23.05.2011

Deutungsmacht und Erkenntnisgrenzen. Helmut Zander – Psychogramm eines Historikers

Gedanken zu: Sternstunde Philosophie: Mysterium Anthroposophie. Der Historiker Helmut Zander im Gespräch mit Norbert Bischofberger. Schweizer Fernsehen, 15.2.2009 (57min). [o]

Der Aufsatz-Titel ist angelehnt an Zanders Aufsatz „Autorität und Erlösung. Rudolf Steiner – einige Bausteine zu einem Psychogramm“. NZZ, 26.2.2011. [o]


Inhalt
Auf den zweiten Blick
Sympathische Vernichtung
Die dunkle Rolle eigener Überzeugungen
Der Kontext – Gewohnheit und Intention
Warum fragten Menschen Steiner um Rat?
Eine Art Hassliebe
Trickreiches Ausweichen vor der entscheidenden Frage
Reinkarnation – nichts für Zander
Zanders Körper
Fazit


Auf den zweiten Blick

Im Februar 2009 gab es im Schweizer Fernsehen eine Sendung mit Helmut Zander: „Mysterium Anthroposophie“. In dieser Sendung gibt es einige aufschlussreiche Selbstoffenbarungen Zanders. Diese zeigen in letztlich erschütternder Weise, wie geschickt er einerseits gegen die Anthroposophie vorgeht und wie naiv seine eigenen spirituellen – genauer gesagt: theologischen – Standpunkte sind.

Zunächst möchte ich das grundlegende Erleben schildern: Auf der einen Seite ist Zander ein sympathischer Mensch. Wenn man von dem Inhalt dessen, was er sagt, absieht, scheint er wirklich ein umgänglicher, sympathischer Mensch zu sein. Das hatte auch schon Achim Hellmich nach der Podiumsdiskussion in Berlin-Kreuzberg im Dezember 2007 festgestellt:

„Wer nun geglaubt hatte, in Helmut Zander einen wilden Streiter gegen die Anthroposophie zu erleben, war überrascht. Zander hat eine sympathische Ausstrahlung, er argumentiert abgewogen, hört hellwach zu, geht auf sein Gegenüber in sachlicher Argumentation ein, wirkt geistig beweglich und ist an der Anthroposophie, so scheint es zumindest, vorurteilslos interessiert.“

Aber dieser Eindruck täuscht. Und das ist eben die andere Seite. In seinem Buch „Anthroposophie in Deutschland“ macht er aus dieser anderen Seite kein Hehl. Dort kann er seine gesamten akademischen Sprachspiele auffahren, um mit Hilfe angeblicher Kontextualisierungen bis hin zu krassen Entstellungen, jedenfalls auf scheinbar ganz sachliche, emotionslose Weise Rudolf Steiner und die Anthroposophie völlig zu vernichten, indiskutabel zu machen. Er tut dies nicht auf die dumpfe Art radikaler Anthroposophie-Gegner, obwohl er diese nicht selten als Quellen zitiert, sondern auf die kühle, aber um so effektivere Art des „Wissenschaftlers“.

Im Gespräch ist das etwas anders. Hier ist es erstaunlich, wie er es versteht, eine genau abgestimmte Mischung aus scheinbarem Lob, vorsichtiger Argumentation, letztlich aber knallharter (wenn auch eben so weit wie irgend möglich weich verpackter) Entwertung aller wesentlichen Elemente der Geisteswissenschaft „an den Mann zu bringen“.

Und das ist wirklich der Eindruck, den man hat, wenn man darauf achtet: Zander weiß, was er sagt. Zander weiß, wie er es sagen muss. Er spricht scheinbar sehr spontan, aber er weiß sehr, sehr genau die Worte zu setzen und seine giftigen Pfeile auf das Zentrum zu richten. Er weiß auch ganz genau, welche Gegenstandpunkte es zu seiner Anschauung gibt. Und so sieht man vor sich einen wirklich ungeheuer seiner Worte und Sätze bewussten Menschen, der auch ebenso genau weiß, was er „anrichtet“, das heißt, was seine Worte für eine Wirkung haben – was der Gegenüber nach seinen Worten denken muss und was er nicht mehr denken kann, weil Zander diesen Gedanken den Boden weggezogen hat.

Zander weiß sehr genau, dass es andere Standpunkte als den seinen gibt, und doch verkauft er den seinen so überzeugend – im Grunde so suggestiv – wie möglich. Natürlich immer in den Grenzen der Diskurs-Wissenschaft, gemäßigt, scheinbar abgewogen, scheinbar objektiv begründet. Aber gerade dadurch entsteht der Eindruck, das, was Zander schildert, sei der objektive, der wissenschaftliche Standpunkt. Und wie soll es auch anders sein? Er gilt als der Experte. Er hat sich 15 Jahre lang mit der „Materie“ (im doppelten Wortsinn!) beschäftigt. Er ist als Experte eingeladen, und man erwartet eine fachliche Autorität.

