06.01.2018

Von Bosheit und reinem Denken

Eine einfache Unterscheidung.


Inhalt
Das Denken des Goetheanisten
Das Denken des Mädchens
Das Denken der Bosheit
Vom Wesen des Spottes
Vom Wesen des Ernstes
Der Spott der „Egoisten“...
...und der Spott Rudolf Steiners
Der Egoist und das Therapeutische


Das Denken des Goetheanisten

Was ist reines Denken?

Es gibt zwei Arten von reinem Denken. Denken mit reinen Gedanken, ein Sich-Bewegen nur im reinen Element des Denkens selbst, völlig rein, frei von aller Subjektivität und von allem Persönlichen. Und dann: Denken mit einem reinen Herzen, ein Denken in der Sphäre und im Reich eines reinen Herzens, frei von aller Antipathie, eingetaucht in das Mysterium des guten Willens.

Das erste reine Denken finden wir zum Beispiel im reinen, wahren Goetheanismus – im Sich-belehren-Lassen durch die Phänomene. Ein Wahrheits-Denken, das nicht interpretiert, sondern dass sich hingeben kann, um die eigenen Gedanken, Begriffe und Verbindungen zwischen den Begriffen von den Phänomenen selbst leiten zu lassen. Ohne jede eigene Leidenschaft in Bezug auf das Ergebnis, gleichsam mit geschlossenen Augen an die Hand genommen von den Phänomenen und dorthin geführt, wo ihre Wahrheit lebt...

Ein anderes reines Denken, das dann im Grunde das dritte wäre, würde sich sogar noch von der Sinnlichkeit lösen und wirklich nur noch im Reich des Gedankens weben. Was kann das menschliche Denken an sich wissen, tun, erkennen? Nur noch Denken – nicht einmal mehr angeknüpft an die sinnliche Welt, aber dennoch reine Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Weben im reinen, wirklich reinen Element des Denkens? Das ist zum Beispiel Mathematik, aber auch Metaphysik. Bei dieser dritten Art tritt das reine Denken selbst in die Bewusstheit – und es kann zu einem Anschauen des Denkens kommen. Dies ist in gewisser Weise die Geburt eines zweiten, höheren Menschen. Das wahre, das geistige Wesen des Menschen tritt ein in den irdischen Wesensstrom, könnte man sagen. Geist-Geburt. Geistige Jordan-Taufe...

Aber kehren wir zurück zur auch sinnlichen Welt. Der Goetheanist sucht die Wahrheit der Phänomene. Ob er ein reines Herz hat, ist nicht entscheidend. Aber er lässt seine Sympathien und Antipathien in den Momenten seiner Forschung völlig schweigen. Man kann sagen, er lässt sein Herz schweigen – seine einzige „Liebe“ in dem Moment gilt der Wahrheit, sein einziger „Hass“ einem Hineinmischen eigener Neigungen in das Ergebnis seiner Forschungen. Er will es nicht beeinflussen, er will es von den Phänomenen hinnehmen.

Der Goetheanist sucht die Wahrheit mit dem reinen Denken, das er hingibt, um es von den Phänomenen formen zu lassen. Er gibt den Denkstrom, die Phänomene geben diesem seine Gestalt. Der Goetheanist braucht kein gutes Herz, er braucht ein schweigendes Herz.

Das Denken des Mädchens

Die zweite Art des reinen Denkens aber geht gerade von einem reinen Herzen aus. Und dieses reine Denken ist das Denken des Mädchens.

Das Mädchen weiß nicht, was Goetheanismus ist, es ist ihm auch egal, denn es braucht den Goetheanismus nicht. Das Mädchen mit dem reinen Herzen denkt mit dem Herzen – und dies ist sein Goetheanismus.

Ein reines Herz kann keine unreinen Neigungen oder Vorlieben in eine Betrachtung hineinmischen und deren Ergebnis entheiligen. Was auch immer es betrachten wird – es wird eine reine, heilige Betrachtung sein.

