12.03.2016

Der Eingeweihte, die Widersacher und die Dynamik des Denkens

Antwort auf: Michael Eggert: Guru Steiner & das Kuckucksheim für Adepten. Egoistenblog, 11.03.2016.


Inhalt
Ein Gegner Steiners oder nicht?
Was ist der Hochmut des Intellekts?
Der Eingeweihte wird lächerlich und ein Denunziant
Eggerts Sicht auf Steiner und Wegman
Selbstkonzept oder Wahrheitserleben
Nachtrag: Eggerts Reaktion


Ein Gegner Steiners oder nicht?

Michael Eggert hat auf meine Kritik, er sei unter die Gegner Steiners gegangen, geantwortet. Er schreibt:

Muss man glauben? Darf man als Anthroposoph das eigene Anthroposophentum hinterfragen? Darf man einem Eingeweihten gar widersprechen, oder Äußerungen von ihm infrage stellen? Offensichtlich nein, denn zumindest im Absolutismus eines Holger Niederhausen rückt man bei solchen Zweifeln automatisch ins Lager der „Gegner“.


An dieser Stelle möchte ich einleitend noch einmal daran erinnern, wie Eggert seine „Fragen“ und „Zweifel“ formuliert hat. Er sprach von bei Steiner „mitschwingenden Konzepten“, mit denen, wenn man sich damit identifiziere, „die innere Korruption schon begonnen“ habe. Er sprach davon, dass Steiner außerhalb des „mitteleuropäischen Deutschsprachigen“ nur noch eine „darin nicht vorgesehene Restmenschheit“ kennen würde, die er „in meist herabwürdigender Art oder offen rassistisch“ in Gruppen einordnen würde.

Ich wies darauf hin, dass man an dieser Beurteilung Steiners erleben könne, wie herabwürdigend und rassistisch (mit dem im Rassismus lebenden Beurteilungs-, ja Aburteilungs-Hochmut) Eggert selbst spricht.

Rudolf Steiner spricht von Tatsachen seiner Geistesforschung – die nicht immer bequem und genehm sein können. Um über diese zu sprechen, müsste man sie in jedem Einzelfall anschauen und sehen, was Steiner aussagt, beschreibt, charakterisiert und erlebbar zu machen versucht, auf welcher Ebene, in welchem Sinne, und was das dann bedeutet und nicht bedeutet. Aber das ist Steiner – Ergebnisse seiner Geistesforschung beschreibend.

Und Eggert? Er hat sein Urteil. Und in seinem Urteil ist Steiner „offen rassistisch“. Dann fragt man sich, warum Eggert sich von einem angeblichen Rassisten nicht vollkommen, eindeutig und gänzlich distanziert. Reicht es für die eigene „spirituelle Hygiene“ (wie er es nennt) aus, die angeblich „mitschwingenden Konzepte“ für sich auszuschalten?

Was ist der Hochmut des Intellekts?

Ich schrieb in meinem Aufsatz, Eggerts eigene Worte aufgreifend:

Grobstichig und herabwürdigend ist es auch, einen Menschen wie Rudolf Steiner immer und immer wieder auf die wenigen Zitate zu reduzieren und festzunageln, die einem nicht behagen – und die man dann dazu missbraucht, sich haushoch über einen Eingeweihten hinauszuschwingen [...].


Eggert schreibt nun:

Mir liegt es trotz des Vulgären in mir fern, mich „haushoch über einen Eingeweihten“ oder sonst wen „hinauszuschwingen“. Die Frage nach dem Eingeweihtentum stellt sich mir trotzdem- aus der Dynamik des Denkens heraus, nicht aus einer eingebildeten Superiorität. Der unerschütterliche Anspruch des Eingeweihtseins- ist man das im Falle eines Falles permanent, rund um die Uhr? Ich stelle mir das in Beziehungen schwierig vor, wenn einer immer und in universeller Weise und unbedingt recht hat. Und auch Herr Niederhausen hat natürlich so weit recht, dass sich Rudolf Steiner in der letzten Zeit seines Lebens diese Rolle, diesen Status selbst zueigen gemacht hat.