Sympathische Vernichtung

Der Grundwiderspruch also ist, dass er scheinbar ziemlich (bis sehr) positiv gegenüber der Anthroposophie eingestellt ist. Er kann wiederholt betonen, wie ungeheuer weitgehend Steiners Anspruch auf übersinnliche Erkenntnis war. Aber nur, um an einem gewissen Punkt ganz klar zu machen, dass dieser Anspruch nicht verwirklicht wurde; zumindest aber (ganz abgesehen von allen „Plagiaten“) vor dem Forum der modernen Wissenschaft nicht bestehen kann. Zander kann die „Praxisfelder“ sehr loben. Aber nur, um an einem gewissen Punkt sehr klar zu machen, dass es da auch Zweifelhaftes gibt (z.B. „hoch-autoritäre“ Elemente in der Waldorfschule).

Worauf das hinausläuft, wird klar, als Zander am Ende der Sendung gefragt wird, wo die Impulse der Anthroposophie für die moderne Gesellschaft, für heute, lägen. Da antwortet er: Die Schulen, in ihrer Dimension des Künstlerisch-Handwerklichen. Bei dem „autoritären Moment“ müsse man „nacharbeiten“, aber im Grunde hätten sie einen „spannenden Ansatz“. Und noch spannender finde er die Medizin, den Versuch, Universitäts- und Alternativmedizin zu verbinden. Auch da gebe es „eine Menge Unfälle“, etwa die Therapie mit giftigem Blei (wenn auch homöopathisch!), aber das Konzept sei „toll“.

Das also ist Zanders Essenz der Anthroposophie, das, was bleiben darf. Im Grunde eine Anthroposophie ohne Geist – denn es ist eben keine Anthroposophie mehr. Es sind nur noch die Praxisfelder, und auch hier nur noch die „Konzepte“, also das, was Zander ohnehin schon als „übernommen“ nachgewiesen zu haben glaubt. Man könnte auch sagen: Reformpädagogik und ganzheitliche Medizin. Was ist daran noch anthroposophisch? Nichts mehr. Und genau darum geht es Zander.

Es gibt eigentlich – wenn man Zander bis zum Ende gefolgt ist und seine Gedanken „übernommen“ hat – keinen eigenen Beitrag Rudolf Steiners, der noch in die Zukunft führen würde. Auch im Interview „Rudolf Steiner: Universalgenie? – Universal-Dilettant?“, das er im März dieses Jahres bei swissinfo.ch gab, sagte er:

„Auch für die Schulmedizin ist es zeitgemäß, nicht nur auf einzelne Dimensionen, einzelne Krankheitsbilder des Menschen zu schauen, sondern den ganzen Menschen ins Auge zu fassen, wie Steiner das in der anthroposophischen Medizin aufzeigt.“

Die ganze Art seines Vorgehens habe ich diesbezüglich in meinem Aufsatz „Zanders Entmachtung der Wissenschaft“ betrachtet. Eine Grundaussage (es gibt mehrere) ist im Grunde: „In manchem war Steiner seiner Zeit durchaus voraus, aber heute wissen wir das alles – und machen es (ohne ihn) noch besser.“

Wenn man dies einmal durchschaut hat, lohnt es eigentlich nicht, ihm dies immer wieder nachzuweisen. Dennoch ist es wichtig, zu erkennen, dass dies bei Zander eben der durchgehende Zug ist. In diese Richtung, mit dieser Intention, arbeitet er Seite auf Seite in seinen Büchern, spricht er Satz um Satz in seinen Interviews.

Die dunkle Rolle eigener Überzeugungen

Und dann gibt es noch den Zander, der selbst Überzeugungen hat. Dieser ist eigentlich der entscheidende, denn Zanders Vorgehen muss ja irgendwo seinen Ursprung haben. Dies entspricht jedenfalls ganz der Logik, mit der er an Steiner herangeht. Zander sucht diese Ursprünge vor allem im Äußerlichen. Steiners ganzheitlicher medizinischer Ansatz (der heute der Zukunftsimpuls der Anthroposophie sein soll!) stamme eigentlich aus der Naturheilbewegung, von wo Steiner ihn für sein Denken übernommen habe, und so weiter. Wenn Zander im „Inneren“ sucht, so findet er bei Steiner angebliches Machtstreben und Geltungsansprüche. Natürlich passt das zusammen – wenn Zander außen angebliche Quellen entdeckt, die Steiner aber nicht nennt, dann muss er, nach Zanders Logik, geklaut und über die Plagiate geschwiegen haben. Alles sehr logisch – nur leider absolut nicht stimmig, weil Zander nie auch nur den Versuch macht, Steiner wirklich von innen zu verstehen. Dann nämlich müsste er ihn ernst nehmen!

Wenn Zander bisweilen davon spricht, der kritische Historiker prüfe auch die Aussagen eines Menschen, dann meint er – im Ergebnis – letztlich also nur dies: Von einem Ernstnehmen der Selbstaussagen kann nicht die Rede sein. Sobald die Kontextualisierung hergestellt ist und die äußeren Quellen „nachgewiesen“ sind, erweisen sich die Selbstaussagen als Lügen und Vertuschungen. So einfach ist die Welt eines Herrn Zander – und er preist diese Welt als das mühselige Geschäft des Historikers.