Möglicherweise mischt das reine Herz des Mädchens etwas in die Gedanken, was die gewöhnliche Welt als „Phantasie“ belächeln wird. Doch kennt diese gewöhnliche Welt das Mysterium des reinen Denkens eines Mädchenherzens? Vielleicht würde wohl der Vorverkünder eines neuen, künftigen Zeitalters, Novalis, gerade dem Mädchen Recht geben. Denn auch sein „magischer Idealismus“ bedeutet nicht ein Verlassen der Wirklichkeit, sondern ein Hindurchbrechen zu dieser – während die gewöhnliche Welt gerade ein Verlassen dieser ist...

Das reine Herz des Mädchens ist untrennbar verbunden mit dem heiligen Mysterium des guten Willens. Dies ist seine Taufe. Und man könnte das „seine“ auch groß schreiben. Denn so, wie das dritte reine Denken ganz mit dem geistigen Feuer der Wahrheit getauft wird, eintaucht in Sein Reich, so wird das Denken des Mädchens fortwährend mit dem geistigen Feuer der Liebe getauft – und ist sein Herz immer eingetaucht in Sein Reich...

Der Goetheanist ist ein Wahrheitssucher, das Mädchen hat ein liebendes Herz – aber die Liebe ist größer als die Wahrheit, sie umschließt sie.

Nehmen wir an, das Mädchen macht sich Gedanken über einen Verbrecher. Vielleicht kann es nichts anderes denken, als dass selbst der Verbrecher irgendwo auch ein gutes Herz, eine gute Seele haben muss – irgendwo... Damit sieht es bereits mehr als jeder andere – denn „man sieht nur mit dem Herzen gut“. Das Mädchen sieht sogar mehr als der Verbrecher selbst. Es sieht hinter die Dinge. Und auch wenn es nicht sieht, so weiß es dennoch. Es ist Herzens-Wissen, dass ein Mensch nicht durch und durch böse sein kann. Bei dem Mädchen aber ist es nicht bloßes Wissen, sondern unmittelbares Erleben, reines Fühlen, gegenwärtige Realität eines Wissens, das nicht „Kenntnis“ ist, sondern existenzielle Überzeugung, gefühlter, unumstößlicher Glaube. Glaube, der so sicher und zugleich so real ist wie das Erleben des eigenen Leibes in jedem Moment.

Das Mädchen ist überzeugt von dem Gutsein auch des Verbrechers, weil sein Herz nichts anderes denken kann.

Das Denken der Bosheit

Die Bosheit ist das Gegenteil des Mädchens. Sie denkt, was ihr böses, hässliches, verlottertes Herz und ihr boshafter Geist ihr eingibt. Die Bosheit kann die Gutgläubigkeit und sogar das reine, liebende Herz des Mädchens ausnutzen und sich an seiner Enttäuschung, seiner Verletzung, seiner Verspottung erfreuen.

Die Freude der Bosheit ist gerade das Geben von Leiden. Die Bosheit ist das Gegenteil der Worte des Korintherbriefes über die Liebe. Die Liebe freut sich an der Wahrheit – die Bosheit erfreut sich an ihrer eigenen Bosheit. Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles. Die Bosheit verteilt Schläge. Das Gute ist ihr ein Ärgernis. Sie hat Lust am Spott. Sie möchte verletzen.

Während der Goetheanist nichts in sein erkennendes Handeln hineinträgt, das Mädchen aber seine Liebe in seinem Denken und Erkennen trägt, trägt die Bosheit ihr eigenes Wesen in alles hinein, was sie tut.

Der Goetheanist erkennt die Welt, wie sie sich selbst ausspricht. Das Mädchen erkennt die Welt, wie sie sein könnte – und in ihrem Innersten vielleicht auch ist. Die Bosheit erkennt gar nichts, sondern sie macht die Welt hässlich – und so ihr gleich, weil sie sich selbst, ihre eigene Bosheit, in die Welt hineinträgt.