Eggert bemerkt gar nicht, was mit diesem „haushoch“ und mit „Superiorität“ eigentlich wirklich gemeint ist. Es geht ja gerade darum, dass der heutige Intellekt in sich bereits hochmütig ist und sich haushoch über alles hinausschwingt, was er meint, beurteilen zu können.

Eggert kann natürlich sehr gut unterscheiden, wann sich jemand zusätzlich noch eine spezielle Superiorität einbildet. Aber das ist gar nicht nötig. Das ganz normale, abstrakt-intellektuelle Urteil in der heutigen Zeit ist bereits reinster Hochmut. Jeder Hinz und Kunz ist von seinem Urteil zutiefst überzeugt. Es sind aber immer die Widersacher, die in diesem Intellekt urteilen. Sie geben diese absolute Selbstgewissheit, diese Überheblichkeit: „Ich habe es erkannt, also ist es so.“  Kälte des Urteils, Stolz und absolute Selbstgewissheit – das sind die Widersacher. Es urteilt gar nicht der Mensch, es urteilt gar nicht das reine Denken, die Wahrheit darf sich überhaupt nicht selbst aussprechen, sondern die Widersacher urteilen. Und so darf dann ein Hinz und ein Kunz oder auch ein Eggert sich über einen Steiner aussprechen.

Eggert spricht davon, dass sich die „Frage nach dem Eingeweihtentum“ nicht aus einer „eingebildeten Superiorität“ heraus stelle, sondern „aus der Dynamik des Denkens“. Mit anderen Worten, er behauptet aus dem Stand heraus, dass sein eigenes Denken so rein und geläutert sei, dass er dieser Dynamik seines Denkens trauen könne. Beziehungsweise er unterschlägt vollkommen, dass das Denken auch eine Dynamik entfalten könnte, die eben gerade nicht zur Wahrheit führt.

Allein schon die Art seiner Fragen: „ist man das im Falle eines Falles (!) permanent, rund um die Uhr?“ Hier wird schon das Eingeweihtsein selbst der Lächerlichkeit preisgegeben. „Im Falle eines Falles“ – so spricht der hochmütige Intellekt, der „nur mal eben eine Hypothese in den Raum stellt“. Für diesen ist alles beliebig, alles diskutierbar, alles herabwürdigbar, und, o nein! er will ja nicht etwa herabwürdigen, er will ja nur darüber „nachdenken“ dürfen, es „hinterfragen“ dürfen und sich seiner herrlichen „Dynamik des Denkens“ überlassen dürfen, die ihn ja selbstverständlich zur Wahrheit führen wird, die dann alle akzeptieren sollten, die ebenfalls auf dem Boden der Wahrheit stehen wollen (dass es ein Herr Niederhausen nicht tut, ist ja klar).

Der Eingeweihte wird lächerlich und ein Denunziant

Und nachdem Eggert schon die Möglichkeit eines Eingeweihtentums lächerlich gemacht hat, setzt er noch eins drauf: „Ich stelle mir das in Beziehungen schwierig vor“. Und was? „Wenn einer immer und in universeller Weise und unbedingt recht hat“.

Eggert arbeitet hier ganz und gar suggestiv. „Freilassend“ suggeriert er etwas, rein subjektiv natürlich (ich stelle mir vor) – und doch maßt er sich einen Wahrheitsanspruch, irgendeinen Aussagewert damit an. In Wirklichkeit vermischt er hier das Vorhergehende mit dem Folgenden, wo er auf Ita Wegman eingeht. Dennoch ist seine verquere Aussage hier im Grunde: Man kann gar nicht „rund um die Uhr“ ein Eingeweihter sein, weil man dann jede Beziehung von innen heraus zerstören und unmöglich machen würde. Ist das irgendein sinnvolles Argument? Nein, es offenbart nur von innen her Eggerts eigene Un-Logik. Er versucht suggestiv (ohne das vielleicht überhaupt zu merken), Stimmungen zu schaffen – und die mitschwingenden (!) Subtexte sollen dann einen Wahrheitsanspruch haben.

Was Eggert nicht im Ansatz berücksichtigt, ist, dass Eingeweihtsein nicht bloß „Wissen und Erkenntnis“ bedeutet, sondern eine Umwandlung der gesamten Seele, die sogar zugleich eine Vorbedingung für das rechtmäßige Eingeweihtentum ist. Man könnte sagen: Vielleicht hat ein Eingeweihter immer Recht, aber vielleicht will er es gar nicht immer. Ein Eingeweihter kann menschliche Beziehungen so gestalten, dass es auf das Rechthaben überhaupt nicht ankommt – oder aber der Andere die Wahrheit ebenfalls erkennen kann.