In der Sendung „Mysterium Anthroposophie“ wird dieses Problem auch angesprochen – aber Zander zieht sich wie gewohnt souverän aus der Affäre. Er weiß, dass er mit seinem eigenen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit eigentlich nicht angreifbar ist. Und so kann er durchaus „zugeben“, dass es auch „Irrtumsmöglichkeiten“ oder „Deutungsfehler“ geben könnte – auch bei ihm –, nur um aber sofort im Anschluss hinzuzufügen, dass er sehr bewusst darauf achte, so objektiv wie möglich zu arbeiten. Ein vorbildlicher Wissenschaftler eben!

Zander sagt, er verleugne nie, Theologe zu sein, aber als Wissenschaftler trenne er Arbeit und eigene Position. Und das bedeute auch, dass man darüber nachdenke, „wo man vielleicht seine eigene Engführung, seinen eigenen Tunnelblick“ habe, davon sei er natürlich auch nicht frei, aber man müsse eben darüber nachdenken, wie man wissenschaftliche Außenperspektive und die eigene Biografie „in ein faires Verhältnis zueinander“ bekomme.

Nun, wenn das Nachdenken darüber reicht! Natürlich glaubt jeder, in der Selbsterkenntnis so weit zu sein, wie es eben zumindest hinreichend ist – erst recht als Wissenschaftler. Aber Zweifel daran sind berechtigt. Denn das Wesen der Selbsttäuschung besteht ja darin, dass man die Täuschung gar nicht bemerkt... Dass Zander die Möglichkeit eines „Tunnelblicks“ zumindest rhetorisch nicht ausschließt, ist schon bemerkenswert. Wie nah er dieser Möglichkeit als einer Realität ist, weiß er damit natürlich noch lange nicht.

In meinem Aufsatz „Das Ende von Zanders Biografie“ habe ich anhand der Aussagen von Zanders „Steiner-Biografie“ gezeigt, wie eng die Frage, ob man der Wahrheit überhaupt ansatzweise nahe kommen kann, mit den eigenen Denkvoraussetzungen verknüpft ist. Das betrifft ganz besonders die Frage, inwieweit man übersinnliche Erkenntnis überhaupt für möglich hält – und im speziellen bei Steiner als reale Möglichkeit zumindest ins Auge fasst. Zander betont immer wieder, diese Frage interessiere ihn als Wissenschaftler gar nicht. Aber damit begibt er sich schon auf den Weg des Irrtums, denn sein gesamtes Werk ist der Beweis dafür, wie relevant diese Frage ist – bzw. gewesen wäre.

Der Kontext – Gewohnheit und Intention

In der Schweizer Sendung wird Zander gleich zu Beginn gefragt, wo seine Faszination für die Anthroposophie ihre Grenze finde. Daraufhin verweist er auf den zentralen Anspruch der Anthroposophie, die „Erwartung“, dass es einen „Einblick“ in höhere Welten, dass es übersinnliche Erkenntnis gebe. Und dann sagt er: „Das ist in der Tat für mich weit weg.“

Man muss kein Wissenschaftler sein, um sofort einsehen zu können, dass eine solche Grundeinstellung dazu führen muss, bei allen Schilderungen übersinnlicher Tatsachen sofort an andere Quellen – als eben: übersinnliche Erkenntnis – zu denken. Dass Zander überall solche Quellen zu finden meint, liegt einerseits an seinem radikalen Tunnelblick der Kontextualisierung, und andererseits und nicht minder an seiner Grundeinstellung: „für mich weit weg“.

Schon die „Kontextualisierung“ ist im Grunde etwas Ähnliches wie die Betriebsblindheit eines Vertreters – oder man kann auch moderner sagen: eines hochbezahlten Managers der „Finanzindustrie“. Je mehr „innovative Finanzinstrumente“ ich an den Mann bringe, desto höher sind die Boni am Ende des Jahres. Je mehr Kontexte ich „finde“, desto fundierter ist meine Analyse, desto anerkannter bin ich als Wissenschaftler. Am Ende fehlt jegliche Unterscheidungsfähigkeit. Dieses „Ende“ findet sich in Zanders Werk überall – in entstellten Zitaten, wo man sich fragt: Hat er denn den unmittelbar vorangehenden Satz nicht gelesen? Und man fragt sich dann wirklich: Ist das bewusster Betrug, böswillige Täuschung, oder ist es eine ungeheuerliche, eigentlich nicht mehr wirklich fassbare Betriebsblindheit?

Wahrscheinlich ist es ein Gemisch aus beidem, wobei der Betrug nicht bewusst sein muss, sondern auch hier vor allem ein Selbstbetrug sein kann. Dieser aber hat damit zu tun, dass es nicht nur um die „wissenschaftliche“ Methode der Kontextualisierung geht, sondern auch um die Grundeinstellung – selbst wenn Zander dies abstreitet. Die Grundeinstellung ist unbewusst immer mit anwesend. Und daraus ergibt sich eine Intention. Nämlich die Intention, diese Grundeinstellung zu bestätigen – durch alle Fakten, die einem begegnen. Das ist ein rein psychologischer Mechanismus. Niemand, der nicht eine Geistesschulung durchgemacht hat, will in seinen Grundannahmen erschüttert werden. Und so deutet er alles in ihrem Sinne, selbst wenn er behauptet, diese Grundannahmen seien für sein „wissenschaftliches“ Vorgehen unwesentlich. Die „Brille“ ist vorprogrammiert, und um so eiserner dadurch, dass man sie leugnet!