Die Bosheit möchte nicht erkennen, sie möchte urteilen – und ihre Urteile sind Schläge. Die Bosheit möchte Schläge verteilen. Der Goetheanist möchte erkennen. Das Mädchen möchte lieben. Die Bosheit möchte zerstören.

Der Goetheanist erkennt, weil er schweigt. Das Mädchen erkennt, weil es liebt. Die Bosheit erkennt nicht, weil sie hasst.

Der einzige Weg, den es für die Bosheit gibt, zu einer Heilung zu finden, wäre das Schweigen. Die Stille. Eine Einkehr – und der leise, sanfte Beginn einer Selbsterkenntnis. Was die Bosheit bräuchte, wäre Mut. Zuerst ein Mut zur Stille. Und dieser selbe Mut würde ihr dann helfen, das zu ertragen, was sie dann sieht, wenn sie zu schweigen beginnt – nämlich zum ersten Mal sich selbst...

Wenn sie erleben könnte, was sie bis dahin immer getan hat, an-getan. Wenn auch ihr Denken einmal ruhig dahinfließen könnte, um einfach zu be-sinnen und nach-zu-fühlen, was sie bis dahin immer nur besinnungs-los und empfindungslos anderen antat... Wenn sie ihr Denken einmal nicht auf das Ersinnen neuer Un-Taten, verletzender, spottender Schläge legen, sondern auf das Empfinden und Erleben dieses ihres Tuns richten würde...

Vom Wesen des Spottes

Der Spott in der heutigen Welt ist ganz in das Reich der Bosheit gefallen. Er ist das Produkt gefallener Herzen. Wir sehen eine Welt voller Spott. Spott, Häme, Spitzen, Hate-Speech, Mobbing, Hass. Man kann sich in den Internet-Foren bewegen, aber auch in der realen Welt, und man begegnet – der Finsternis in den Herzen, der Bosheit.

Wieviel Hass, Leid, Enttäuschung, aber eben daraus hervorgehend auch Bosheit, muss in den Herzen stecken, die mit dunklen, abwertenden Urteilen durch die Welt laufen – die ja nie wirklich begründet werden, weil sie gar nicht begründet werden können, sondern nur der eigenen Antipathie entspringen. Die Bosheit ist das Ventil der Antipathie – und wieviel davon steckt in den Herzen!

Um ein Wesen besser zu verstehen, kann man zu seinem Ursprung zurückgehen. Woraus ist dieser Spott geboren?

Der Spott der heutigen Welt ist geboren aus der Oberflächlichkeit. Man kann dies immer wieder beobachten, man muss auch hier nur in die Welt, die Phänomene, eintauchen. Wer kein innerliches Leben mehr hat, wer selbst vor der Leere des eigenen Herzens steht, wer im Materialismus, im Konsumrausch, in der Genusssucht, in der endlosen Öde und Leere des Nichts versinkt – der spottet, weil seine Seele unbewusst immer mehr voller Hass ist, voller Nichts und dann voller Hass. Spott ist Offenbarung der eigenen Leere.

Wer eine Beziehung zur Spiritualität zu haben meint, mag auch darüber wieder spotten, denn erweisen nicht die Phänomene selbst das Gegenteil? Aber das ist nicht der Fall. Spiritualität und Spott stehen sich diametral gegenüber. Spotten tut nur der, der Spiritualität so konsumiert wie alles andere. Spott ist der Beweis, dass das Spirituelle keine Frucht getragen hat. Man kann an den dürren Feigenbaum aus dem Evangelium denken. Der Spott wächst wie ein krustenhaftes Übel an jenen Seelenbäumen, die nichts anderes in sich wachsen lassen. Es sind gleichsam Angsttriebe des eigenen Scheiterns.