Davon will Eggert aber nichts wissen, er benutzt sein Argument so starr und zweckgerichtet, dass gerade das Gegenteil herauskommt – und ihm als „Beweis“ dient, dass ein Eingeweihter (wenn es denn so etwas gibt), jedenfalls auch „schwache Momente“ gehabt haben kann. Und die Definitionsmacht darüber liegt natürlich bei Eggert – der Dynamik seines Denkens offenbart sich alles in Wahrheit, unbedingt, zumindest an den Punkten, die ihm wichtig sind. Hochmut. Völliges Überzeugtsein. Die Wahrheit – die Wahrheit über Steiner.

Das meine ich mit „sich haushoch über einen Eingeweihten hinausschwingen“. Der abstrakte Intellekt ist immer vollkommen von sich überzeugt. Er hat im Falle eines Falles immer und in universeller Weise und unbedingt Recht. Eggert zweifelt das bei Steiner an – aber selbst nimmt er es völlig unbewusst für sich in Anspruch. Er merkt es nicht – aber er tut es.

Nachdem er dann festgehalten hat, dass Steiner sein Eingeweihtentum zumindest selbst behauptet habe, setzt er mit dem Gedanken fort, dass Steiner dieses zumindest selbst behauptete Eingeweihtentum dazu benutzt habe, „die bis heute praktizierte karmische Denunziation [zu begründen]“. Mit anderen Worten: Vielleicht nimmt Eggert die Erkenntnisse ernst – das weiß man nicht einmal –, aber er verurteilt es aufs Schärfste, sie zu äußern. Im Grunde stellt er die Offenbarung karmischer Zusammenhänge als „esoterische Schlammschlacht“ hin.

Eggert schreibt: „Dabei attackiert er immerhin den damals amtierenden amerikanischen Präsidenten“. Nach Eggert hätte Steiner also niemals einen Zusammenhang zwischen Woodrow Wilson mit seinen abstrakten „14 Punkten“ und dem ersten Umayyaden-Kalifen Muʿāwiya (Regierungszeit 661-680 n. Chr.) ziehen dürfen. Die Frage ist nur: Ist das für Eggert bloß „nicht politisch korrekt“ – oder ist es eine an den Haaren herbeigezogene Behauptung eines Nicht-Eingeweihten? Oder weiß man leider nur nicht, ob Steiner in diesem Moment Eingeweihter war oder bloß Märchenonkel?

Vieles wird bei Eggert nicht klar, aber die suggestive Ebene ist immer massiv.

Eggerts Sicht auf Steiner und Wegman

Der Rest seines Aufsatzes – immerhin fast zwei Drittel – bezieht sich dann auf Ita Wegman. Und hier erinnert Eggert erst recht völlig an Helmut Zander. Man kann eigentlich kaum noch einen Unterschied entdecken. Wie auch – wenn er mit der Behauptung, Steiner sei „offen rassistisch“ gewesen, in der Formulierung sogar fast noch über Zander hinausgeht?

Suggestiv zieht Eggert hier die Beziehung zwischen Rudolf Steiner und Ita Wegman auf Boulevard-Niveau herab, indem er wie Zander von „romantischen Gefühlen“ und „schwärmerischen Briefen“ spricht und dieses und jenes Zitat so zusammenstellt, dass sich eine Art „esoterische Idylle“ herausbildet – und zugleich das Bild eines übermächtigen „Eingeweihten“, dem die „junge Ärztin“ gleichsam wehrlos gegenübersteht.

Eggert attackiert Steiner hier massivst. Er habe Wegman „gedrängt“, der Michaelschule die Treue zu geloben, und schreibt, Wegman habe „den Kopf in die Schlinge gesteckt“, indem sie „die Zuschreibungen Steiners für sich übernommen“ habe. Zugleich hätten „Die Pharisäer, Verwalter des Wortes“ (der Kreis um Marie Steiner) „Wegmans Ambitionen und Mission [...] nie anerkannt“. Ita Wegman, Marie Steiner und Albert Steffen – den Eggert Steiners „trübsinnigen, aber machtbewussten Insider-Schriftsteller“ nennt – seien eine unmögliche Konstellation gewesen, aber den „Sprengstoff“ habe „Steiner selbst in sie (Wegman) hinein projiziert“.

