21.12.2008

Zu Weihnachten das Christliche vereinnahmen – Gronbachs Christus-Leere

Sebastian Gronbach scheut nicht davor zurück, seine New-Age-gemäße Wilbersche Lehre nicht nur nach wie vor unter den Namen der Anthroposophie zu stellen (als deren Avantgarde er sich sogar versteht), sondern kurz vor Weihnachten auch noch das Christliche für sich zu vereinnahmen, das er ansonsten durch und durch leugnet. Ein Paradox? Nicht für Gronbach.


Um ein Gefühl für Gronbachs Weltbild zu bekommen, sei aus seinem Blog zitiert, wo er am 16. Dezember schreibt:

„Erwachen bedeutet zu sehen, dass niemand da ist. [...] Freiheit von Allem - vor allem aber die Freiheit davon, jemand zu sein! Leben ohne Ich-Gefühl. [...] Was bleibt ist NICHTS und aus dem NICHTS heraus, ist ALLES möglich. Weil ALLES möglich ist, ist es auch möglich, dass großer Bockmist möglich ist. Genau so wie Weisheit und Barmherzigkeit. Weil ich Anthroposoph bin, setze ich mich für Weisheit und Barmherzigkeit ein. [...] In dem, was ich im nächsten Jahr aufbauen und anbieten will (Arbeitstitel AnthroAktiv09) [...] wird es möglich sein, dass Du nach dem Zerbrechen Deiner Person die Freiheit hast, Dich zu einer Person zu rekonstruieren, die Du sein willst. Du hast erkannt, dass es kein Schicksal gibt und wirst in die Lage versetzt, Dein Schicksal selber zu schmieden und Dich zu erschaffen. [...] AnthroAktiv09 basiert auf Rudolf Steiners Schulungsweg und wird von Ken Wilbers integralem Ansatz flankiert.“


Hieraus geht sein anti-christlicher, das Ich leugnender Ansatz ganz klar hervor.

In einem weiteren Aufsatz „Was ist das Christliche an der Anthroposophie?“ schreibt er zwei Tage später am 18. Dezember:

„Erstens, die Idee, dass das geistig-göttliche Selbst tatsächlich im Menschen lebt [...]
Zweitens, die Idee, dass es jedem Menschen tatsächlich möglich ist, sich so zu transformieren, dass dieses geistig-göttliche Selbst voll umfänglich in seinem Leben zur Erscheinung kommt - "nicht ich, sondern Christus in mir." [...] die Entwicklung und Förderung einer Kultur, innerhalb derer alle Menschen diese Transformation vom engen Ego zum weiten Selbst realisieren können.
Drittens, die [...] Weiterentwicklung einer Spiritualität, welche - wie zum Beispiel im Buddhismus - den Tod des Egos, das Erkennen des Leidens als Illusion und somit die Erlösung vom Leiden und das Aufgehen im göttlichen Sein, als Endabsicht hat. [...] Das Sterben des Ego, ist nicht länger nur Ziel, sondern Voraussetzung für die Auferstehung des göttlich-geistigen Selbst, welches bereits immer und in jedem Menschen schlummert. [...]
Das ganze vitale Leben, wird von LEBEN des Geistes durchdrungen und überall ist diese VITALITÄT spürbar und sichtbar - selbst im menschlichen Bewusstsein (auch im Swingerclub und als Ehemann und als Mutter und beim Autorennen.) Das meint Rudolf Steiner, wenn er vom "ätherischen Christus" spricht.“ 

Das „Selbst“ als Gott – und das Geheimnis der Individualität

Gronbach spricht also nicht von Ego und höherem Ich, er spricht von Ego und geistig-göttlichem Selbst, das im Grunde NICHTS und ALLES zugleich ist. Er setzt es im Grunde mit „Christus“ gleich: „Nicht ich, sondern Christus in mir“; das „neue Selbst“ sei von göttlichem Leben durchdrungen, welches Steiner mit dem „ätherischen Christus“ gemeint habe. Ein Unterschied wird eigentlich nicht klar – Gronbach setzt also das „neue Selbst“ unmittelbar gleich mit dem umfassenden Göttlichen, mit Gott, Christus und so weiter. Auch in seinem Buch „Missionen“ schreibt er, in Wirklichkeit sei Jesus einfach der erste Mensch, der „sein Ego zu 100 Prozent durch das ewige und authen­tische Selbst ausgetauscht“ hatte.

