Wie die Maus in große Verlegenheit kam

aus: Hans Baumann: Das Kind und die Tiere. Bertelsmann, 1956.


Weithin wurde vernehmlich, wie vieles dem Kind im Stall fehle, auch daß der Wirt nebenan nur sorge, ob man sein Stroh nicht verderbe. Da faßte die Tiere Eifer. Allesamt wollten sie herbeitragen, was in ihrem Umkreis erreichbar an Nützlichem sei.

Den Räuberischen, die wendiger als die übrigen sind, kam es zuerst. Kurzerhand brach der Wolf in die nächstbeste Hürde. Aber kaum waren die Zähne im Fell eines Schafes, kamen ihm Zweifel. Was nie vorher gewesen - heute störte seine Blicke das Blut, und er begnügte sich mit dem Fetzen und dachte: Wolle ist auch zu was gut, ein Nacktes ist froh darum.

Ähnlich erging es dem Fuchs. Er kam mit drei Federn. Die Gans wunderte sich, nach mehreren Tagen noch machte sie ein Lamento um ihre drei Federn.

Beim Sperber geschah es wie sonst. Sein Stoß war soviel schneller als seine Gedanken. Doch flog er nicht in den Stall; er legte die Taube davor.

Einfacher war es bei denen, die sammeln. Der Hamster kam unbeschwerten Herzens und feist, in den Backentaschen fast doppelt soviel als hineingeht. Er packte umständlich aus. Beim Eichhörnchen jauchzte das Kind, nicht nur der Bucheckern wegen, ­der Schwanz war so lustig: wie ein zweites, das hinter dem andern her ist. Und der Nußhäher hatte den Kern, den er brachte, so geknackt, daß die Hälfte der Schale noch dran war. Ihm mißfiel, wie der Hamster es machte. Der meinte: „Was heißt hier vornehm - Hauptsache viel!“

So war es mehr oder weniger allen geglückt. Jeder hatte zur Linderung der Not was vermocht. Nur der Mäusin ging es daneben; dabei war von ihr alles gebracht, was sie hatte: ein Korn. Sie legte die Gabe zur Linken der stattlichen Hügel des Hamsters.

Da merkte sie erst, daß es sich nicht mehr aufschieben ließe mit ihr. Äußerst bestürzt suchte sie etwas Weiches - zu Hause war das Nest mit Sorgfalt bereitet. Aber sie fand in der Eile nichts Rechtes. Die Wolle roch nach dem Wolf und lag auch zu nahe beim Kind. In ihrer größten Bedrängnis sah die Maus, daß eine von den drei Kronen in den Schatten gerollt war. Beim Vortreten war der Hamster daran gestoßen. Das Rote im Innern war wie geschaffen: warm und voll Falten. Da machte sie sich darin mausig.

Niemand hatte von alledem was bemerkt, vor lauter Ängsten stöhnte die Mäusin unhörbar. Aber dann kam alles auf. Die Jungen, noch blind, wußten ja nicht, wo sie waren, und ließen sich hören. Ihrem Hunger konnte die Mäusin, die mager war, nicht genügen, Und nur um die winzigen Mäulchen zu stopfen, kam ihr in den Sinn, aus dem Korn Bröckchen zu machen, gut vorgekaut; vielleicht, daß ihr auf diese Weise gelänge, sie zu stillen. Zitternd bemühte sie sich um das Korn. Doch Bedenken, vielerlei, machten sie ungeschickt, und dem Hamster, der auf alles ein Auge warf, was er nicht gebracht, fiel es gleich auf. Erst tat er, als sähe er es nicht. Aber sie war noch nicht einen Schritt damit fort, da sagte er mit dem tiefsten ihm möglichen Ton: „Hab' einer Worte! Da bringt sie ein lumpiges Korn, legt es vorn hin, wo es am meisten ins Aug fällt, schämt sich nicht und nimmt's wieder weg. Aber zum Glück haben andere ja auch was gebracht.“ Auffällig musterte der Hamster das viele vor sich, blickte dann in die Runde, auf daß die übrigen Tiere in seine Verachtung einstimmen sollten,

Aber das Eichhörnchen sagte: „Man kennt doch die Maus! Hinten und vorn hat sie nichts und ist doch gekommen.“

Und als sich der Hamster gar nicht beruhigen konnte, nahm ihn Maria überraschend am Ohr und ließ in das rote Innere der Krone den Eifernden einen Blick tun.