Und dieser Spott ist untrennbar verbunden mit der Oberflächlichkeit.

Vom Wesen des Ernstes

Sowohl der Goetheanist als auch das Mädchen tragen in sich auch das heilige Wesen des Ernstes. Die Bosheit trägt in sich nur ihre eigene Hässlichkeit.

Was aber ist Ernst? Hören wir einmal, was Kierkegaard, dieser große Existenzialist, über den Ernst schrieb:

Ernst und Gemüt entsprechen nun einander dergestalt, daß Ernst ein höherer und der tiefste Ausdruck für das Gemüt ist. Gemüt ist eine Bestimmung der Unmittelbarkeit, wogegen Ernst die erworbene Ursprünglichkeit des Gemütes ist [...]. Dessen Ursprünglichkeit in ihrer historischen Entwicklung zeigt gerade das Ewige im Ernst, weshalb der Ernst niemals Gewohnheit werden kann. [...] Gewohnheit entsteht, sobald das Ewige aus der Wiederholung entschwindet. [...] Man spricht wohl davon, daß ein lebendiges und inniges Gefühl die Ursprünglichkeit bewahrt, aber die Innerlichkeit des Gefühls ist ein Feuer, das abkühlen kann, sobald der Ernst sich seiner nicht annimmt [...].
Sören Kierkegaard: Der Begriff Angst. Rowohlt, 1969, S. 135.

Kierkegaard weist unglaublich klar und eindrücklich darauf hin, dass der Ernst jedem Tun die Ursprünglichkeit und damit das Ewige bewahrt. Er spricht von erworbener Ursprünglichkeit!

Man muss nur einmal an die Aufgabe eines Priesters denken: Er soll jede Woche wieder, vielleicht sogar mehrmals in der Woche, die Menschenweihehandlung zelebrieren. Es ist deutlich, dass dies nur in vollem Ernst und in voller Ursprünglichkeit, Moment für Moment, wahrhaft möglich ist. Das Heilige kann nur mit heiliger Ernsthaftigkeit wahrgemacht werden. Ernst ist kein Gegensatz zu Freude oder Leichte, sondern zu Flachheit, Oberflächlichkeit, Routine und Lüge. Ernst führt das Gemüt in die Tiefe – und dort erst lebt das Heilige, das Ursprüngliche, das Wahre.

Kierkegaard schreibt weiter:

[...] nur eine ernste Persönlichkeit ist eine wirkliche Persönlichkeit, und nur eine ernste Persönlichkeit kann etwas mit Ernst tun; denn um etwas mit Ernst zu tun, muß man zuallererst wissen, was der Gegenstand des Ernstes ist. [...] Diesen Gegenstand hat jeder Mensch, denn es ist er selbst, und der, der darüber nicht ernst wurde [...], ist trotz seines Ernstes ein Spaßvogel [...]. [...] Die Innerlichkeit, die Gewißheit ist Ernst. [...] Sobald die Innerlichkeit fehlt, ist der Geist verendlicht. Die Innerlichkeit ist deshalb die Ewigkeit oder die Bestimmung des Ewigen in einem Menschen.
Ebd., S. 136f.

Kierkegaard steht damit einer flachen, seelenleeren Spaß- und Spottkultur diametral gegenüber. Er hätte die „Kultur“ der flotten Sprüche und Kommentare unmittelbar als das entlarvt, was sie ist: mangelnder Ernst, mangelnde Innerlichkeit, mangelnde Persönlichkeit. Mangelndes Menschentum.

Und in seiner Erkenntnis des Ernstes als Hüter der Ursprünglichkeit ist er ein wahrer Geistesbruder von Novalis, denn auch Novalis war es mit seinem magischen Idealismus ganz und gar ernst. Und nur der Ernst kann zu dem magischen Idealismus finden – und damit zu dem hohen Sinn, dem geheimnisvollen Ansehn, der Würde des Unbekannten und dem ewigen Schein in und hinter allem...