Dies erinnert an etwas, worauf Rudolf Steiner in Bezug auf das herkömmliche Christentum hinwies: Der Christ betet zu Gott, meint, sich in seinem Gottesbegriff unmittelbar zu Gott erheben zu können, aber kommt eigentlich nicht weiter als nur bis zu seinem Engel... Bei Gronbach geht dies nun noch einen Schritt weiter: Er erkennt in sich selbst etwas Göttliches und setzt es unmittelbar gleich mit dem umfassend Göttlichen: Nach dem „Erwachen“ gibt es keine Differenzierung, keine Stufen, man erkennt einfach, dass man von Anfang an eins mit „ALLEM“ war: Man selbst ist Gott und erwacht nun zu sich selbst...

Die Frage ist dann nur: Wieso ist man dieser oder jener einzelne Mensch? Wieso gibt es so viele Menschen (Götter?) neben mir? Natürlich bin ich laut Gronbach auch „eins“ mit ihnen, aber warum ist das große SELBST auf einmal so vielfältig? Wenn es wirklich in allen dasselbe SELBST ist, welchen Sinn hat dann die Vielfalt? Gronbach denkt und erlebt viel zu simpel. Es ist immer wieder diese furchtbare Vorstellung von der großen Gruppenseele (und sei sie noch so „göttlich“), an der jeder Mensch Anteil hat, die jeder Mensch selbst ist. Nach dem „Erwachen“ kann man sich selbst so formen, wie man will, man hat ja das Potential zu „ALLEM“... Das heißt, die Vorstellung bzw. der Anschein der Individualisierung ist da – aber wer individualisiert sich da eigentlich? Es ist doch immer wieder das SELBST?

Wenn Gronbach seinen „Anthro-Blog“ macht, wer macht das dann eigentlich? Das all-eine SELBST in einer seiner sechs-milliarden-fachen, „individuellen“ Ausstülpungen? Das eine SELBST, das sechs-milliarden-mal individuell werden will? Wo ist Gronbach dann? Gronbach ist weg, er ist nichts und niemand, er ist nur eine Nummer, eine von sechs Milliarden Formen und Möglichkeiten, in denen das SELBST sich offenbaren und gestalten kann. Er kann sich eins mit allem fühlen, er kann sich als ALLES fühlen, weil er seine wirkliche Einzigartigkeit, den wirklichen Ich-Begriff aufgibt. Zusammen mit dem Ego wirft er das wahre Ich über Bord – und es wäre nicht erstaunlich, wenn bei diesem Prozess das Ego unbemerkt um so kräftiger an Bord bliebe...

Luzifer und Ahriman – realer als gedacht

Der ganze Vorgang erinnert nicht nur an den einfältigen Christen, der meint, sich zu Gott zu erheben, wo er in Wirklichkeit gerade erst den Engel erahnt. Er erinnert auch an etwas anderes: Gronbach will sich ja nicht zu Gott erheben, als etwas von ihm Getrennten. Er beansprucht, Gott zu sein! Das aber ist das Anliegen Luzifers: Er ist nur ein göttliches Geschöpf, aber er will alles, er will sich sein eigenes Reich schaffen, in dem er allein Gott ist – die Realität will er nicht sehen, aus der Welt schaffen, indem er seine eigene Welt schafft. Und den Menschen will er in eben denselben Irrtum verführen – auf dass der Mensch ganz und gar sein Opfer werde und in seinem Irrtum nicht Gott, sondern ihm (Luzifer) gleiche und sein Reich stärke... Luzifer vermag es nicht, eine reale Wirklichkeit anzuerkennen, die ihn noch überragt. Gronbach gleicht ihm in seinem Hochmut.

Aber in Gronbachs Leugnung und faktischen Verhöhnung der wahren Geistwelt und in dem Lügengebilde, das er an die Stelle des menschlichen Ich-Mysteriums setzt, wirken noch ganz andere Wesenheiten. Erleben wir noch einmal, was Gronbach schreibt: „...überall ist diese VITALITÄT spürbar und sichtbar - selbst im menschlichen Bewusstsein (auch im Swingerclub und als Ehemann und als Mutter und beim Autorennen.) Das meint Rudolf Steiner, wenn er vom "ätherischen Christus" spricht.“ – Spürbare Vitalität wäre also der ätherische Christus! Im Swingerclub, beim Autorennen, als Ehemann... Endorphine, Adrenalin und Hormone – der ätherische Christus? Und wie ist es mit der Vitalität beim Sex – oder kommt das für Gronbach nicht in Frage? Und bei einer Vergewaltigung – oder kommt das nicht in Frage?

