Rudolf Steiner über...
Antroposophie und Christus-Impuls
Elemente zu einem Erfassen des realen Christus-Impulses.
Das Christus-Wesen
Gewöhnliche Gottesvorstellung erreicht nur den Engel
Christus und die Menschheitslehrer
Vorstufen des Mysteriums von Golgatha
Das Mysterium von Golgatha
Christus und der Auferstehungsleib
Das Wirken des Auferstandenen
Individuelles Aufnehmen des Christus-Impulses
Durchchristung der Erinnerung
Die Wiederkunft des Christus im Ätherischen
Christus als Herr des Karma
Anthroposophie als Sprache des Christus
Die Sprache vergeistigen
Lebendige Ideale und das Wesen des Christus
Der Gedankenweg zu Christus
„Christus gibt mir mein Menschenwesen“
Christus und das Moralische
Michael als Diener des Christus
Waldorfpädagogik und Christus
Die Arbeit des Ich am Kinde
Waldorfpädagogik und Christusgeist
Bei jedem Kinde eine Rettung vollziehen
Christus-Künder
Christuserlebnis einer Krankenschwester
„Spuren im Sand“
Novalis
Morgenstern
Gewöhnliche Gottesvorstellung erreicht nur den Engel
Noch etwas muß durchschaut werden. Sie wissen, die gegenwärtigen Konfessionen reden viel von Gott und dem Göttlichen. Von was reden sie eigentlich? Sie reden natürlich nur von dem, wovon ein wenigstens ahnendes Bewußtsein in der Menschenseele vorhanden ist. Es kommt ja nicht darauf an, wie man eine Sache nennt, sondern was in der Menschenseele vorhanden ist. Die Menschen reden von Gott, sie reden von dem Christus, aber sie meinen immer nur den Engel. Denn das ist noch dasjenige, zu dem sich die Menschen wenden können, weil das noch einen verwandten Ton in ihren Seelen anschlägt. Gleichgültig, wovon heute die Konfessionen reden, ob von Gott oder Christus oder irgend etwas anderem, das Gedankenmaterial, aus dem heraus gesprochen wird, umfaßt nur die zu den Menschen gehörigen Engelwesen, die Angeloi. Höher kommt es heute nicht als bis in diese Hierarchie, weil die Menschen heute abgeneigt sind, in einer noch umfassenderen Weise als aus dem Egoismus heraus ihr Verhältnis zur geistigen Welt zu suchen. Das Verhältnis zu den Archangeloi, zu der Hierarchie der Erzengel, muß eben in anderer Weise gesucht werden. Die Interessen, welche die Menschen heute haben, müssen wesentlich erweitert werden.
13.09.1919, GA 193, S. 128f.
Christus und die Menschheitslehrer
Wodurch unterscheidet sich der Christus, [...] dieses Wesen, dem wir eine solche Mittelpunktstellung zuschreiben müssen, von einem Bodhisattva? Der grundsätzliche Unterschied des Christus von dem Bodhisattva ist der, daß wir den Bodhisattva nennen müssen den großen Lehrer, die Verkörperung der Weisheit, die durch alle Kulturen durchgeht, die in der verschiedensten Weise sich verkörpert. Der Christus aber ist nicht bloß Lehrer, das ist das Wesentliche! [...]
[...] Sie finden in spirituellen Höhen eine Reihe von Bodhisattvas, die für ihre Zeiten die großen Lehrer, die Unterweiser sind nicht nur der Menschen, sondern die Unterweiser auch derjenigen Wesenheiten, die nicht heruntersteigen in die Region des physischen Lebens. [...] und in ihrer Mitte finden wir eine Wesenheit, die nicht nur dadurch etwas ist, daß sie lehrt: und das ist der Christus. Er ist nicht nur dadurch etwas, daß er lehrt, sondern er ist in der Mitte der Bodhisattvas als eine Wesenheit, die auf die umgebenden Bodhisattvas dadurch wirkt, daß diese ihren Anblick haben; angeschaut wird sie von den Bodhisattvas, denen sie ihre eigene Herrlichkeit offenbart.
Sind die anderen dasjenige, was sie sind, dadurch, daß sie große Lehrer sind, so ist der Christus dasjenige, was er der Welt ist, durch das, was er in sich selbst ist, durch sein Wesen. Ihn braucht man nur anzuschauen; und die Offenbarung seines eigenen Wesens, die ist etwas, was sich bloß zu spiegeln braucht in seiner Umgebung; dann entsteht daraus die Lehre. Er ist nicht bloß Lehrer, er ist Leben, ein Leben, das sich eingießt in die anderen Wesenheiten, die dann die Lehrer werden. So sind die Bodhisattvas diejenigen, die ihre Lehre davon herhaben, daß sie die Seligkeit genießen, die Anschauung des Christus zu haben in ihrer spirituellen Höhe.
31.8.1909, GA 113, S. 186f.
Vorstufen des Mysteriums von Golgatha
Es gibt einen christlichen Kirchenvater, der ziemlich allgemein anerkannt ist, und der nicht davor zurückscheute, Heraklit, den griechischen Philosophen, Sokrates und Plato Christen zu nennen, Christen, die es waren, bevor das Christentum begründet worden ist. Warum tut das dieser Kirchenvater? Ja, dasjenige, was sich heute Konfession nennt, verdunkelt so manches auch von dem, was ursprünglich leuchtende christliche Lehren waren. Hat doch Augustinus selbst gesagt: „In allen Religionen war etwas Wahres, und dasjenige, was in allen Religionen wahr war, das war das Christliche in ihnen, bevor es ein Christentum dem Namen nach gab.“ Augustinus durfte das noch sagen. Heute würde mancher verketzert, der innerhalb einer christlichen Konfession das gleiche sagen würde.
[...] Der Christus hatte immer mit der Erdenentwickelung etwas zu tun. Durch das Mysterium von Golgatha ist nur seine Aufgabe, seine Mission in bezug auf die Erdenentwickelung eine andere geworden, als sie früher war. Den Christus in der Erdenentwickelung erst seit dem Mysterium von Golgatha zu suchen, das ist nicht christlich! Wahre Christen wissen, daß der Christus immer mit der Erdenentwickelung zu tun hatte. [...]
Lassen wir Paulus antworten, wer der Gott war, der die Juden durch die Wüste führte. Wir lesen im ersten Korintherbrief, Kapitel 10, Vers 1-4, als die Worte des Paulus:
„Ich will euch aber, lieben Brüder, nicht verhalten, daß unsere Väter sind alle unter der Wolke gewesen“ – er meint die Wolken- und Feuersäule – „und sind alle durchs Meer gegangen, und sind alle auf Mose getauft mit der Wolke und mit dem Meer, und haben alle einerlei geistige Speise gegessen, und haben alle einerlei geistigen Trank getrunken; sie tranken aber von dem geistigen Fels, der mitfolgte, welcher war Christus.
12.07.1914, GA 155, S. 147f.
In der alten lemurischen Zeit lernte der Mensch die Mondrichtung in die Erdrichtung verwandeln. Das kam davon, weil während der Erdenentwickelung erst die Geister der Form dem Menschen aus eigener Substanz heraus sein Ich einflößten. Und die erste Manifestation dieser Ich-Einflößung ist jene innere Kraft, durch welche der Mensch sich aufrichtet. So ist der Mensch durch seine Lage der Erde entrissen. [...] Damit der Mensch sich harmonisch entwickeln kann bei aufrechtem, vertikalem Gang, müssen Kräfte aus dem Kosmos, aus dem Außerirdischen hereinströmen. Luzifer und Ahriman hätten alle menschliche Entwickelung in Unordnung bringen können dadurch, daß der Mensch durch seine aufrechte Stellung von den geistigen Kräften des Irdischen herausgerissen ist, wenn nicht in der alten lemurischen Zeit das erste Christus-Ereignis eingetreten wäre.
In dieser alten lemurischen Zeit hat stattgefunden in demjenigen Reiche, das als geistiges Reich das nächste ist unserem Erdenreiche, die Durchdringung jenes Wesens, aber als einer Art von Engelwesen, das später der nathanische Jesus geworden ist, mit dem Christus-Wesen. Das war eine Vorstufe des Mysteriums von Golgatha. Die Folge davon war, daß in dieser alten lemurischen Zeit – aber in ätherischen, geistigen Höhen – der spätere nathanische Jesus, der sonst die Gestalt des Engels gehabt haben würde, natürlich nicht fleischliche, sondern ätherische Menschengestalt annahm. In der überirdischen Region – aber in der nächst überirdischen Region – als ätherische Engelsgestalt ist der Jesus von Nazareth zu finden. Durch das Durchziehen mit dem Christus hat er ätherische Menschengestalt angenommen. Damit ist ein Neues in den Kosmos hineingedrungen, das jetzt ausstrahlt auf die Erde und dem Menschen, der physischen Erden-Menschenform, in die hineinströmte die Kraft der ätherischen überirdischen Christus-Wesenheit, möglich macht, sich zu schützen vor jener Zerstörung, die hätte eindringen müssen, wenn nicht aus dem Kosmos hätte hereinstrahlen und den Menschen durchdringen können, so daß sie in ihm lebt, die Gestaltungskraft, die ihn ein aufrechtes, ordentliches Wesen werden läßt. [...] Wir sollen uns später öfter erinnern, warum das Kind geht, und dann denken, wie das dem Christus-Impuls zu verdanken ist. [...] Wir merken gleichsam durch Geisteswissenschaft die Schützer, die Hüter kindlichen Wachstums und kindlichen Werdens. Wir merken, wie die Christus-Kraft dieses kindliche Wesen und kindliche Werden umstrahlt.
[...] Das Sprechenlernen [...] ist wiederum eine menschliche Fähigkeit, die in den Erdenmenschen hineingekommen ist dadurch, daß er sich vorwärtsentwickelt hat. Dadurch, daß die Geister der Form ihn durchgossen, durchdrungen haben, ist er imstande, eine Sprache zu sprechen, sein Erdenleben auf dem physischen Plan zu leben. Damit entreißt er sich durch zwei Elemente denjenigen geistigen Kräften, die auf der Erde wirksam sind. [...] Durch den luziferischen und ahrimanischen Einfluß hätte im Sprechen alles unedel werden müssen, wenn der Mensch nur der Erde überlassen worden wäre, wenn nicht kosmisch-geistige Einflüsse, die zur Erde herunterkamen, in den Menschen sich hereinergossen hätten. Der Mensch würde seine ganze Lebenskultur so entwickelt haben, alle seine Leibesorgane, Kehlkopf, Zunge, Rachen und so weiter, ja auch die tieferliegenden Organe wie Herz und so weiter, insofern sie damit zusammenhängen, der Mensch würde sie so entwickelt haben in der atlantischen Zeit, wenn nichts geschehen wäre durch den Christus, daß der Mensch nur fähig gewesen sein würde, in ärmlichem Lallen auszusprechen – etwa nach Sibyllen- oder Medienart – dasjenige, was ihm egoistisch Schmerz, Freude, Lust, Wollust bereitet. [...] Die ganze Sprache wäre eine Summe von Interjektionen geworden. [...] Das wurde abgewendet [...] durch das zweite Christus-Ereignis, dadurch, daß sich diese Wesenheit in Ätherhöhe, die später der nathanische Jesusknabe wurde, das zweite Mal durchdrang mit der Christus-Wesenheit, und daß sie eine solche Wesenheit annahm, die nunmehr die Leibesorgane des Menschen so durchdrang, daß der Mensch jetzt fähig wurde, etwas anderes als bloße Empfindungsworte auszustoßen. Daß er fähig wurde, das Objektive zu ergreifen, das ist durch das zweite Christus-Ereignis ermöglicht worden.
[...] Aber die äußeren Dinge durch Worte zu bezeichnen, so daß die Worte richtige Zeichen sein können für die äußeren Dinge, das war immer noch gefährdet durch die luziferischen und ahrimanischen Einflüsse bis in die atlantische Zeit hinein. Da geschah das dritte Christus-Ereignis. Zum dritten Mal verband sich die Wesenheit in den geistigen Höhen, welche später als nathanischer Jesus geboren wurde, mit der Christus-Wesenheit, und ergoß sich wiederum mit den Kräften, die sie jetzt angenommen hatte, in die menschliche Sprachfähigkeit. [...] Damit war der Sprachkraft die Möglichkeit gegeben, mit den Worten wirkliche Zeichen zu schaffen für das, was äußere Umgebung ist, und dadurch über die einzelnen Gebiete der Menschheit die Sprache als Verständigungsmittel zu schaffen. Das Kind könnte nimmermehr sprechen lernen, wenn nicht in der atlantischen Zeit diese beiden Christus-Ereignisse eingetreten wären. Und wir bereichern wiederum durch die Geisteswissenschaft unser Empfinden, wenn wir, wenn das Kind anfängt zu sprechen und immer mehr sich vervollkommnet im Sprechen, wenn wir da bedenken, wie im Unbewußten drinnen walten die Christus-Impulse, wie da beschützend und fördernd die Christus-Kraft in der Sprachkraft lebt. [...]
Ein Drittes, was das Kind lernen muß, bevor es eigentlich zum Ich-Bewußtsein erwacht, ist das Vorstellen, das Denken. Dieses Denken war erst aufgespart für die Menschheit der nachatlantischen Zeit, ja sogar im Grunde genommen erst für die Menschheit der vierten nachatlantischen Periode. Vorher dachte man in Bildern. [...] Das Kind denkt ja auch in Bildern. Den Gedanken zu denken ist der Menschheit erst gegeben, das Gedanken-Denken ist erst erwacht im 6. und 7. Jahrhundert vor Christus. Dann hat sich das Gedanken-Denken immer weiter ausgebildet. Jetzt stehen wir mittendrin. So ist die Entwickelung des Gedanken-Denkens, daß von diesem Gedanken-Denken unser Ich ergriffen wird. Daß auch das Denken verbunden sein kann mit dem Christus-Impuls, daß das Denken als solches nicht in Unordnung gekommen ist in seiner Wirksamkeit auf das Ich, dazu war das vierte Christus-Ereignis, das Mysterium von Golgatha, da. Und wenn unser Denken immer mehr in Ordnung kommen soll, wenn es sich immer mehr so entwickeln soll, daß unsere Gedanken nicht chaotisch durcheinander gehen, sondern von innerem Gefühl, innerer Empfindung durchdrungen, durchsetzt sind, wenn gesundes Wahrheitsdenken immer mehr und mehr entwickelt werden soll, so geschieht dies deshalb, weil durch das Mysterium von Golgatha, das vierte Christus-Ereignis, dieses Denken den Impuls dazu erlangt hat, dadurch erlangen konnte, daß der Christus-Impuls sich in die geistige Erdenatmosphäre ausgegossen hat.
7.3.1914, GA 152, S. 105-112.
