26.04.2004

Verleumdung von Rudolf Steiner

Reaktion auf einen Artikel in der „jungen Welt“

Briefwechsel mit der Redaktion der „jungen Welt“ nach dem verleumderischen Artikel „Mission Steiner“ vom 24.4.2004.


26.04.2004

Liebe RedakteurInnen,

ich schreibe Euch anläßlich des Artikels „Mission Steiner“ in der letzten Wochenend-Beilage. Es handelt sich um eine polemische Verleumdung der Anthroposophie und der Waldorfschulen. Der Artikel wimmelt nur so von falschen Behauptungen!

Zum Thema „Steiner ein Rassist?“ möchte ich Euch das kleine Büchlein „Rassenideale sind der Niedergang der Menschheit“ nahelegen, in dem Ravagli et alt. zeigen, wie haltlos die immer wieder gemachten Vorwürfe sind (und mit welch „rassistischer“ Methode diejenigen polemisieren, die Steiner immer wieder diesen Vorwurf anhängen wollen).

Was die Waldorfschulen betrifft, ist es traurig, daß sich eine Zeitung wie die „junge Welt“ für einen solchen Verriß hergibt – gerade angesichts der Misere im Staatsschulsystem. Beispiel: In den Waldorfschulen gehe es „um Glauben“. Richtig ist: Die Kinder sollen in den allerersten Klassen nicht schon intellektuell unterrichtet werden. Dafür soll später um so mehr das eigene Denken angeregt werden. Es sind die Waldorflehrer, die für beobachtbare Phänomene nicht sofort die passende Lösung oder Erklärung liefern, sondern zunächst wirkliche Fragen in den SchülerInnen wecken!

Man muß nur eines der Grundwerke von Rudolf Steiner lesen – die Philosophie der Freiheit –, um zu wissen, daß dieser einer der größten Verfechter des eigenständigen Denkens – und Handelns – gewesen ist. Man muß sich nur etwas tiefer mit der Waldorfpädagogik auseinandersetzen, um zu wissen, daß gerade hier im Grunde die volle Freiheit für den einzelnen Pädagogen die Grundlage des Unterrichtens sein will. (Das gezeigte Bild ist übrigens gerade alles andere als waldorf-typisch. Das könnten erst recht all jene bestätigen, die eine Abneigung gegen das „sofort erkennbare“ Waldorf-Bild haben).

Ich will auf die einzelnen Unmöglichkeiten und Verkürzungen, die in fast jedem Satz stecken, nicht eingehen. Ich will Euch aber fragen, ob irgend jemand aus der Redaktion die Inhalte des Artikels gewissenhaft beurteilen kann – oder beurteilt hat. Ich erwarte irgendeine Begründung, wie eine derartige Hetzschrift in die „junge Welt“ Eingang finden konnte. Wenn Ihr meint, das sei in Ordnung gewesen, oder das in Zukunft nicht ausschließen könnt, habt Ihr ab Juni einen Leser weniger.

Das schreibe ich als jemand, der die „junge Welt“ bis auf wenige Ausnahmen immer außerordentlich hoch geschätzt hat – also schweren Herzens. Ich kenne keine Zeitung, die der „jungen Welt“ irgendwie vergleichbar wäre und in der Auswahl und dem Inhalt der Berichte an sie herankäme! Doch bin ich zu sehr mit der Anthroposophie und ihren Früchten (Pädagogik, Medizin etc.) verbunden, um irgendwie die Möglichkeit unterstützen zu können, daß diese auf triefend perfide Weise in ihr Gegenteil verkehrt werden.

Ich hoffe sehr, daß ich aus Eurer Redaktion noch eine Reaktion bekomme, aus der ich erkennen kann, wie es zu diesem Artikel kam und wie Ihr Euch dazu stellt.


05.05.2004

Liebe RedakteurInnen,

Am 26. April schrieb ich Euch wegen des Beitrages „Mission Steiner“ und möchte mich nur erkundigen, ob ich von Euch noch eine Antwort erwarten kann. Ich will Euch nicht drängen, nur habe ich es leider schon zu oft erlebt, daß ich auf eine engagierte Anfrage überhaupt keine Reaktion bekam – und dies ist natürlich die traurigste und unmenschlichste Variante.

Ich mußte dann am 6. Mai meine erste Mail nochmal schicken, da sie offenbar „untergegangen war“!