Rudolf Steiner hat die Gegensätzlichkeit von Lebensvorgängen (Vitalität) und Bewusstseinsvorgängen aufgedeckt. Dass eine geistige Entwicklung wiederum ganz neue Lebenskräfte schenkt, ist keine Widerlegung dessen, sondern hier sind wirklich neue, vergeistigte Lebenskräfte gemeint, die einen reinen, selbstlosen Charakter haben. Vitalität im Swingerclub oder ähnlichen Veranstaltungen entspricht immer nur den unverwandelten Lebenskräften und hat mit spiritueller Entwicklung nichts zu tun – außer dass man im Zuge einer solchen auch und zunächst gerade das Unverwandelte stärker wahrnimmt. Wenn man hier kein Unterscheidungsvermögen entwickelt und nicht eine innere moralische Schulung durchmacht, kann es leicht geschehen, dass einem in seinem „erleuchteten, höheren Lichte“ alles Mögliche als göttlich vorkommt, was in der wahren Wirklichkeit moralisch keinerlei Wert hat oder sogar unmoralisch ist.

Rudolf Steiner – missverstanden

Ein Leser von Gronbachs Blog hat auf einen Vortrag Rudolf Steiners verwiesen, der belegen soll, dass Steiner genau dasselbe wie Gronbach gesagt habe. In dem Vortrag „Die Zukunft des Menschen“ (GA 53, S. 311-313) heißt es:

„Der Verstand ist also nur ein Umweg und führt nicht aus der Sinnenwelt heraus. Wo aber die geistige Welt hineinleuchtet in diese Welt: in den großen Kunstwerken, in den originellen Ideen, welche über die Alltagsbedürfnisse hinausgehen, oder wo hineinleuchtet etwas von dem, was wir die theosophische Weltanschauung nennen, da leuchtet etwas Höheres hinein; dann wird der Menschengeist nicht bloß zu einem Verarbeiter dessen, was rings um ihn ist, sondern dann ist er ein Kanal, durch den der Geist in die Welt hineinfließt. [...] Da wird der Mensch zu einem besonderen Charakter, da bringt jeder etwas Besonderes in seine Sendung hinein. Will ich wissen, was er als Persönlichkeit in der Welt soll, will ich wissen, was er durch seine Originalität als Individualität sein kann, dann muß ich warten, bis durch diesen Kanal etwas aus der geistigen Welt in diese Welt einströmt. Wenn dieser Einfluß stattfinden soll, müssen wir jeden Menschen als ungelöstes Rätsel betrachten.“


Es könnte natürlich auf den ersten Blick scheinen, als würde auch Rudolf Steiner hier sagen, der einzelne Mensch sei ein einzelner, individueller Vertreter des einen GEIST und SELBST, von dem Gronbach spricht. Dieser Illusion kann man aber nur erliegen, wenn man die verkürzte Vorstellung von Gronbach nicht loslassen kann und überall die Bestätigung sucht, also auch Rudolf Steiner nur mit dem Gronbach-Blick liest. Man muss bei Rudolf Steiner aber immer die umfassende Tiefe und Vielfalt der geistigen Welt spüren, aus der heraus er spricht und die er in seinem ganzen Lebenswerk in immer wieder anderen Aspekten offenbart. 

Wenn Rudolf Steiner an dieser Stelle davon spricht, dass der Menschengeist zu einem Kanal wird, durch den der Geist in die Welt hineinfließt, dann muss man auch hier mitempfinden, was er immer wieder über das Mysterium des Ich und über die unendliche Differenzierung der geistigen Welt und ihrer Wesenheiten gesagt hat. Es ist eben nicht so, dass der Mensch in dem Moment individuell wird, wo der Geist durch ihn wie durch einen Kanal in die Welt hineinzufließen beginnt. Sondern jeder Mensch ist in seinem höheren Wesen, dem wahren Ich, seit seiner Erschaffung individuell und wurde und wird es im Laufe der Inkarnationen immer mehr.

Im Zeitalter der Bewusstseinsseele ist die Zeit gekommen, dass der individuelle Menschengeist sich langsam und allmählich seiner selbst bewusst wird und sich auch in voller Bewusstheit der geistigen Welt überhaupt öffnen kann. Was er dann als geistiges, von vornherein individuelles Wesen von sich offenbart, wird von vornherein individuell sein. Auch die Art, wie er sich dem Geistigen öffnet, wohin er seine Aufmerksamkeit und Hingabe im einzelnen lenken wird, wird von seiner Individualität abhängen. Überall aber ist dies seine Individualität, die von Anfang an bestand, seit die göttliche Welt dem Menschen das Geheimnis des Ich geschenkt hat.

