29.01.2017

Millionen gewöhnlicher US-amerikanischer Morde

Vom Staatsterrorismus der sogenannten „freien Welt“.


Inhalt
Einige Gedanken vorab
Vietnam (1964-1973)
Das Massaker von My Lai – und ungezählte andere
Der noch geheimere Kriege: Laos
Die CIA und Südamerikas Diktaturen
Die ewige Doppelmoral
Afghanistan – Russenfalle und Terroristen-Schmiede (1979-1989)
Afghanistan und Irak – Völkerrechtsbrüche und millionenfaches Trauma
Propaganda und Medien
„Rendition flights“ – Folter im Auftrag der USA
Das Folter-Memorandum
Guantánamo und Abu Ghraib
Dirty Wars – Geheime Mordaufträge weltweit
Krieg gebiert Krieg


Einige Gedanken vorab

Zeichnet sich eine Demokratie dadurch aus, dass Menschen ihre Meinung frei äußern dürfen? Dass sie ein Rechtsstaat ist? Wie weit reicht das? Was ist, wenn dennoch Wahrheit unterdrückt wird? Was ist, wenn das Unrecht vielleicht dennoch im Innern lebt? Was ist, wenn das Unrecht in die Welt hinausgetragen wird? Wie brüchig ist „Demokratie“? Und wie brüchig ist das moralische Empfinden an sich? Wie brüchig ist das, was wir Mensch nennen...?

Michael Eggert („Egoisten“-Blog) veröffentlichte im Oktober 2016 den Aufsatz „Ein ganz gewöhnlicher russischer Mord“ über den Tod von Sergej Magnitski in russischer Haft. Ich habe hier darüber berichtet und weitere Hintergründe gegeben, die die Einseitigkeiten von Eggerts Beiträgen aufzeigen sollten. In diesem Aufsatz möchte ich nun den Blick auf die Realität westlicher Schuld und Brutalität lenken.

Ich tue dies nicht aus einer „pro-russischen“ oder „anti-amerikanischen“ Perspektive, wie überhaupt diese Schlagworte fast immer nur dazu dienen, Standpunkte zu diffamieren. Eggert mag auf „die russische Gefahr“ hinweisen – sein Standpunkt bleibt einseitig. Es ist das Vorrecht freier Bürger und jeder linker Bewegung, Unrecht überall zu benennen, aber insbesondere auch das Unrecht der eigenen Staaten. ,Insbesondere’, weil es diese Staaten sind, die Werte wie Freiheit und Menschenwürde beanspruchen. Es ist die Würde eines linken Standpunktes, nicht auf dem eigenen Auge blind zu sein – Wahrheitsliebe statt Patriotismus. Dieser linke Standpunkt liebt die Freiheit, aber er liebt auch die Wahrheit – und deswegen sieht er klar, wo die eigene Regierung die eigenen Werte nicht ernst nimmt, wo sie unwahrhaftig wird ... und schließlich auch, wo sie vollkommen gegen diese Werte handelt.

Der Linke ist nicht „anti-amerikanisch“ und „pro-russisch“, er ist für die Freiheit, für die Wahrheit, er ist gegen die Unfreiheit, gegen die Lüge. Er setzt voraus, dass in einem freien Land die Freiheit größer ist als die Unfreiheit – und misst auch mit diesem Maßstab. Er ist nicht blind für das Unrecht in den weniger freien Ländern, aber er misst die eigenen Regierungen mit dem höchsten Maßstab – der zugleich jener ist, den diese sich selbst beilegen. Wenn dies „pro-russisch“ sein soll und der „russischen Propaganda“ entgegenkommt – dann sei es so in den Augen derer, die nur schwarz-weiß und konfrontativ denken können. Die freie Welt muss es ertragen können, dass ihre wahrhaftigsten Kritiker in ihrer Mitte leben. Die freie Welt hat sie aus sich hervorgeboren – damit dasjenige immer wahrer wird, was ihr eigenes Ideal ist: Freiheit und Wahrhaftigkeit, Frieden und Menschlichkeit.

Vietnam (1964-1973)

Ich beginne mit Vietnam – und schon hier sollte die eigene Seelenwahrnehmung anfangen: Reagiert das Innere so, dass die Empfindung aufsteigt ,Was für ein alter Hut!’ Was bedeutet eine solche Reaktion für die eigene Seelenverfassung? Ja, es mag sein, dass sich seitdem in der Welt viel geändert hat. Aber vielleicht auch nicht. Wir schauen jetzt nicht auf die Gegenwart, wir schauen auf die jüngste Vergangenheit. Was sind für das menschliche Bewusstsein wenige Jahrzehnte? Es sind die 60er und 70er Jahre, von denen wir hier sprechen!

,Ja, aber die Amerikaner haben daraus gelernt. Doch im Osten, da wächst eine autoritäre, irrationale Gefahr heran. Der Fall Magitski, der Machtmensch Putin, der Ideologe Dugin...’ Immer, immer wird der Blick nach außen gerichtet, auf die Anderen. Alle Eigene, die eigene Vergangenheit, die jüngste eigene Vergangenheit ist weit weg. Wir wollen unseren Blick aber gerade auf diese jüngste Vergangenheit der eigenen, sogenannten „freien Welt“ richten. Es kann nur unsere Wahrhaftigkeit schulen – und unser wirkliches moralisches Empfinden. Man muss sich dann aber auch berührbar machen, wirklich berührbar...

In Vietnam verübten amerikanische Soldaten schlimmste Kriegsverbrechen – aber es war egal. Sie hatten in gewisser Weise den offiziellen Befehl dazu. Es gab „Free Fire“-Zonen, in denen auf alles geschossen wurde, was sich bewegte. Niemand legte darüber Rechenschaft ab. Jeder getötete Vietnamese war ein guter Vietnamese. War tot war, war per Definition ein Vietcong gewesen, ein Feind. Man steckte ermordeten Mädchen und Greisinnen nachträglich Handgranaten zu, um dies zu beweisen. Mord und Vergewaltigung als Kriegsalltag.

Aber das war noch nicht alles. Dazu kam „Agent Orange“ – das teuflische, giftige Entlaubungsmittel, das bis heute Missbildungen verursacht. Und auch das war noch nicht alles. Dazu kam Napalm, das zu dem Teuflischsten gehört, was Menschen je ersonnen haben. Und wieviele Menschen starben in Vietnam? Getötet und ermordet im Namen der Freiheit?

In Media Control hat Chomsky auf eine Umfrage verwiesen, die im Zuge des Golfkrieges durchgeführt wurde. Es wurde unter anderem nach der Anzahl der getöteten Vietnamesen gefragt. Im Durchschnitt gaben die Befragten 100.000 an. Was kümmern uns Unpersonen? Zehn Millionen Tonnen Bomben - mehr als alle Bomben im gesamten Zweiten Weltkrieg von allen Parteien abgeworfen – haben vier Millionen Menschen zerrissen. Napalm hat sich auf brutalste Weise durch die Körper gefressen, die chemische Kriegsführung, Landminen und nicht explodierte Splitter- und Brandbomben töten noch heute hunderte Menschen. Und wir?
Kriege, Kriegsverbrechen und Propaganda (Sascha Pommrenke, Telepolis, 18.01.2015). [o]

Wissen wir, was Napalm ist? Oder ist es für unsere Seele nur ein Wort? Ist es nur ein Begriff im Kopf? Was ist Napalm?

