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Schüchternes Leuchten

Holger Niederhausen: Schüchternes Leuchten. Roman. Books on Demand, 2024. Paperback, 268 Seiten, 15,90 Euro. ISBN 978-3-7597-7949-6. 

► Wichtiger Hinweis: Wer meinen würde, ich schriebe nur 'Mädchen-Bücher', der irrte essenziell - diese Mädchen sind Botinnen des immer verschütteteren Wesens der menschlichen Seele überhaupt.

Erschienen am 29. September 2024.              > Bestellen: Books on Demand | Amazon <              > Reaktionen und Rezensionen <

Inhalt


Der 23-jährige Christian verliebt sich beim Sport scheu in ein 14-jähriges Mädchen, wagt aber nicht wirklich, sie anzusprechen, und eine Begegnung scheitert. Seine einzige Vertrauensperson ist seine sehr selbstständige Oma Mareike. Dann ergreift ein zutiefst unschuldiges, von seinen Eltern völlig vernachlässigtes Mädchen sein Herz – die erst elfjährige Tara. Doch die Urteile der Umwelt lassen nicht lange auf sich warten...

Über dieses Buch


Dieser Roman entführt die Leser:innen tief in das heilige Mysterium der Unschuld – und zugleich die unfassbare Einseitigkeit heutiger Urteile.

Der scheue 23-jährige Christian, der sich nach einem letztlich ungeliebten Studium noch in einer Ausbildung zum Krankenpfleger befindet, lebt noch bei seinen Eltern, wobei er Begegnungen mit dem dominanten Vater möglichst aus dem Weg geht. Seine tiefe Vertrauensperson dagegen ist seine sehr selbstständige Oma Mareike. Innerlich aufleben tut er nur bei ihr und im Sport, Orientierungslauf, wofür er teilweise täglich trainiert.

Selbst seiner Oma jedoch wagt er nicht anzuvertrauen, dass er seit langem unsterblich in ein 14-jähriges Mädchen verliebt ist, das er immer nur bei Wettkämpfen sieht. Als seine elfjährige Vereinskameradin Katrin dies bemerkt, versucht sie mit ihrer Freundin, ihm zu helfen. Tiefe Gespräche mit seiner Oma führen schließlich doch dazu, dass er sich ihr offenbart – worauf sie ihm Mut macht, das Mädchen zumindest anzusprechen. Als dieses sich bei ihm für eine Hilfestellung bedankt, gesteht er ihr seine Liebe – sie kann damit aber nicht umgehen und weist ihn ab.

Nun aber begegnet ihm die elfjährige Tara, ein von ihren Eltern völlig vernachlässigtes Mädchen, dessen sich seine Oma bereits seit einiger Zeit etwas angenommen hatte. Tara ist so scheu, dass sie noch nicht einmal richtig lesen kann. Gleichzeitig ist ihr Wesen von einer so aufrichtigen Unschuld, dass Christian sich tief in sie verliebt, bevor er es überhaupt merkt. Voller Hingabe beginnt er, mit ihr Lesen zu üben, und ihr auch auf andere Weisen zu helfen zu versuchen.

Als sein Vater von dieser Liebe erfährt, ist er fassungslos – eine ,Grundschülerin’! Christian ist gegenüber dessen Sarkasmen nahezu wehrlos. Als er sich dennoch zu wehren versucht, kommt es fast zum ,Rauswurf’. Parallel dazu trifft sein Trainer Christian und Tara im Wald zufällig in einer sehr innigen Situation an, die ganz dazu zu passen scheint, dass er, wie er mittlerweile ebenfalls erfahren hat, bereits jene andere ,Minderjährige’ ,angesprochen’ und auf diese Weise ,belästigt’ hatte – und er teilt ihm kurzerhand per Telefon mit, dass er gar nicht mehr aufzutauchen brauche.