Es ist eben bei weitem nicht genug, darüber „nachzudenken“, ob man „wissenschaftliche Außenperspektive“ und die eigenen Grundannahmen („Biografie“) schon „in ein faires Verhältnis“ gebracht habe. Es gibt Ebenen der Selbstwahrnehmung und Urteilsfähigkeit, von denen ein Wissenschaftler wie Zander nicht die geringste Ahnung hat. Er wird diese Ahnung auch nie haben, denn übersinnliche Erkenntnis – und auch eine vertiefte, meditative Selbstanschauung würde bereits dazu gehören – interessiert ihn ja nicht.

Warum fragten Menschen Steiner um Rat?

Betrachten wir einmal, was er auf die Frage sagt, wie es komme, dass Steiner damals schon so vieles gesehen habe (und all diese Praxisfelder entwickeln konnte). Darauf antwortet er unmittelbar, dass ein Mensch allein das alles gar nicht selbst „erfinden“ könne. Es sei vielmehr so gelaufen, dass immer wieder Menschen zu Steiner kamen und ihn um Rat fragten. Er habe dann auf diese „Angebote reagiert“ (!), „sehr viel aus dem zeitgenössischen Umfeld herangezogen“ – also Homöopathie, Reformpädagogik usw. – und dann über das Ganze sozusagen wie eine „Haube“ oder wie ein „Tuch“ die „anthroposophische Weltanschauung“ gelegt.

Hier sieht man unmittelbar, wie Zander vorgeht und wie seine Grundannahme jeden einzelnen Satz prägt. Die erste Behauptung gibt schon das Programm: Ein Mensch allein konnte das nicht „erfinden“! Der Mittelteil ist dann wahr (was die Sache „überzeugender“ macht): Menschen haben Steiner um Rat gefragt. Und dann kommt die Lüge mit dem „Tuch“: Anthroposophie sei nur der weltanschauliche Überbau für das, was Steiner sich aus dem Umfeld zusammengeklaut hat! Zander ist erstaunlich blind für einen ganz simplen Grundwiderspruch: Warum – gesetzt den Fall, er hätte sich nur bei Reformpädagogik und Homöopathie bedient –, warum um alles in der Welt haben Menschen ihn überhaupt um Rat gefragt? Sie hätten doch gleich zu den Reformpädagogen und Homöopathen gehen können!

Um diesen Grundwiderspruch kommt Zander nicht herum. Er sieht ihn wahrscheinlich nicht einmal. Und so deutet er ihn, ohne ihn zu sehen, von vornherein anders. Steiner hat ja sehr wohl auf die zeitgenössischen Reformpädagogen verwiesen, aber er hat sie kritisiert! Es geschehe da zwar durchaus viel Gutes, aber es sei alles viel zu abstrakt und damit letztlich nicht fruchtbar und zukunftsweisend. Anstatt sich nun als wahrhafter Wissenschaftler zu fragen, was denn nun wirklich den „Mehrwert“ (ein Lieblingswort Zanders) an der Anthroposophie ausmacht, warum denn die Waldorfpädagogik ausdrücklich keine Reformpädagogik sein wollte – anstatt dieses Problem als Frage zu erleben, ist für Zander im Gegenteil bereits ausgemacht, dass es eben doch – bis auf den „Überbau“ – nirgendwo über die Reformpädagogik hinausgeht. Und wenn Steiner diese kritisiere, wolle er eben nichts anderes, als seine Spuren zu verwischen bzw. seinen Vereinnahmungs-Anspruch geltend zu machen. Zander würde wahrscheinlich sogar noch sagen: „Wahrscheinlich hat Steiner selbst daran geglaubt, dass sein weltanschaulicher Überbau diesen „Mehrwert“ biete...“.

Zander hat also diesen ersten Grundwiderspruch nicht gelöst: Warum überhaupt Menschen ihn um Rat fragten – ernsthafte, in der Praxis stehende Menschen, die jede Täuschung, etwa eine bloß „weltanschaulich aufgekochte Reformpädagogik“ sofort bemerkt hätten. Diese Menschen erlebten, dass es sich nicht um einen Überbau handelte, sondern um eine grunderschütternde Revolution in der „Sicht“ auf die Welt, die eben darin bestand, dass durch diese Welt-Anschauung (nicht als Vorstellung, sondern als Realität gemeint) der Mensch und die Welt erstmals wieder in eine reale Verbindung kommen konnten. Es handelt sich um eine Erkenntnisfrage, ein Erkenntnisproblem, eine Erkenntnisart.

Zander hätte sicher auch dafür abstrakte Begriffe und Kontexte parat, nur ist hier eben der Punkt erreicht, wo er absolut nicht mehr imstande ist, innerlich tätig mitzugehen. Dies wiederum würde er dann als autoritären Arkanbereich verteufeln – und sich so selbst immunisieren gegen jede Erweiterung der Erkenntnisgrenzen. Wissenschaftlich mauert er sich ein in den abstrakten Verstand, den er als höchste Stufe des menschlichen Geistes definiert. Wenn das kein geistiger Rassismus ist!