„…Bevor ich nach Saigon kam, hatte ich gehört und gelesen, daß Napalm das Fleisch schmilzt, und ich dachte, das ist Quatsch, weil ich einen Braten in den Ofen schieben kann und das Fett schmilzt, aber das Fleisch bleibt dran. Ich kam und sah diese von Napalm verbrannten Kinder, und es ist einfach wahr. Die chemische Reaktion des Napalms schmilzt ihr Fleisch einfach, das Gewebe läuft ihnen das Gesicht herunter und auf ihre Brust, und da bleibt es und wächst dort weiter. Diese Kinder konnten ihren Kopf kaum bewegen … Und wenn die Entzündung einsetzt, schneiden sie ihnen die Hände, Finger oder Füße ab. Das einzige, was sie nicht abschneiden können ist der Kopf.“
Martha Gellhorn, The Face of War, S. 246, übersetzt. [o]

Das Massaker von My Lai – und ungezählte andere

Die Bomben, das Entlaubungsgift und das Napalm kommen von oben. Unten kämpften Soldaten. Viele von ihnen kämpften nicht nur – sie schändeten und mordeten. Stellvertretend für die Brutalität der amerikanischen Soldaten steht das vietnamesische Dorf My Lai, das am 16. März 1968 ausgelöscht wurde. Über 500 ermordete Vietnamesinnen und Vietnamesen – unschuldig.

Männer wurden von Schüssen zersiebt, Säuglinge durch aufgesetzte Schüsse in den Mund hingerichtet, kleine Jungen auf der Flucht in den Rücken geschossen, Frauen vergewaltigt und danach getötet. Wer sich in den Hütten oder den kleinen Lehmbunkern versteckt hielt, wurde von Handgranaten zerfetzt. Häuser wurden in Brand gesteckt, Ernten vernichtet. Währenddessen stärkten sich die Soldaten zwischen den Leichen und mordeten dann weiter. Am Mittag waren 504 Zivilisten tot, unter ihnen 56 Säuglinge, 117 Kinder, 60 Greise und Greisinnen sowie 182 Frauen, von denen 17 ein Kind austrugen.
Der Anfang des Kriegsendes (Jochen Buchsteiner, FAZ.net, 16.03.2008). [o]

Für das Massaker von My Lai wurden, als es bekannt wurde, nur vier Soldaten angeklagt – und nur Leutnant Calley 1971 zu lebenslanger Haft verurteilt. Einige Bundesstaaten setzten die Flaggen aus Solidarität auf Halbmast, Gouverneure wie Jimmy Carter riefen zu Sympathiekundgebungen für Calley auf – und schon am Tag nach dem Urteil verfügte Präsident Nixon die Haftentlassung. Calley bekam nur Hausarrest und wurde 1974 von Nixon endgültig begnadigt. [o].

War dies ein Einzelfall? Oder gab es mehrere solche My Lai’s?

Man weiß es längst. Dennoch blieb vieles im Dunkeln. Zwar untersuchte eine geheime Untersuchungskommission die Kriegsverbrechen der US-Soldaten in Vietnam. Doch erst nach zwanzig Jahren, 1994, wurden die Ergebnisse „deklassifiziert“. Sie waren damit zwar nicht mehr geheim, ruhten aber nun unbekannt in einem Nationalarchiv in Maryland. Dort blieben sie weiterhin verborgen, bis sie der junge Freelance-Journalist Nick Turse entdeckte, der für eine Dissertation forschte. Dies zeigt, wie aktuell allein das Thema Vietnam noch immer ist. Turse kopierte dreitausend Seiten, ein Drittel der gesamten Unterlagen, bis Regierungsbeamte sie der Öffentlichkeit 2002 erneut entzogen, weil sie „persönliche Informationen“ enthielten. Zwölf Jahre lang recherchierte Turse weiter, reiste mehrfach selbst nach Vietnam, interviewte über hundert Veteranen. 2013 veröffentlichte er dann das Buch „Kill Anything That Moves: The Real American War in Vietnam”. Er sagt: „Ich wollte die Stecknadel im Heuhaufen finden. Ich fand einen Heuhaufen von Stecknadeln.“

„Die Welt“ berichtete 2013 über das Schweigen, das Turse’ Buch in den USA entgegenschlug:

Es scheint, dass just zu einem Zeitpunkt, da Vietnam-Veteranen wie Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hagel höchste Kabinettsposten übernehmen, eine Debatte, ob Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte in Vietnam die Ausnahme waren oder die Regel, nicht interessiert. [...] Es gibt kein Dementi des Pentagons, weder hörbaren Protest noch Gratulation von Altgedienten. Kurios. [...]
Die Lektüre ist entsetzlich. Ein ums andere Mal, abertausendfach, werden Alte, Frauen, Kinder in einem entlegenen Dorf wahllos erschossen, in Bunkern mit Handgranaten getötet, erst vergewaltigt, dann ermordet („Double Veterans“ hießen diese Täter im Jargon), in ihren Hütten verbrannt, verstümmelt, um aus ihren Ohren und Fingern Trophäen-Ketten zu fertigen. [...]
Ausbilder in den USA achteten darauf, dass ihre Rekruten Zivilisten wie Soldaten nie Vietnamesen nannten: Die waren „gooks, slopes, dinks, slants, rice-eaters“. Im Zweifel allesamt Vietcong alias „VC“, „Victor Charlie“ nach dem Funkalphabet der Amerikaner, oder schlicht „Charlie“. [...] Es galt die MGR, „Mere-gook-rule“, die rassistische „Nur-Schlitzaugen-Regel“. General Westmoreland erklärte, warum sie in Ordnung war: „Dem Orientalen ist ein Menschenleben nicht so viel Wert wie dem Westler. Es gibt reichlich Leben, es ist billig im Orient.“
Als US-Soldaten auf fliehende Kinder schossen (Uwe Schmitt, Welt.de, 05.03.2013). [o]

Sascha Pommrenke rückt in seiner Artikelserie die Verhältnisse ins Licht der Wahrheit: My Lai war nicht ein Kriegsverbrechen des Vietnamkrieges – der Vietnamkrieg selbst war ein Verbrechen mit unzähligen My Lais.

Der noch geheimere Kriege: Laos

Während mit dem Wissen der Weltöffentlichkeit – aber ohne ein Wissen von den Grausamkeiten – der Vietnamkrieg geführt wurde, gab es zeitgleich noch einen anderen Krieg. Nachdem die Franzosen nach dem von ihnen verlorenen Krieg in Vietnam 1954 alle Ansprüche auf Indochina aufgaben und auch die Unabhängigkeit von Laos anerkannten, kämpfte dort die kommunistische „Pathet Lao“ mit den königlichen Truppen um die Vorherrschaft. Die USA wollten nicht, dass es zu einer Einigung kam. Als diese dennoch erreicht zu werden schien, unterstützte das „freieste Land der Welt“ rechtsradikale Militärs, die eine Gegenregierung bildeten, und es folgte die größte CIA-Militäroperation der Geschichte.

Die geheime, auf keiner Landkarte verzeichnete Militärbasis Long Cheng wurde zu einer regelrechten „Stadt“ mit 40.000 Menschen, die von 400 Flugzeugen pro Tag angeflogen wurde – Kriegsvorbereitungen in einem neutralen Land, in dem die Amerikaner offiziell nur unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe USAID tätig waren und hunderte von Landebahnen bauten.

