18.08.2001

„Ist der Profit wirklich ein Gott für Sie?“

Brief an den Ölkonzern TotalFinaElf

Den folgenden Brief schrieb ich am 18.8.2001 an den Vorsitzenden der TotalFinaElf, als Greenpeace bekannt machte, dass der Konzern Öl aus Westsibirien bezieht, wo marode Pipelines eine ökologische Katastrophe verurschen.


Sehr geehrter Herr Vanicek,

Sie sind Vorsitzender der Geschäftsführung der TOTAL FINA ELF und wissen sicher, wie es in Westsibirien aussieht, von wo Ihr Konzern Erdöl importiert. Zahllose Postkarten werden Sie darauf hinweisen, daß diese Gegend der Welt inzwischen ein ökologisches Katastrophengebiet ist, weil dort Tag für Tag (!) Millionen Liter Öl aus kaputten Pipelines fließen. Dieses Öl läßt Tag für Tag Lebe­wesen sterben und verseucht immer mehr Natur.

Fühlen Sie sich dafür überhaupt nicht mit verantwortlich? Liegt Ihnen nichts an Menschen, oder auch an Tieren, ja vielleicht auch an Pflanzen, die weit weg von hier existieren wollen?

Ist der Profit wirklich ein Gott für Sie, der die Mittel heiligt, die zu seinem Wachstum führen? Die Gewinne Ihres Konzernes steigen, und er plant, unvorstellbare Summen für die Erschließung immer neuer Ölvorkommen in Russland einzusetzen. 40.000.000.000 Mark - so viel könnte ein Mensch meistens nicht einmal verdienen, wenn er über eine Million Jahre hier auf der Erde leben würde. Lachen Sie nicht! Ihr Konzern hat dieses Geld, aber schon ein Bruchteil davon gälte ihm als verschwendet, wenn es für einen Stop der endlosen Verseuchung riesiger, um ihr Leben ringender Gebiete verwendet wäre? Sollte dies Ihr Standpunkt sein? Was wären Sie dann für ein Mensch? Wären Sie ein Mensch?

Nun, man versucht ja heute, den Menschen zu einem intelligenten Tier zu machen, aber dennoch gibt es unterschiedliche Worte für beide, und die Bedeutung des Wortes menschlich ist der Inbegriff von allem, was den Menschen vom Tier unterscheidet oder unterscheiden könnte. Es wird immer Men­schen geben, die sich freuen, schlimmer als ein Tier ihr Unwesen treiben zu können und unheilige Macht auszuüben - Menschen, in denen der Schmerz und das Elend anderer Wesen keine Gefühle erwachen läßt. Aber mit Menschlichem in seiner Bedeutung hat das nichts mehr zu tun. Wann immer der Mensch diesen Charakter bekommen sollte, verliert er seine Menschlichkeit, und dies ist nicht nur seicht-moralisch verstanden.

Sehr geehrter Herr Vanicek! Setzen Sie mit Ihrem Konzern das Ihnen zur Verfügung stehende Geld nicht weiter allein zur maximalen Steigerung Ihrer Umsätze und Gewinne ein, sondern ergreifen Sie Ihre Verantwortung - auch dort, wo Ihnen Marktwirtschaft und Ländergrenzen zureden, es gäbe sie nicht!

In Erwartung Ihrer Antwort und in der Hoffnung, daß Sie etwas gegen die Katastrophen tun werden,
verbleibe ich mit einem persönlichen Gruß.
 

Am 21.9.2002 erhielt ich eine Antwort, in der er u.a. hieß,

...dass der Konzern selbst in Russland weder Öl fördere noch transportiere und weder juristisch noch faktisch Einfluss auf Unternehmen ausüben könne, mit denen keine direkten vertraglichen Beziehungen bestünden. Russland entscheide als souveräner Staat mit einer frei gewählten Regierung selbst über die Lösungen seiner Probleme. Der Eindruck, ein deutsches Unternehmen wolle die Umweltstandards für Russland definieren, könnte sich eher als kontraproduktiv erweisen. Ein sehr wichtiger Beitrag der deutschen Mineralölindustrie bestehe darin, ein verlässlicher Handelspartner der russischen Ölindustrie zu sein: Eine verbesserte Wirtschaftskraft Russlands sei eine wichtige Voraussetzung für nachhaltigen Umweltschutz. Im Übrigen unterstütze die Total-Unternehmensstiftung zahlreiche Umweltprojekte in aller Welt.