: "Viele Ökonomen nehmen ihre simplen Modelle zu ernst." [o].
18.04. – US-Ökonom Michael Hudson: "Ich habe noch keinen IWF-Ökonomen getroffen, der irgendetwas gelernt hat." [o].
26.04. – Memorandum 2012 der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: "Europa am Scheideweg..." [o].
06.05. – FR: Francois Holland wird neuer Präsident [o]. – GR: Bei den Wahlen verlieren ND und PASOK ihre Mehrheit, es kommt zu keiner Regierungsbildung, Neuwahlen im Juni werden beschlossen [o].
21.05. – USA: JP Morgan-Chef Jamie Dimon gibt 2 Mrd $ Verlust durch Fehlspekulation mit Kreditderivaten zu [o]. - Prof. David Graeber: "Der Kapitalismus wird an seine Grenzen stoßen, das ist offensichtlich. [...] Was danach kommt, kann viel schlimmer werden, brutaler und ungleicher." [o].
25.05. – ES: Bankia braucht 19 Mrd € [o]. - Grass-Gedicht "Europas Schande" [o].
05.06. – Merkel schlägt europäische Aufsicht für systemrelevante Banken vor [o].
06.06. – US-Ökonom Michael Hudson plädiert in der FAZ dafür, dass die Zentralbanken die Staaten direkt mit Geld versorgen [o].
15.06. – DIE LINKE: "Plan B. Das rote Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau" [o].
22.06. – Das Handelsblatt zum Skandal um Ministerpräsident Mappus und den EnBW-Deal: "General Notheis und sein Befehlsempfänger" [o].
26.06. – Angela Merkel: "Keine Euro-Bonds, solange ich lebe." [o]. – Der Mittelstand wendet sich in Bezug auf die Finanzkrise gegen den BDI [o].
28.06. – Der LIBOR-Skandal beginnt, bekannt zu werden [o].
29.06. – Euro-Gipfel in Brüssel. Spanien und Italien setzen flexiblere Hilfen durch [o o].
03.07. – Seehofer droht mit Koalitionsbruch [o]. – Eurostat meldet Rekordarbeitslosigkeit in der Eurozone von 11,1% (April 2008: 6,8%), Jugendarbeitslosigkeit 22,6% [o].
05.07. – Der "Ökonomen-Streit" beginnt [o].
10.07. – Erste Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zu ESM und Fiskalpakt [o]. Verfassungsbeschwerde gegen den ESM von Degenhardt/Däubler-Gmelin [o]. Däubler-Gmelin: "Europa wird Bestand haben, wenn es seinen eigenen Prinzipien von Demokratie, Sozialstaatlichkeit und Rechtsstaatlichkeit folgt. [...] Wir wollen ein besseres Europa, keines der Bürokraten, das Frau Merkel uns als „alternativlos“ verkaufen will." [o].
12.07. – GR: Griechenland fordert zwei Jahre mehr Zeit, die meisten Sparziele wurden nicht erreicht. Die Arbeitslosigkeit stieg in einem Jahr von 16 auf 22,5%, die Wirtschaft wird 2012 um 7% einbrechen [o].
13.07. – IT: Moodys stuft Italien von A- auf BBB herab, nachdem die Renditen auf 10j. Anleihen auf über 6% stiegen [o]. – USA: Laut Ökonomieprofessor Michael Hudson "droht als Endstadium des Neoliberalismus ein dunkles Zeitalter von Armut und Verelendung – bis hin zur Schuldknechtschaft." [o]. – USA: JP Morgan Chase gibt Verluste durch Derivate-Wetten von bis zu 5,8 Mrd $ zu, fast das Dreifache des am 21.5. genannten Betrages [o].
14.07. – Peter Bofinger weist in einem "Spiegel"-Interview darauf hin, dass selbst stärkstes Sparen "die Märkte" nicht beruhigt. Italien hat nach Deutschland das zweitniedrigste Defizit! Helfen würde dagegen der vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Schuldentilgungspakt [o].
15.07. – ESM-Chef Klaus Regling: Wenn Hilfen aus dem ESM direkt an Banken gegeben werden, „dann ist das [jeweilige] Land raus aus der Haftung“ [o]. – SPD-Chef Gabriel: "Wenn Angela Merkel die Staatenrettung in eine Spekulantenrettung der Banker verwandeln will, dann muss sie das mit ihrer eigenen Mehrheit und gegen den Widerstand der SPD durchsetzen" [o].
18.07. – ES: Spanienkrise verschärft sich: Verabschiedung eines 65 Mrd €-Sparprogramms [o]. – IWF-Mitarbeiter Peter Boyle kündigt mit einem Brandbrief: "Nach 20 Jahren Dienst schäme ich mich, mit dem Fonds überhaupt jemals zu tun gehabt zu haben." [o o]
19.07. – Der Bundestag billigt die 100 Mrd €-Hilfe für Spaniens Banken [o]. Vera Lengsfeld (CDU): Das Parlament "gleicht immer mehr der Volkskammer der DDR" [o]. – Landesweite Proteste in Spanien [o].
20.07. – ES: Die Zinsen auf Staatsanleihen steigen auf über 7%. Valencia bittet als erste Provinz um Hilfe aus dem nationalen Rettungsfonds FLA, andere folgen. Außenminister García-Margallo attackiert die EZB: „Sie tut nichts, um den Brand der (spanischen) Staatsschulden zu stoppen.“, während Länder wie Deutschland sich gratis verschulden können. Wegen steigender Zinsen und Arbeitslosigkeit werden die Staatsausgaben um 9% auf 126 Mrd € steigen, wobei der Schuldendienst mit bis zu 39 Mrd € der größte Posten ist. [o].
21.07. – Gabriels Anti-Banken-Thesen: "Die Bundestagswahl 2013 muss zu einer Entscheidung über die Bändigung des Banken- und Finanzsektors werden." [o].
22.07. – Laut einer Studie des Tax Justice Network lagern 21-32 Billionen $ in Steueroasen, womit die Reichen bis zu 280 Mrd $ Steuern hinterzogen haben [o o o o].
23.07. – Institute for New Economic Thinking, INET: "Europa schlafwandelt auf eine Katastrophe unkalkulierbaren Ausmaßes zu" [o o].
26.07. – EZB-Chef Draghi: "Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, es wird ausreichen." Die Zinsen auf spanische und italienische Staatsanleihen sinken wieder um 0,4%-Punkte [o].