Das Mysterium von Golgatha
Könnten wir von einem fernen Stern herunterschauen auf die Erde durch lange Jahrtausende hindurch, so würden wir einen Zeitpunkt finden, wo Christus so auf der Erde wirkt, daß die ganze Astralmaterie von dem Christus durchdrungen ist. Der Christus ist der Erdengeist, und die Erde ist sein Leib. Alles, was auf der Erde lebt und sprießt und wächst, das ist der Christus. Er ist in all den Samenkörnern, in all den Bäumen und in allem, was auf der Erde wächst und sprießt. Darum mußte Christus hindeuten auf das Brot und sprechen: „Das ist mein Leib.“ Und von dem Saft der Weintrauben – beim Abendmahl handelte es sich nicht um einen schon gegorenen Wein – mußte er sagen: „Dies ist mein Blut“, denn der Saft der Früchte der Erde ist sein Blut. Die Menschheit muß ihm darum auch erscheinen wie Wesenheiten, die auf seinem Leibe umhergehen. Darum sprach er auch zu seinen Jüngern nach der Fußwaschung: „Der mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen.“ Dieser Ausspruch ist wörtlich zu nehmen in dem Sinne, daß die Erde der Leib des Christus ist. Gerade dadurch, daß er sich zum Träger der Erdentwickelung macht, würde ein ferner Geist sehen können, wie immer mehr von seinem Geist einfließt in die Menschen – das Hineinziehen der Substanz des Christus Jesus in jeden einzelnen Menschen hinein. Am Ende würde er die ganze Erde verwandelt sehen, verchristete Menschen tragend, durch Christus vergottete Menschen. Nur was nicht teilgenommen hat an dieser Vergottung, das wird als das Böse beiseite gesetzt. Das muß einen späteren Zeitpunkt für seine Entwickelung zum Guten abwarten.
2.12.1906, GA 97, S. 69f.
Würde nun ein solcher hellseherischer Mensch auf diesem fernen Stern lange weilen, so lange, daß er die vorchristlichen Zeiten für die Erde vorübergehen und das Ereignis von Golgatha hätte eintreten sehen, so würde sich ihm folgender Anblick darbieten: Die Aura der Erde, Astralleib und Ätherleib bieten einen gewissen Anblick von Farben und Formen vor dem Ereignis von Golgatha; dann aber würde er sehen, wie die ganze Aura ihre Farben ändert von einem bestimmten Zeitpunkte an. Welcher Zeitpunkt ist das? Das ist derselbe Zeitpunkt, wo auf Golgatha das Blut aus den Wunden des Christus Jesus floß. Alle geistigen Verhältnisse der Erde als solche veränderten sich in diesem Augenblicke.
[...] In dem Moment, da das Ereignis von Golgatha geschah, hat die Kraft, der Impuls, der früher nur von der Sonne der Erde zuströmen konnte im Lichte, angefangen, sich mit der Erde selbst zu vereinigen; und dadurch, daß der Logos angefangen hat, mit der Erde sich zu vereinigen, dadurch ist die Aura der Erde eine andere geworden.
26.5.1908, GA 103, S. 122f.
Christus und der Auferstehungsleib
Im Beginne unseres Erdendaseins ist durch den luziferischen Einfluß der physische Leib nicht so geworden, wie er hätte werden sollen durch den Willen der Mächte, die durch Saturn, Sonne und Mond gewirkt haben, sondern es hat sich ihm eingegliedert ein Zerstörungsprozeß. Und der Mensch lebt fortan – seit dem Beginn des Erdendaseins – in einem physischen Leib, der der Zerstörung unterworfen ist, der nicht in entsprechender Weise den zerstörenden Kräften entgegensetzen kann die aufbauenden Kräfte.
So wäre es denn also wahr, was dem modernen Menschen so töricht erscheint: daß doch eine geheime Beziehung ist zwischen dem, was durch die Wirkung Luzifers geschehen ist, und dem Tode! Und sehen wir jetzt diese Wirkung einmal an. Welches war denn die Wirkung dieser Zerstörung des physischen Leibes? – Hätten wir den physischen Leib vollständig, wie er uns im Beginne des Erdendaseins zugedacht war, so würden sich unsere Seelenkräfte in ganz anderer Weise spiegeln, und wir würden dann erst wahrhaftig wissen, was wir sind. So wissen wir nicht, was wir sind, weil uns der physische Leib nicht in seiner Vollständigkeit gegeben ist. [...] Wie weit kennt denn der Mensch das Ich? So zweifelhaft ist das Ich, daß es der Buddhismus sogar leugnen kann als von einer Inkarnation zur andern gehend. So zweifelhaft ist es, daß das Griechentum in eine tragische Stimmung verfallen konnte, die wir mit den Worten des griechischen Heros ausdrückten: Lieber ein Bettler sein in der Oberwelt, als ein König im Reiche der Schatten! [...] Und indem er zerfallen sah die Form des physischen Leibes, graute ihm bei dem Gedanken, daß sein Ich hindämmere; dieses Ich, das nur dadurch hervorgeht, daß es sich spiegelt an der Form des physischen Leibes.
Und wenn wir verfolgen die menschliche Entwickelung vom Erdenanfang bis zum Mysterium von Golgatha, so finden wir, daß der Prozeß, den wir eben angedeutet haben, sich in einem immer steigenderen Maße zeigt. [...] Und es ist unmöglich, das Christentum zu begreifen, wenn man nicht einsieht, daß zur Zeit, als die Ereignisse von Palästina sich abspielten, das Menschengeschlecht über die Erde hin dort angekommen war, wo dieser Zerfall des physischen Leibes seinen Höhepunkt erreicht hatte, und wo eben deswegen für die gesamte Entwickelung der Menschheit die Gefahr bestand, daß das Ichbewußtsein, die eigentliche Errungenschaft der Erdentwickelung, verlorengehe. [...]
Da trat das Mysterium von Golgatha ein, trat so ein, wie wir es charakterisiert haben, und durch dieses Mysterium von Golgatha ist in der Tat dasjenige geschehen, was so schwierig zu begreifen ist für jenen Verstand, der nur gebunden ist an den überwiegend mit den zerstörenden Kräften behafteten physischen Leib. Es ist eingetreten, daß dieser eine Mensch, der der Träger des Christus war, einen solchen Tod durchgemacht hat, daß nach drei Tagen dasjenige, was am Menschen das eigentlich Sterbliche des physischen Leibes ist, verschwinden mußte und aus dem Grabe sich erhob jener Leib, der der Kräfteträger der physisch-materiellen Teile ist. Das, was eigentlich dem Menschen zugedacht war von den Beherrschern von Saturn, Sonne und Mond, das hat sich erhoben aus dem Grabe: das reine Phantom [die geistige Kraftgestalt, H.N.] des physischen Leibes, mit allen Eigenschaften des physischen Leibes. [...] Und es ist möglich, jene Beziehung zu dem Christus herzustellen, durch welche der Erdenmensch seinem sonst zerfallenden physischen Leib einfügt dieses Phantom, das aus dem Grabe von Golgatha auferstanden ist. Es ist möglich, daß der Mensch in seiner Organisation jene Kräfte, die damals auferstanden sind, so erhält, wie er durch seine physische Organisation im Erdenanfang infolge der luziferischen Kräfte die Adamorganisation erhalten hat.
11.10.1911, GA 131, S. 165ff.
Als nun die Zeit des Mysteriums von Golgatha herankam, da war im Grunde über die ganze Erde hin im wesentlichen [...] die Entwickelung des physischen Wesens des Menschen so, daß eigentlich für die gesamte Menschheit in Aussicht stand, sich nicht weiter auf der Erde verkörpern zu können, das heißt, diese absteigende Erdenentwickelung nicht weiter mitmachen zu können.
[...] Und durch dasjenige, was mit dem Mysterium von Golgatha geschehen ist, wurde, man möchte sagen, die Menschheit von dem Aussterben geheilt. Es wurde dem physischen Leib des Menschen wiederum eine entsprechende Frische beigebracht, so daß die Menschen nun die weitere Erdenentwickelung so durchmachen können, daß sie wiederum herunterkommen können aus geistig-seelischen Weiten und die Möglichkeit haben, überhaupt physische Leiber zu bewohnen. Das war die ganz reale Wirkung des Mysteriums von Golgatha. [...]
Es war also so, daß durch das Mysterium von Golgatha die Wachstums- und Gedeihenskräfte des physischen Menschen neu angefacht worden sind. [...]
[...] Das Mysterium von Golgatha ist eine Rettung der Menschheit vor dem Zerfall des physischen Leibes, gleichgültig, was die Menschen darüber glauben oder nicht glauben. Das Mysterium von Golgatha ist also geschehen für alle Menschen, auch für diejenigen, die nicht daran glauben. [...]
[...] Dadurch ist die Möglichkeit herbeigeführt, daß die Menschen auf Erden Leiber finden können, in denen sie sich auch für eine gewisse, noch sehr weitreichende Zukunft inkarnieren können.
7.5.1923, GA 224, S. 147ff, 152.
Individuelles Aufnehmen des Christus-Impulses
Es war also so, daß durch das Mysterium von Golgatha die Wachstums- und Gedeihenskräfte des physischen Menschen neu angefacht worden sind. Dadurch ist die Möglichkeit herbeigeführt, daß der Mensch in den Schlafzuständen einen Impuls erhält, den er sonst nicht erhalten würde. [...] Das Ich und der astralische Leib machen sich vom Einschlafen bis zum Aufwachen selbständig. Während dieses Selbständigmachens im Schlafe geschieht namentlich die Einwirkung der Christus-Kraft bei denjenigen Menschen, die sich durch den nötigen Seeleninhalt in entsprechender Weise für den Schlafzustand bereithalten. Also die Einwirkung durch die Christus-Kraft geschieht vorzugsweise während des Schlafzustandes. [...]
Also man möchte sagen: Das Mysterium von Golgatha wäre für die Wachzustände des Menschen geschehen, auch wenn die Menschen die Erkenntnis von diesem Mysterium von Golgatha nicht aufgenommen hätten. Es wäre aber dann nicht geschehen für den Schlafzustand des Menschen. Und dasjenige, was sich daraus hätte ergeben müssen, wäre das Folgende gewesen: Die Menschen würden sich zwar auf Erden immer wiederum inkarniert haben. Sie würden aber so geschlafen haben, daß sie in ihrem Geistig-Seelischen den Zusammenhang mit dem Christus verlieren müßten, wenn sie sich keine Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha angeeignet hätten.
[...] Für das Geistig-Seelische ist [...] notwendig, daß der Christus-Impuls sich auch in den Schlafzuständen in die Seele des Menschen senken kann. Dazu ist notwendig, daß der Mensch wissentlich sich bekennt zu dem Inhalte des Mysteriums von Golgatha. [...]
[...] Der Christus hat seine Tat für die ganze Menschheit vollbracht. Dem einzelnen, der diese Tat verstehen soll, dem einzelnen menschlichen Individuum hat er den Geist gesandt, so daß das Seelisch-Geistige den Zugang zu der allgemeinen Menschheitstat findet. [...]
[...] Für den physischen und den ätherischen Leib ist das Ereignis von Golgatha allmenschlich vollzogen. Der einzelne Mensch muß es für sich fruchtbar machen, indem er den Heiligen Geist aufnimmt. Dadurch wird der Christus-Impuls für jeden einzelnen individuell.
7.5.1923, GA 224, S. 149, 152ff.
Durchchristung der Erinnerung
Aber zugleich haben wir, indem wir auf dem Boden der Geisteswissenschaft stehen, noch ein Weiteres. Spätere Epochen bereiten sich immer schon in den früheren Epochen vor. Und indem wir mittendrin stehen in der fünften nachatlantischen Periode, indem wir Geisteswissenschaft pflegen und immer mehr und mehr zum Verständnis des lebendigen Gedankens, des hellseherisch werdenden Denkens beizutragen haben, haben wir zugleich die sechste nachatlantische Periode vorzubereiten.
Wie in die Gedanken das Leben hereinströmt durch den Christus-Impuls, so wird er noch in etwas hereinströmen, was zur menschlichen Seelenfähigkeit gehört und was nicht verwechselt werden darf mit dem bloßen Gedanken. Aus dem Unbewußten heraus entwickelt das Kind seine Fähigkeiten. Indem es zum Ich-Bewußtsein kommt, tritt es in die Sphäre ein, wo es sich aneignen kann, wo es entwickeln muß dasjenige, was von außen hereinkommen kann durch den Christus-Impuls. Wir können, wenn das Kind gehen gelernt hat, wenn es sprechen gelernt hat, und wenn es beginnt mit dem Denkenlernen sich durchzuarbeiten zu dem Ich, wir können es allmählich schon sehen, wie der bewußte Christus-Impuls, der durch das Mysterium von Golgatha hereingekommen ist, auf das Kind wirkt. Die Menschheit kann heute in etwas anderes, was in ihrem Seelenvermögen liegt, den Christus-Impuls noch nicht hineinnehmen. Hineinzuleiten diesen Christus-Impuls in das aufrechte Gehen, in Sprechen und Denken, das ist durch dasjenige möglich, was seit Jahrtausenden für die Menschen da ist mit der Menschheitskultur. In ein viertes Element hineinzuleiten den Christus-Impuls, vorzubereiten dieses Hineinleiten in ein viertes menschliches Vermögen, daran müssen wir auch denken, wenn wir uns im rechten Sinn auf den Boden der Geisteswissenschaft stellen. Daran müssen wir auch denken! Wo hinein der Christus-Impuls noch nicht geleitet werden kann, wo hineingeleitet zu werden er sich aber vorbereitet, das ist die menschliche Erinnerung, das Erinnern des Menschen. [...] Und eine Zeit wird herankommen für die Menschheit, die allerdings erst vollständig werden wird in der sechsten größeren Periode der Menschheitsentwickelung, aber jetzt sich vorbereitet, wo die Menschen hinsehen werden auf das, was sie erlebt und erfahren haben und was als Erinnerung in ihnen lebt, und werden sehen können, daß in der Kraft des Erinnerns der Christus mit-lebt. Durch jede Vorstellung wird der Christus sprechen können. Und auch wenn wir unsere Vorstellungen in der Erinnerung wiederbeleben, so wird in der Erinnerung, in dem, was so eng, so intim mit uns verbunden ist wie unsere Erinnerung, der Christus mit verbunden sein. Zurückblicken wird der Mensch können auf sein Leben und sagen wird er sich: So wie ich mich erinnere, so wie die Kraft des Gedächtnisses in mir lebt, so lebt in diesem Gedächtnis der hineingegossene Christus-Impuls. [...] Und der Mensch wird dadurch, daß der Christus in seine Erinnerungskraft eingezogen ist, dadurch, daß der Christus in der Erinnerungskraft lebt, der Mensch wird dadurch wissen, wie bis zum Mysterium von Golgatha hin der Christus außerirdisch gewirkt hat, wie er es vorbereitet hat und durchgegangen ist durch dieses Mysterium von Golgatha, und wie er als Impuls weiterwirkt in der Geschichte. So wahr und wirklich wird der Mensch das überschauen, wie jetzt im gewöhnlichen Leben die Erinnerung da ist. Man wird die irdische Entwickelung der Menschheit nicht anders überschauen können innerlich als so, daß man dann den Christus-Impuls im Mittelpunkt erblickt. Alle Erinnerungskraft wird durchsetzt und zugleich verstärkt werden durch das Eindringen des Christus-Impulses in die Gedächtniskraft, in die Erinnerungskraft. [...]