Mit allen Mitteln jedenfalls – mit allen Mitteln der diskursiven Suggestion – entwertet er die Erkenntnisleistung Steiners. Und das wiederum ist individueller Rassismus. Er sieht Steiners geistige Leistung mit Sicherheit wirklich nicht, aber sich derart vorbehaltlos über einen anderen Menschen zu erheben und zu meinen, man könnte ihn beurteilen, obwohl man die Unfähigkeit dazu fortwährend beweist, erfüllt doch wirklich den Tatbestand der Diskriminierung.

Eine Art Hassliebe

Auf die Frage des Gesprächspartners, wie eigentlich „Einsichten in geistige Welten“ und Philosophie (konkret: Steiners Promotion „Wahrheit und Wissenschaft“) zusammengehen, antwortet Zander: Bei der „Philosophie“ müsse man ganz genau hinsehen. Steiner sei zwar leidenschaftlicher Philosoph mit dem ganz zentralen Anspruch, die Grenzen der Erkenntnis zu überwinden – aber: er habe Philosophie nie studiert, sei sozusagen Privatgelehrter, und die Bewertung seiner Promotion laute dann (folgerichtig) auch auf „rite“, also gerade noch bestanden. Und dann kommt noch das geschickte Lob hinterher: Aber er sei jemand, der den philosophischen Anspruch des reflexiven Durcharbeitens eigentlich immer bewahrt habe.

Mit anderen Worten: Für den Wissenschaftler Zander ist der „Beweis“ für den wissenschaftlichen Rang Steiners die Note seines Doktorvaters! So stellt er es jedenfalls für die Zuhörer hin. Dass auch der Doktorvater möglicherweise nicht imstande gewesen sein könnte, den grundlegenden Ansatz Steiners zu erfassen – und ihn stattdessen nach und mit herkömmlichen Gedankenformen beurteilt hat –, scheint für Zander ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Steiner ist für ihn ein philosophischer Dilettant. Die Eigentümlichkeit seiner Vorstellungen weise nicht auf etwas wirklich Besonderes und Neues hin, sondern höchstens auf Absonderliches. Vermutlich sieht Zander dann Entsprechungen zu Steiners „Geltungsdrang“ und war es für ihn auch folgerichtig, dass Steiner später bei einer für ihn so „passenden“ Bewegung wie der theosophischen seine „neue Heimat“ fand...

Nun – wissenschaftlich gesehen muss man sagen, dass es psychologisch notwendig ist, die Gedankenwelt eines Menschen letztlich abstrus zu finden – jedenfalls aber von oben herab meinen, beurteilen zu können –, den man nicht versteht. Zander ist dafür nur das prominenteste Beispiel. Die heutigen Wissenschaftler sind von dieser Krankheit des Hochmuts ohnehin am meisten angefressen, es ist sozusagen eine „Berufskrankheit“, ein Erbe des noch älteren katholisch-kirchlichen Hochmutes der Deutungshoheit.

Wenn wir nachher Zanders eigene Auffassungen, Grundüberzeugungen, betrachten, werden wir sehen, wie diese dazu angetan sind, das Verständnis für Rudolf Steiner nicht etwa zu fördern, sondern die innere Distanz – und zwar genauer: Antipathie – nur noch zu vergrößern.

Das ist kein Widerspruch zu der Tatsache, dass Zander sich 15 Jahre lang durchaus fasziniert mit der „Thematik“ beschäftigt hat. Was auf anderen Gebieten „Hassliebe“ genannt wird, existiert auch in der Wissenschaft. Die Sympathie gründet dann in dem Drang, das ganz andere, Unverstandene, zu widerlegen. Wenn man sogar von Anfang an überzeugt ist, es innerlich bereits widerlegt zu haben, kann man um so mehr seine ganze Konzentration, Mühe und Verstandeskraft darauf verwenden, nun auch die einzelnen Beweise, Hinweise, Möglichkeiten und eventuellen Möglichkeiten für eine solche Widerlegung bis in immer vereinzeltere Aspekte hinein zusammenzutragen. Zanders Lebensthema: Die Anthroposophie. Sein Lebenswerk: Sie zu widerlegen. Seine Methode: Kontextualisierung, Suche nach äußeren Quellen und inneren niederen Motiven.

Trickreiches Ausweichen vor der entscheidenden Frage

Interessant, wie er auf einen kritischen Brief des Goetheanum antwortet, der in der Sendung vorgelesen wird. Darin heißt es, Zander versuche auf allen 1.800 Seiten seines Werkes Steiner „als Sammler und Nachbuchstabierer von Überkommenem zu entlarven“, und wende dazu Mittel an, „die ihn von der Wissenschaft entfernen“.