Mit anderen Worten: Steiner, sein angebliches Eingeweihtentum und seine bloß schwärmerischen Gefühle sind selbst schuld daran, dass nachher alles explodierte. Steiner habe mit seinem selbst behaupteten Eingeweihtentum die „junge Ärztin“ Wegman im Grunde missbraucht und ihre Freiheit mit Füßen getreten. Das ist das Bild, das Eggert entwirft – und es legt sich lastend auf und zieht vergiftend in die Seelen der Leser ein. Genau wie bei Zander. Alle kommen bei Eggert schlecht weg – Wegman, die nicht stark genug war, sich gegen Steiner völlig zu wehren, Marie Steiner als Pharisäerin und Steffen und andere erst recht. Aber der Schlimmste von allen war Steiner – er hat das alles selbst angerichtet.

Auch dieses Weltbild ist in sich geschlossen. Von der Logik des modernen, aber völlig abstrakten Intellekts ist es auch durchaus schlüssig – und das Schlüssige verschließt es dann auch. Die Logik ist erschlagend, die Wahrheit ist offenbar geworden – für eben diesen abstrakten Intellekt. Eggert hat nicht den geringsten Grund mehr, daran zu zweifeln. Denn die „Dynamik seines Denkens“ hat ihn ja genau an diesen Punkt geführt. Vielleicht hat er sogar noch leise Zweifel und benutzt diese Art von Artikeln auch, um in die Welt zu rufen: Habe ich nicht Recht? Muss man es nicht so sehen? Führt einen nicht jegliche Dynamik des Denkens an diesen Punkt? Es ist doch so?

Wie auch immer – Eggert will es ja auch so sehen. Es ist ja tatsächlich die Dynamik seines Denkens, die alle Versatzstücke so zusammenstellt, dass genau dies und nichts anderes dabei herauskommt. Letztlich entsteht das Bild eines „Doktor Steiner“, der mit seinem ganzen „Eingeweihten-Spielen“ ein bisschen zu hoch gepokert hat, wodurch spätestens nach seinem Tod das ganze Kartenhaus zusammenstürzte, weil es zusammenstürzen musste. Der Doktor selbst ist schuld. Nicht alles an der Anthroposophie war schlecht, deswegen können wir mit weiser „spiritueller Hygiene“ doch noch einiges daraus herausziehen – aber eingeweiht, nun, eingeweiht war er nicht. Vielleicht war er es in irgendeiner Weise, aber nicht in jedem Moment, zu jeder Stunde und bei jedem Thema.

Das ist jener Rudolf Steiner, den die Widersacher haben wollen. So wollen sie ihn haben. Dieses Bild soll von ihm in der Welt stehen. Dies soll die Wahrheit sein – zweifelsfrei erkannt von der Dynamik des Denkens, die sich nicht von dem „Eindruck eines Eingeweihten“ beirren lässt, sondern selbst denkt und dann zu unerschütterlichen Wahrheiten kommt.

Es scheint alles so einfach zu sein. Was aber, wenn es doch nur – wie unerkannt auch immer – das wilde Wüten der Widersacher ist, die das menschliche Denken so durchschütteln und zurichten, dass der Mensch denkt, was zwar plausibel und begründet erscheint und dennoch die reinste Unwahrheit ist? Weil eben jenes Viertel, was die volle Wahrheit ergäbe und sie damit auch völlig umwandeln würde, gar nicht anwesend ist, gar nicht zugelassen wird?

Was wäre, wenn die karmische Beziehung zwischen Rudolf Steiner und Ita Wegman eine volle Wahrheit wäre? Wenn Ita Wegman dies ebenfalls voll erkannt hätte und mit voller Aufrichtigkeit der geistigen Welt und der „Michaelschule“ die Treue gelobt hätte? Was wäre, wenn nicht Zwang, Suggestion und Machtmissbrauch gewirkt hätten, sondern die volle, auch karmisch volle Klarheit – und Freiheit? Das ist in den Plänen der Widersacher nicht vorgesehen – diese Möglichkeit wollen sie völlig vernichten. Ein anderes Bild soll in die Seelen träufeln – und dies soll die „Wahrheit“ sein.