Als die schon von der CIA und den Franzosen zu einer Guerilla-Armee für Terroranschläge ausgebildeten Stammesmitglieder des Bergvolkes der Hmong den Krieg nicht entscheidend im US-Interesse wenden konnten, gingen die Amerikaner auch in Laos zum Bombenterror über. Neun Jahre lang, von 1965 bis 1973 wurde Laos von US-Bombern terrorisiert – neun Jahre lang im Durchschnitt alle acht Minuten eine Bomberladung, 270 Millionen Streubomben auf ein Land mit damals nicht einmal drei Millionen Menschen. [o o]

Die CIA und Südamerikas Diktaturen

Für viele war Vietnam ein Aufwachen – nicht aber für Watergate-Präsident Richard Nixon (1969-1974), der die zweite Hälfte des Vietnamkrieges zu verantworten hatte. In seinem Buch „The Real War“, spricht er vom „Vietnam-Syndrom“ als einem Zeichen der Schwäche, das man „abschütteln“ müsse:

Seit unserem Scheitern in Vietnam sind die Amerikaner bei der Anwendung von Gewalt übertrieben ängstlich gewesen, eine Hemmung, welche die Sowjets und ihre Stellvertreter nicht geteilt haben. […] Wenn die Vereinigten Staaten die falschen Lehren von Vietnam nicht abschütteln und das Vietnam-Syndrom nicht hinter sich lassen, werden wir die Sicherheit unserer Verbündeten und schließlich unsere eigene Sicherheit verspielen. Das ist die wahre Lehre von Vietnam – nicht daß wir auf die Macht verzichten sollten, sondern daß, wenn wir nicht lernen, sie erfolgreich zur Verteidigung unserer Interessen einzusetzen, das Blatt der Geschichte sich gegen uns wenden wird und gegen alles, woran wir glauben.
Richard Nixon: The Real War, 1980, S. 131, übersetzt. [o o]

Und woran sie glauben, das haben die Amerikaner in Vietnam gezeigt... In der Minderheit waren Männer wie der Hubschrauberpilot Hugh Thompson, der mitbekam, was in My Lai geschah, landete und durch persönlichen Einsatz mit Hilfe seiner beiden Bordschützen, die die Mörder am Boden in Schach hielten, noch elf Menschen retten konnte.

So wie Vietnam sind auch die in Südamerika geschehenen Morde nach wie vor historisch hoch aktuell. Martin Almada, Universitätsprofessor für Menschenrechte und Opfer der Stroessner-Diktatur in Paraguay, fand Ende 1992 in einer Polizeistation detaillierte Berichte über Folterungen „verschwundener“ Regimegegner aus verschiedenen südamerikanischen Ländern. Auch dies waren geheime CIA-Dokumente, die erst Ende 2000 freigegeben wurden. Zwei Jahre später wurde Almada mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Es geht um mehrere Tonnen von Dokumenten über die „Operation Condor“ – Deckname für die Folterung und Ermordung tausender Menschen durch die südamerikanischen Militärregierungen unter Billigung der USA. Und diese Billigung bedeutete die direkte Beteiligung der CIA und des FBI und die Unterstützung der untereinander vernetzten Geheimdienste. Die US-Geheimdienste stellten Hilfsmittel für den Informationsaustausch zur Verfügung und gaben Trainings für Subversion und Terrorismus – und die Militärdiktaturen agierten gegen linke Oppositionelle, Kommunisten, Priester, Menschenrechtler und andere „Terroristen“. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden unter diesen Diktaturen 50.000 Menschen ermordet, weitere 35.000 verschwanden ohne eine Spur.

Neben der offenen Kriegsführung gab es immer auch diese Unterstützung schlimmster Diktaturen, solange es den eigenen Zielen zu dienen scheint. Auch das „Vietnam-Syndrom“ reichte nicht sehr weit – allenfalls führte es zu der Erkenntnis, dass künftige Operationen ebenfalls noch geheimer durchgeführt werden müssten. 1980 wurde das Joint Special Operations Command (JSOC) gegründet. Es wurde nirgendwo offiziell erwähnt, unterstand direkt dem Präsidenten und besteht aus Elitesoldaten: Delta Force, Navy Seals, 75. Army Rangers, bei Bedarf ergänzt durch die paramilitärische „Special Activities Division“ der CIA, die Abteilung für „spezielle Aktivitäten“ – ein Euphemismus auch für Mord und andere „Einsätze“ im Dienste der Weltmacht.

Und weil diese Einheiten die Zusammenhänge nicht verstehen und auch nicht hinterfragen, weil Patriotismus und Korpsgeist das Gewissen ausschalten, sind diese Truppen auch überall und für alles einsetzbar. In den schmutzigen Kriegen in Lateinamerika spielten sie immer eine zentrale Rolle. Ob bei der Operation "Urgent Fury" in Grenada, ob in Honduras bei der Unterstützung für die Contras in Nicaragua, ob bei der Operation "Just Cause" in Panama oder später in Afghanistan, Somalia, Mogadischu, Irak, Jemen und Pakistan.
Hybride Kriegsführung, verdeckte Operationen und geheime Kriege (Sascha Pommrenke, Telepolis, 25.07.2015. [o]

Die ewige Doppelmoral

Der Hegemon darf definieren, wann jemand „Terrorist“ und wann er „Freiheitskämpfer“ ist, wann „Diktator“ und wann „Verbündeter“. Brzeziński hatte sich bis zuletzt dafür eingesetzt, auch den Schah im Iran notfalls durch eine Militärintervention an der Macht zu halten – Anfang 1979 wurde dieser durch einen Volksaufstand gestürzt, und es folgte die „islamische Revolution“ unter Ajatollah Khomeini. Ein Putschversuch von Armee- und Geheimdienstoffizieren des Schah scheiterte. Daraufhin marschierte im September 1980 Saddam Hussein im Iran ein – mit erheblicher Unterstützung unter anderem der Sowjetunion, Frankreichs und der USA. Der erste Golfkrieg dauerte bis zum August 1988, acht Jahre lang. Für die weltweite Waffenindustrie war der Krieg, der nur durch sie so lange dauern konnte, ein Geschäft im Umfang von etwa dreißig Milliarden Dollar [o].

Die Jahre der Präsidentschaft von Ronald Reagan (1981-1989) waren nichts anderes als die Fortsetzung der Doppelmoral auch in anderen Teilen der Welt – auf dem eigenen Kontinent, in Afrika und in Asien:

Ein weiteres zeitnahes Ereignis [...] war im Juli 1979 der Sturz der Somoza-Diktatur in Nikaragua durch die von den Sandinisten geführte Revolution. Präsident Ronald Reagan veranlaßte nach seinem Amtsantritt 1981 die Verminung des einzigen nikaraguanischen Pazifikhafens und die finanzielle und militärische Unterstützung der „Contras“: von ehemaligen Somoza-Leuten geführte Banden, die von Honduras aus die Bevölkerung Nikaraguas terrorisierten. Auch diese Partner waren für die US-Regierung, ebenso wie die fundamentalistischen Mudschaheddin in Afghanistan, „Freiheitskämpfer“.
Im Februar 1985 verkündete Präsident Reagan im Bericht zur Lage der Nation seine eigene Doktrin: „Wir lassen diejenigen nicht im Stich, die ihr Leben riskieren, auf allen Kontinenten, von Afghanistan bis Nikaragua, um der sowjetischen Aggression Widerstand zu leisten und Rechte zu verteidigen, auf die wir alle von Geburt an Anspruch haben. Unterstützung für Freiheitskämpfer ist Selbstverteidigung.“
Außer den beiden genannten Ländern bezog sich die Reagan-Doktrin vor allem auf Afrika und Kambodscha. In den Mitte der 70er Jahre selbständig gewordenen früheren portugiesischen Kolonien unterstützte die US-Regierung proimperialistische Bürgerkriegsarmeen wie die UNITA in Angola und die RENAMO in Moçambique, die beide eng mit dem Rassistenregime in Südafrika zusammenarbeiteten. Und in Kambodscha schreckte die US-Regierung nicht einmal davor zurück, im engen Bündnis mit China die im Januar 1979 mit vietnamesischer Hilfe gestürzten Roten Khmer für ihren „Freiheitskampf“ aus dem Untergrund auszurüsten und zu finanzieren.
Übriggeblieben sind von Reagans „Freiheitskämpfern“ nur die afghanischen Mudschaheddin und deren internationale Hilfstruppen. In den 80er Jahren waren sie für die US-Administration „unsere Jungs“, jetzt sind sie „bad guys“.
Milliarden für den Islamismus (Knut Mellenthin, junge Welt, 20.05.2006). [o]

