12.09.2021

Vom nahenden Herbst

Eine Ankündigung


Die Herbstzeit naht heran, auch wenn noch der goldene Spätsommer in die Herzen strahlt. In die Herzen? In welche Herzen? Sind wir von Natur und Umwelt nicht schon durch Abgründe getrennt? Empfinden wir noch wirklich das Pflänzchen am Straßenrand, das sich zwischen zwei Steinplatten hindurchgezwängt hat und nun sein unerschütterliches Leben behauptet? Oder hasten wir nur daran vorüber, hätten aber auch keine Empfindung, wenn wir Zeit hätten, weil wir von alledem längst abgekapselt sind...?

Und nicht erst recht vom Himmel, vom Kosmos, einer Geistwelt – einem geistdurchdrungenen Kosmos, geistdurchdrungen wie auch die Erde, das Leben, der eigene Leib, alles. Wem ist dies alles nicht nur Schall und Rauch, ja wer hat sich um diese Dinge niemals gekümmert und will auch nichts davon wissen, weil die Ignoranz der Seelen immer mehr anwächst? Der Hochmut eines ,Ich bin mir selbst genug’ und eines ,Nichts-mehr-glauben-Könnens’, das nicht so auf der Hand liegt wie der nächste Strafzettel beim Falschparken?

Könnte es sein, dass wir unser ganzes Leben falsch geparkt haben? Und dass überall die zarten Hinweise darauf warten, die uns dies zeigen könnten – bis hin zu dem Pflänzchen, das das Nebeneinander zweier Steinplatten zu seiner Heimat gemacht hat...?

Michaeli-Zeit ... würde man bei diesem Wort etwas empfinden, so würde man erleben und dadurch wissen können, dass jede Zeit des Jahres einen eigenen Charakter hat, tief eigen, einen Geistcharakter, der zu Geist und Seele sprechen möchte. Der Herbst ist die Zeit der Reife. Der Ernte. Der Frucht. Aber auch des Vergehens. Des Verdorrens. Zeit der Entscheidung. Ist die eigene Seele bereits verdorrt? Hängt sie mit totem Stiel am Baum des Kosmos, von dem sie ja doch nichts wissen will? Was soll sie dann noch dort? Oder ist sie längst abgefallen und segelt haltlos zum Grund ... oder in den Ab-Grund?

Der Herbst ist aber auch eine Zeit des Mutes, des Wägens, der Wahrhaftigkeit, der Geistesstärke – und das alles ist Eine Qualität mit verschiedenen lebendigen, in ihr sich lebendig vereinenden Kräften. Mut ohne Wahrhaftigkeit ist nichts. Wahrhaftigkeit ohne Erkenntniskraft ist wenig. Erkenntniskraft ohne Geisteskraft ist illusionär. Es hängt alles lebendig zusammen und hat zugleich auch eherne Konsequenz und schweigende Strenge. Die Wahrheit ist nicht zu überlisten und lässt sich nicht bestechen. Mangelnder Ernst bleibt eingeschrieben in das Buch des Lebens. Und es liegt an einem selbst, ob der Stiel längst verdorrt...

In gut zwei Wochen wird mein neuer Roman erscheinen, den ich hier und mit diesen Gedanken bereits ankündigen möchte. Auch in ihm wird es um diese Qualitäten gehen. Um Mut. Um Entscheidung. Um Erkenntnis. Um Wahrhaftigkeit. Auch um die Unsicherheit eines Auf-sich-allein-gestellt-Seins und darin das Richtige finden zu müssen.

Vieles wird sich in diesem Roman untrennbar zu einem gemeinsamen Fluss vereinen. Es wird um Sexismus gehen – einen noch immer vielfach alltäglichen Sexismus, wenn nicht hier, dann oft nebenan. Um Feminismus, der aber, wie alles, Zusammenhalt braucht, auch wenn der Zeitgeist auf seiner Seite steht – denn die Kräfte des Alten können das Neue oft noch lange überwuchern, ja sogar verhindern. Es wird auch um Erkenntnis gehen: Was ist wahr ... und warum eigentlich? Was in einem erkennt dies?

Es wird um Corona gehen. Stellen sich hier Erkenntnis- und Wahrhaftigkeitsfragen doch so eklatant und schmerzlich wie selten einmal – allerdings auch hier nur dann, wenn man die Fragen an sich heranlässt und nicht bereits durch Scheuklappen, Angst und massenhafte Fremdmeinungen gegen jedes eigene Fragen ,immunisiert’ ist. Corona und die damit verbundenen Fragen zerreißen die Gesellschaft – was nur möglich ist, weil längst Einsamkeit und Rechthaberei statt Zusammenhang, Wahrhaftigkeit, weises Wägen, Toleranz oder gar Liebe regieren.

Es wird um die Anthroposophie und Rudolf Steiner gehen – und auch hier braucht es heute oft bereits Mut, sich zu einer geistigen Weltanschauung zu bekennen, die so umfassend ist wie diese, denn war Steiner nicht ,der mit dem Rassismus...’? Trittbrettfahrer und Nachplapperer gibt es viele, Wahrheitssucher und echte Seelen mit eigenem Denken, Fühlen, Willen, derer sind Wenige. Was aber wäre eigenes Denken, eigenes Fühlen, eigener Wille?

Es wird um Beuys gehen – Joseph Beuys, einer dieser unbeirrbar Eigenen. Einer, dem jetzt auch alles Mögliche vorgeworfen wird – billig, nachdem er sich nicht mehr wehren kann. Jeder kann jetzt sein eigenes Süppchen kochen. Aber was ist die Essenz von Beuys? Die Essenz, die sich wie ein leuchtender Lebensfaden durch alles hindurchzieht, was er geschaffen, versucht, verkündet, gelebt hat? Was ist die Essenz – haben wir überhaupt noch Begriffe, lebendige Empfindungen für dies? Und was wäre der innere Ort für diese heilige Erkenntnis?

Und es wird, natürlich, um ein Mädchen gehen. Ein Mädchen, das, wie alle Mädchen meiner Romane, seinen ureigenen Weg geht – mit einer geradezu tief anmutigen Mischung aus Unsicherheit und überwältigender Sicherheit. Woher kommt diese? Aus der Unschuld? Aus der Naivität? Aber sind dies nicht auch wieder von außen angelegte Begriffe, die nichts erfassen – oder alles falsch deuten? Was ist die Wahrheit? Und wieder ... wie erkennt man sie? Und was ist, wenn man sich, ganz unerwartet, in dieses Mädchen verliebt... Warum – warum gerade sie? Ein Mädchen, das allem widerspricht, wofür man selbst jemals gelebt und gekämpft hat ... als Feministin?

Und hier schließt sich der Kreis. Denn dies alles, dieses Ganze, verwebt sich zu einer einzigen packenden Handlung: Die Feministin, der Sexismus, die Anthroposophie, der Rassismus, Beuys, Corona und ... ein Mädchen, das alles durcheinanderbringt ... oder in sanfte Klarheit zu hüllen beginnt?