Dann wird die menschliche Erinnerung den Mittelpunkt des Weltgeschehens verstehen. Dann macht sich für den Menschen das Schauen geltend. Die gewöhnliche Erinnerung, die auf ein Leben sich nur richtet, die wird sich ausdehnen auf die vorhergehenden Inkarnationen. [...]
In dem neuen Christus-Ereignis, das jetzt nicht physisch, aber ätherisch herankommt, das zusammenhängt mit der ersten Entfachung der Erinnerungsfähigkeit, mit der ersten Entfachung des Durchchristetwerdens der Erinnerung, wird dieses Christus-Ereignis so sein, daß der Christus als engelartiges Wesen an den Menschen herantreten wird. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
7.3.1914, GA 152, S. 114-118.
Die Wiederkunft des Christus im Ätherischen
Man braucht aber in einer späteren Verkörperung, um nicht verkümmerte Seelen zu haben, das, was man sich an Fähigkeiten und Kräften in der vorhergehenden Inkarnation aus den damaligen Erdenverhältnissen heraus hat aneignen können. Es gibt Dinge, die man, wenn man sie versäumt hat, nicht mehr nachholen kann. Vielleicht werden Sie sagen: [...] Wir können ja nicht wissen, ob wir nicht unglaublich Wichtiges in früheren Verkörperungen versäumt haben. Das wäre ja wirklich eine trostlose Perspektive, denn vielleicht haben wir in früheren Inkarnationen Furchtbares versäumt, und was hilft uns auch jetzt alles andere! [...]
[...] Aber es ist keine richtige Konsequenz, denn die Sache liegt anders. Es ist durchaus richtig zwar: was unsere Seele sich nicht angeeignet hätte in der alten ägyptischen, indischen, persischen, griechischen Zeit, das könnte sie heute nicht mehr nachholen, das wäre unmöglich. Die Sache ist nur diese, daß gegenwärtig, in unserer Zeit, die ersten Inkarnationen des Menschen überhaupt da sind, in denen man bewußt, durch eigene Schuld etwas nach dieser Richtung versäumen kann. Und das wird noch eine Zeitlang dauern. Und da kann es nun auch eine Erklärung dafür geben, warum jetzt die Geisteswissenschaft anfängt, in die Welt zu kommen: weil jetzt erst die Möglichkeit für die Menschen anfängt, etwas zu versäumen. Jetzt müssen diese Wahrheiten zu den Menschen zu dringen beginnen, denn jetzt beginnen für den Menschen Inkarnationen, bei denen, wenn man diese nicht ordentlich anwenden würde, es schwerer werden würde, aus späteren Erdenverhältnissen heraus das nachzuholen, was da versäumt worden wäre. Und jetzt ist es ja auch so, daß die Menschen, wenn sie nur wollen, herankommen können an die geisteswissenschaftliche Erklärung von Reinkarnation und Karma und von andern Wahrheiten in der Geisteswissenschaft, daß sie also diese Selbstschuld nicht auf sich zu laden brauchen. [...]
Im Jahre 3101 vor unserer Zeitrechnung beginnt dasjenige Zeitalter, in dem nach und nach alle Möglichkeit für die Menschen, durch äußere natürliche, durch normale Kräfte hineinzuschauen in die geistige Welt, zunächst aufhört. In diesem Zeitalter – von 3101 vor unserer Zeitrechnung bis in unsere Zeit herein – gab es nur noch alte vererbte Reste von dumpfem, dämmerhaftem Hellsehen bei einigen Menschen. In diesem Zeitalter konnte man nur durch wirkliche esoterische Schulung regulär hinauf kommen in die geistigen Welten. Aber die normalen Fähigkeiten des Menschen entwickelten sich so, daß sie sich nur auf die äußere physische Welt erstreckten. Dieses Zeitalter nennt man mit einem orientalischen Ausdruck das Kali Yuga, das finstere Zeitalter, weil der Mensch jetzt nicht mehr hineinsieht in die geistige Welt durch seine natürlichen Fähigkeiten. [...]
Die wichtigsten Ereignisse, die sich auf dem geistigen Plan vollziehen, die sehen ja die Menschen gewöhnlich nicht, weil sie nicht genügend darauf aufmerksam sind. In unserem Zeitalter gehen wichtige Dinge vor. Das Wichtigste ist, daß das Kali Yuga abgelaufen ist im Jahre 1899. Das heißt, dasjenige Zeitalter der Menschheitsentwickelung ist abgelaufen, das dazu bestimmt war, die menschlichen Fähigkeiten herauszuführen auf die Beobachtung und Wahrnehmung des physischen Planes. Und jetzt, seit dem Jahre 1899 beginnt ein Zeitalter, in dem durch etwa 2500 Jahre hindurch in den Menschenseelen andere Fähigkeiten wiederum als normale Fähigkeiten langsam entwickelt werden. [...]
[...] Es kommt hinzu zu dem, was der Mensch sich während des Kali Yuga erworben hat, als besondere Fähigkeit ein natürlich-ätherisches Hellsehen, das heißt es beginnt jetzt das Zeitalter, wo in den Menschenseelen, zuerst in wenigen, dann in immer mehr und mehr Menschenseelen, gewisse hellseherische Fähigkeiten als normale Fähigkeiten erwachen werden. [...] Das heißt, es werden Seelen kommen mit solchen Fähigkeiten, und zwar in einer Zeit, die schon da ist, die schon angefangen hat, nur werden sie immer häufiger kommen. Jetzt sind sie einstweilen noch recht dünn gesät auf der Erde. Aber diese Fähigkeiten werden beginnen, sich immer weiter unter den Menschen auszubreiten. In einem deutlichen Maße werden sie vorhanden sein in den Jahren 1930 bis 1940. Das wird eine wichtige Zeitepoche sein, denn da wird man hervortreten sehen die neuen Fähigkeiten der Menschen. Während heute der Mensch nur den physischen Leib sieht, wird er dann auch die Fähigkeit erlangen, einiges Wesentliche zunächst, dann aber immer mehr und mehr vom Ätherleib zu sehen. [...]
[...] Mit jenen Fähigkeiten wird noch etwas anderes kommen. Es wird kommen [...] eine Erinnerung nicht nur an das Leben zwischen Tod und Geburt, sondern an das vorhergehende Leben, wie eine natürliche Eigenschaft. Aber jetzt wird es sich darum handeln, daß wir in der gegenwärtigen oder folgenden Inkarnation etwas ausbilden, woran man sich erinnern kann. [...] Woran man sich erinnern kann, das wird nur das sein, was in der Zentralgewalt unseres Innern, in unserem Ich vor sich gegangen ist. [...] Wenn man aber dieses Ich nicht pflegt, es nicht erkennen lernt durch die Geisteswissenschaft, es nicht fühlen lernt, dann ist es ja gar nicht da als inneres Seelengut. Erst müssen wir einmal schaffen dasjenige, an das wir uns dann sollen erinnern können in der nächsten Inkarnation. [...]
Das ist [...] das wichtigste Ereignis, das heute dem hellseherisch Geschulten zuteil wird: daß er den Christus in der geistigen Atmosphäre der Erde sieht. Weil nun diese Fähigkeit in jenem Zeitraum bei einer größeren Anzahl von Menschen auftreten wird, wird dann diese Anzahl von Menschen die unmittelbar durch naturgemäßes Schauen vermittelte Anschauung des Christus haben, des Christus in seinem ätherischen Leibe, mit dem dann die Menschen umgehen werden wie mit einer physischen Persönlichkeit. Nicht bis zu einem physischen Leibe wird der Christus heruntersteigen ein zweites Mal, aber die Menschen werden durch ihre Fähigkeiten hinaufsteigen ins Ätherische, in dem er sich jetzt offenbart. Der Christus wird ihnen wiedergekommen sein in dem Bereich ihres erweiterten Erlebens.
Das ist die Wiederkunft des Christus, angefangen ungefähr von den Jahren 1930 bis 1940 unseres Zeitalters. Es könnte dieses Ereignis unvermerkt an den Menschen vorbeigehen, wenn sie sich nicht vorbereiten würden, dieses große Ereignis zu verstehen. Vorzubereiten hat die Geisteswissenschaft die Menschheit auf dieses künftige Geschehen. Nicht unbemerkt soll es vorbeigehen an der Menschheit. Wenn es unbemerkt vorbeigehen würde, so würde die Menschheit veröden und verdorren.
30.1.1910, GA 118, S. 63-73.
Die aber, welche Verständnis für wirkliches geistiges Leben gewonnen haben, die werden verstehen, daß das „Wiederkommen des Christus“ in unserem Jahrhundert, als das größte Ereignis, bedeutet: Der Christus kommt zu den Menschen im Geiste, weil die Menschen durch ihre Entwickelung zum Geistigen hin sich bis zum Christus entwickelt haben! Und dadurch erfährt in unserem Jahrhundert die Bergpredigt eine völlige Modifikation. Alles wird sozusagen neugestaltet werden. Gotterfüllt oder selig werden die sein, die durch ihr Betteln um Geist in den verflossenen Inkarnationen so weit gekommen sein werden, daß sie hinaufgestiegen sein werden in jene Region der Reiche der Himmel, wo ihnen der Christus vor das geistige Auge tritt! [...]
Anthroposophie wird es sein, die aus der Geistesforschung heraus die Menschen den Christus in jener Gestalt, in der er lebendig ist, lehren wird, wenn diese Menschen diesen Lehren nur Verständnis entgegenbringen wollen, Verständnis selbst so weit, daß man klar erkennt: Der Christus wird wiederkommen, aber in einer höheren Realität, als die physische ist, in einer solchen Realität, zu der man nur wird aufschauen können, wenn man sich erst den Sinn und das Verständnis für das geistige Leben wird erworben haben.
Schreiben Sie das in Ihr Herz, was Anthroposophie sein soll: eine Vorbereitung für die große Epoche der Menschheit, die uns bevorsteht. [...] Und ebenso wie die Menschen, die verkörpert sein werden zwischen den Jahren 1930 und 1950, erleben werden das Hinaufschauen zu dem ätherischen Christus, ebenso wird ein gewaltiger Umschwung eintreten in der Welt, in der der Mensch lebt zwischen Tod und Geburt. Gerade so wie der Christus nach dem Mysterium von Golgatha heruntergestiegen ist in die Reiche der Unterwelt, so gehen die Wirkungen der Ereignisse, die in unserer Zeit geschehen für die Bewohner des physischen Planes, hinauf in die geistigen Welten. Und den Menschen, die sich nicht durch Geisteswissenschaft vorbereiten werden auf das große Ereignis, denen entgeht in jener Zeit das Gewaltige, das sich auch vollziehen wird in den geistigen Welten, in denen der Mensch dann lebt. Diese Menschen müssen dann warten bis zu einer neuen Verkörperung, um dann auf der Erde zu erfahren, was sie fähig macht, den neuen Christus-Impuls zu empfangen. Denn zu allen Christus-Impulsen, wenn sie uns auch noch so hoch hinauftragen, müssen wir uns die Fähigkeit erringen auf dem physischen Plan. Nicht umsonst ist der Mensch so in die physische Welt hinunterversetzt worden: Hier müssen wir uns das aneignen, was zum Verständnis des Christus-Impulses führt! Für alle Seelen, die leben, ist Geistesforschung die Vorbereitung auf das Christus-Ereignis, das uns in der nächsten Zukunft bevorsteht. Diese Vorbereitung ist notwendig.
8.2.1910, GA 116, S. 98ff.
Ebenso wie sich der Erlöser der Welt während der drei Jahre nach der Jordantaufe in einem menschlichen Leibe offenbarte, obgleich dieses Christus-Wesen von so außerordentlicher Hoheit war, so offenbart es sich seit jener Zeit in direkter Weise als ein Engelwesen, ein geistiges Wesen, welches eine Stufe höher steht als die Menschenwesen. Als ein solches konnte er stets gefunden werden von denen, die hellsichtig waren; als ein solches war er stets mit der Evolution verbunden. So wahr als der Christus, als er im Leibe des Jesus von Nazareth inkarniert war, mehr als Mensch war, so ist das Christus-Wesen mehr als Engel. Das ist nur seine äußere Gestalt. [...]
Obwohl Christus in die alte hebräische Rasse kam und dort zu seinem Tode geführt wurde, erlitt dennoch das Engelwesen, welches seitdem die äußere Form des Christus ist, im Laufe des 19. Jahrhunderts ein Auslöschen des Bewußtseins als das Resultat der entgegengesetzten materialistischen Kräfte, die in die geistigen Welten heraufgekommen waren, als das Ergebnis der materialistischen Menschenseelen, die durch die Pforte des Todes gingen. Und das Eintreten von Bewußtlosigkeit in den geistigen Welten in der eben beschriebenen Weise wird die Auferstehung des Christus-Bewußtseins in den Seelen der Menschen auf Erden zwischen Geburt und Tod im 20. Jahrhundert werden. In gewissem Sinne kann man daher voraussagen, daß vom 20. Jahrhundert an das, was der Menschheit verlorengegangen ist an Bewußtsein, sicherlich wieder heraufsteigen wird für das hellseherische Schauen. Anfangs nur wenige, dann eine immer wachsende Anzahl von Wesen wird im 20. Jahrhundert fähig sein, die Erscheinung des ätherischen Christus, das heißt Christus in der Gestalt eines Engels, wahrzunehmen. Um der Menschheit willen geschah das, was man eine Zerstörung von Bewußtsein nennen kann, in den Welten, die unmittelbar über unserer irdischen Welt liegen, und in welchen der Christus sichtbar gewesen ist in der Zeit zwischen dem Mysterium von Golgatha und dem heutigen Tage. [...]
So kann das Christus-Bewußtsein mit dem irdischen Bewußtsein der Menschheit vom 20. Jahrhundert an vereinigt werden, denn das Ersterben des Christus-Bewußtseins in der Engelsphäre im 19. Jahrhundert bedeutet das Auferstehen des unmittelbaren Christus-Bewußtseins in der Erdensphäre, das heißt, das Leben des Christus wird vom 20. Jahrhundert an immer mehr und mehr in den Seelen der Menschen gefühlt werden als ein direktes persönliches Erlebnis. [...]
[...] Zweimal schon ist der Christus gekreuzigt worden: das eine Mal physisch in der physischen Welt im Anfang unseres Zeitalters und ein zweites Mal im 19. Jahrhundert spirituell in der beschriebenen Weise. Man könnte sagen, die Menschheit erlebte die Auferstehung seines Leibes in der damaligen Zeit; sie wird die Auferstehung seines Bewußtseins vom 20. Jahrhundert an erleben.