Christian ist gegenüber diesen Entwicklungen hilflos und wehrlos, aber seine Liebe zu Tara ist ihm wichtiger als alles andere, wie er seiner Oma gesteht. Diese konfrontiert daraufhin ihren Sohn, seinen Vater, mit dessen fortwährender Dominanz und Lieblosigkeit – und nimmt ihren Enkel dann mit zum nächsten Trainingstag seines Vereins, wo sie auch Christians Vereinsmitglieder mit der Schnelligkeit und Unwahrhaftigkeit ihrer Urteile konfrontiert.

Währenddessen wird die Beziehung zwischen Christian und Tara immer inniger, denn er ist, neben seiner Oma, der Einzige, dem das Mädchen wirklich etwas bedeutet...

Dieser Roman macht tief erlebbar, wie unmenschlich und von purer Angst geprägt, ja vergewaltigend all jene Urteile sind, die in unfassbarer Pauschalität alle Begegnungen zwischen einem (in diesem Fall jungen) Mann und einem Mädchen verurteilen. Gleichzeitig lässt er in ungeheurer Tiefe das Mysterium der Unschuld erleben – in der Seele eines Mädchens wie auch der eines Mannes.

Es ist das wahre Mysterium der Zukunft. Doch unsere Welt ist radikal dabei, es für immer zu verlieren...

Siehe auch meinen Aufsatz ,Offenbarung einer unendlichen Zärtlichkeit’, der weiter in das Geheimnis dieses Romanes hineinführt.
Zu Kritik am Cover siehe meinen Aufsatz ,Die Cover-Prüfung. Eine Antwort auf Urteile zu bestimmten Covern meiner Bücher’.

Leseprobe 1


„Sie kriegt wahrscheinlich sehr bald mehr als genug Anfragen. Ich weiß nicht mal, ob sie nicht vielleicht schon einen Freund hat.“
„Das kann sie dir ja sagen. Aber wenn nicht – –“
„Ja?“
„Also ich wäre als Mädchen beeindruckt gewesen, wenn mich ein junger Mann gefragt hätte...“
„Aber sie ist ja außerdem nie allein...“
„Sie wird doch wohl mal kurz allein sein?“
„Aber dann kann ich doch nicht einfach –“
„Warum denn nicht? Wenn du sie ansprechen willst, wirst du einen günstigen Moment finden müssen. Egal welchen...“
„Und wenn sie mich ablehnt?“
„Du kannst versuchen, herauszufinden, ob sie es endgültig meint ... oder ob sie nur Angst hat ... oder warum sie es sonst tut...“

„Und wenn ich aber eben doch nicht ihr ,Typ’ bin?“
„Dann fragst du sie liebevoll, wie ihr Typ ist – und was du haben müsstest, um ihr Typ zu sein...“
„Und wenn sie sich schämt? Weil ich so alt bin...?“
„Dann sagst du ihr, du schämst dich auch, weil sie so jung ist ... und trotzdem kannst du nicht anders, als sie zu lieben...“
„Und wenn die Anderen – – also, weiß nicht, ihre Freundinnen, ihr Trainer – –“
„Wichtig ist, was sie sagt, Christian...“
„Aber wenn sie sich gleich beeinflussen lässt...“
„Dann bittest du sie, das nicht zu tun.“
„Aber wenn – –“
Er verstummte hilflos.
„Christian“, sagte seine Oma warm. „Irgendeinen Eindruck wirst du doch bei ihr hinterlassen... Vertrau doch darauf, dass dieser auch weiterwirken wird. Sie wird deine Worte haben, und sie wird sich dazu doch äußern müssen, egal, was andere sagen. Und wenn sie dann wieder mit einer Antwort auf dich zukommt, entsteht die nächste Situation, miteinander zu sprechen... Dabei kann doch so viel entstehen. Hauptsache, ihr sprecht erst einmal miteinander... Ohne Begegnung kann sich doch gar nichts ereignen!“