Mühelos gelingt es ihm in der Antwort, die erwähnten „Mittel“ aus dem Spiel zu lassen und stattdessen die Schere zwischen dem Anspruch der Anthroposophie auf Wissenschaftlichkeit und der heutigen Wissenschaft aufzumachen, nur um damit die Frage für beantwortet zu erklären. Mit anderen Worten: Zander gibt den Vorwurf ans Goetheanum zurück und weist darauf hin, dass die Anthroposophie mit dem heutigen Wissenschaftsbetrieb nichts gemeinsam hat, wodurch man es leider nicht vermeiden könne, sich von dem Wissenschaftsbegriff der Anthroposophie zu entfernen. Das Problem ist nur: Das Goetheanum hatte den üblichen Wissenschaftsbegriff gemeint, den auch Zander akzeptiert! Von diesem entferne er sich mit den von ihm angewandten Mitteln.

Zander ist ein Begriffskünstler. Der entscheidenden Frage weicht er aus, indem er sie umlenkt. Chapeau! Wir verfolgen weiterhin gespannt, wie lange er sich noch in der wissenschaftlichen Zunft halten können wird, bevor seine Mittel definitiv ruchbar werden...

Verfolgen wir noch einmal, wie Zander es genau macht – man kann daran viel lernen, wenn es einem darauf ankommt, Menschen zu beeinflussen, die eigenen Intentionen suggestiv durchzusetzen. Zunächst hält er lang und breit fest, dass die Vorwürfe des Goetheanum noch die sanftere Variante seien. Man hätte ihn auch schon Faschist, Neonazi usw. genannt! Nachdem auf diese Weise klar ist, dass natürlich auch die „sanftere Variante“ offenbar völliger Unsinn ist, kann er wieder den aufgeklärten Wissenschaftler geben, der die Dinge richtig stellt. Er weist nun also darauf hin, dass der zentrale Punkt der Vorwurf sei, sein Werk sei nicht wissenschaftlich; das aber sei ein spannender Punkt. Die Anthroposophie verstehe sich selbst als Wissenschaft und treffe auf eine universitäre Wissenschaft, die „einen schlicht anderen Wissenschaftsbegriff“ habe. Er analysiere den kulturellen Kontext und versuche, Steiner aus seiner Zeit heraus zu verstehen.

Inzwischen hat man natürlich schon das eigentliche Problem vergessen, nämlich dass Zander sich bei diesem „Ziel“ ganz unlauterer und damit unwissenschaftlicher Methoden bedient. Und so kann er nun sogar einen weiteren frontalen Gegenangriff auf die Anthroposophen starten: Denn – man höre und staune – die Anthroposophen könnten ja schließlich auch sagen: „Wow, der Zander, der lässt uns unser Proprium, unser Eigenstes, denn das, was es an Spiritualität gibt, das ist nicht Thema dieser Arbeit.“ Aber die Anthroposophie wolle nun einmal unbedingt ihren Wissenschaftsanspruch behalten, und da sei es ganz schwierig, zu vermitteln, dass Steiners Anspruch – etwa: „Reinkarnation, vom Standpunkt der Naturwissenschaft aus notwendige Vorstellung“ – von der universitären Wissenschaft unendlich weit entfernt sei.

Die Anthroposophen sollen also nicht nur zur Kenntnis nehmen, dass die „echte Wissenschaft“ unendlich weit entfernt von ihren Vorstellungen sei, sondern sie sollen sogar dankbar sein, dass Zander ihnen den spirituellen Steiner lasse – denn der sei ja nicht Thema der Arbeit. Der geneigte Leser reibt sich ungläubig die Augen: Der wissenschaftliche Steiner wird geleugnet, der spirituelle Steiner soll aber wenigstens noch da sein? Und was ist mit den ganzen Kontextualisierungen – nach dem Motto: Anthroposophie ist eigentlich Theosophie? Die übersinnlichen Erkenntnisse Steiners seien von anderen Theosophen übernommene und fantasievoll umgestrickte, detailverliebte Schilderungen? Und was mit dem Vorwurf, selbst seine zentrale Christologie sei „eine vielfach anlaßgebundene spekulative Weltanschauung“? Die Auseinandersetzung um den Weltenlehrer Krihnamurti sei gar keine notwendige Bruchstelle, sondern eher eine „Sollbruchstelle“ gewesen, an der es im Kern um Machtkämpfe ging?

Was bleibt da noch von dem spirituellen – nicht einmal wissenschaftlichen – Steiner? Richtig: Ein armseliger, kleiner Betrüger mit einem großen Geltungsdrang, eben genau das, was Zander in ihm (zumindest doch ganz wesentlich) sieht. Also sogar noch weniger als die (ebenfalls geklaute) Reformpädagogik und ganzheitliche medizinische Betrachtung bei den Praxisfeldern. Und dafür sollen die Anthroposophen Zander auch noch dankbar sein! Perfider kann man den eigenen Deutungsanspruch nicht exekutieren. „Dank, großer Meister, dass Du uns zumindest noch einen kleinen Betrüger gelassen hast...“

So stellt Zander sich das vor, so inszeniert er es. Auch wenn ihm nicht zur Gänze bewusst sein mag, was er tut. Auch wenn er glaubt, er selbst hätte doch noch immer Achtung vor Steiners „forum internum“. Das mag sein. Er mag Steiner auch eine ureigene Christuserfahrung zugestehen. Aber was sich darumherum lagert, ist verachtenswert genug. Nein, Herr Zander, ihren Steiner wollen wir nicht – nicht mal geschenkt. Sie werden schon noch einsehen müssen, dass sie den wahren Rudolf Steiner eliminiert haben – und dass ihre Mittel, dies zu bewerkstelligen, nicht wissenschaftlich waren. Selbst wenn es noch eine Generation dauern sollte. Man wird ihnen ihre Mittel nachweisen, auch von wissenschaftlicher Seite! Und dafür werden nicht erst anerkannte akademische Esoterikforscher kommen müssen (die es übrigens schon gibt!), das werden schon vernünftigere, wahrheitsliebendere Historiker vermögen!