Das, was ich nur in einigen Worten habe andeuten können, wird allmählich in die Menschenseelen eindringen, und der Vermittler, der Sendbote wird Michael sein, der jetzt der Abgesandte des Christus ist. So wie er früher die Seelen der Menschen leitete, damit sie das Hinlenken seines Lebens vom Himmel zur Erde verstehen konnten, so bereitet er jetzt die Menschheit vor, damit sie fähig werde, das Hinlenken des Christus-Bewußtseins aus dem Zustand des Unbewußten in den Zustand des Bewußten zu erleben. Und genauso wie zur Zeit des Erdenlebens des Christus die größere Anzahl seiner Zeitgenossen unfähig war zu glauben, welch mächtiges Ereignis sich in der Erdenevolution zugetragen hatte, so strebt in unserer Zeit die Außenwelt danach, die Macht des Materialismus zu vergrößern, und wird auf lange Zeit hinaus fortfahren, das, was wir heute besprochen haben, als Phantasie, Träumerei, vielleicht auch als Torheit anzusehen. Und so wird sie auch diese Wahrheit über Michael ansehen, der in der jetzigen Zeit anfängt, den Christus von neuem zu offenbaren. Trotzdem werden viele Menschen das erkennen, was jetzt beginnt wie eine Morgenröte aufzugehen und was sich während der kommenden Jahrhunderte in die menschlichen Seelen wie eine Sonne ergießen wird, denn Michael kann stets mit einer Sonne verglichen werden. Und wenn auch viele Menschen diese neue Michael-Offenbarung nicht anerkennen werden, so wird sie sich trotzdem über die Menschheit ausbreiten.
2.5.1913, GA 152, S. 41, 45ff.
Christus als Herr des Karma
Woher kommt es denn überhaupt, daß vom zwanzigsten Jahrhundert ab der Christus Jesus immer mehr hereintreten wird in das gewöhnliche Bewußtsein der Menschen? – Das hat folgenden Grund. [...]
Ebenso wie auf dem physischen Plan im Beginne unserer Zeitrechnung in Palästina ein Ereignis sich abgespielt hat, in welchem der Christus die wesentlichste Rolle spielte, ein Ereignis, das Bedeutung hat für die ganze Menschheit, so wird sich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts, gegen das Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu, wiederum ein bedeutsames Ereignis abspielen, allerdings nicht in der physischen Welt, sondern in den höheren Welten, und zwar in derjenigen Welt die wir zunächst als die Welt des Ätherischen bezeichnen. [...]
Dieses Ereignis ist kein anderes, als daß ein gewisses Amt im Weltenall für die menschheitliche Entwickelung in dem zwanzigsten Jahrhundert übergeht – in einer erhöhteren Weise übergeht, als das bis jetzt der Fall war – an den Christus. Und zwar lehrt uns die okkulte, die hellseherische Forschung, daß in unserm Zeitalter das Wichtige eintritt, daß der Christus der Herr des Karma für die Menschheitsentwickelung wird. [...]
[...] Genau ebenso, wie sich auf dem physischen Plan zu Beginn unserer Zeitrechnung das Ereignis von Palästina abgespielt hat, so spielt sich die Übertragung des karmischen Richteramtes an den Christus Jesus in unserm Zeitalter in der nächsthöheren Welt ab. Und diese Tatsache ist es, die so hereinwirkt in die physische Welt, auf den physischen Plan, daß der Mensch ein Gefühl dafür entwickeln wird in der Art: mit alledem, was er tut, schafft er etwas, gegenüber dem er dem Christus Rechenschaft schuldig sein wird. Und dieses Gefühl, das in einer ganz natürlichen Art im Verlaufe der Menschheitsentwickelung nunmehr auftritt, wird sich umgestalten, so daß es die Seele mit einem Lichte durchtränkt, das von dem Menschen selber ausgeht nach und nach, und das beleuchten wird die Christus-Gestalt innerhalb der ätherischen Welt. Und je mehr dieses Gefühl, das eine erhöhtere Bedeutung noch haben wird als das abstrakte Gewissen, sich ausbilden wird, desto mehr wird die Äthergestalt des Christus in den nächsten Jahrhunderten sichtbar werden. Wir werden diese Tatsache in den nächsten Tagen noch genauer zu charakterisieren haben und werden dann sehen: wir haben damit ein ganz neues Ereignis hingestellt, ein Ereignis, welches in die Christus-Entwickelung der Menschheit hereinwirkt.
7.10.1911, GA 131, S. 77ff.
Einzureihen unseren karmischen Ausgleich dem allgemeinen Erdenkarma, dem allgemeinen Fortschritt der Menschheit, das fällt in Zukunft dem Christus zu. Und es geschieht im wesentlichen in der Zeit, in welcher wir zwischen dem Tode und einer neuen Geburt leben; aber es wird sich auch in der Zeitepoche, der wir entgegengehen, vor deren Toren wir stehen, so vorbereiten, daß in der Tat die Menschen immer mehr die Fähigkeit erlangen werden, ein bestimmtes Erlebnis zu haben. Heute haben es höchst wenige Menschen. Aber immer mehr und mehr Menschen werden von der jetzigen Zeit, von der Mitte dieses Jahrhunderts an durch die nächsten Jahrtausende folgendes Erlebnis haben: Der Mensch wird dieses oder jenes getan haben. Er wird sich besinnen, wird aufschauen müssen von dem, was er da getan hat – und es wird etwas wie eine Art Traumbild vor dem Menschen erstehen. Das wird einen ganz merkwürdigen Eindruck auf den Menschen machen. Er wird sich sagen: Ich kann mich nicht besinnen, daß es eine Erinnerung wäre an etwas, was ich getan habe; dennoch aber ist es so, wie wenn es mein Erlebnis wäre. – Wie ein Traumbild wird es dastehen vor dem Menschen, ihn recht angehend, aber er kann sich nicht erinnern, daß er es in der Vergangenheit erlebt oder getan hat. Dann wird nun der Mensch entweder Anthroposoph sein und die Sache verstehen, oder er wird warten müssen, bis er an die Anthroposophie herankommt und es verstehen lernt. Der Anthroposoph aber wird wissen: Was du da siehst wie eine Folge deiner Taten, das ist ein Bild, das sich in der Zukunft mit dir vollziehen wird; vorauserscheint dir der Ausgleich deiner Taten! – Die Epoche fängt an, in welcher die Menschen in dem Augenblick, wo sie eine Tat getan haben, eine Ahnung, vielleicht sogar ein deutliches Bild, eine Empfindung haben werden, wie der karmische Ausgleich dieser Tat sein wird.
14.10.1911, GA 131, S. 216.
Anthroposophie als Sprache des Christus
Oft, meine lieben Freunde, werde ich gefragt von unseren Mitgliedern: Wie setze ich mich in Verbindung mit dem Christus? – Es ist eine naive Frage! Denn alles, was wir anstreben können, jede Zeile, die wir lesen aus unserer anthroposophischen Wissenschaft, ist ein Sich-in-Beziehung-Setzen zu dem Christus. Wir tun gewissermaßen gar nichts anderes. Und derjenige, der nebenbei noch ein besonderes Sich-in-Beziehung-Setzen sucht, der drückt nur naiv aus, daß er eigentlich vermeiden möchte den etwas unbequemen Weg, etwas zu studieren oder etwas zu lesen.
13.06.1916, GA 169, S. 44.
Wie aber das Christentum uns herausgerissen hat aus dem Verbundensein mit dem Tod, wie es uns gelehrt hat: derjenige, der nicht die Auferstehung begreift, der nicht den Christus als den Lebendigen begreift, der ist in seiner Seele selber tot – so müssen wir auch begreifen: Wenn wir uns nur mit dem Toten verbinden, dann werden wir selber tot und ahrimanisch, wenn wir aber den Mut haben und die Liebe zu allen Wesen um uns, das zu verbinden, was die Wesen selber sind, nicht, was unsere tote Idee von ihnen ist, dann finden wir den Christus überall, dann finden wir den Sieg des Geistes überall. Dann werden wir vielleicht noch sprechen müssen in einer Weise, wie es unseren Zeitgenossen paradox vorkommt, von den einzelnen Wesen, die im Festen, Flüssigen und so weiter leben, aber solange wir nicht davon sprechen, reden wir von einer toten, undurchchristeten Wissenschaft. Erst dann tun wir es nicht mehr, wenn wir uns entschließen, so von diesen Dingen zu reden, wie wir im wahren Christentum reden. So müssen wir auch alles Wissenschaftliche durchchristen, müssen das, was wir uns heranbilden können durch unsere Gemeinschaft mit dem Christus, in alles Wissen, alle Erkenntnis, in all unser Leben hineintragen. Dadurch aber wird das Mysterium von Golgatha erst wirklich fruchtbar gemacht durch Menschenkraft und Menschenstreben und Menschenliebe unter den Menschen selber. Und in diesem Sinn können wir sagen: Anthroposophie ist in allen Einzelheiten ein Streben nach der Durchchristung der Welt.
11.06.1922, GA 211, S. 216.
Das ist eben das Schwierige, daß sich das Publikum, namentlich das bürgerliche Publikum, gar nicht irgendwie bequemt dazu, in diesen Dingen selber zu sehen, sondern es wird eben hingenommen; weil ihnen amtlich die Betreffenden hingesetzt sind, so ist es richtig. Deswegen ist unsere Zivilisation ja so ungeheuer frivol, so gemein in vielen Dingen.
Es handelt sich darum, daß die ganze Denkweise von heute in ein solches Fahrwasser kommen muß, daß man wieder einsieht: mit all diesem Gerede vom Christlichen ist es nichts, sondern man muß es sachlich nehmen. Man muß also wissen, die Medizin kann christlich werden, wenn man zum Beispiel folgendes weiß. Sagen wir, einer zeigt ganz genau, daß, wenn in regelmäßiger Weise der Mensch Zucker gegessen hat, vielleicht schon als Kind, er den Leberkrebs kriegt – das ist ein Ahrimanischwerden der Leber –, und nun muß man wissen, was man dagegen anwenden soll: das entsprechende Luziferische. Geradeso wie ein Mensch unterscheidet zwischen Wärme und Kälte, muß man unterscheiden zwischen Luziferischwerden und Ahrimanischwerden.
Nicht wahr, wenn einem die Glieder erstarrt sind, da ist man ahrimanisch geworden. Wenn man nun warme Umschläge, warme Tücher auflegt, so ist das das Luziferische, das gegenwirkt. Und so muß man eben auf allen Gebieten unter allen Umständen wissen, wie es mit dem Menschen beschaffen ist. Dann wird die Medizin christlich.
Ebensogut muß die Pädagogik, das Schulwesen christlich werden. Das heißt, man muß so erziehen, daß die Kinder nicht greisenhaft werden schon von frühester Kindheit an. Also man muß sie in der Schule mit solchen Dingen anfangen lassen, die ihnen naheliegen, für die sie Interesse haben und so weiter.
Sie sehen, wenn man die Sache so auffaßt, so liegt in dem Gebrauch der Ausdrücke ahrimanisch, luziferisch, christlich, gar nicht irgend etwas Abergläubisches, sondern etwas vollkommen Wissenschaftliches. Und das ist es ja auch.
7.5.1923, GA 349, S. 233f.
Die Erdenentwickelung ist geteilt in diese zwei Hälften: Die eine geht bis zu dem Kreuz auf Golgatha und die andere von dem Kreuz auf Golgatha bis zum Erdenende. Und die Menschen haben viel, viel zu tun, um den Christus und seine Entwickelung zu begreifen. [...] Und alle unsere einzelnen Erkenntnisse laufen darauf hinaus, dieses Prinzip des Christlichen zu finden.
26.11.1910, GA 125, S. 201f.
Man kann heute Werke von Theologen lesen – und diejenigen, welche diese Werke gelesen haben, werden bestätigen können, was ich jetzt sage –, die etwa sagen: Ja, gewisse Theologen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts haben endlich ausgerottet den mittelalterlichen Volksglauben, daß der Christus in der Welt erschienen ist, um die Erde dem Teufel zu entreißen, um die Erde dem Luzifer zu entreißen. – Es gibt ja auch innerhalb der Theologie heute einen aufgeklärten Materialismus, der sich nur nicht frank und frei als solchen bekennen will und besonders aufgeklärt tut. Ja, so sagen sie, in diesem finsteren Mittelalter, da haben die Leute davon gesprochen, daß der Christus in der Welt erschienen ist, weil er die Erde dem Teufel hat entreißen sollen. – Die wahre Aufklärung führt uns zu diesem einfachen, schlichten Volksglauben zurück! Denn von der Erde gehört Luzifer all dasjenige, was durch den Christus nicht befreit wird. Und alles Menschliche, was in uns mehr ist als das, was bloß beschlossen ist in unserem Ego, es wird geadelt, es wird fruchtbar gemacht für die ganze Menschheit, wenn es durchchristet ist. Und [...] Zukunftshoffnung und Vertrauen in die Zukunft unserer Sache, sie können wohnen in unseren Herzen, weil wir uns bemüht haben, von Anfang unserer Arbeit an, zu durchdringen dasjenige, was wir zu sagen haben, mit dem Willen des Christus. [...] Nicht, weil wir von irgend etwas Christlich-Dogmatischem durchsetzt fühlen unsere Geisteswissenschaft, betrachten wir sie als christlich, sondern weil wir, in uns durchchristet, sie als eine Offenbarung des Christus in uns selbst betrachten.
16.7.1914, GA 155, S. 210f.
Wenn man heute eine einzige Rede hält [...], die sagen wir, von gewissen Einzelheiten der sozialen Frage handelt, da gibt es zahlreiche Zuhörer, die sagen oder schreiben dann: Ja, das mag alles sein, aber in diesem Vortrag kam nicht ein einziges Mal der Name Christus vor. – Ja, meine lieben Freunde, es gibt doch ein göttliches Gebot, das heißt: Du sollst den Namen deines Herrn nicht eitel aussprechen –, und es gibt ein Gebot: Du sollst nicht fortwährend Herr, Herr sagen. – Es kann etwas sehr christlich sein, ohne daß der Name des Christus fortwährend ausgesprochen wird; ja, vielleicht ist es eben deshalb christlich, weil der Name Christus nicht mißbraucht wird. Nicht dadurch wird etwas christlich, daß der Name Christus nach jeder dritten Zeile gebraucht wird.
Allen diesen Dingen gegenüber sollte die alte Bequemlichkeit des Denkens aufhören. Denn derjenige, der nicht diese Bequemlichkeit des Denkens ablegt [...], der kann sich doch an der Zeitforderung nicht beteiligen, weil er die ganze volle Tiefe desjenigen, was als Zeitforderung dasteht, gar nicht zu empfinden in der Lage ist [...]. Das wird eben oftmals nicht bedacht, welch ein gewaltiger Unterschied ist zwischen dem theoretischen Denken und dem Im-Geiste-Leben. Aber schon der erste Schritt in die Geisteswissenschaft hinein muß ein Im-Geiste-Leben sein. Ich sage nicht, es muß ein Hellsehen oder dergleichen sein, sondern ein Im-Geiste-Leben; das muß eine andere Form des Erlebens der Wahrheiten, der Inhalte haben, als man sie gewöhnt ist, heute zu haben.
27.9.1921, GA 343, S. 61.