Er atmete tief aus, hilflos.
„Ja ... aber das klingt immer so einfach.“
„Nein, aber es geht doch auch nicht anders...“
„Und wenn dann alle auf sie einstürmen? ,Was wollte der von dir? Was wollte der denn?’ Und so weiter? Wenn ich plötzlich der Verrückte bin, der ein vierzehnjähriges Mädchen anspricht?“
„Das muss sie entscheiden... Wenn sie sich verrückt machen lässt, musst du gucken, ob du noch eine Chance hast ... ihr das wieder auszureden oder nicht. Ich meine: Sie sieht doch, dass du nicht verrückt bist... Das ist doch offensichtlich...“
„Aber wenn die Anderen mich verurteilen?“
„Dann musst du dazu stehen. Meines Wissens ist es nicht verboten, sich in ein vierzehnjähriges Mädchen zu verlieben. Ich wüsste nicht, mit welchem Recht man dich verurteilen sollte...“

„Na ja, wegen ,Missbrauch’ und so?“
„Was für ein Missbrauch? Das soll man mal schön dem Mädchen überlassen...“
„Aber der Trainer wird doch sofort die Eltern informieren...“
„Soll er doch. Trotzdem muss doch das Mädchen entscheiden, ob es dich mag – oder nicht?“
„Ja...“
„Also wovor hast du denn Angst? Entweder, die Eltern reden es dem Mädchen aus – dann redest du es ihr wieder ein. Oder sie verbieten es ihr. Dann sollen sie mal sehen, wie weit sie damit kommen... Es hängt doch alles von ihr ab, Christian! Von niemandem sonst...“
„Ich hab eben solche Angst, dass am Ende die ganze Welt mich verurteilt ... sie eingeschlossen...“
„Theoretisch ist das möglich... Und dann? Dann warst du der einzige Aufrichtige in einem Haufen voller Verlogenheit. Dann hast du dir nichts vorzuwerfen. Rein gar nichts...“

...

Leseprobe 2


„Wir fahren eine ganze Weile, Tara...“, sagte er warm, als sie schon eine Viertelstunde gefahren waren.
„Ja...“
Sie nahm auch das hin, weich wie Schnee...
Sie berührte ihn so, und es tat ihm so leid, dass er so wenig zu sagen wusste!
„Stört es dich gar nicht, wenn ich so wenig rede?“, fragte er mitfühlend.
Sie blickte verwundert an ihm hoch, mit dieser weichen, verletzlichen Art, bei der ihm am Ende diese Märchenaugen entgegensahen, die so tief schienen wie ein Meer.
„Aber du redest doch gar nicht wenig...“
Sie blickte wieder auf den Rücken des Sitzes vor ihr.
Ich rede doch wenig...“
Ein heißes Etwas stieg in seine Kehle.
„Du redest nicht wenig, Tara...“
Sie senkte den Kopf etwas.
„Hörst du?“, fragte er innig, weich. „Du redest nicht wenig...“
Sie nickte, ohne ihn anzusehen.

Ein paar Momente später wischte sie sich das linke Auge, und er war erschüttert.
Er sagte nichts, um sie nicht zu beschämen, aber seine eigenen Augen wurden nass, ohne dass er etwas tun konnte. Sie saßen nebeneinander, und er hatte noch nie ein Mädchen so geliebt... Nie...

Er musste daran denken, was sie gesagt hatte. Er habe in seinen Händen etwas... Als sie im Treppenhaus standen. Sie hatte nicht gesagt, was. Sie hatte sich nicht getraut, aber sie hatte so unendlich viel Mut... Es war offensichtlich, und es war diese scheue Art, es aufrichtig zu sagen, ohne es zu sagen, die ihn nicht nur erschütterte, sondern die er grenzenlos bewunderte. Alles an ihr war so aufrichtig wie ihre Augen – und wie konnte es anders sein...