In Gronbachs Erleben liegen Wahrheit und Irrtum dicht beieinander. Denn das höhere Ich eines Menschen hat natürlich unendliche Möglichkeit, sich in jeder Richtung weiter zu entwickeln. Und es ist in geheimnisvoller Weise mit dem Wesen des Christus, dem Licht der Welt, dem Welten-Ich verbunden. Dennoch ist es viel selbstständiger, als Gronbachs Darstellung des (all-)einen SELBST suggeriert. Der einzelne Mensch ist nicht ein „Fortsatz“ des einen großen SELBST, er ist nicht ein Tropfen aus dem ALL-Meer, er ist ein seit ur-denklichen Zeiten sich entwickelndes Ich, dem der Christus ein Bruder sein will. Kann man empfinden, wie es hier um ganz andere Realitäten geht, als sie die Gronbach-Wilbersche Weltsicht bietet?

Man kann sich auch einmal fragen: Wenn „alles eins“ ist, wenn der Mensch eigentlich an dem SELBST als der einen großen Wahrheit Anteil hat – wer hat dann die Welt erschaffen? Das SELBST, um vielen neuen Tochter-SELBSTEN Leben, Bewusstsein und Entwicklung zu ermöglichen? Und wer hat die Steine, Pflanzen, Tiere erschaffen? Wer? Und wie? Und wie hat man sich die Menschheitsentwicklung dann vorzustellen? Rudolf Steiner schildert hier eine Vielzahl von Wesenheiten und Geschehnissen, gegen die das Gronbach‘sche SELBST einfach nur platt wirkt. Auch wenn Wilber mit seiner Holontheorie usw. differenziertere Vorstellungen entwickelt, wirken diese gegen Rudolf Steiners Schilderungen abstrakt, intellektuell, ausgedacht, den technischen Modellen der Systemtheorie u.ä. verwandt. Es sind bei Wilber ja auch Theorien, ganz abgesehen davon, dass sie vielleicht mit dem All-Eins-Erleben „kompatibel“ sein sollen, aber natürlich wieder von ihm wegführen...

Das All-Eins-Erleben – das Ich missverstanden

Das All-Eins-Erleben ist nur um den Preis der Aufgabe des Ich möglich. Man kann sich mit allem eins fühlen – mit den Bäumen um einen herum, den Menschen, allem... Dies geschieht, wenn man sein eigenes Selbsterleben fast ganz auslöscht, wenn man nur noch wahrnimmt. Alles hat dann die gleiche Bedeutung – eigentlich keine andere Bedeutung als sein So-Sein –, ich werte und urteile in keinster Weise mehr, und auch „ich“ stehe bewusstseinsmäßig nicht mehr im Zentrum, ja dieses „ich“ ist eigentlich verschwunden, es bemerkt sich selbst nur noch so „haarfein“, dass es sich eben mit allem eins fühlen kann. Denn wenn es ganz verschwunden wäre, könnte es sich ja auch nicht mehr mit allem eins fühlen, dann wäre überhaupt kein All-Eins-Erleben möglich. Selbst wenn dann „alles eins“ wäre, wäre kein Erleben da, weil niemand da wäre, der es erleben würde.

Das Tier hat in gewisser Weise auch ein All-Eins-Erleben – es nimmt alles wahr, „wie es ist“, alles hängt miteinander zusammen, es gibt keine subjektiven Urteile, und das Tier hat eine sehr umfassende, weisheitsvolle Wahrnehmung – aber eben vollkommen ohne Ich-Bewusstsein, es weiß nichts von seinem Erleben. Wenn der Mensch nun ein bewusstes „All-Eins-Erleben“ hat, vielleicht sogar ein Erleben von „nur Bewusstsein“, verdankt er dies doch immer wieder der realen Anwesenheit seines Ich, das ihm dieses Bewusstsein überhaupt möglich macht – selbst wenn es so zurückgedrängt ist, dass es scheinbar gar nicht mehr vorhanden ist. Wenn es aber „niemanden gibt, der wahrnimmt“, wie es im Zen oder ähnlichen Richtungen oft formuliert wird, dann gäbe es gar keine Wahrnehmung, auch kein All-Eins-Erleben, auch niemanden, der es im nachhinein zu beschreiben versucht...

Die „Verfechter“ des All-Eins-Gedanken benötigen also ihr reales Ich für ihr Erleben, leugnen es aber, weil das Erleben auf einer extremen Zurückdrängung des Ich beruht. Scheinbar am Ziel angekommen – beim all-einen-Geist und der Entlarvung des Ich als Hindernis – übersehen sie völlig, dass sie im Grunde nichts anderes als einen teilweisen Rückschritt in die animalische Erlebensstufe realisiert haben. Der Geist des Ich hilft ihnen, das hierbei mögliche All-Erleben bewusst zu haben und auch frei von den tierischen Instinkten, ungetrieben, „in ewiger Ruhe“ wahrnehmen zu können. Dennoch ist es ein Rückschritt, denn die eigentliche Fähigkeit des Ich wird verleugnet, achtlos mit Füßen getreten. Es ist, als ob man das Samenkorn verzehrt, anstatt es in gute Erde zu legen. Denn es ist die Kraft des Ich, die allein weiterführen kann zur wahren Erkenntnis der umfassenden Tiefe und Erhabenheit der geistigen Welten und ihrer Wesenheiten.