Durch diese Bewegung wird das angestrebt, was in zahlreichen Seelen, ohne daß sie es wissen, unbewußt als Sehnsucht lebt. [...] In der Sinneswelt werden wir richtungslos ohne den Geist. Entwickeln wir aber den Geist als einen Führer durch die Sinneswelt, dann erweist er sich nicht als ein abstrakter Ideengeist allein, dann erweist er sich als der lebendige Geist in uns. Und dann müßten wir ihm geradezu die Schwingen beschneiden, durch die er in sein eigentliches Heimatland, in das Heimatland des Geistes hineinstreben will, wenn wir nicht, nachdem wir ihn zum Führer durch die Sinneswelt gewählt haben, aufsteigen wollten durch ihn, durch seine Führerschaft in die übersinnliche Welt. Denn der Geist ist lebendig. Und wenn der Glaube sich verbreiten kann, daß der Geist gegenüber der Materie nichts selbständig Lebendiges ist, was ist Schuld daran? Schuld daran ist nur dieses, daß der Mensch den Geist in sich durch seinen Willen ertötet, und so der tote Geist den lebendigen Geist nicht erfassen kann. Wird aber der Geist im Menschen belebt, dann ergreift lebendiger Geist im Menschen den lebendigen Geist in der Welt.
10.11.1919, GA 329, S. 312f.
Der Begriff „Erkenntnis“ hatte in den Zeiten, als man die geistigen Dinge noch realer auffaßte, einen viel tieferen, realeren Sinn als heute. [...] Sie brauchen nicht weit zu gehen, um es dahin zu verstehen, daß damit gemeint ist die Befruchtung; und wenn man den Spruch „Erkenne dich selbst“ im Griechischen betrachtet, heißt es nicht: Gaffe in dein Inneres hinein, sondern: Befruchte dein Selbst mit dem, was aus der geistigen Welt dir zuströmt! Erkenne dich selbst! heißt: Befruchte dich selbst mit dem Inhalte der geistigen Welt!
Zweierlei ist dazu nötig: daß der Mensch sich präpariert durch Katharsis und Erleuchtung, dann aber sein Inneres frei öffnet der geistigen Welt. [...] Das Innere muß für die Aufnahme des höheren Selbstes empfänglich gemacht werden. Ist es empfänglich, dann strömt aus der geistigen Weit des Menschen höheres Selbst in den Menschen ein. Denn wo ist des Menschen höheres Selbst? Ist es da drinnen im persönlichen Menschen? Nein! Auf Saturn, Sonne und Mond war das höhere Selbst ausgegossen über den ganzen Kosmos. Damals war das Ich des Kosmos ausgegossen über den Menschen, und dieses Ich muß der Mensch auf sich wirken lassen. Er muß dieses Ich wirken lassen auf sein vorher präpariertes Inneres. Das heißt: Geläutert und gereinigt, veredelt, der Katharsis unterworfen werden muß des Menschen Inneres, mit anderen Worten, sein Astralleib. Dann kann er erwarten, daß das äußere Geistige zu seiner Erleuchtung in ihn einströmt. Das geschieht, wenn der Mensch so weit vorbereitet ist, daß er seinen Astralleib der Katharsis unterworfen und dadurch seine inneren Erkenntnisorgane ausgebildet hat. Dann ist der Astralleib, wenn er jetzt untertaucht in den Ätherleib und physischen Leib, unter allen Umständen so weit, daß die Erleuchtung, der Photismos, erfolgt. Das, was wirklich eintritt, ist eben, daß der Astralleib seine Organe abdruckt im Ätherleibe, wodurch dann bewirkt wird, daß der Mensch um sich herum eine geistige Welt wahrnimmt, daß also sein Inneres, der astralische Leib, empfängt, was ihm der Ätherleib zu bieten vermag, was ihm der Ätherleib heraussaugt aus dem ganzen Kosmos, aus dem kosmischen Ich.
Die christliche Esoterik nannte diesen gereinigten, geläuterten astralischen Leib, der in dem Augenblick, wo er der Erleuchtung unterworfen ist, nichts von den unreinen Eindrücken der physischen Welt in sich enthält, sondern nur die Erkenntnisorgane der geistigen Welt, die „reine, keusche, weise Jungfrau Sophia“. Durch alles das, was der Mensch aufnimmt in der Katharsis, reinigt und läutert er seinen astralischen Leib zur „Jungfrau Sophia“. Und der „Jungfrau Sophia“ kommt entgegen das kosmische Ich, das Welten-Ich, das die Erleuchtung bewirkt, das also macht, daß der Mensch Licht um sich herum hat, geistiges Licht. Dieses Zweite, das zur „Jungfrau Sophia“ hinzukommt, nannte die christliche Esoterik – und nennt es auch heute noch – den „Heiligen Geist“. So daß man im christlich-esoterischen Sinne ganz richtig spricht, wenn man sagt: Der christliche Esoteriker erreicht durch seine Einweihungsvorgänge die Reinigung und Läuterung seines astralischen Leibes; er macht seinen astralischen Leib zur „Jungfrau Sophia“ und wird überleuchtet – wenn Sie wollen, können Sie es überschattet nennen – von dem „Heiligen Geiste“, von dem kosmischen Welten-Ich. Und der, der also erleuchtet ist, der mit anderen Worten im Sinne der christlichen Esoterik den „Heiligen Geist“ in sich aufgenommen hat, redet fortan dann in einem anderen Sinne. Wie redet er? Er redet so, daß es nicht seine Meinung ist, wenn er über Saturn, Sonne, Mond redet, über die verschiedenen Glieder der menschlichen Wesenheit, über die Vorgänge der Weltentwickelung. Seine Ansichten kommen dabei ganz und gar nicht in Betracht. Wenn ein solcher über den Saturn redet, redet der Saturn aus ihm. Wenn er über die Sonne redet, redet die geistige Wesenheit der Sonne aus ihm. [...]
[...] Die Menschen unserer Evolutionsepoche können die „Jungfrau Sophia“, den geläuterten Astralleib, und den „Heiligen Geist“, die Erleuchtung, in der geschilderten Weise empfangen. Geben konnte der Erde das, was dazu notwendig ist, nur der Christus Jesus. Er hat dem geistigen Teil der Erde die Kräfte eingeimpft, die es möglich machen, daß überhaupt das geschehen kann, was mit der christlichen Einweihung geschildert worden ist.
31.5.1908, GA 103, S. 200ff.
Die Sprache vergeistigen
In dem Augenblicke, wo Sie wirklich Selbstbesinnung treiben über das Die-Wahrheit-Reden, kommen Sie nämlich auf etwas sehr Merkwürdiges. Der Dichter hat es gefühlt, indem er gesagt hat: Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht mehr. – Auf dem Wege, wodurch das, was wir innerlich in der Seele als Wahrheit wirklich erleben, zur Sprache wird, stumpft es sich bereits ab. Es ertötet sich in der Sprache noch nicht vollständig, aber es stumpft sich bereits ab. [...]
Geisteswissenschaftlich versucht man aufzuerstehen aus diesem Geständnis: Mit jeder Behauptung sagst du die Unwahrheit –, indem man in einer gewissen Weise vorgeht, die ich Ihnen öfter charakterisiert habe. Ich habe Ihnen öfter gesagt: Nicht so sehr auf das kommt es an in der Geisteswissenschaft, was gesagt wird – denn das würde ebensosehr diesem Ohnmachtsurteil verfallen –, sondern darauf kommt es an, wie es gesagt wird. – Versuchen Sie einmal zu verfolgen – Sie können das auch in meinen Schriften tun –, wie eine jede Sache von den verschiedensten Gesichtspunkten aus charakterisiert wird, wie immer versucht wird, ein Ding von der einen Seite und von der anderen Seite zu charakterisieren. Nur dann kann man sich nähern den Dingen. Derjenige, der nämlich glaubt, daß die Worte selbst etwas anderes sind als eine Eurythmie, der irrt sich gar sehr. [...] Wir müssen uns bewußt werden, daß wir nur hindeuten auf irgend etwas, und daß wir nur dann ein richtiges Verhältnis zur Wahrheit gewinnen, wenn wir in dem Worte Hindeutungen auf dasjenige sehen, was wir ausdrücken wollen, und wenn wir als Menschen so miteinander leben, daß wir uns bewußt sind, daß in den Worten Hindeutungen leben. [...]
[...] Wir erstehen nur dann aus der Ohnmacht, die wir schon der Sprache gegenüber empfinden können, wir feiern daraus die Auferstehung, wenn wir verstehen, daß, indem wir den Mund aufmachen, wir bereits christlich sein müssen. Dasjenige, was geworden ist aus dem Worte, aus dem Logos im Laufe der Entwickelung, es ist nur dann zu verstehen, wenn der Logos wiederum mit dem Christus verbunden wird, wenn wir uns bewußt werden: Unser Leib, indem er das Werkzeug des Aussprechens wird, zwingt die Wahrheit herunter, so daß sie teilweise erstirbt auf unseren Lippen, und wir beleben sie wiederum in Christo, wenn wir uns bewußt werden, daß wir sie vergeistigen müssen, das heißt, den Geist mitdenken, nicht die Sprache als solche hinnehmen, sondern den Geist mitdenken. – Das müssen wir lernen, meine lieben Freunde.
16.10.1918, Wie finde ich den Christus? GA 182, S. 184f.
Lebendige Ideale und das Wesen des Christus
Nur diejenigen, welche die Geschichte nicht kennen [...], können behaupten, daß in den älteren Zeiten des Griechentums zum Beispiel solche Dinge vorhanden gewesen wären, die wir heute zusammenfassen mit den Worten, die seit mehr als einem Jahrhundert berühmt geworden sind, mit Worten wie: Freiheit, Gleichheit der Menschen, mit Worten, die wir bezeichnen als sittliche Ideale [...]. Die Menschen haben eigentlich in diesem jetzigen Zeitalter solchen Idealen zu folgen, aber was der Mensch tut unter den abstrakten Begriffen von Freiheit, Brüderlichkeit und so weiter, hat eben den Charakter des Abstrakten für die meisten Menschen und läßt sich definieren. Für die meisten Menschen können in bezug auf das, was sie erfassen von Freiheit, Brüderlichkeit und so weiter, diese Ideale definiert werden, weil sie wenig davon erfassen. Da haben wir, trotzdem die Leidenschaften geschwellt werden, doch bei vielen Menschen etwas vor uns, was so recht die Idee erweckt von etwas Ausgedörrtem. Persönlich können wir diese Dinge noch nicht nennen, es sind abstrakte Ideen. Es ist noch nicht etwas, was das Vollblütige des persönlichen Lebens hat. [...]
Wie nüchtern lassen die Menschen vielfach heute noch die Ideen, die wir als die größten sittlichen Ideale betrachten! Dennoch ist es der Anfang eines großen Werdens. Geradeso wie der Mensch mit seinem Ich in das Meer des Physisch-Materiellen hinuntergetaucht ist, da er sozusagen Persönlichkeit entwickelte, indem er etwas tut unter den Einflüssen von Leidenschaften, Trieben, Begierden, geradeso muß er [...] mit der Persönlichkeit hinaufrücken in diese abstrakten Ideen, die eben noch abstrakt sind. Mit der urelementaren Kraft, mit der wir heute sehen, daß dieses oder jenes aus dem Hasse oder der Liebe im gewöhnlichen Sinne entspringt, mit der wird dasjenige entspringen, was unter den geistigsten Idealen steht. Der Mensch wird hinaufrücken in höhere Sphären mit seiner Persönlichkeit. Dazu ist aber etwas notwendig. [...] Wie kommt er denn, wenn er hinaufgeht ins geistige, in etwas Persönliches hinein? Wie kann er denn diese Ideale so entwickeln, daß sie persönlichen Charakter haben? Dazu gibt es nur ein Mittel. Da muß der Mensch in den geistigen Höhen eine Persönlichkeit anziehen können, die innerlich persönlich ist, wie die Persönlichkeit unten im Fleische ist. Und was ist das für eine Persönlichkeit, die der Mensch anziehen muß, wenn er hinaufsteigen will in das Geistige? Das ist der Christus. [...]
Durch nichts anderes kommt man darüber hinaus, die abstrakten Ideale mit einem persönlichen Charakter immer mehr und mehr auszugestalten, als dadurch, daß unser ganzes spirituelles Leben sich durchziehen wird mit dem Christus-Impuls. [...]
Denn so wahr es ist, daß die Menschheit erst vor kurzem dazugekommen ist, überhaupt Ideale anzuerkennen, in abstrakter Form anzuerkennen, so wahr die Menschen sozusagen abstrakte Ideen von Freiheit, von Brüderlichkeit entfalten konnten, so wahr ist es, daß die Zeit vor uns stehen muß, wo diese Ideen nicht als abstrakte Ideale bloß, sondern als lebendige Kräfte an uns heranrücken. [...] Wenn [...] die Menschen anfangen werden, nicht mehr zu denken: Wie bin ich gut! – sondern wenn ihnen vor Augen treten wird aus dem ätherischen Anschauen die lebendige Macht des Christus, den sie schauen werden im Ätherleibe [...], dann werden sie wissen, daß das, was sie eine Zeitlang in Form von abstrakten Ideen erschaut haben, lebendige Wesenheiten sind, die da leben innerhalb unserer Entwickelung, lebendige Wesenheiten. [...]
So sehen wir, daß unsere Gedanken uns nicht hinaufführen können in die wirklich geistigen Welten, weil sie ohne Leben sind. Erst wenn diese Gedanken uns nicht mehr erscheinen als unsere Gedanken, sondern als die Bezeugungen des lebendigen Christus, welcher den Menschen erscheinen wird, dann werden wir diese Gedanken in der richtigen Weise verstehen. Dann wird der Mensch ebenso wahr, wie er eine Persönlichkeit wurde, indem er mit dem Ich untergetaucht ist in niedere Sphären, ebenso eine Persönlichkeit sein, wenn er zu den geistigen Höhen hinaufsteigt. Das verkennt der Materialismus von heute. Dieser wird nur leicht verstehen, daß es abstrakte Ideale gibt des Guten, des Schönen und so weiter. Daß es lebendige Mächte gibt, die uns durch ihre Gnade hinaufziehen, das muß erst eingesehen werden.
3.5.1911, GA 127, S. 162-167.