Afghanistan – Russenfalle und Terroristen-Schmiede (1979-1989)

In Afghanistan verwendeten die US-Amerikaner Milliarden Dollar, um die Mujaheddin auszubilden und aufzurüsten – und zwar schon gegen die pro-sowjetische Regierung, ein halbes Jahr vor dem Einmarsch der Russen, der auch durch diese verdeckten Operationen erst provoziert wurde. Die Russen begründeten ihren Einmarsch mit der US-Einmischung, doch die Weltöffentlichkeit glaubte ihnen nicht. Erst 1998 gab dann Jimmy Carters sicherheitspolitischer Berater, der berühmt-berüchtigte Zbigniew Brzeziński (*1928), Autor unter anderem des Buches „The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives” (1993, deutsch unter dem Titel „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“) in einem Interview zu:

According to the official version of history, CIA aid to the Mujahiddin began during 1980, that is to say, after the Soviet army invaded Afghanistan on December 24, 1979. But the reality, closely guarded until now, is completely otherwise: Indeed, it was July 3, 1979 that President Carter signed the first directive for secret aid to the opponents of the pro-Soviet regime in Kabul. And that very day, I wrote a note to the president in which I explained to him that in my opinion this aid was going to induce a Soviet military intervention. [...] We didn’t push the Russians to intervene, but we knowingly increased the probability that they would. [...] That secret operation was an excellent idea. It had the effect of drawing the Russians into the Afghan trap [...]. The day that the Soviets officially crossed the border, I wrote to President Carter, essentially: “We now have the opportunity of giving to the USSR its Vietnam war." Indeed, for almost 10 years, Moscow had to carry on a war that was unsustainable for the regime, a conflict that bought about the demoralization and finally the breakup of the Soviet empire.
Zbigniew Brzeziński im Interview (Le Nouvel Observateur [Paris], 15.-21. Januar 1998). [o]

Und nun kommt eine weitere entscheidende Aussage, die einer der führenden Geopolitiker der USA auf die Frage macht, ob er es nicht bedauere, den islamistischen Fundamentalismus unterstützt und damit künftige Terroristen bewaffnet und beraten zu haben:

What is more important in world history? The Taliban or the collapse of the Soviet empire? Some agitated Moslems or the liberation of Central Europe and the end of the cold war?
Ebenda.

Als der Reporter die Formulierung “some agitated moslems” erstaunt hinterfragt und darauf hinweist, dass der islamische Fundamentalismus heute eine globale Bedrohung darstellt, unterbricht Brzesinski ihn mit dem Wort “Nonsense!”.

Die Milliarden-Unterstützung der Mujaheddin – die Operation „Cyclone“ war eine der teuersten CIA-Operationen überhaupt – wurde im US-Haushalt verschleiert. Unter Präsident Reagan bekamen die islamistischen Kämpfer auch die berüchtigten Stinger-Luftabwehrraketen. Aber das war noch nicht alles. Noch viel abgründiger war die ideologische „Unterstützung“ bzw. Aufrüstung. Wikipedia berichtet unter Berufung auf einen Artikel der „Washington Post“:

Um den Widerstand gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan anzuspornen, hatten die USA unter anderem mehrere Millionen Dollar in gewaltverherrlichende Lehrbücher investiert. Mittels dieser Bücher, die mit Gewaltdarstellungen, islamistischen Lehren und aus dem Zusammenhang gerissenen Koranversen gefüllt waren, wurde den afghanischen Schulkindern die Lehre vom Dschihad (Heiliger Krieg) nahegebracht. Diese Bücher wurden ebenfalls in Lagern für afghanische Flüchtlinge in Pakistan im Unterricht eingesetzt. Auch die Taliban verwendeten die von den USA produzierten Bücher. Um die Bücher mit ihrer Ideologie des Bilderverbots in Einklang zu bringen, wurden die menschlichen Gesichter darin herausgeschnitten.
Wikipedia: Mudschahed. [o]

Die „Washington Post“ berichtet:

Children were taught to count with illustrations showing tanks, missiles and land mines, agency officials said. They acknowledged that at the time it also suited U.S. interests to stoke hatred of foreign invaders. [...]
"The pictures [in] the texts are horrendous to school students, but the texts are even much worse," said Ahmad Fahim Hakim, an Afghan educator who is a program coordinator for Cooperation for Peace and Unity, a Pakistan-based nonprofit. [...]
During the Taliban era, censors purged human images from the books. One page from the texts of that period shows a resistance fighter with a bandolier and a Kalashnikov slung from his shoulder. The soldier's head is missing.
Above the soldier is a verse from the Koran. Below is a Pashtu tribute to the mujaheddin, who are described as obedient to Allah. Such men will sacrifice their wealth and life itself to impose Islamic law on the government, the text says.
From U.S., the ABC's of Jihad (Joe Stephens & David B. Ottaway, Washington Post, 23.03.2002). [o]

Mit anderen Worten: Der US-Geheimdienst rüstete nicht nur die künftigen Terroristen auf, er lieferte ihnen auch ihre Ideologie und bestärkte die Kämpfer direkt und unmittelbar in der extremistischen Auffassung des Koran!

In Afghanistan bekämpften sich nach dem russischen Abzug (1989) die zerstrittenen Mujaheddin-Parteien untereinander. Mit Unterstützung Pakistans erstarkten ab 1994 die Taliban, die zwei Jahre später Kabul eroberten, eine extreme Scharia durchsetzten und sich unter dem Einfluss der von Osama bin Laden geführten Al Qaida weiter radikalisierten. Das war die Situation, als Brzeziński dem Reporter des “Nouvel Observateur” sein “Nonsense!” entgegenhielt. Längst hatten sich die „some agitated moslems“, die von der CIA massiv unterstützt worden waren, nicht nur hier, sondern auch anderswo, zu einer enormen Gefahr entwickelt – und so ergab sich ein neues Feld „verdeckter Operationen“...

Afghanistan und Irak – Völkerrechtsbrüche und millionenfaches Trauma

George W. Bush (2001-2009) nutzte die Terroranschläge vom 11. September dazu, einen weltweiten „Krieg gegen den Terror“ zu beginnen – und sich auch unter anderem des ehemaligen „good guy“ Saddam Hussein zu entledigen. Am 20. März 2003 begann er unter dem Vorwand „Massenvernichtungswaffen“ mit seiner „Koalition der Willigen“ mit der völkerrechtswidrigen Bombardierung Bagdads und der Invasion des Irak – und keinen Monat später wurde der Krieg für beendet erklärt. Es folgte eine fast zehnjährige Besatzungszeit

Heute ist der Irak ein destabilisierter Staat. Über 4.000 US-Amerikaner starben, auf irakischer Seite starben allein über 100.000 Zivilisten, die Dunkelziffer ist kaum abschätzbar. Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen [o].