Der Spott der „Egoisten“...

In meinem letzten Aufsatz vor drei Tagen habe ich versucht, den Gegensatz des Luziferischen und Ahrimanischen umfassend erlebbar zu machen und in diesem Zusammenhang zu zeigen, dass Michael Eggert in seinen „Enthüllungen“ des Luziferischen regelmäßig über das Ziel hinausschießt und am anderen Pol verbleibt. Dass die luziferische Gefahr altbekannt ist, habe ich durch einen Hinweis auf Steiners Leiden unter den „Tanten“ illustriert. Hierzu war ein Zitat aus Andrej Belyis Buch „Verwandeln des Lebens“ sehr eindrücklich, das sich sogar auf dem „Egoisten“-Blog selbst befand – was mir fast unwahrhaftig erscheint, da Belyi ein uneingeschränkter Bewunderer Steiners war, dessen tiefen Ernst (!) die „Egoisten“ in anderem Zusammenhang sicher mit Spott hätten übergießen können.

Aber nun fand der größte Spötter bei den „Egoisten“ meinen Hinweis auf Steiners feinen Spott gegenüber den „Tanten“ ein gefundenes Fressen, um erneut sein Seeleninneres nach außen zu kehren:

Stephan Birkholz – 04.01.2018 17:00
Ich würde [...] sagen, dass Herr Niederhausen auf seine alten Tage als Folge reichlicher hier erhaltener therapeutischer Spott-Abwaschungen doch noch die Mission des Spottes als okkultes Heilmittel zu würdigen gelernt hat:
Gegen diese „Tanten“, aber auch „Onkel“, wurde Steiner nicht müde, mit feinem Spott zu agitieren, um auch diese Seelen zum Aufwachen zu bringen – was ihm offenbar selten gelang. Denn – und das wusste Steiner natürlich sehr gut –, dieses Aufwachen und vor allem dasjenige, was sich daraus dann ergeben könnte, das muss die Seele selbst wollen.
Natürlich versucht er das als Errungenschaft seiner eigenen okkulten Forschungen zu verkaufen; abet er verweist dabei sogar noch würdigen auf einen Artikel im Egoistenblog als Quellangabe!

Stephan Birkholz – 04.01.2018 17:06
Zur Erinnerung: Bisher war Spot für Niederhausen eher so eine Art okkultes Crystal Meth ohne jegliches therapeutisches Spektrum...

Abgesehen von den unsäglichen Schreibfehlern, die allein schon ein Signum des oberflächlich-schnellen Hinwerfens sind, zeigt sich hier wieder der zugleich herablassende und oberflächlich-lässige „Laber“-Spott der sich in cooler Verachtung gefallenden Egoisten. Dieser Blogger merkt nicht, wie sehr all diese coolen „Vergleiche“ und angeblich geistreichen, in Wirklichkeit aber nur peinlichen Kommentare die Seele an die Oberfläche reißen. Es ist derselbe „Witz“, wie er in verschworenen Männerrunden auftritt – Geistlosigkeit, die nur auf zustimmende hässliche Lacher aus ist. Seelenleere, die sich an ihrer eigenen Hässlichkeit erfreut.

Und was dann noch dazu kommt, ist die Lügenhaftigkeit, mit der dieser degenerierte Spott sich auf eine Stufe mit etwas völlig anderem stellen zu können meint, was man auch „Spott“ nennen kann, obwohl man zwei verschiedene Worte dafür bräuchte. Diesen Hochmut kann man nur auf die feiste Selbstgefälligkeit der Bosheit selbst zurückführen.

...und der Spott Rudolf Steiners

Wenn die Rede davon ist, dass Rudolf Steiner mit einem feinen Spott versuchte, den „Tanten“ ihre Tantenhaftigkeit zu entlarven, so kann wiederum nur ein reines Denken und ein reines Fühlen den weltenweiten Unterschied zur Bosheit erkennen und empfinden. Die Bosheit selbst hat diesen guten Willen nicht.