Wenn wir nach dem Tode zurückblicken in unserem Lebenstableau auf dasjenige, was wir durchlebt haben, dann kommt es uns vor, als ob unsere Ideale etwas Fremdes haben könnten. Die Empfindung, die wir da durchmachen, ist diese, daß wir diesen Idealen es anfühlen: sie tragen uns eigentlich nicht hin zu dem allgemeinen Menschenleben, sie haben keine Eigenbürgschaft für Realität in dem allgemeinen Menschenleben; sie führen uns hinweg von dem allgemeinen Menschenleben. Es ist eine starke Gewalt, welche Luzifer hat gerade über unsere Ideale, weil sie so schön aus der menschlichen Seele herausquillen, aber eben nur aus der menschlichen Seele, und nicht in der äußeren Wirklichkeit wurzeln. Deshalb hat Luzifer eine solche Gewalt, und es ist eigentlich der magnetische Zug des Luzifer, den wir in unseren Idealen nach dem Tode spüren. Luzifer kommt an uns heran, und gerade wenn wir Ideale haben, sind sie ihm besonders wertvoll, er kann uns auf dem Umweg durch diese Ideale zu sich hinziehen. Aber wenn wir dasjenige, was wir geistig durchdringen, mit dem Christus durchziehen, wenn wir den Christus in uns erfühlen, und wenn wir wissen: Dasjenige, was wir aufnehmen, nimmt der Christus mit in uns auf – „Nicht ich, sondern der Christus in mir“ –, dann ist es, wenn wir durch die Pforte des Todes treten, nicht so, daß wir auf unsere Ideale so zurückblicken, als ob sie uns der Welt entfremden wollten, sondern dann haben wir unsere Ideale gleichsam dem Christus übergeben; dann erkennen wir, daß der Christus es ist, der unsere Ideale zu seiner eigenen Sache macht. Er nimmt unsere Ideale auf sich. Und der Einzelne kann sich sagen: [...] Der Christus in mir durchzieht meine Ideale mit der Realität der Substanz. – Und die Ideale, die wir so in uns hegen, daß wir uns sagen: Ja, als Mensch fassen wir sie, die Ideale, auf diesem Erdenrund, aber in uns lebt der Christus, und er übernimmt unsere Ideale – diese Ideale sind reale Keime für zukünftige Wirklichkeit. Durchchristeter Idealismus ist mit dem Keim der Realität durchsetzt. [...] Denn der Christus trägt unsere Ideale so hinüber in die zukünftige Welt, wie hinüberträgt der Gott der Natur die Pflanzenkeime dieses Jahres in das nächste Jahr. [...]
Was so empfunden werden kann wie teuerste innere Seelenwärme, wie Trost in den schwersten Lagen des Lebens, wie Stütze in den schwersten Abgründen des Lebens, das ist eben das Durchdrungensein mit dem Christus-Impuls. Und warum? Weil derjenige, der wirklich durchdrungen ist mit dem Christus-Impuls, fühlt, wie in den Eroberungen seiner Seele, mögen sie noch so unvollkommen sich ausnehmen gegenüber dem Erdenleben, dieser Christus-Impuls als die Gewähr und Bürgschaft für die Verwirklichung darinnen liegt. Deshalb ist der Christus ein solcher Trost in den Zweifeln des Lebens, eine solche Stütze der Seele. [...] Man braucht das nicht immer zu wissen, aber die Seele, die den Christus in sich fühlt, so wie der Leib sein Blut als belebendes Element in sich fühlt, die fühlt das Wärmende, das Realisierende dieses Christus-Impulses gegenüber alledem, was die Seele in der äußeren Welt nicht realisieren kann, aber realisieren möchte, berechtigterweise realisieren möchte.
14.7.1914, GA 155, S. 171ff.
Die Jugend hat von selbst noch etwas Idealismus, aber die heutige Menschheit ist trocken und nüchtern. Und die heutige Menschheit ist hochmütig auf dasjenige, was man oftmals Praxis nennt, was aber nur ein gewisser enger Sinn ist. Die heutige Menschheit hält nichts von Idealen, die aus dem Quell des Geistigen herausgeholt sind. [...]
[...] Es muß [...] eine Erziehung, eine Selbsterziehung zum Idealismus geben. Neben dem angeborenen Idealismus der Jugend muß darauf gesehen werden, daß in der menschlichen Gemeinschaft etwas erworben wird, was eben erworbener Idealismus ist, was nicht bloß Idealismus aus Blut und Jugendfeuer heraus ist, sondern was anerzogen ist, was man sich selbst erst aus irgendeiner Initiative erwirbt. Anerzogener, namentlich selbstanerzogener Idealismus, der auch dann nicht verlorengehen kann mit der Jugend, das ist etwas, was den Weg zu dem Christus eröffnet, weil es wieder etwas ist, was im Leben zwischen Geburt und Tod eben erworben wird. Fühlen Sie den großen Unterschied zwischen Blutidealismus und dem anerzogenen, dem erworbenen Idealismus. Fühlen Sie den großen Unterschied zwischen Jugendfeuer und demjenigen Feuer, das aus dem Ergreifen des Geisteslebens kommt und immer von neuem und neuem entfacht werden kann, weil wir es in unserer Seele, unabhängig von unserer leiblichen Entwickelung, uns angeeignet haben, dann haben Sie ergriffen den zweifachen Idealismus, den, welcher der Idealismus der Wiedergeburt ist, nicht der des Angeborenseins. Das ist der Willensweg zu dem Christus. [...]
Dann aber [...] finden Sie in dem, was da als Idealismus heranerzogen wird, daß in dem Menschen der Sinn erwacht, nicht nur dasjenige zu tun, wozu die äußere Welt stößt. Sondern aus diesem Idealismus heraus quellen die Impulse, mehr zu tun, als wozu die Sinneswelt stößt, quillt der Sinn auf, aus dem Geiste heraus zu handeln. In dem, was wir aus anerzogenem Idealismus tun, verwirklichen wir dasjenige, was der Christus wollte, der nicht deshalb aus außerirdischen Welten auf die Erde herabgekommen ist, um bloß irdische Ziele hier zu verwirklichen, sondern aus der außerirdischen in die irdische Welt herabgekommen ist, um Überirdisches zu verwirklichen. Wir wachsen aber nur mit ihm zusammen, wenn wir uns Idealismus anerziehen, so daß Christus, der überirdisch im Irdischen ist, in uns wirken kann. Nur im anerzogenen Idealismus verwirklicht sich das, was das Paulinische Wort über den Christus sagen will: „Nicht ich, sondern der Christus in mir.“
11.2.1919, GA 193, S. 61ff.
Der Gedankenweg zu Christus
Wir müssen die innere Ehrlichkeit suchen, müssen uns aufraffen zu der inneren Ehrlichkeit, uns zu sagen: Wir werden mit Bezug auf unsere Gedankenwelt nach dem Mysterium von Golgatha nicht vorurteilslos geboren, wir werden alle mit gewissen Vorurteilen geboren.
In dem Augenblicke, wenn man in Rousseauscher oder in anderer Weise den Menschen von vornherein für vollkommen hält, kann man überhaupt nicht den Christus finden, sondern nur wenn man weiß, daß der Mensch in gewisser Weise als ein nach dem Mysterium von Golgatha Lebender einen Defekt hat, den er durch seine eigene Tätigkeit im Leben hier ausgleichen muß. Ich bin als ein vorurteilsvoller Mensch geboren und muß mir die Gedankenvorurteilslosigkeit im Leben erst erwerben. Und wodurch kann ich sie hier erwerben? Einzig und allein dadurch, daß ich nicht nur Interesse entwickele für dasjenige, was ich selber denke, was ich selber für richtig halte, sondern daß ich selbstloses Interesse entwickele für alles, was Menschen meinen und was an mich herantritt, und wenn ich es noch so sehr für Irrtum halte. Je mehr der Mensch auf seine eigenen eigensinnigen Meinungen pocht und sich nur für diese interessiert, desto mehr entfernt er sich in diesem Augenblicke der Weltentwickelung von dem Christus. Je mehr der Mensch soziales Interesse entwickelt für des anderen Menschen Meinungen, auch wenn er sie für Irrtümer hält, je mehr der Mensch seine eigenen Gedanken beleuchtet durch die Meinungen der anderen, je mehr er hinstellt neben seine eigenen Gedanken, die er vielleicht für Wahrheit hält, jene, welche andere entwickeln, die er für Irrtümer hält, aber sich dennoch dafür interessiert, desto mehr erfühlt er im Innersten seiner Seele ein Christus-Wort, das heute im Sinne der neuen Christus-Sprache gedeutet werden muß. Der Christus hat gesagt: „Was ihr einem der geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan.“ Der Christus hört nicht auf, immer wieder und wieder sich den Menschen zu offenbaren, bis ans Ende der Erdentage. Und so spricht er heute zu denjenigen, die ihn hören wollen: Was einer der geringsten eurer Brüder denkt, das habt ihr so anzusehen, daß ich in ihm denke, und daß ich mit euch fühle, indem ihr des anderen Gedanken an euren Gedanken abmesset, soziales Interesse habt für dasjenige, was in der anderen Seele vorgeht. Was ihr findet als Meinung, als Lebensanschauung in einem der geringsten eurer Brüder, darin suchet ihr mich selber. (S. 59f). [...]
11.2.1919, GA 193, S. 59f.
„Christus gibt mir mein Menschenwesen“
Es ist erhebend anzusehen, wie durch Michael des Menschen Wesenheit in die geistige Sphäre hinaufgehoben wird, während das Unbewußte, Unterbewußte, die sich unter der Sphäre der Freiheit entfalten, immer tiefer mit dem Materiellen zusammenwächst.
[...] Der Mensch muß also, um die Impulse der Freiheit darleben zu können, imstande sein, gewisse Naturwirkungen, die aus dem Kosmos herein die Wirkung auf sein Wesen nehmen, von diesem Wesen fernezuhalten. Diese Fernhaltung spielt sich im Unterbewußtsein dann ab, wenn im Bewußtsein die Kräfte walten, die eben das Leben des Ich in Freiheit darstellen. [...]
Michael [...] widmet sich der Aufgabe, dem Menschen aus dem geistigen Teil des Kosmos auf die hier geschilderte Art Kräfte zuzuführen, die die aus dem Naturdasein unterdrückten ersetzen können.
Das erreicht er, indem er seine Wirksamkeit in den vollkommensten Einklang mit dem Mysterium von Golgatha bringt.
In der Wirksamkeit des Christus innerhalb der Erdenentwickelung liegen die Kräfte, die der Mensch im Wirken durch Freiheit zum Ausgleich unterdrückter Natur-Impulse braucht. – Nur muß der Mensch dann wirklich seine Seele in das innere Zusammenleben mit Christus bringen [...].
Der Mensch weiß sich in einer Wirklichkeit, wenn er der physischen Sonne gegenübersteht und durch sie Wärme und Licht empfängt.
So muß er der geistigen Sonne, Christus, die ihr Dasein mit dem Erdendasein vereint hat, gegenüber leben und von ihr in der Seele das lebendig empfangen, was in der geistigen Welt der Wärme und dem Licht entspricht.
Er wird sich von der „geistigen Wärme“ durchdrungen fühlen, wenn er den „Christus in sich“ erlebt. Er wird sich in dieser Durchdringung erfühlend sagen: diese Wärme löst dein menschliches Wesen aus Banden des Kosmos, in denen es nicht bleiben darf. Das göttlich-geistige Sein der Urzeit mußte dich zur Erringung der Freiheit in Regionen führen, in denen es nicht bei dir bleiben konnte, in denen es aber dir den Christus gegeben hat, daß seine Kräfte dir als freiem Menschen verleihen, was das göttlich-geistige Sein der Urzeit dir einstmals auf dem Naturwege gegeben hat, der damals zugleich der Geistesweg war. Zu dem Göttlichen, aus dem du stammest, führt dich diese Wärme wieder zurück.
Und in diesem Erfühlen wird im Menschen in inniger Seelenwärme zusammenwachsen das Erleben in und mit dem Christus und das Erleben echten und wahren Menschentums. „Christus gibt mir mein Menschenwesen“, das wird als Grundgefühl die Seele durchwehen und durchwellen.
Und ist erst dieses Gefühl vorhanden, so kommt auch das andere, in dem der Mensch durch Christus sich hinausgehoben fühlt über das bloße Erdensein, indem er sich mit der Sternen-Umgebung der Erde eins fühlt und mit allem, was in dieser Sternen-Umgebung zu erkennen ist als Göttlich-Geistiges.
Und so mit dem geistigen Lichte. Der Mensch kann sich in seiner Menschenwesenheit voll erfühlen, indem er sich als freie Individualität gewahr wird. Aber eine Verfinsterung ist damit doch verbunden. Das Göttlich-Geistige der Urzeit leuchtet nicht mehr. Im Lichte, das der Christus dem Menschen-Ich bringt, ist das Urlicht wieder da. Es kann in solchem Zusammenleben mit dem Christus der beseligende Gedanke sonnenhaft die ganze Seele durchglänzen: Das uralt-herrliche göttliche Licht ist wieder da; es leuchtet, obwohl sein Leuchten kein naturhaftes ist. Und der Mensch vereinigt sich in der Gegenwart mit den geistigen kosmischen Leuchtekräften der Vergangenheit, in der er noch nicht eine freie Individualität war. Und er kann in diesem Lichte die Wege finden, die seine Menschenwesenheit recht führen, wenn er sich verständnisvoll in seiner Seele mit der Michael-Mission verbindet.
Dann wird der Mensch in der Geist-Wärme den Impuls fühlen, der ihn in seine kosmische Zukunft so hinüberträgt, daß er in dieser treu bleiben kann den Ur-Gaben seiner göttlich-geistigen Wesenheiten, trotzdem er sich in deren Welten zur freien Individualität entwickelt hat. Und er wird in dem Geistes-Lichte die Kraft empfinden, die ihn wahrnehmend mit immer höherem und weiterem Bewußtsein der Welt zuführt, in der er sich als freier Mensch mit den Göttern seines Ursprungs wiederfindet.
GA 26, S. 108-111.
Den Freiheitsgedanken sollten die Menschen nicht ergreifen können ohne den Erlösungsgedanken des Christus. Dann allein ist der Freiheitsgedanke ein berechtigter. Wenn wir frei sein wollen, müssen wir das Opfer bringen, unsere Freiheit dem Christus zu verdanken! Dann erst können wir sie wirklich wahrnehmen. Und die Menschen, die ihre Menschenwürde beschränkt glauben, wenn sie sie dem Christus verdanken, die sollten erkennen, daß menschliche Meinungen gegenüber Weltentatsachen nichts bedeuten, und daß sie einmal recht gern ihre Freiheit als von dem Christus erworben anerkennen werden.
14.10.1911, GA 131, S. 229.
Christus und das Moralische
Eines wird nämlich immer mehr und mehr klar werden für alle Menschen, wenn Theosophie in sie eindringen wird, daß es im Sinne der höheren Ursachen gar nicht ganz gesonderte menschliche Individualitäten gibt, sondern daß neben den gesonderten Individualitäten das ganze Menschengeschlecht eine Einheit darstellt. [...]
[...] So daß, wenn ein Diebstahl auf der Erde begangen wird, die Wirkung davon ist, daß die ganze Erde eine Art von Fieber bekommt. Das ist nicht bloß vergleichsweise gesagt, sondern es ist tief begründet. Unter allem Nichtmoralischen leidet der ganze Erdenorganismus, und wir können als einzelne Menschen nichts tun an Nichtmoralischem, ohne daß der ganze Erdenorganismus in Mitleidenschaft gezogen wird. [...]
Wodurch kann der Mensch wissen: du bist ein Glied des ganzen Erdenorganismus? Die Theosophie bringt den Menschen dazu. Sie zeigt dem Menschen: erst war ein Saturnzustand da, dann ein Sonnenzustand, dann ein Mondenzustand, überall war schon der Mensch dabei, wenn auch in ganz anderer Weise, als er heute ist. [...] Und dann zeigt die Theosophie hin auf das Mittelpunktwesen der gesamten Erdenentwickelung, auf den Christus als auf das große Menschenurbild. Und aus all diesen Lehren der Theosophie soll dem Menschen das Bewußtsein ersprießen: So sollst du handeln! [...]