„Gefällt dir eigentlich ,Ronja Räubertochter’...?“
„Ich finde schön, dass wir es lesen...“
„Gefällt dir die Geschichte?“
Sie waren über die zweite Seite noch nicht hinausgekommen.
Sie zögerte.
„Die Geschichte...?“
„Ja, Tara“, sagte er weich. „Gefällt dir die Geschichte? Ich glaube ... sie gefällt dir nicht?“
„Doch...“
Er wusste, dass sie in diesem Moment nur eines wollte: ihn nicht zu enttäuschen. Ihm ,keinen Ärger machen’...
„Tara...“, sagte er zärtlich, und es tat ihm so leid, dass sie sich zu schämen schien, den Wunsch zu haben schien, unsichtbar zu werden, „wir können auch etwas anderes lesen...“
„Ich weiß es ja nicht...“, sagte sie hilflos.

Und er wusste, was sie meinte: Sie wusste ja nicht, was ihr stattdessen mehr ,gefallen’ würde. Sie schämte sich nur zutiefst, überhaupt etwas zu empfinden, was nicht durchweg positiv war, obwohl er es mit ihr und ihr zuliebe doch tat...

„Tara...“, sagte er weich, er hätte sie am liebsten in zarte Daunenfedern gehüllt, damit sie einmal in ihrem Leben das Gefühl haben könnte, dass sie nichts, aber auch gar nichts falsch machen konnte; dass sie geliebt wurde, bedingungslos, aber vielleicht würde sie das nie ganz verstehen... „Du musst es nicht wissen... Es ist nicht wichtig. Wir können auch verschiedene Geschichten ausprobieren, bis dir eine gefällt. Das macht mir nichts aus, im Gegenteil, ich tue es gern! Ich möchte, dass wir eine Geschichte finden, die dir gefällt... Welchen Sinn hätte es denn sonst? Sie muss dir gefallen...“

Sie schwieg hilflos, und er spürte, dass sie sich noch immer unter Druck fühlte. Sie hatte nie gelernt, dass sie wichtig sein könnte...
„Sie muss dir gefallen, Tara...“, sagte er leise. „Und wir hören nicht eher auf, zu suchen, bis wir sie finden...“
„Mir gefällt alles, was wir machen...“, machte sie einen weiteren schüchternen Versuch, ihn zu stoppen.
„Aber Tara... Mach dir keine Sorgen... Weißt du, ich will auch hören, was du empfindest... Sag mir einfach, was dir an der Geschichte nicht gefällt. Und dann suchen wir eine neue, ich suche eine neue und finde sie auch! Ich will dich besser kennenlernen, Tara. Was gefällt dir an ihr alles nicht? Sag es einfach... Erzähl einfach...“
Sie schwieg hingebungsvoll. Aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie jetzt endlich träumend überlegte, um seine zärtliche Aufforderung zu befolgen.

„Ich weiß nicht...“, sagte sie dann schuldbewusst. „Mir gefallen die Räuber trotzdem nicht... Oder ... wie sie reden... Oder wie das geschrieben ist... Es ist auch kompliziert...“
„Okay, Tara...“, sagte er weich. „Ja, du hast Recht. Sie reden komisch, es ist eine spezielle Art... Die Geschichte entfaltet sich noch. Aber es dauert... Und es ist nicht deine Art, nein, es ist überhaupt nicht deine Art... Astrid Lindgren ist zwar eine tolle Schriftstellerin, aber das ist nicht deine Geschichte, Tara... Ich hätte das schon viel früher bemerken müssen...“
Sie sah ihn fast bestürzt an und schüttelte mit dem Kopf. Und dies ergriff ihn so, dieses ,Nein, hättest du nicht, du hast alles richtig gemacht’, dass er einige Momente völlig unfähig war zu sprechen ... und längst blickte sie schon wieder auf den Vordersitz.

Leise sagte er schließlich:
„Du wirst immer denken, dass ich nichts tun müsse, Tara... Ich weiß... Aber ... aber du wirst dich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass auch du etwas in den Händen hältst...“
Der Rest der Fahrt verlief so schweigend wie ein heiliger Winterwald, den nur leise Flocken ganz mit Unschuld bedeckten...

...