Dazu kommen die Traumafolgen all dieser Menschen. Von den furchtbaren Traumata der Iraker, aber auch der Vietnamesen, der Laoten und aller anderen Opfer der US-Kriegseinsätze spricht niemand. Von den Traumata der US-Soldaten wurde bis vor kurzem auch nicht allzu viel gesprochen. Dies ändert sich langsam. Aber wenn selbst die Soldaten Traumata haben – wie muss es dann erst den Opfern gehen? Ein Spiegel-Artikel „Töten bis zum Trauma“ berichtet:

Viele leiden unter dauerhaften Traumaschäden, Arbeitslosigkeit, Armut, Alkoholismus, Kriminalität. Die Selbstmordrate unter Veteranen ist so hoch wie nie in der US-Geschichte [...]. [...]
Fast jeder fünfte der Soldaten, die bisher aus Afghanistan und dem Irak zurückgekehrt sind, leidet nach einer Studie der Rand Corporation langfristig an Depressionen und posttraumatischem Stress (PTSD). Hinzu kommen Gehirnschäden als Folge der vielen Bomben – inzwischen die typische Wunde dieser zwei Kriege, genannt "traumatic brain injury" (TBI). [...]
Eine Studie der Stanford University beziffert den Anteil der Trauma- und Gehirngeschädigten unter den fast zwei Millionen Soldaten, die bisher in Afghanistan und im Irak gedient haben, sogar auf 700.000. Das sind 36 Prozent. [...]
Mitte November enthüllte Peter Chiarelli, der Vize-Stabschef der Armee, die Selbstmordrate in seiner Truppe habe sich seit 2001 verdoppelt. Allein in diesem Jahr nahmen sich demnach 211 Armeesoldaten das Leben. [...]
Töten bis zum Trauma (Marc Pitzke, Spiegel.de, 04.12.2009). [o]

Man muss sich das vorstellen: Fast eine Million psychisch schwer geschädigte Menschen – um die sich dann auch kaum jemand kümmert. Milliarden stehen zur Verfügung, um Krieg und Tod in die Welt zu tragen – nicht einmal ein Bruchteil davon für Friedensarbeit, für psychische Hilfe und Heilung, nicht einmal der eigenen Soldaten... Die große Nation der Freiheit!

Propaganda und Medien

Eins haben die USA aus Vietnam gelernt: Journalisten müssen „eingebettet“ werden. Nur ein „embedded“ Journalist ist ein guter Journalist. Dann aber ist der Journalismus schon so tot wie die sauber getöteten Feinde.

Ramsey Clark, unter Lyndon B. Johnson US-Justizminister (1967-69), veröffentlichte 1993 sein Buch „Wüstensturm. US-Kriegsverbrechen am Golf“. Darin beschreibt er zahlreiche Fälle von Desinformation, Medienmanipulation, Propaganda und Selbstzensur. Unter seiner Leitung klagte ein Tribunal aus 21 Richtern verschiedenster Ethnien und Religionen die USA in 19 Punkten an, im Golfkrieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Unter anderem heißt es in der Anklage vom Mai 1991 über die angeblich „sauberen“ und „chirurgischen“ Bomben:

93% of the bombs were free falling bombs, most dropped from higher than 30,000 feet. Of the remaining 7% of the bombs with electronically guided systems, more than 25% missed their targets, nearly all caused damage primarily beyond any identifiable target. Most of the targets were civilian facilities. The intention and effort of the bombing of civilian life and facilities was to systematically destroy Iraq's infrastructure leaving it in a preindustrial condition. [...] The U.S. assault left Iraq in a near apocalyptic condition as reported by the first United Nations observers after the war.
International War Crimes Tribunal: United States War Crimes Against Iraq (Ramsey Clark, 09.05.1991). [o]

Nach einer Studie der NGO “Save the Children” von 2007 war die Kindersterblichkeit im Irak nach dem Krieg durch die desolaten Verhältnisse sprunghaft auf das 2,5-fache gestiegen. Nach dem „sauberen“ Terrorkrieg der Amerikaner starb im Irak jedes achte Kind vor seinem fünften Geburtstag, und zwar meist schon im ersten Lebensmonat – rund 120.000 Babys jährlich!

Sobald die Propaganda entweder von Massenvernichtungswaffen oder von „Menschenrechten“ spricht, hat sie Erfolg. Die Presse ist inzwischen so „eingebettet“, dass sie weich schläft. Nach dem „sauberen Krieg“ interessiert es niemand mehr, ob ein „failed state“, ein gescheiterter Staat zurückbleibt und massenhaft Zivilisten sterben. Das ist dann nicht mehr das eigene Problem – und es verschwindet in Windeseile überhaupt aus den Medien.

In Libyen entledigte sich 2011 eine weitere „internationale Koalition“ des unliebsamen Gaddafi. Wieder einmal positionierten sich die USA, Frankreich und Großbritannien auf Seiten der Rebellen. Offiziell ging es bei den „Flugverbotszonen“, die natürlich militärisch durchgesetzt werden müssen, um den Schutz von Zivilisten. In Wirklichkeit wurden auch hier weite Teile der Infrastruktur zerstört, die mehrheitlich islamistische Opposition bewaffnet und ein völlig zusammengebrochener Staat hinterlassen. In tiefster Scheinheiligkeit konnten sich die öffentlichen Medien dann freuen, dass nach dem „Sieg der Rebellen“ und der Menschenrechte eine Demokratie aufgebaut werden kann – bis man verwundert feststellte, dass gar kein Staat mehr existierte, in dem irgendetwas aufgebaut werden kann. [o]

Auf Wikipedia kann man lesen:

Die Vereinten Nationen sehen Libyen seit 2015 kurz vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch.[28] US-Präsident Barack Obama nannte in einem Interview am 11. April 2016 die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten es versäumt hätten für stabile Verhältnisse und eine geordnete Regierung in Libyen nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes zu sorgen, den insgesamt „größten Fehler“ seiner achtjährigen Amtszeit 2009–2017.[29]
Wikipedia: Libyen. [o]

Das haben die Amerikaner eben noch nicht gelernt. Sie können nur „das Grobe“. Bomben und Beseitigen – und radikale Kräfte unterstützen, die dann, welch Wunder, zur Demokratie gar nicht fähig sind.

„Rendition flights“ – Folter im Auftrag der USA

Der 11. September brachte von Anfang an ein weiteres Abgleiten der „westlichen Werte“. Dies beginnt mit der geheimen Gefangennahme von Verdächtigen und ihrer Überführung in Staaten, die für ihre Foltermethoden berüchtigt sind. „Amnesty International“ hat solche Realitäten dokumentiert:

Ein Beispiel von vielen: Am 31. Dezember 2003 nahm die Ferienreise von Khaled El-Masri, einem Deutschen libanesischer Abstammung, an der mazedonisch-albanischen Grenze ein abruptes Ende. Er wurde aus dem Bus geholt und in ein abgedunkeltes Hotelzimmer nahe der US-Botschaft gebracht. Maskierte Männer schnitten ihm die Kleider auf, legten ihm eine Windelhose an, steckten ihn in einen orangefarbenen Overall und stülpten ihm einen schwarzen Sack über den Kopf. Nachdem er mit einer Betäubungsspritze ruhig gestellt worden war, wurde er mit einem Flugzeug nach Afghanistan geflogen und dort in einem Gefängnis monatelang verhört und gefoltert.
CIA-Flüge: Illegale Haft an geheimen Orten (Amnesty International Schweiz, 02.09.2011). [o]

Dieser Fall ist besonders interessant, da die deutschen Behörden ermittelten, El-Masri sogar eine Entschädigung erhielt und sein weiteres Schicksal von der Presse verfolgt wurde [o o o o]. Nach der traumatischen Erfahrung wurde El-Masri mehrmals straffällig, und allein dieser eine Fall zeigt schon die ganze Komplexität des Problems. Der Rechtsstaat funktioniert, aber innerhalb dieses Rechtsstaates geschehen Aktionen von Geheimdiensten an Recht und Gesetz vorbei – wiederum autorisiert von ganz oben. Geheimaktionen gegen den Terrorismus, die sich selbst als Terrorismus erweisen und jederzeit Unschuldige treffen können.