Und Theosophie zeigt dem Menschen, daß in der Zukunft der Erdenentwickelung es eine Torheit wäre, nicht die Idee vom Christus aufzunehmen, denn was das Herz für den Organismus ist, ist der Christus für den Erdenleib. Und so wie das Blut durch das Herz den ganzen Organismus mit Leben und mit Kraft versorgt, so muß dasjenige, was die Wesenheit des Christus ist, sich durch alle einzelnen Erdenseelen gezogen haben und es muß für sie Wahrheit werden das Pauluswort: Nicht ich, sondern der Christus in mir! – Hineingeflossen sein muß der Christus in alle menschlichen Herzen. Und wer sagen wollte: Man kann ohne den Christus bestehen – der würde so töricht sein, wie Augen und Ohren, wenn sie sagen wollten, sie könnten ohne Herz bestehen. Beim einzelnen Menschenleibe muß allerdings das Herz von Anfang an da sein, in den Erdenorganismus ist dieses Herz erst mit dem Christus eingezogen. Für die folgenden Zeiten muß aber dieses Christus-Herzensblut in alle Menschenherzen eingezogen sein, und wer sich nicht in seiner Seele mit ihm vereinigt, wird verdorren. [...]
6.3.1911, GA 127, S. 127ff.
Denn das ist ja die große, die ungeheure Frage der Gegenwart: Wie gründet sich das Reich des Moralischen in dem Reich der Naturnotwendigkeiten? [...]
Es gibt ein Territorium, wo die naturwissenschaftlichen Wahrheiten aufhören, bloß naturwissenschaftliche Wahrheiten im heutigen Sinne zu sein, wo moralische Ideale aufhören, Schaumblasen zu sein, wenn die Erde dem Wärmetod verfallen wird. Es gibt ein Gebiet, das man erreichen kann, wo die moralischen Ideale sich erhalten werden, wenn die physische Materialität vernichtet wird, wo das Wort eine naturwissenschaftliche Wahrheit wird: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen! – Es gibt ein Territorium, wo die Bibel Naturwissenschaft wird; und eher – das muß man in den Untergründen des heutigen Zeitstrebens erkennen – kann keine Heilung eintreten, bevor wir nicht die Möglichkeit haben, zu einer Wissenschaft vorzudringen, die weder einseitige heutige Naturwissenschaft, noch einseitige abstrakte Geisteswissenschaft ist.
Heute nennt man vielfach dasjenige „Geisteswissenschaft“, was nur Ideenwissenschaft ist. Für die Anthroposophie ist Geisteswissenschaft nicht nur etwas, was dasjenige jenseits von der Materie erfaßt, sondern etwas, das in seinem Wirken in das Materielle eingreift.
Von diesen Forschungsergebnissen ausgehend, ergibt sich dann, durchaus durch streng geisteswissenschaftliche Methoden, alles das, was gesagt werden muß über den Zusammenhang der Sonne mit dem Christus. [...]
Nun, meine lieben Freunde, ich habe manche Menschen gehört, die sagten, es sei ihnen gleichgültig, daß der Christus mit der Sonne zu tun hat, denen es aber nicht gleichgültig war, wenn ihre Steuern um 50 Prozent erhöht wurden. Und dennoch ist es für das Gesamtheil der Menschen notwendiger, daß der Christus mit der Sonne zusammenhängt, als daß die Steuern um 50 Prozent erhöht werden.
27.09.1921, GA 343, S. 64-69.
Wir stellen in unseren Dornacher Bau dieses Verhältnis zwischen Christus, Luzifer und Ahriman hinein, weil uns die Geisteswissenschaft in einer gewissen Weise wirklich zeigt, daß die nächste Aufgabe in bezug auf das Verständnis des Christus-Impulses darin besteht, daß der Mensch endlich wissen lernt, welches Verhältnis in der Welt zwischen diesen drei Mächten Christus, Luzifer und Ahriman besteht. Denn bis jetzt redet man zwar vielfach von Christentum und dem Christus-Impuls, aber was durch den Christus-Impuls eigentlich infolge des Mysteriums von Golgatha in die Welt gekommen ist, das ist den Menschen noch nicht zur völligen Klarheit gekommen. Man spricht ja wohl davon, daß es Luzifer gibt, daß es Ahriman gibt, aber indem man von Luzifer und Ahriman spricht, spricht man sehr häufig so, als wenn man sie fliehen müßte, als wenn man geradezu immer sagen müßte: Ich will nichts, gar nichts wissen von Luzifer und Ahriman! – Wenn die göttlich-geistigen Mächte, die auf die Weise, wie ich es gestern im öffentlichen Vortrag beschrieben habe, gefunden werden, auch nichts wissen wollten von Luzifer und Ahriman, so würde eben die Welt nicht bestehen können. Nicht dadurch, daß man sagt: Luzifer! ich fliehe ihn, Ahriman! ich fliehe ihn –, stellt man sich zu ihnen in das richtige Verhältnis, sondern dadurch, daß man das, was der Mensch infolge des Christus-Impulses anzustreben hat, betrachtet wie die Gleichgewichtslage eines Pendels. Der Pendel ist in der Mitte im Gleichgewicht, er muß aber nach der einen und der andern Seite ausschlagen. So ist es auch in der Erdenentwickelung des Menschen. Der Mensch muß auf der einen Seite ausschlagen nach dem luziferischen Prinzip, auf der andern Seite nach dem ahrimanischen Prinzip, aber er muß feststehen durch die Ausbildung desjenigen, was Paulus genannt hat: „Nicht ich, sondern der Christus in mir“.
18.5.1915, GA 159, S. 268f.
Bisher haben die kosmischen Kräfte den Menschen in seiner Entwickelung hinaufgehoben. Jetzt fängt der Mensch an, seine Entwickelung mit Bewußtsein selbst in die Hand zu nehmen, an sich selbst zu arbeiten, sich zu erziehen. An welchem Leibe beginnt er nun seine Arbeit? Es ist wichtig, hier auf die Reihenfolge streng zu achten. Zuerst war und ist der Mensch imstande, an seinem und in seinen Astralleib hineinzuarbeiten. Und auf dieser Fähigkeitsstufe steht im großen ganzen der Mensch der Gegenwart auch heute noch. Im allgemeinen können wir vom heutigen Menschen sagen: Er verwendet seine Erlebnisse und Erfahrungen dazu, seinen Astralleib umzugestalten. [...]
[...] Früher bestimmten äußere Mächte den Menschen, jetzt tut er es selbst. [...] Das nun, was ganz bewußt in den Astralleib vom Ich hineingearbeitet wird, nennt man Geistselbst oder Manas. [...] Trotz Zunahme an Verstand kann der Astralleib im wesentlichen unverändert, etwa voll tierischer Begierden bleiben. Es gibt aber Einflüsse, die den Empfindungsleib sehr wohl umwandeln: bewußte Religiosität und Kunst. Aus diesen saugen wir Kraft zur Selbstüberwindung und Veredlung, das ist eine viel stärkere Macht als bloße Moral. So viel hat der Mensch von Manas oder Geistselbst, als er in seinen Astralleib hineingearbeitet hat. Dieses ist nicht etwas Äußerliches, es ist ein Umwandlungsprodukt dessen, was früher Empfindungsseele war.
Solange ich bloß an meinem Empfindungsleib arbeite, verwende ich meine Errungenschaften, um diesen meinen Astralleib umzuarbeiten. Mehr kann alle Moral der Welt nicht leisten, ebenso alle Intellektualität. Arbeitet aber wahre Religiosität in mir, so drückt sich diese stärkere Kraft durch den Astralleib hindurch und wirkt bis in den nächstniederen, den Ätherleib hinein. [...] Das Ergebnis dieser Umwandlung nennen wir den Lebensgeist oder die Buddhi. Der Lebensgeist ist also der vergeistigte Lebensleib. [...] Diese ungeheure moralische Kraft geht vom Bewußtsein aus, wenn die drei Seelen durch ein starkes Ich regiert werden. [...]
[...] Wenn auf der zweiten Stufe die Buddhi seinen Ätherleib durchglüht, so bekommt der Mensch, außer moralischen Grundsätzen, seinen Charakter in seine Gewalt. Sein Temperament, seine Gedächtniskraft, seine Gewohnheiten kann er ändern. [...]
[...] Das bedeutet, ein anderer Mensch zu werden, indem man sich einen anderen Ätherleib schafft, also Lebensleib in Lebensgeist verwandelt. [...] Christus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ – Christus ist die Personifikation der Kraft, die den Lebensleib ändert.
28.10.1906, GA 94, S. 239ff.
Michael als Diener des Christus
Die dritte Phase der Entwickelung ist ein weiteres Loslösen der kosmischen Intelligenz von ihrem Ursprunge. In den Sternenwelten waltet nun nicht mehr die gegenwärtige Ideenordnung als göttliche Offenbarung; es laufen die Sterne und ordnen sich nach der in der Vergangenheit ihnen eingepflanzten Ideenordnung Michael sieht, wie immer mehr, was er im Kosmos verwaltet hat, die kosmische Intellektualität, den Weg zur Erdenmenschheit nimmt.
Michael sieht aber auch, wie die Gefahr, daß die Menschheit den ahrimanischen Mächten verfällt, immer größer wird. Er weiß: für sich wird er Ahriman immer unter seinen Füßen haben; ob aber auch für den Menschen?
Das größte Erden-Ereignis sieht Michael eintreten. Aus dem Reiche, dem Michael selbst diente, steigt die Christus-Wesenheit hinunter in den Erdbereich, um da zu sein, wenn die Intelligenz völlig bei der menschlichen Individualität sein wird. Denn dann wird der Mensch den Drang am stärksten empfinden, sich an die Macht hinzugeben, die restlos in aller Vollkommenheit sich zum Träger der Intellektualität gemacht hat. Aber Christus wird da sein; er wird in derselben Sphäre durch sein großes Opfer leben, in der auch Ahriman lebt. Der Mensch wird wählen können zwischen Christus und Ahriman. Die Welt wird in der Menschheits-Entwickelung den Christus-Weg finden können. [...]
Zwingen kann Michael die Menschen zu nichts. Denn der Zwang hat ja eben dadurch aufgehört, daß die Intelligenz ganz in den Bereich der menschlichen Individualität getreten ist. – Aber als eine majestätische vorbildliche Handlung, in der an die sichtbare zunächst angrenzenden übersinnlichen Welt, kann Michael entfalten, was er entfalten will. Mit einer Licht-Aura, mit einer Geistwesen-Geste kann da Michael sich zeigen, in der sich aller Glanz und alle Herrlichkeit der vergangenen Götter-Intelligenz offenbart.
Zur Erscheinung kann er da bringen, wie die Wirkung dieser Vergangenheits-Intelligenz in der Gegenwart noch wahrer, schöner und tugendhafter ist als alles in unmittelbarer Gegenwarts-Intelligenz, das in trugvollem, verführerischem Glanz von Ahriman herströmt. Er kann bemerklich machen, wie für ihn Ahriman immer der niedrige Geist unter seinen Füßen sein wird.
Diejenigen Menschen, welche die an die sichtbare Welt angrenzende nächste übersinnliche schauen, nehmen so, wie hier geschildert, Michael und die Seinen bei dem wahr, was sie für die Menschen tun möchten. Solche Menschen sehen, wie der Mensch in Freiheit durch das Bild Michaels in der Ahriman-Sphäre von Ahriman ab zu Christus geführt werden soll. Wenn es solchen Menschen gelingt, durch ihr Schauen auch Herzen und Sinnen andrer Menschen aufzuschließen, damit ein Kreis von Menschen wisse, wie jetzt Michael unter den Menschen lebt, dann wird die Menschheit beginnen, Michael-Feste mit dem rechten Inhalt zu feiern, auf denen die Seelen werden in sich die Kraft Michaels aufleben lassen. Michael wird dann als eine reale Macht unter den Menschen wirken. Der Mensch aber wird frei sein und doch in inniger Gemeinschaft mit Christus seinen Geist-Lebensweg durch den Kosmos gehen.
19.10.1924, GA 26, S. 90ff.
In dieser sonnenhaft göttlichen, aber nicht lebendig göttlichen Welt lebt der Mensch. Er aber hat, als Ergebnis des Wirkens Michaels an ihm, als Mensch den Zusammenhang mit dem Wesen des Göttlich-Geistigen bewahrt. Er lebt als Gott-durchdrungenes Wesen in einer nicht Gott-durchdrungenen Welt.
In diese Gott-leergewordene Welt wird der Mensch hineintragen, was in ihm ist, das, zu dem seine Wesenheit in diesem Zeitalter geworden ist.
Menschheit wird sich hineinentfalten in eine Welt-Entwickelung. Das Göttlich-Geistige, dem der Mensch entstammt, kann als kosmisch sich ausbreitende Menschenwesenheit durchleuchten den Kosmos, der nur noch in dem Abbild des Göttlich-Geistigen vorhanden ist.
Nicht mehr dieselbe Wesenheit, die einst als Kosmos war, wird da durch die Menschheit aufleuchten. Das Göttlich-Geistige wird im Durchgang durch das Menschentum ein Wesen erleben, das es vorher nicht offenbarte.
Daß die Entwickelung diesen Fortgang nehme, dagegen wenden sich die ahrimanischen Mächte. Sie wollen nicht, daß die ursprünglichen göttlich-geistigen Mächte das Weltall in seinem weiteren Fortgang erleuchten; sie wollen, daß die von ihnen aufgesogene kosmische Intellektualität den ganzen neuen Kosmos durchstrahle und daß der Mensch in diesem intellektualisierten und ahrimanisierten Kosmos weiterlebe.
Bei einem solchen Leben würde der Mensch den Christus verlieren. Denn dieser ist mit einer Intellektualität in die Welt hereingetreten, die ganz so ist, wie sie einst in dem Göttlich-Geistigen gelebt hat, da dies noch in seiner Wesenheit den Kosmos bildete. Sprechen wir heute so, daß unsere Gedanken auch die des Christus sein können, so setzen wir den ahrimanischen Mächten etwas entgegen, das uns behütet, ihnen zu verfallen.
Den Sinn der Michael-Mission im Kosmos verstehen, heißt, so sprechen können. Man muß heute über die Natur so sprechen können, wie es die Entwickelungsetappe der Bewußtheitsseele fordert. Man muß die rein naturwissenschaftliche Denkungsart in sich aufnehmen können. Aber man sollte auch so über die Natur sprechen – das heißt empfinden – lernen, wie es Christus gemäß ist. Nicht bloß über Erlösung von der Natur, nicht bloß über Seele und Göttliches sollen wir die Christus-Sprache lernen, sondern über den Kosmos.