Reinkarnation – nichts für Zander

Kommen wir nun aber endlich zu Zanders eigenen Überzeugungen, jenen für seine „Wissenschaft“ neuralgischen Punkten. Punkten, die ihm ganz unwesentlich erscheinen, weil er ja vermeint, er habe das „faire Verhältnis“ zwischen Wissenschaft und Überzeugungen im Blick und gut im Griff, denn es reiche ja, ab und zu gegebenenfalls noch einmal darüber „nachzudenken“, um den „Tunnelblick“ mit absoluter Sicherheit zu vermeiden.

Zanders Gesprächspartner weist auf die Vereinbarkeit von Karma und Freiheit hin. Das gibt Zander die Gelegenheit, sein Unverständnis bezüglich des Reinkarnationsbegriffes kundzutun: Die Frage sei doch, was bei ungezählten Inkarnationen eigentlich noch als spezifisch Individuelles in einem Menschen übrigbleibe. Und wo das hinführe. Steiner würde wahrscheinlich sagen, zu einem Eingehen in das göttlich-geistige „Übergreifende“.

Nun, Zanders mit Antipathie gepaartes Unverständnis (die Frage ist nur: was davon ist Ursache, was ist Folge? Auch ein „karmisches“ Problem...) zeigt eines sehr deutlich: Entweder hat Zander sich mit diesem Begriff nicht sehr lange beschäftigt – trotz seiner Doktorarbeit über dieses Thema! –, oder aber sein Denkvermögen reicht nicht aus, um zu erfassen, was an Individuellem „übrigbleibt“, wenn das Ich (!) sich reinkarniert. Genausogut könnte man die Frage stellen: Was bleibt an spezifisch Individuellem eigentlich noch übrig, wenn sich das Ich Tag für Tag reinkarniert? Das ist im Grunde nichts anderes! Wenn Zander aber überzeugt ist, dass er auch an diesem Morgen noch so individuell war wie am gestrigen, sollte er nicht solche Probleme mit dieser Frage haben. Aber vielleicht ist er ja nicht überzeugt...? Manche Menschen sollen sich ja wirklich in der Jugend individueller gefühlt haben... Aber das ist ein anderes Problem, das mit den anti-individuellen Tendenzen unserer normativen Gesellschaft zusammenhängt.

Normativ ist aber auch das Denkverbot, dass in Zanders Kopf offenbar existiert. Würde er die Idee der Reinkarnation nicht von vornherein als „unchristlich“ etikettieren, könnte er sich durchaus erfolgreich bemühen, das Individualitäts-Problem zu lösen. Das größte Hindernis ist vielleicht, dass man sich an seine früheren Inkarnationen üblicherweise nicht erinnert. Somit scheint all das, was man in früheren Leben erlebt und errungen hat, für das heutige Bewusstsein verloren. Aber bedeutet das, dass man dadurch weniger individuell ist? Bedeutet das, dass man heute eine ganz andere Individualität ist als in der vorherigen Inkarnation? Nein, keins von beidem. Man ist heute so individuell, wie man heute ist. Und – man war auch in der vorherigen Inkarnation ebendiese Individualität, nur dass man sich in jenem vorherigen Leben wiederum vieles errungen hat, was erst in diesem Leben zum Tragen kommt.

Dann stört Zander noch, dass die Entwicklung ja auch irgendwo hinführt – in langen Zeiten wieder in die geistige Heimat des Menschen. Hier aber erweist es sich nun vollends als ganz rätselhaft, warum Zander als Theologie hier keine substantiellen Begriffe formen kann. Kann er sich nicht vorstellen, dass das Reich Gottes etwas ist, was Platz hat für den individuellen Menschen? Wie stellt Zander sich denn das „Eingehen in das Göttlich-Geistige“ vor? Und welche Vorstellung hat er selbst vom „Ende der Zeiten“? Etwa ein individuelles Stehen vor dem Thron Gottes, dieser aber mit weißem Bart, der Mensch im wesentlichen mit seiner heutigen materiellen Gestalt?