Amnesty International hat 2006 in einem Bericht („USA: Below the radar: Secret flights to torture and ‘disappearance’“) für die Jahre 2001-2005 fast eintausend Flüge dokumentiert, die vom CIA systematisch über Tarnfirmen durchgeführt wurden, die meisten davon auch durch europäischen Luftraum – unangemeldet und damit unter Umgehung international gültige Luftfahrtbestimmungen, von den internationalen Menschenrechten ganz zu schweigen. Flüge rund um die Welt, um außerhalb der USA foltern zu lassen...

Das Folter-Memorandum

Aber auch in den USA selbst wurde die Folter-Frage offensiv behandelt und immer schärfer beantwortet. Zur Absicherung der brutalen, illegalen Verhörmethoden der CIA beauftragte Cheneys Rechtsberater Addington im Sommer 2002 das „Office of Legal Counsel“ (OLC) mit einem Memorandum. Daraufhin erstellte Staatsanwalt Jay Bybee das später berüchtigte Folter-Memorandum. Dieses Memorandum vom August 2002 behandelt sehr detailliert die Frage, ab wann eine Behandlungsmethode nur „cruel“ ist und ab wann sie als „torture“ zu bezeichnen ist – also ab wann Grausamkeit zur Folter wird. Grausamkeit ist auch in der freien Welt zur Verteidigung ihrer Werte zulässig, aber es darf offiziell nicht bis zur Folter gehen...

For the foregoing reasons, we conclude that torture as defined in and proscribed by Sections 2340-2340A, covers only extreme acts. Severe pain is generally of the kind difficult for the victim to endure. Where the pain is physical, it must be of an intensity akin to that which accompanies serious physical injury such as death or organ failure. Severe mental pain requires suffering not just at the moment of infliction but it also requires lasting psychological harm, such as seen in mental disorders like posttraumatic stress disorder. Additionally, such severe mental pain can arise only from the predicate acts listed in Section 2340. Because the acts inflicting torture are extreme, there is significant range of acts that though they might constitute cruel, inhuman, or degrading treatment or punishment fail to rise to the level of torture.
Memorandum for Alberto R. Gonzales, Counsel to the President (Office of Legal Counsel, 01.08.2002). [o]

„Folter“ muss also in ihrer Intensität dem Schmerz gleichkommen, der eine ernste Körperverletzung wie Tod oder Organversagen begleitet. Psychische Folter muss in ihren Folgen monate- oder jahrelang nachwirken. Die Frage ist nur: Wie wollen diese Schreibtisch-Täter nachweisen, dass eine so „schmerzfreie“ Methode wie „Waterboarding“ nicht ein Leben lang schwere Traumata hinterlässt? Alle diese grausamen, demütigenden und unmenschlichen Methoden hinterlassen Traumata.

Und was soll „Folter“ überhaupt sein? Laut Wikipedia ist es „das gezielte Zufügen von psychischem oder physischem Leid (Gewalt, Qualen, Schmerz, Angst, massive Erniedrigung)“, um zum Beispiel „eine Aussage, ein Geständnis, einen Widerruf oder eine Information zu erhalten oder um den Willen und den Widerstand des Folteropfers (dauerhaft) zu brechen.“ Was sonst aber tun Geheimdienste? Es gibt nur diesen einen Grund. Ebenso klar ist die UN-Antifolterkonvention, wonach jede Handlung Folter ist, bei der Träger staatlicher Gewalt einer Person „vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügen, zufügen lassen oder dulden, um beispielsweise eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern oder zu bestrafen“.

Die Rechtslage ist also absolut eindeutig und umfassend – übereinstimmend mit jedem menschlichen Empfinden. Doch die höchsten Politiker und Beamten der USA arbeiteten daran, diese Rechtslage, diese Erkenntnis und dieses Empfinden aufzuweichen. Nicht alles ist „Folter“ – vieles ist einfach nur grausam, damit aber nicht „Folter“. Aber selbst Folter... Das Memorandum ging noch weiter. Die Überlegungen endeten erst mit dem folgenden Abschnitt:

Further, we conclude that under the circumstances of the current war against Al Qaeda and its allies, application of Section 2340A to interrogations undertaken pursuant to the President's Commander-in-Chief powers may be unconstitutional. Finally, even if an interrogation method might violate Section 2340A, necessity or self-defense could provide justifications that would eliminate any criminal liability.
Memorandum for Alberto R. Gonzales, Counsel to the President (Office of Legal Counsel, 01.08.2002). [o]

Das heißt also: Im „Antiterrorkrieg“ der USA kann es soweit kommen, dass die Anwendung des Anti-Folter-Abschnittes der amerikanischen Verfassung auf Verhöre, die entsprechend den Vollmachten des US-Präsidenten durchgeführt wurden, selbst verfassungswidrig wird. Oder anders ausgedrückt: Der Präsident und die mit seiner Billigung oder unter seiner Anweisung durchgeführten „Verhöre“ bzw. Folterungen stehen sogar noch über der Verfassung.

Ausführliche Artikel, etwa von der New York Times, und Bücher wie „Folter im 21. Jahrhundert“ von Alexander Bahar, zeichnen nach, was in diesen Jahren unter der Bush-Administration geschah.

Anfang 2009, am Ende von Bushs Amtszeit, unterzeichnete Steven G. Bradbury, Leiter des Office of Legal Counsel, dann ein Memorandum, das diese Anschauung wieder zurücknahm, und Präsident Obama setzte sämtliche OLC-Foltermemoranden der Bush-Amtszeit außer Kraft.

Guantánamo und Abu Ghraib

In Guantánamo Bay, dem unmittelbar nach Beginn der Angriffe auf Afghanistan eröffneten Gefangenenlager auf dem gleichnamigen Marinestützpunkt der US Navy auf Kuba, waren insgesamt rund 800 Menschen inhaftiert. Ende 2002 übernahm Major General Geoffrey D. Miller das Kommando und verschärfte die Verhörmethoden.

Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) durfte als einzige humanitäre Organisation das Lager aufsuchen, aber nur vertrauliche Berichte an die US-Regierung geben. Obwohl das IKRK in diesen von Anfang an die Haftbedingungen scharf kritisierte und die Verhörmethoden als Folter bezeichnete, bestritten die US-Behörden die nach und nach auch öffentlich auftauchenden Vorwürfe regelmäßig unter Verweis auf eben jene Besuche des IKRK [o] – welcher Zynismus!