07.05.2004

Hallo Holger,

ich weiß nicht, warum man eine eigentlich hochgeschätzte Zeitung nicht mehr lesen will, weil einem einmal etwas nicht gefällt. Ich ärgere mich auch über vieles in der jW und trotzdem arbeite ich hier schon seit sieben Jahren. Zumal, wie Du sagst, in den Walldorfschulen zum Denken angeregt werden soll. Nichts anderes möchten wir auch.

07.05.2004

Lieber Christof,

danke für Deine immerhin kurze Antwort. Allerdings ist „einmal etwas nicht gefällt“ einfach nicht wahr. Natürlich gefällt mir persönlich-subjektiv ebenfalls so manches nicht, ich kann es aber völlig akzeptieren, weil es ein möglicher Standpunkt ist, in den ich mich hineinversetzen kann, weil ich seine relative Berechtigung erleben kann. Was ich in bezug auf „Mission Steiner“ meinte, greift wesentlich tiefer. Was dort geschrieben wurde, entbehrt ganz überwiegend jeder Grundlage und ist einfach nur erschreckende Verleumdung. Der dort vertretene Standpunkt kann nur eingenommen werden, wenn man wissentlich die Unwahrheit verkünden und der Anthroposophie und den Waldorfschulen durch Lügen bewußt schaden will. Das ist es, was ich meinte und erlebte. Meine Reaktion mußt Du Dir aus diesem Hintergrund heraus vorstellen.

Wenn Du Dich mit Anthroposophie und Waldorfpädagogik bisher gar nicht beschäftigt hast, kannst Du den Artikel „Mission Steiner“ vielleicht interessiert lesen und ihm eine Berechtigung zugestehen und Dich gleichzeitig fragen, welche merkwürdige Sektierer einem Mann namens Steiner anhängen können. Damit haben die Autoren ihr Ziel erreicht. Meine Frage war und ist aber, wie solche Machwerke, die aus böswillig verleumdenden Falsch-Darstellungen bestehen und eben wirklich jeder Grundlage entbehren, in die junge Welt aufgenommen werden können. Kann jemand den Artikel beurteilen? Wurde er irgendwie auf seine Wahrheit geprüft? Oder wurde er einfach aufgrund der (wovon ich überzeugt bin: falschen) Gleichung „jede Spiritualität = Scharlatanerie“ als plausibel eingestuft und ohne weitere Beurteilung veröffentlicht?

Ich meine, dies darf auf journalistischem Felde nicht sein – und schon gar nicht, wenn es nicht nur um interessant-sensationelle Übertreibungen geht, sondern ein ganzer Bereich der Gesellschaft, dem viele Menschen sich aus authentischen, eigenen Erfahrungen heraus, tief verbunden fühlen – hier die Waldorfschulen, die Anthroposophie und alles, was aus dieser noch hervorging – grausam verleumdet wird. Es geht darum, daß das Gegenteil von dem als Wahrheit und Realität hingestellt wurde, was an Waldorfschulen passiert und versucht wird und was Steiner angeregt hat.

Ich weiß nicht – wie seht Ihr Redakteure das? Ich warte noch auf eine wirkliche Stellungnahme zu dem, was mich eigentlich erschreckt hat.

14.05.2004

Lieber Holger,

ich hab Deine Antwort mit Gewinn gelesen. Merci.

14.05.2004

Lieber Christof,

freut mich immerhin, doch dann ist der Gewinn sehr einseitig. Meine Hoffnung, aus der Redaktion eine Antwort und Stellungnahme zu bekommen, die diesen Namen wirklich verdient, ist nicht erfüllt worden. Einen solchen Umgang der jungen Welt mit der Wahrheit bzw. mit Verleumdungen, die offenbar ungeprüft übernommen und abgedruckt werden, kann ich nicht unterstützen. Mir tut dieser Umgang leid, und Ihr werdet dann ab Juni einen Leser weniger haben. Ich habe wirklich das Gefühl, daß Dir mein Erleben nicht deutlich geworden ist und weiß nicht, wo der Gewinn für Dich hergekommen ist.

Letztlich habe ich die „junge Welt“ zunächst doch weiterhin regelmäßig gelesen – bis dann wiederum ein solcher Artikel abgedruckt wurde: Die verleumderische Hasstirade „Blut und Politik“ von Christoph Horst vom 26.5.2006.