Das führt zu der Frage nach Zanders Auferstehungsbegriff, und Zander kommt darauf zu sprechen, als sein Gesprächspartner die Vermutung äußert, ihm werde offenbar etwas unwohl, wenn er Steiners Position darstelle. Er gibt dies halb zu und spricht hier sogar von einem schwierigen Verhältnis zwischen der eigenen Biografie und einer wissenschaftlichen Position. Und nochmals gibt er zu, dass es berechtigt sein könnte, sich zu fragen: Sehe ich Steiner eigentlich richtig? Muss ich das noch mal neu lesen? Habe ich vielleicht doch noch eine theologische Brille auf? Auch wenn er dies wiederum vor allem rhetorisch meint – erstaunlich genug ist es. Und er scheint wirklich zu wissen, dass man zumindest hier unterschiedliche Positionen haben kann. Dass seine Position spätestens hier weder einen wissenschaftlichen, noch einen Alleinvertretungsanspruch haben kann.

Zanders Körper

Und Zander sagt, er fürchte, dass mit der Reinkarnation die Freiheit (bzw. die Individualität) schwer zu sichern sei. Was ihn aber viel mehr „bedrücke“, sei, dass der Körper, unsere „soziale Dimension“, dieses Leben, „weggehe“. Der Körper werde immer wieder ausgetauscht und die eigene körperliche Existenz habe nur einen nachgeordneten, „transitorischen Wert“.

Hier wird deutlich, welche Bedeutung der katholische Theologe dem Körper beimisst – und auch welchen Körperbegriff er hat. Es ist der naive Begriff des Fleisches, das am Ende der Zeiten aus den Gräbern aufersteht. Genauso stellen sich auch die Zeugen Jehovas das erneuerte Paradies nach dem Jüngsten Gericht vor. Die Frage ist nur: Welche Gestalt hat man dann? Die, die man hatte, als man 30 Jahre alt war? 40? In den Broschüren der Zeugen Jehovas sind es jedenfalls immer blühende Gestalten in den besten Jahren. Und welche Gestalt hat man, wenn man als Kind gestorben ist? Ist man dann auch „im Himmel“ ein Kind?

Hier schließen sich also jede Menge Fragen an, die Zander sich persönlich vermutlich nie gestellt und noch weniger beantwortet hat. Mir ist vollkommen klar, dass das Neue Testament von der Auferstehung des Fleisches (griech. sarx) spricht. Dennoch hat Zander keinen Geistbegriff von diesem „Fleisch“. Die Eingeweihten wussten, dass es ein „Auferstehen“ im Übersinnlichen gibt, dass man in einer geistigen Leiblichkeit existieren kann, die nicht mit der physischen Materie verbunden ist. Diejenigen, die aber eingeweiht waren und den Auferstandenen sahen, den auferstandenen Christus, die wussten, dass hier mehr war. Sie schauten eine Leiblichkeit, die bis in den physischen Leib hinein auferstanden war. Christus hatte den physischen Leib gerettet! Er konnte wieder bestehen, ohne materiell zu sein, also wie vor der Vertreibung aus dem Paradies! Nun aber durchchristet...

Für Zander mögen das alles „böhmische Dörfer“, um nicht zu sagen „theosophische“, natürlich anthroposophische, Spekulationen sein. Mit allen „Begriffen“, die er hierzu findet, würde er nur dokumentieren, dass er nicht erfassen kann, was gemeint ist. Hier wird wirklich von dem gesprochen, was Paulus verkündete. Und die Perspektive ist dasjenige, was Christus selbst verkündete: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“ – Im Hohepriesterlichen Gebet spricht der Christus zwar von einer Zeit, wo „die Welt“ noch existiert, aber warum sollten seine Worte nicht zugleich auch eine ungeheuer weite Perspektive eröffnen? Warum ist für Zander das „Einssein in Gott“ eine solche Schreckensvorstellung, in der er vermeint, die Individualität zu verlieren?

Die Antwort kann immer wieder nur sein: Zander haftet an seinem Körper, identifiziert sich ganz weitgehend mit diesem. Als ob dieser zur Individualität gehören würde! – Bei dieser naiven Vorstellung eröffnen sich tatsächlich weitreichende theologische Fragen. Was ist mit behinderten Menschen? Mit „geistig“ behinderten Menschen? Mit verkrüppelten Menschen? Und nochmals: Was ist mit sterbenden Babys? Wenn von dieser Leiblichkeit jeweils nichts verloren gehen soll, weil dann ja die Individualität gefährdet sei – welchen Individualitätsbegriff hat Zander dann?

Fazit

Die Essenz unserer Erkenntnisse ist also, dass Zander keinen wirklichen Individualitätsbegriff hat, außer einen naiv-psychologisch-materialistischen; dass er keinen wirklichen Auferstehungsbegriff hat, außer einen naiv-dogmatisch-materialistischen; dass er vor diesem Hintergrund weder einen Begriff der Reinkarnation, noch einen solchen vom Reich Gottes bilden kann – und dass er dennoch glaubt, Steiner verstehen zu können, ihm aber nur die Möglichkeit (und das Ziel) bleibt, dies „aus dessen Zeit heraus“ zu tun, also mit Hilfe von Kontexten, die es wieder leichter machen, weil er da ganz auf seinen abstrakten Verstand vertrauen kann, der ihm die benötigten Kontexte schon liefert – selbst wenn das ganze ins Nichts führt und nur aufrechtzuerhalten ist, wenn man Steiner bis in die Zitate hinein wüst entstellt...

Psychogramm eines Historikers – man müsste noch das Wort „tragisch“ hinzufügen.