Unabhängig von den „Verhörmethoden“ gab es noch andere Methoden, die außerhalb der Verhörräume angewendet wurden. Hierfür waren die „Immediate Reaction Forces“ zuständig, Spezialeinheiten, die offiziell auf Notfälle zu reagieren hatten, in Wirklichkeit aber exzessive Gewalt ausübten. Michael Ratner, Präsident des Center for Constitutional Rights, der viele Gefangene rechtlich vertritt, sagt:

While much of the “torture debate” has emphasized the so-called “enhanced interrogation techniques” defined by the twisted legal framework of the Office of Legal Council memos, IRF teams in effect operate at Guantánamo as an extrajudicial terror squad that has regularly brutalized prisoners outside of the interrogation room, gang beating them, forcing their heads into toilets, breaking bones, gouging their eyes, squeezing their testicles, urinating on a prisoner’s head, banging their heads on concrete floors and hog-tying them — sometimes leaving prisoners tied in excruciating positions for hours on end.
The Black Shirts of Guantánamo (Jeremy Scahill, Counterpunch, 15.05.2009). [o]

Rumsfeld schickte im August 2003 Miller auch nach Abu Ghraib, ein Militärgefängnis bei Bagdad, und Miller empfahl auch hier die Guantanamisierung“ (Gitmo-izing) der Verhörmethoden. Haft- und Verhörpersonal sollten zusammengelegt werden, und Wärter sollten die Gefangenen auf die Verhöre schon einmal „vorbereiten“ (soften up). Als im März 2004 der Folterskandal in Abu Ghraib bekannt wurde, wurde die Kommandantin Janis Karpinski entlassen und das Kommando an Miller übertragen – ein Bauernopfer, das den wahren Schuldigen gerade mitten in den Ort des Geschehens beförderte. Bereits kurz darauf sagte Karpinski in einem BBC-Interview:

“He said they are like dogs and if you allow them to believe at any point that they are more than a dog then you've lost control of them.”
Iraq abuse 'ordered from the top' (BBC Radio 4's On The Ropes, 15.06.2004). [o]

Dies also sind die Werte eines führenden Militärs der freien westlichen Welt! „Sie sind wie Hunde – und wenn du es ihnen gestattest, auch nur einen Moment zu glauben, dass sie mehr als ein Hund sind, hast du die Kontrolle über sie verloren.“ – Man muss wohl sagen: Wenn man auch nur einen Moment glaubt, dass ein Mensch mehr als ein Hund ist, hat man die Kontrolle über sein eigenes Gewissen verloren – und könnte all diese Taten, die in Abu Ghraib geschahen, Menschen nicht mehr antun...

In einer herausragenden Reportage der Süddeutschen Zeitung wird durch Einzelschicksale viel von den Zusammenhängen deutlich. Zu Wort kommen zwei Folteropfer, eine Täterin und Janis Karpinski.

Die Folteropfer erzählen von Vergewaltigungen und anderen traumatischen Erfahrungen. Viele der Verhöre wurden von Mitarbeitern der privaten Firma CACI durchgeführt, der offenbar auch die Militärpolizisten unterstanden.

Etliche Soldaten, die an den Misshandlungen beteiligt waren, behaupten, dass CACI-Mitarbeiter sie dazu angeleitet hätten. „Soften them up!“ – kocht sie weich für die Befragung, sei ein gängiger Befehl der CACI-Verhörspezialisten gewesen. Ein verurteilter Militärpolizist hat sogar unter Eid ausgesagt, dass der CACI-Mitarbeiter Steven Stephanowicz ihn damals ganz konkret beauftragt hätte, die Gefangenen auszuziehen, sie mit lauter Musik wach zu halten oder die Hunde auf sie zu hetzen, „doggie dance“ habe Stephanowicz das genannt. Auch im offiziellen Militärbericht steht, dass Stephanowicz allem Anschein nach einer der Hauptverantwortlichen für die Misshandlungen ist. Trotzdem stand kein CACI-Mann bisher vor Gericht.
Spuren der Gewalt (Christoph Cadenbach, SZ-Magazin 14/2014). [o]

Die Firma hat mittlerweile 15.000 Mitarbeiter, die weltweit für das US-Militär und den Geheimdienst arbeiten. Seit 2001 hat sich ihr Umsatz versiebenfacht.

Abu Ghraib war unter der Leitung von Janis Karpinski ein normales Militärgefängnis im Irak gewesen – bis im August 2003 Donald Rumsfeld General Miller, den Verantwortlichen für Guantánamo, mitbrachte. Von nun an sollten Informationen beschafft werden. Damit waren die rund 360 Aufseher entmachtet, von nun an hatten die CIA bzw. die mit der „Informationsbeschaffung“ beauftragten Mitarbeiter von CACI das Sagen. Die Zahl der Gefangenen stieg innerhalb eines Monats von 3.000 auf 6.000 – und die meisten von ihnen unschuldig, was sogar der CIA wusste:

Selbst die Leute vom Nachrichtendienst hätten ihr damals erzählt, dass 75 Prozent der Gefangenen unschuldig sind und keine wichtigen Informationen verraten können. Später kam sogar heraus, dass dies für 90 Prozent der Insassen galt. Sie waren einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
Spuren der Gewalt (Christoph Cadenbach, SZ-Magazin 14/2014). [o]

Karpinski (*1953) jedoch wurde zum Bauernopfer. Sie hatte für das Militär gelebt, war Brigadegeneral gewesen, nicht nur für Abu Ghraib verantwortlich, sondern für 17 Gefängnisse und 3.400 Militärpolizisten. Nun wurde ihr das Kommando entzogen, sie wurde degradiert – und dies offiziell, weil sie im Supermarkt einer Militärbasis in Florida ein Parfüm gestohlen haben soll. Es gab nie einen Prozess. Karpinski ist überzeugt, dass man nicht wollte, dass sie unter Eid aussage. Auch glaubt sie, dass Rumsfeld und Cheney Länder wie den Irak unbedingt einnehmen wollten (was ja bekannt ist) – und dass die Anschläge auf das World Trade Center von der eigenen Regierung gewollt gewesen sind. [o]

Geoffrey D. Miller bestritt alle Vorwürfe und trat 2006 ehrenvoll in den Ruhestand [o].

Ein ganz aktuelles Interview der Süddeutschen Zeitung mit einem ehemaligen US-Soldaten aus Abu Ghraib gibt weitere Hintergründe. Dieser Soldat hatte nichts mit den schwersten Folterfällen zu tun, und kündigte nach vier Monaten. Er sagt über jegliche Verhörmethoden, die angewandt wurden:

Nichts von alledem war human. [...] [...] es gab keinen Tag, an dem mich mein Gewissen nicht quälte. Ich war ja Täter in doppelter Hinsicht. Ich misshandelte selbst und sah Kollegen dabei zu, ohne einzuschreiten. [...] Du sagst dir: Jeder macht es. Kann nicht so verkehrt sein. Und schon hast du diese Abscheulichkeiten vor dir gerechtfertigt. Es war erschreckend, wie schnell ich in diese Spirale geraten bin.
"Du sagst dir: Jeder macht es" (Matthias Fiedler, Süddeutsche.de, 03.01.2017). [o]

Dirty Wars – Geheime Mordaufträge weltweit

Der US-Journalist Jeremy Scahill hat in den letzten Jahren Enormes zur Entschleierung der streng geheimen Aktionen der US-Spezialkräfte geleistet. 2008 erschien sein Buch „Blackwater: The Rise of the World's Most Powerful Mercenary Army“ (deutsch: „Blackwater: Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt“), 2013 veröffentlichte er das Recherche-Werk “Dirty Wars. The World is a Battlefield” (deutsch: „Schmutzige Kriege. Amerikas geheime Kommandoaktionen“) und 2016 schließlich „The Staff of The Intercept: The Assassination Complex: Inside the Government's Secret Drone Warfare Program”.