Vom abstrakten Intellekt ist die Frage überhaupt niemals zu entscheiden. Die Wahrheit kann nur erlebt werden – und an dieser Frage scheiden sich die Geister. Die einen kommen zu dem Schluss, dass Steiner kein Eingeweihter gewesen sein kann – oder wenn doch, dann ein schlechter –, die anderen kommen zu einem völlig anderen Erleben.

Eggert mag durch die Dynamik seines Denkens zu den Schlüssen kommen, die er als volle Wahrheit ansieht. Ich kann ihn trotzdem nur als Gegner Rudolf Steiners bezeichnen. Und der Leser, jeder andere Mensch, mag sich selbst sein eigenständiges Urteil darüber bilden. Denn es ist schließlich die Aufgabe jeder einzelnen Seele, die Wahrheit zu suchen, fortwährend.

Selbstkonzept oder Wahrheitserleben

Eggert stellt diejenigen Menschen, die nicht sein Bild übernehmen, hin wie Gläubige, „deren Eckdaten, da vom Meister vorgegeben, ja fest stehen“. Und er schreibt:

Das Selbstkonzept, sich im Fahrwasser eines verstorbenen Eingeweihten auch nur die geringste Bedeutung oder Mission zuzuschreiben, sich abzugrenzen gegenüber Zeitgenossen oder in gefühlter Überlegenheit zu sonnen, ist eben das klassische Ego- Konstrukt.


Das ist es nicht. Es geht nicht um Überlegenheit, sondern um die Frage der Wahrheit – immer. Eggert hat seine Wahrheit offenbar gefunden. Ich versuche, erlebbar zu machen, wie das Wahrheitserleben zu anderen Ergebnissen kommen kann. In meiner Auseinandersetzung mit Helmut Zander ist dies zu einem ganzen Buch geworden.

Die Überzeugung, dass Rudolf Steiner ein Eingeweihter war und was dies bedeutet, ist nicht mit einem Mal gefasst und dann klammert man sich mit aller Angst, etwas wieder zu verlieren, daran. Das ist nur Eggerts Bild – und die Suggestion der Widersacher. Bei vielen Dogmatikern mag es auch viel Wahres haben. Es ist aber nicht immer wahr. Es gibt Anthroposophen, bei denen ist dieses Erleben jeden Tag wieder neu errungen – und bestätigt es sich lebendig Tag für Tag, immer wieder neu. Eggert kann zwischen Dogmatik und lebendiger Erkenntnis einfach nicht unterscheiden, weil er in einem ganz anderen Fahrwasser schwimmt, von dem aus beides völlig gleich erscheint.

Das kann auch nicht anders sein. Denn wer Steiner als „offen rassistisch“ erkannt zu haben meint, für den können sämtliche anderen Auffassungen nur noch reinste Dogmatik sein. Und wer bei Steiner in Bezug auf Ita Wegman Machtmissbrauch und Boulevardgefühle erkannt zu haben meint, der kann in ihm keinen wirklichen Eingeweihten mehr sehen.

Das alles ist Eggert frei überlassen. Mein Anliegen war und ist es nur, aufzuzeigen, wie meinem Erleben nach darin die Kräfte der Widersacher freies Spiel haben und wie sie genau wirken. Es nützt gar nichts, dies nur zu behaupten. Es muss von anderen Menschen nachvollzogen werden – im eigenen seelisch-geistigen Erleben. Die Dinge so auszudrücken, dass dies möglich ist, das ist jedes Mal mein Versuch.

Nachtrag: Eggerts Reaktion

Eggert behauptet in seiner Reaktion, meinem Verständnis von Rudolf Steiner läge ein „hysterisch“ aufgefasster Eingeweihtenbegriff zugrunde, der „illusionären Charakter“ hätte. Es handle sich um ein „abstraktes Ideal“ und eine „neurotische Sicht“ auf den „großen Lehrer Steiner“.