Ich habe nie gesagt, dass es keinen Spott geben könne, der heilsam sein könnte. In der Vergangenheit hatte ich mein Augenmerk aber immer auf den Spott der „Egoisten“ gerichtet – und was ich über diesen sagte, bleibt voll und ganz wahr. Dieser Spott ist ein Sammelbecken aus Selbstgefälligkeit und Seelenleere.

Rudolf Steiner dagegen musste sich der „Tanten“ erwehren, die ohne Nachdenken, aber mit „theosophischer Wollust“ in die mystischen Höhen entschweben wollten. Man muss dabei die unglaubliche Menschenliebe des Eingeweihten immer mitdenken. Die innere Untätigkeit und der mangelnde Ernst seiner Mitmenschen, die Bequemlichkeit und die (auch spirituelle) Genusssucht waren für ihn ein größter Schmerz. Wenn er vor diesem Hintergrund dann versuchte, die „Tanten“ dafür aufzuwecken, dass sie innerlich nichts taten, und dass es doch wichtig wäre, eine ernsthafte spirituelle Sehnsucht zu entwickeln, die mit wirklichem inneren Üben einhergeht, dann war der feine Spott, mit dem er dann vielleicht auch sprach, der Versuch aufzuwecken. Denn gerade dies war seine Lebensaufgabe. Menschen aufwecken, nichts anderes hat er sein ganzes Leben lang gewollt.

Die „Egoisten“ dagegen haben viel mehr mit den „Tanten“ gemein, als ihnen lieb sein kann. Die erste Gemeinsamkeit ist schon dieses Bequeme und Lustvolle der kurzen Kommentare, die ja nie ein eigenes Denken nötig machen, sondern immer in der angenehmen Passivität bleiben – zu der sich dann noch das Gruppengefühl gesellt. „Tantenhafter“ geht es eigentlich nicht mehr.

Man muß, um Kritiker zu sein, immer ein bißchen hassen, wenn man nicht ein lobender Kritiker ist, und die sind ja heute selten, denn das ist nicht interessant, die Dinge anzuerkennen. Interessant wird es ja nur, wenn man Witze macht über die Dinge. Nun gibt es ja alle möglichen Zwischenstufen. Aber es handelt sich hier um dasjenige an Menschentaten, das aus kalter Antipathie, aus einer gewissen Antipathie, über die man sich oftmals gar nicht klar wird, bis zum Haß hin hervorgeht. Alles das, was in dieser Weise von Menschen bewirkt wird gegenüber anderen Menschen [...], all das lädt sich wiederum in Seelenzuständen ab, die sich nun auch spiegeln in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Und da kommt dann im nächsten Erdenleben aus dem Haß dasjenige heraus, was uns zuströmt von der Welt als leidvolles Wesen, als Unlust, die von außen verursacht wird, als das Gegenteil der Freude.
[...] Ja, wenn man auf diesem Gebiete vorurteilslos denken will, dann muß man sich schon klarmachen, wie groß die Illusion ist, die einem wohltut und der man daher sehr leicht sich hingibt, wenn es sich darum handelt, irgendwelche Antipathiegefühle gegen andere Menschen sich abzusuggerieren. Die Menschen gehen mit viel mehr Haß, als sie denken, eigentlich durch die Welt, wenigstens mit viel mehr Antipathie. Und es ist nun schon einmal so: Haß, er wird zunächst, weil er der Seele ja Befriedigung gibt, gewöhnlich gar nicht erlebt. Er wird zugedeckt durch die Befriedigung. [...]
Aber denken Sie nur einmal [...] an einen so richtigen Kaffeeklatsch, wo ein Halbdutzend – es genügt schon! – irgendwelcher Tanten oder Onkels – es können auch Onkels sein – beisammensitzen und über ihre Mitmenschen sich ergehen! Denken Sie, wieviel da an Antipathien [...] abgeladen wird auf die Menschen! Indem das ausströmt, bemerken es die Leute nicht; aber wenn es im nächsten Erdenleben zurückkommt, da wird es sehr wohl bemerkt. Und es kommt unweigerlich zurück.
Rudolf Steiner, 24.2.1924, GA 235, Esoterische Betrachtungen, Band 1, S. 72f.