Scahill, der aufgrund seiner Recherchen sogar mehrfach zu Anhörungen im US-Kongress geladen wurde, gründete Anfang 2014 die publizistische Webseite „The Intercept“, deren Ziel es ist:
[...] auf Pressefreiheit zu bestehen und sie gegenüber denjenigen zu verteidigen, die sie verletzen. Wir sind entschlossen, voranzukommen mit dem, was wir für essentielles Berichten im öffentlichen Interesse halten. Unsere Hingabe gilt dem Ideal der wirklich freien und unabhängigen Presse als vitale Komponente jeder gesunden demokratischen Gesellschaft. Wir glauben, dass es grundlegende Aufgabe von Journalismus ist, Transparenz zu schaffen und die Verantwortlichkeit derer aufzuzeigen, welche die größte politische und unternehmerische Macht innehaben. Unseren Journalisten wird nicht nur gestattet, sondern sogar empfohlen sein, Geschichten ohne Rücksicht darauf zu verfolgen, wen sie dadurch vor den Kopf stoßen könnten.
Wikipedia: The Intercept. [o]

Sein Buch „Dirty Wars“ und eine gleichnamige Dokumentation [o] bringt Licht in die Geheimoperationen, die nach dem 11. September ein völlig neues Ausmaß annahmen. Unter Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld wurde das JSOC (siehe oben) zu einer weltweiten Tötungsmaschinerie mit einem Personal von 25.000 Einsatzkräften, nur dem Weißen Haus unterstehend. Das Budget stieg auf acht Milliarden Dollar jährlich – nur für diese Art absoluter Geheimoperationen. Unter Obama setzte sich dieser geheime Krieg ungehindert fort. Eine Quelle mit dem Decknamen „Hunter“ beschreibt die Tötungseinsätze mit folgenden Worten:

“The world is a battlefield and we are at war. Therefore the military can go wherever they please and do whatever it is that they want to do, in order to achieve the national security objectives of whichever administration happens to be in power.”
Jeremy Scahill: Dirty Wars, 2013, S. 183. [o].

Und wo finden diese Einsätze statt? Scahills Quelle nennt Einsätze in Irak, Afghanistan, Pakistan, Kolumbien, Peru, Somalia, Mali, Jemen, Algerien, zentralasiatischen Ländern, Philippinen, Indonesien, Thailand ... und auch verschiedenen europäischen Ländern. Mit anderen Worten: weltweit.

Captain Andrew Exum von den Army Rangers, der unter dem Kommando von JSOC im Irak im Einsatz war, sagt:

„You start out with a target list, and maybe you’ve got 50 guys on it, maybe you’ve got 200 guys on it, but you can work your way through those 50 or 200 guys, and then suddenly at the end of that target list you’ve got a new target list of 3,000 people on it.”
Ebenda, S. 151. [o]

Und die Quelle „Hunter“ gibt auch an, welche Menschen auf diese Listen gelangen:

„People that were either linked to an extremist organization, or they were suspected of being affiliated with an extremist organization. Or they were people that were providing safe harbor or funding.”
Ebenda, S. 183. [o].

Mit anderen Worten: Verdachtsmomente reichen aus. Möglicherweise hatte man zur falschen Zeit am falschen Ort den falschen Kontakt – eventuell nur in seinem Handy... (Das Gleiche gilt für den zunehmenden Drohnenkrieg).

Mittlerweile wird auch immer deutlicher, wie hoch die „Fehlerquote“ bei diesen Morden tatsächlich ist. Eine weitere Quelle gibt gegenüber Scahill an:

„Then you find out that the intelligence was bad and you killed a bunch of innocent people and you have a bunch of innocent people on your hands, so you stuff ’em in Guantánamo. No one ever knows anything about that.”
Ebenda, S. 142. [o]

Während in freien Staaten die Unschuldsvermutung gilt („im Zweifel für den Angeklagten“) kann die Propaganda gegen den „Feind“ das umgekehrte Prinzip durchsetzen: im Zweifel war es immer der Feind. Jeder tote Vietnamese war ein Vietcong. Jeder Iraker, Afghane, Pakistani, Philippine, Indonesier usw., der auf einer Todesliste steht, ist ein Terrorist. Jeder Mensch, der nach Guantánamo gebracht wird, ist ein Terrorist. Und dass es Todeslisten früher nur innerhalb der Mafia oder unter faschistischen Systemen gab, interessiert niemanden mehr. Dass diese Morde und gegebenenfalls Abtransporte in Militärlager in einem rechtsfreien Raum geschehen, ohne jede Dokumentation und Verantwortung – wen interessiert das? Schließlich sind „wir“ ja „die Guten“? Wie weit kann „das Gute“ gehen, bis es selbst böse wird? [Siehe auch: "Die Verbrechen des SEAL Team 6" o].

Krieg gebiert Krieg

Es ist deutlich, dass das militärische Eingreifen der USA im Irak und in Afghanistan unzählige Muslime radikalisiert hat. Jedes Todesopfer unter Zivilisten kann eine ganze Familie oder ein ganzes Dorf radikalisieren – und wenige Menschen können den Fundamentalismus unter vielen Weiteren ausbreiten. Im Irak haben die Amerikaner ein ganzes Land in Schutt und Asche gelegt. Weder in Afghanistan noch in Libyen haben sie die Demokratie gebracht. Hinzu kommt, dass die US-Geheimdienste wie geschildert Islamisten über Jahrzehnte sogar unterstützt haben. Hinzu kommt, dass die Folterskandale und die damit verbundenen Demütigungen, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, eine nicht ansatzweise abzuschätzende weitere Radikalisierung unzähliger junger Muslime nach sich ziehen wird. Das Vorgehen der USA hat eine riesige neue Welle der Radikalisierung in Gang gesetzt.

Es ist mittlerweile auch bekannt, dass ein Gefangenlager ganz im Südosten des Irak für die machtvolle Entstehung des IS eine besondere Rolle gespielt hat: Camp Bucca. Dieses Lager, das für 8.000 Gefangene ausgebaut wurde, wurde 2009 schließlich geschlossen. Ein Artikel der Washington Post vom November 2014 gibt weitere Hintergründe, die noch detaillierter in einer Studie der Soufan Group nachzulesen sind. Über die Jahre hin nahm dieses Lager zehntausende Gefangene auf, darunter auch neun spätere IS-Anführer. Allein 2007 waren es 24.000 Gefangene gleichzeitig – und die Extremsten unter ihnen radikalisierten die anderen. Unter den Gefangenen herrschte ein starker Druck in Richtung Sharia. Und es kam sogar zu einer Vereinigung von Ex-Baathisten und Jihadisten.

Doch die Eskalation wird weitergehen. Als Army General Joe Votel im August 2014 neuer Oberkommandierender des U.S. Special Operations Command (dem Verbund aller US-Sondereinsatzkommandos auf den verschiedenen Kontinenten) wurde, sagte sein scheidender Vorgänger William McRaven:

„It’s been a magnificent three years. I have been incredibly fortunate to have watched and taken part in the evolution of special operators, from the late ‘70s until now. I believe over the past several years, without even knowing it, we have been, and we are in, the golden age of special operations.”
Gen. Votel takes over Socom command (Tampa Bay Times, 28.08.2014). [o]

Diese US-Spezialkräfte (Rangers, Green Berets, SEALs und andere) haben ihr Personal seit 2001 auf fast 70.000 fast verdoppelt.

Das goldene Zeitalter der Sondereinsatzkommandos. – Es wird kein friedliches Zeitalter sein.