Daß unser menschlicher Zusammenhang mit dem ursprünglich Göttlich-Geistigen so gewahrt bleibe, daß wir über den Kosmos die Christus-Sprache zu pflegen verstehen, dazu werden wir kommen, wenn wir uns in innerlichem herzlichen Erfühlen ganz in das einleben, was Michael und die Seinen mit ihren Taten, mit ihrer Mission unter uns sind. Denn Michael verstehen, heißt heute den Weg finden zu dem Logos, den Christus unter Menschen auf der Erde lebt.
Anthroposophie schätzt in rechter Art, was die naturwissenschaftliche Denkweise gelernt hat, seit vier bis fünf Jahrhunderten über die Welt zu sagen. Aber sie spricht außer dieser Sprache eben noch eine andere über das Wesen des Menschen, über die Entwickelung des Menschen und über das Werden des Kosmos; sie möchte die Christus-Michael-Sprache sprechen.
Denn werden beide Sprachen gesprochen, dann wird die Entwickelung nicht abreißen und vor dem Finden des ursprünglich Göttlich-Geistigen auf das Ahrimanische übergehen können. Die bloße naturwissenschaftliche Art zu sprechen, entspricht der Loslösung der Intellektualität von dem ursprünglich Göttlich-Geistigen. Sie kann ins Ahrimanische übergehen, wenn der Mission Michaels nicht geachtet wird. Sie wird es nicht, wenn der frei gewordene Intellekt sich durch die Kraft des Michael-Vorbildes wieder findet in der vom Menschen losgelösten, ihm gegenüber objektiv gewordenen ursprünglichen kosmischen Intellektualität, die im Quell des Menschen liegt und die in Christus innerhalb des Menschheitsbereiches wesenhaft erschienen ist, nachdem sie aus dem Menschen zur Entfaltung seiner Freiheit gewichen war.
25.10.1924, GA 26, S. 96ff.
Michael wird die rechte Orientierung geben, wenn es sich um die Welt handelt, die den Menschen für sein Erkennen oder für sein Handeln umgibt. Zu Christus wird man im Innern den Weg finden müssen. [...]
Die Natur muß erkannt und erlebt werden so, daß alles götterleer ist. Dadurch erlebt sich in seinem so gestalteten Verhältnis zur Welt der Mensch selbst nicht mehr. Insofern der Mensch ein übersinnliches Wesen ist, gibt ihm die dem Zeitalter angemessene Stellung seiner selbst zur Natur nichts über sein eigenes Wesen. Er kann auch, wenn er nur diese Stellung im Auge hat, nicht ethisch so leben, wie es seiner Menschheit angemessen ist. [...]
Aber dem steht das rein geistige Wirken des Christus gegenüber. Der Christus ist seit dem Mysterium von Golgatha der Menschenseele erreichbar. Und deren Beziehung zu ihm braucht nicht eine unbestimmte, dunkel-gefühls-mystische zu bleiben; sie kann eine völlig konkrete, menschlich tief und klar zu erlebende werden.
Dann aber strömt aus dem Zusammenleben mit Christus in die Menschenseele herüber, was diese wissen soll über ihre eigene übersinnliche Wesenheit. [...] Es wird das Leben dadurch durchchristet werden können, daß in Christus das Wesen empfunden wird, welches der Menschenseele die Anschauung ihrer eigenen Übersinnlichkeit gibt.
2.11.1924, GA 26, S. 103f.
Indem sich der Mensch als freies Wesen in Michaels Nähe fühlt, ist er auf dem Wege, die Kraft der Intellektualität in seinen „ganzen Menschen“ zu tragen; er denkt zwar mit dem Kopfe, aber das Herz fühlt des Denkens Hell oder Dunkel; der Wille strahlt des Menschen Wesen aus, indem er die Gedanken als Absichten in sich strömen hat. Der Mensch wird immer mehr Mensch, indem er Ausdruck der Welt wird; er findet sich, indem er sich nicht sucht, sondern in Liebe sich wollend der Welt verbindet. [...]
Es ist aus dem Geschilderten wohl anschaulich, wie Michael der Führer zu Christus ist. Michael geht mit allem Ernste seines Wesens, seiner Haltung, seines Handelns in Liebe durch die Welt. Wer sich an ihn hält, der pfleget im Verhältnis zur Außenwelt der Liebe. Und Liebe muß im Verhältnis zur Außenwelt sich zunächst entfalten, sonst wird sie Selbstliebe.
Ist dann diese Liebe in der Michael-Gesinnung da, dann wird Liebe zum andern auch zurückstrahlen können ins eigene Selbst. Dieses wird lieben können, ohne sich selbst zu lieben. Und auf den Wegen solcher Liebe ist Christus durch die Menschenseele zu finden.
16.11.1924, GA 26, S. 117f.
Die Arbeit des Ich am Kinde
Wir haben uns also eine Kluft zu denken zwischen dem Gottessohn und dem Menschensohn. Der Gottessohn, der vorzugsweise tätig ist bis zu dreieinhalb Jahren, enthält alle belebenden Kräfte, das was dem Menschen den Ansporn gibt, immer mehr und mehr Lebenskräfte in seinen Organismus hineinzugießen. Diese Kräfte enthalten auch etwas Aufbauendes, Gesundendes, Belebendes im Verhältnis zum späteren Menschen. Wenn wir im späteren Lebensalter nicht bloß den Menschen haben wollen, der auf seine Sinne angewiesen ist und auf die Werkzeuge seines physischen Leibes, und sich dadurch mit seiner Umwelt in Verbindung setzt, sondern wenn wir auch im späteren Leben in die geistige Welt hinaufragen wollen, dann müssen wir versuchen, auf eine künstliche Weise etwas von diesen Kräften in uns wachzurufen; wir müssen appellieren an die Kräfte, die in uns sind im ersten Kindesalter, nur mit dem Unterschied, daß wir sie jetzt bewußt wachrufen, während das Kind sie unbewußt wachruft. So sehen wir denn, daß der Mensch in dieser Beziehung eine Zweiheit ist. [...]
Wir sinken unter in unseren Menschensohn; der Gottessohn kann nicht mehr aufkommen gegen unseren Menschensohn nach drei Jahren. Aber wir tragen dennoch diesen Gottessohn in uns; es wirken diese Kräfte innerhalb des physischen Leibes das ganze Leben hindurch, nur können sie sich nicht mehr direkt am Aufbau beteiligen. [...]
Die besten Kräfte sind in diesen ersten drei bis dreieinhalb Jahren enthalten; wir zehren das ganze Leben davon. Sie werden verdunkelt, aber sie sind in den späteren Jahren doch in der verschiedensten Art vorhanden. Es ist so, wie wenn wir von diesen Kräften durchsetzt würden und sie nur nicht unmittelbar ausleben lassen könnten. Wenn wir durch die Geisteswissenschaft Begriffe von den höheren Welten aufnehmen wollen, so können wir dies um so besser, je mehr wir von dem in uns haben, was in den ersten drei Jahren in uns war, wo das Ich selbstlos in uns war. Je frischer, je biegsamer diese Kräfte sind, je weniger greisenhaft sie bis ins hohe Alter geworden sind, desto mehr eignen wir uns dazu, uns durch diese Kräfte des Geistes umzugestalten. Es ist der Menschheit bestes Teil, was wir in diesen drei Jahren um uns haben. [...]
Das Ziel der Erdenentwickelung ist, diese besten Kräfte in uns nach und nach zur Geltung zu bringen. [...]
25.2.1911, GA 127, S. 89ff.
Waldorfpädagogik und Christusgeist
Siehe auch: www.wesen-der-paedagogik.de/index.php?id=639
Dasjenige, was die Menschen begreifen sollen: daß das Christus-Ereignis so in der irdischen Weltgeschichte drinnensteht, daß da ein Geistiges geistig beurteilt werden muß, daß man nicht die Auferstehung nach dem Sinne der Naturwissenschaft verstehen kann, sondern nur nach dem Sinne einer Geisteswissenschaft, diese Einsicht haben die Menschen verloren, haben auch die Theologen verloren; sie sprechen nur von dem Menschen Jesus und können nicht mehr zu einem lebendigen Begreifen von dem lebendig auferstandenen Christus gelangen [...]
Wenn es uns aber nicht gelingt, ungefähr zwischen dem siebenten und vierzehnten Jahre in dem Menschen durch jene Pädagogik, von der in der Anthroposophie gesprochen wird, den lebendigen Christus innerlich zu beleben, dann tritt der Mensch in das spätere Leben hinaus, ohne mehr sich ein Verständnis für diesen lebendigen Christus erwerben zu können. Dann muß er entweder ein Leugner des Christus werden oder ein solcher, der innerlich nicht ganz wahr ist, indem er den Christus traditionell festhält, aber eigentlich gar nicht die inneren Seelenmittel hat, um zu begreifen, wie durch das, daß der Christus auferstanden ist, indem der Mensch es miterlebt, indem es der Erzieher mit dem Kinde miterlebt, wie da der lebendige Christus im Herzen, in der Seele erweckt wird. Da kann er erweckt werden, und dadurch kann der Seele die Unsterblichkeit durch ihre Verbindung mit dem Christus gegeben werden. [...]
Wollen wir herankommen an den lebendigen Menschen, so müssen wir die Kräfte zu diesem Herankommen suchen in der lebendigen Geistigkeit selbst. Unserer gegenwärtigen Zivilisation fehlt aber die Geistigkeit. [...] Wir wollen pädagogische Kunst auf Seelenkunde und Ethik gründen und haben nur eine Seelenkunde ohne Seele, eine Ethik ohne göttlich-geistige Verbindlichkeit. [...]
Will man den Christus erkennen, will man aus der Christus-Kraft heraus auch in der Schule wirken, dann braucht man [...] die lebendige Einsicht in das Leben und Wirken des Seelischen, dann braucht man die lebendige Einsicht in das Weben und Wirken der ethischen Kräfte in dem Sinne, wie die Naturkräfte wirken, als Realitäten, nicht bloß als konventionelle Gebote, denen man sich fügt aus Gewohnheit, sondern als Kräfte, in denen man leben will, weil man weiß, daß man stirbt im Geiste, wenn man nicht darinnen lebt, so wie man stirbt im Leibe, wenn einem das Blut erstarrt.
Diese Anschauungen in aller Lebendigkeit, sie müssen eben Lebensgut werden gerade für die pädagogische Kunst. Sie müssen als etwas, was belebt, was innerlich bewegt, was aus einem Toten ein Lebendiges bildet, dasjenige durchdringen, was der Lehrer in seinem Gemüte zu tragen hat, wenn er erziehen, wenn er unterrichten will.
Wir sprechen heute von der Seele, ob wir Gebildete oder Ungebildete sind, in toten Worten, das heißt, wir leben nicht in dem seelischen Leben, wir plätschern herum um das Kind, denn wir haben keinen Zugang zu seiner Seele. Wir leben heute in den toten Worten, wenn wir vom Geiste reden. [...] Aber das Geistige müssen wir in Lebendigkeit ergreifen, wenn wir es in Kunst überführen sollen, wenn es nicht bloß in abstrakten Gedanken erfasst werden soll, die keine Wirkungskraft haben.
1.7.1923, GA 304a, S. 86ff.
Bei jedem Kinde eine Rettung vollziehen
Das ist auch etwas, wovon ein Bewußtsein entwickelt werden muß bei denjenigen Menschen, die für die Menschenzukunft Erzieher und Unterrichter werden. Die Kinder sind heute anders, als sie waren vor Jahrzehnten. Das ergibt sich schon einer oberflächlichen Betrachtung sehr deutlich. Man muß sie anders erziehen und anders unterrichten, als man sie vor Jahrzehnten unterrichtet hat. Man muß mit dem Bewußtsein unterrichten, daß man eigentlich bei jedem Kinde eine Rettung zu vollziehen hat, daß man jedes Kind dahin bringen muß, im Lauf des Lebens den Christus-Impuls in sich zu finden, eine Wiedergeburt in sich zu finden.
16.8.1919, GA 296, S. 94.
Christuserlebnis einer Krankenschwester
Die englische Krankenschwester Joy Snell berichtet:
„Es war drei Monate her, seit ich die Krankenpflege übernommen hatte, als ich zum ersten Mal mit der häßlichen Seite der Arbeit einer Krankenschwester in Berührung kam. Beim Anblick der scheußlichen Verheerungen, welche eine Krankheit erzeugte, die Verderbtheit und Laster hervorgerufen hatte, überkam mich Ekel und das Gefühl des Erbrechens. Mit Widerwillen wandte ich mich von dem Patienten ab. ‚Ich will und kann mich nicht besudeln durch die Berührung dieses Mannes’, sagte ich zu mir selbst. Darauf ergoß sich eine Flut von Licht über mich, und indem ich aufschaute, erblickte ich die Gestalt des Heilands, die sich über den Kranken neigte. Er wandte sein Haupt zu mir, blickte zu mir nieder, und indem er seine Hände über den von der Krankheit entstellten Sünder breitete, sagte er: ‚Alles, was ihr getan habt einem unter diesen, das habt ihr mir getan. In jedem Geschöpf, das eurer Obhut anvertraut ist, erblicket mich, und eure Arbeit wird leicht sein.’ Die Vision – wenn man es überhaupt so nennen konnte – verschwand wieder. Ich wandte mich wieder dem Kranken zu. Verschwunden war aller Ekel und Widerwille, den ich vor wenigen Augenblicken noch empfunden hatte.“
Aus: Hans-Werner Schroeder. Von der Wiederkunft Christi heute. Urachhaus, 1991, S. 288f.
Spuren im Sand
Siehe hier.
Novalis – Geistliche Lieder – IV. Lied
Unter tausend frohen Stunden,
So im Leben ich gefunden,
Blieb nur eine mir getreu;
Eine wo in tausend Schmerzen
Ich erfuhr in meinem Herzen,
Wer für uns gestorben sei.
Meine Welt war mir zerbrochen,
Wie von einem Wurm gestochen
Welkte Herz und Blüte mir;
Meines Lebens ganze Habe,
Jeder Wunsch lag mir im Grabe,
Und zur Qual war ich noch hier.
Da ich so im stillen krankte,
Ewig weint und weg verlangte,
Und nur blieb vor Angst und Wahn:
Ward mir plötzlich wie von oben
Weg des Grabes Stein geschoben,
Und mein Innres aufgetan.
Wen ich sah, und wen an seiner
Hand erblickte, frage keiner,
Ewig werd ich dies nur sehn;
Und von allen Lebensstunden
Wird nur die, wie meine Wunden,
Ewig heiter, offen stehn.
Morgenstern – Der einsame Christus
Wachet und betet mit mir!
Meine Seele ist traurig
bis an den Tod.
Wachet und betet!
mit mir!
Eure Augen
sind voll Schlafes, –
könnt ihr nicht wachen?
Ich gehe,
euch mein Letztes zu geben –
und ihr schlaft...
Einsam stehe ich
unter Schlafenden,
einsam vollbring ich
das Werk meiner schwersten Stunde.
Wachet und betet mit mir!
Könnt ihr nicht wachen?
Ihr alle seid in mir,
aber in wem bin ich?
Was wißt ihr
von meiner Liebe,
was wißt ihr
vom Schmerz meiner Seele!
O einsam!
einsam!
Ich sterbe für euch –
und ihr schlaft!
Ihr schlaft!