Der Egoist und das Therapeutische

Wäre man wirklich wahrhaftig, würde man bei der Erkenntnis, dass der Egoisten-Blogger die zwei weltenfern voneinander stehenden Arten des Spottes gleichsetzt, zutiefst erschrecken. Es müsste einem wie eine Lanze durch das Herz gehen, zu empfinden, wie hier die Wahrheit selbst mit Füßen getreten wird.

Ich würde [...] sagen, dass Herr Niederhausen auf seine alten Tage als Folge reichlicher hier erhaltener therapeutischer Spott-Abwaschungen doch noch die Mission des Spottes als okkultes Heilmittel zu würdigen gelernt hat.

Die Bosheit selbst steigt auf den Sockel und erklärt sich zum Therapeuten und Priester!

Die ganze Abgründigkeit kann man nur empfinden, wenn man ein tiefes, reales Erleben dessen hat, was mit diesen Begriffen gemeint ist, was in ihnen lebt. Das Heilen als heilige Handlung. Der Götterdienst als heilige Handlung. – Und dann auf der anderen Seite der wüste, seelenlose, ge-hässige, hassende Spott...

Damit einher geht die andere Abgründigkeit, die auf dem „Egoisten“-Blog so verbreitet ist, nämlich das Deuten, Diagnostizieren und Therapieren von Menschen. Es gibt auf diesem Blog Blogger, die merken nicht einmal mehr, wie sehr sie mit jeder solcher Bemerkung in selbstvergottender Weise in das Heiligtum eines anderen Menschen einbrechen, um Asklepios zu spielen, in Wirklichkeit aber im selben Moment einen Hochmut und eine Kälte in sich vereinigen, dass dies alle „Tanten“ und „Jesuiten“ erblassen lassen müsste. Denn diese Selbstverständlichkeit und Bosheit, mit der hier das Heiligtum einer anderen Individualität betreten wird, sucht ihresgleichen.

Das, was aus den Federn dieser Blogger spritzt, ist nicht Therapeutisches, es ist Gift, wie schwarzes Blut aus einer vergifteten Wunde, herauseiternd, weil selbst die Wahrheit nicht vertragen wird, weil selbst keine Hingabe an die Wahrheit besteht, nicht der Weg reiner Gedanken, reinen Fühlens und selbstloser Besinnung, frei von allen Antipathien gesucht und beschritten wird.

Der Goetheanist hätte keine Schwierigkeiten, die Phänomene als das zu erkennen, was sie sind. Eine schwärende, schwelende Lust am Giftigen – an hässlichen, bösen, übelriechenden Kommentaren, die nur der eigenen Lust dienen und eine entsprechend boshafte Lust der Anderen aufstacheln und widergespiegelt sehen wollen. Der Goetheanist würde dies mühelos erkennen und sich dann angewidert abwenden. Das Mädchen aber, dessen Herz auch während der Erkenntnis nicht schweigt, würde sich unmittelbar entsetzen – und sich entsetzt fragen, was hier vorliegt, wie so viel Hass und Antipathie in einem Herzen möglich sind...

„Was tust du?“, würde es fragen. „Warum tust du das?“ – Und die Bosheit hätte keine Antwort, oder nur eine neue Lüge.

Das Therapeutische ist die Frage. Das Therapeutische ist die Stille. In der Seelen-Ruhe kann die Selbsterkenntnis empfangen und schließlich geboren werden.