Rudolf Steiner hat diesen Weg und diese Welten immer wieder beschrieben. Von daher ist es schlichtweg unverständlich, wenn Gronbach und der Info3-Kreis ihr All-Eins-Erleben als höchste esoterische Stufe oder gar als irgendwie auch nur verwandt mit der Anthroposophie darstellen und offenbar erleben. Dies zeigt wiederum nur, dass ihr Erleben absolut subjektiv und irrtumsbehaftet ist – und dass sie von der wirklichen Anthroposophie noch nie etwas erlebt haben. Richtig ist, dass für höhere Erkenntnis das unverwandelte Ich, das Ego, völlig überwunden werden muss. Aber dann fängt die Arbeit, die Tätigkeit des gereinigten, zu sich selbst erwachten Ich erst an... Das sich selbst missverstehende Ich gibt sein Wesen auf, um das All-Eins-Erleben zu haben, es glaubt ähnlich dem unter Drogen stehenden Geist, die höchste Erleuchtung erlangt zu haben, und ahnt nicht einmal, dass die höheren und immer höheren Stufen darin bestehen, die Vielfalt und unnennbare Differenzierung der geistigen Welten immer mehr zu erfahren – was nur möglich ist, wenn es seine Kräfte immer mehr steigert, statt sie zu verleugnen...

Nachwort – Rückkehr des Ego

Das Ego ist in gewisser Hinsicht eine Illusion, aber dennoch eine Realität, die den Blick auf die wahre Wirklichkeit verdeckt – eine Realität, die verwandelt werden kann, wodurch die Illusionen, die das reale Ego verursacht hatte, aufgehoben werden. Wenn Gronbach aber schreibt: „Erwachen bedeutet zu sehen, dass niemand da ist. [...] Freiheit von Allem - vor allem aber die Freiheit davon, jemand zu sein! Leben ohne Ich-Gefühl.“, so ist das eine wirkliche Illusion! Ein Mensch kann, wenn er Mensch ist, überhaupt nicht ohne Ich-Gefühl leben, und wenn er das glaubt, so macht er sich selbst etwas vor. Er kann es zurückdrängen, ja, aber es ist immer da, außer in Momenten, wo er überhaupt nicht weiß, was er tut, oder schläft.

Wenn Gronbach dann weiter schreibt: „In dem, was ich im nächsten Jahr aufbauen und anbieten will [...] wird es möglich sein, dass Du nach dem Zerbrechen Deiner Person die Freiheit hast, Dich zu einer Person zu rekonstruieren, die Du sein willst.“, dann liegt in diesem „Du“ (die Person, die ich sein will!) genau das Ego verborgen, das durch die Hintertür der erfolgreichen Illusion wieder hineinschlüpft. Ich kann mich freimachen von allen vermeintlichen Zwängen, ich kann endlich machen, was ich will...! Das ist wunderbar, aber nur, weil das Ego gerade dadurch wieder voll zur Geltung kommen darf. Gronbach wird auch weiter in die Kneipe gehen, auf Konzerte, vielfältigen Genuss suchen und sein Recht darauf beanspruchen. Das kann er alles tun, nur sollte er nicht versuchen, das als „fehlendes Ich-Gefühl“ oder gar „aufgegebenes Ego“ zu verkaufen!

Und wenn er schreibt: „Weil ich Anthroposoph bin, setze ich mich für Weisheit und Barmherzigkeit ein.“, kann man nur fragen: Wie sollte dies je möglich sein ohne Ich? Selbst wenn ich mein Wohl nicht höher achte als das des Anderen, brauche ich dazu mein Ich, das sich dem Anderen so sehr verbunden fühlt, dass es sein Wohl genauso liebt wie sein (eigenes) Wohl. Dieses Ich kann Gronbach natürlich nur leugnen, wenn und weil er es nicht kennt. Dann aber ist wahre Barmherzigkeit gar nicht möglich – auch die Gronbachsche Barmherzigkeit ist nichts weiter als die Selbstliebe des Ego, das seine Anwesenheit durch die genossenen Kneipenbesuche und anderes täglich wieder beweist.