Die Wahrheit dagegen sei, dass Steiner „im Wissen um seine finale Erkrankung, mit schon erheblichen Verdauungsproblemen, gleichzeitig in Sorge um den Kern seines Werks alle Hoffnungen in diese Ärztin gesetzt“ habe. Suggestiv fügt er hinzu, das sei „doch verständlich“. Und gönnerhaft ergänzt er: „Dass es ein solches Drama werden würde, war ja nun nicht vorher zu sehen“.

Was tut also Eggert? Er erklärt meine Sicht für einen psychiatrischen Fall, und behauptet, der kranke Steiner habe der jungen Ärztin „das alles aufgebürdet“ und nichts vorhergesehen. Ist Eggert wirklich so unfähig, zur Kenntnis zu nehmen, wieviel Steiner gesehen hat? Das Scheitern der Weihnachtstagung, die Widerstände gegen Ita Wegman, die Konflikte zwischen ihr und Marie Steiner – das alles war schon zu Lebzeiten Steiners offensichtlich.

Auf meine Argumente und Fragen geht Eggert dagegen mit keiner Silbe ein. Für ihn fällt es einfach außer Betracht, dass es zwischen Steiner und Wegman eine reale, tiefe karmische Verbindung gegeben haben könnte, die mit Eggerts Normalverbraucher-Deutungen nicht das Geringste zu tun haben. Für Eggert ist das Boulevard-Niveau aber gerade der Beweis dafür, dass man sich gegenüber Steiner „selbständig“ gemacht hat, was ja zu seiner Lehre gehört habe. Mit anderen Worten: Eggert beansprucht für sich, der wahre Nachfolger von Steiners Lehre zu sein, indem er Steiner zu einem Menschen mit gravierenden Schwächen und blinden Flecken zusammenstutzt.

Es bleibt die Frage, warum Eggert sich von einem offen rassistischen Möchtegern-Eingeweihten, der einer jungen Ärztin eine Katastrophe aufbürdet, nicht völlig distanziert, sondern das schauderhafte Spiel immer weiter treibt. Da ist einem sogar ein Zander, der zumindest fast offen gegen Steiner polemisiert, lieber als jemand, der sich noch immer als „Anthroposoph“ bezeichnet, um die Anthroposophie von innen her zu zersetzen.

„Selbständig, nicht hochmütig“, nennt Eggert das – und geht auch hier mit keinem Wort auf meinen Hinweis ein, dass der heutige Intellekt per se hochmütig ist. Luzifer und Ahriman sind auch „selbständig“, sehr sogar. Aber diese Widersachermächte nimmt Eggert ja ebenfalls nicht ernst. Fragt sich, was von Steiner überhaupt noch übrig bleibt. Das erinnert fatal an den „schlichten Zimmermannssohn aus Nazareth“. Jetzt haben wir den „schlichten Eingeweihten aus Kraljevec“. Wie gut, dass Eggert in die Wahrheit eingeweiht ist bzw. durch sein „dynamisches Denken“ Zugang zu ihr hat. Zander und die Boulevard-Presse hätten es nicht besser gekonnt.

Eggert braucht einfach einen „Eingeweihten-Begriff“, auf den er trotzdem herabblicken kann. Anthroposoph oder selbständig kann man das nicht nennen. Es ist einfach nur der in der Welt übliche Blick auf Steiner. Die Widersacher-Mächte triumphieren und jubilieren. Es ist klar, dass sie alles, was sie abweist, als krank, neurotisch, hysterisch, idealisierend, abstrakt etc. hinstellen wollen.

Die entscheidende Frage bleibt trotz dieses Geisteskampfes: Wer war Rudolf Steiner?

Nur das innerste Wahrheitsempfinden kann hier der Wahrheit immer näher kommen. Ein reines Denken, ein reines Fühlen und ein reines Wollen werden diesem Wahrheitserleben den Weg weisen.

Erst mit dieser Läuterung hört man auf, das eigene Denken mit den eigenen Unreinheiten zu füllen, um dann mit diesem vergifteten Denken einen simplen, fragwürdigen Eingeweihten zu bekommen, dem man nur noch mit mühsamer „spiritueller Hygiene“ überhaupt etwas abgewinnen kann, der aber in Wirklichkeit nur das vergiftete Phantom der eigenen Urteile ist. „Selbständigkeit“ bis zur Gegnerschaft...