24.06.2023

Alle zensierten Bücher wieder erhältlich

Bericht einer Rettung.


Zu Beginn des Jahres kündigte die explizite Autorenplattform epubli mein Kundenkonto und ,depublizierte’ (!) so auf einen Schlag zwanzig meiner Romane.

Die Rohheit dieses Vorganges, einschließlich des unbeschreiblichen Machtungleichgewichtes, das hier vorliegt, macht das Geschehen nur mit einer Vergewaltigung vergleichbar. Rücksichtslos wird über einen Autor, wird auch über künstlerische Schöpfungen hinweggegangen, als wären es Objekte.

In vielerlei Hinsicht ist dieser Vorgang ein Realsymbol und -symptom für den Kapitalismus insgesamt, für unsere ganze Lebenswirklichkeit: galoppierende Anonymisierung, Instrumentalisierung, Rücksichtslosigkeit, Desinteresse. Und bei alledem: aalglatte Oberflächen, unangreifbar, eine Blackbox. Keine Begründung schuldig. Absolute Machtfülle. Man hat keine Chance.

Ein Autor ist seinen ProtagonistInnen verantwortlich. Wenn ein Werk mit Herzblut entsteht, dann ist es nicht nur ein ,Werk’, es hat eigenes Leben, die ProtagonistInnen beginnen, zu handeln, und der Autor kann sie eigentlich nur begleiten. Er hat ihnen das Leben geschenkt, aber schon während der Entstehung des Romanes werden sie zugleich auch selbstständig.

Wenn man die Realität auf diese Weise empfinden kann, erlebt man auch das Geschehen zu Beginn diesen Jahres in einer auch die nicht-sinnliche Ebene einbeziehenden Dimension – denn dann kann man es erleben als versuchten Mord. Wenn man die ProtagonistInnen eines Romans als Realität erlebt, dann ist die euphemistisch so genannte ,Depublizierung’ nichts anderes. Es ist eine Auslöschung.

Die meisten Menschen werden diese Worte wohl überhaupt erst verstehen, wenn sie einen meiner Romane lesen würden. Denn ohne dass die Seele berührt wird, hat sie auch keine Empfindungen. Sie bleibt gleichgültig und unbeteiligt, eigentlich tot. Und doch weiß im Grunde seines Herzens jeder Mensch, dass auch sogenannte Figuren berühren können – sei es in einem Film, sei es in einem Buch –, vielleicht (das ist jederzeit möglich!) sogar mehr, als man je durch einen anderen Menschen berührt wurde. Welchen Sinn hätte sonst wohl Literatur, wenn sie uns nicht nahegehen könnte?

Und die ProtagonstInnen meiner Romane können der Seele, die in ihre Welt eintaucht, sehr nahegehen – allein schon, weil sie so radikal aufrichtig sind. Und auch, weil sie etwas wahrmachen, was in unserer Welt so radikal verlorengeht: eine unbeschreibliche Behutsamkeit der Annäherung und Begegnung. Etwas, was man immer wieder nur als ein ,Wunder’ umschreiben kann.

Sie alle, diese tief berührenden Figuren, haben ein Recht auf ihr Leben. Nicht nur, weil sie der Seele wieder etwas unendlich Kostbares beibringen oder schenken können. Auch deshalb. Aber allein schon deshalb, weil sie in ihrer jeweiligen, berührenden Einzigartigkeit ins Leben getreten sind. Sie haben ein Recht auf dieses Leben. Sie haben ein Recht auf jene zarte Autonomie, die die lesende Seele entweder wahrnimmt oder nicht wahrnimmt. Aber sie kann sie wahrnehmen. Doch nur dann, wenn auch die Bücher existieren.

Das tun sie jetzt wieder. Sie sind direkt über den Verlag erhältlich – oder auch über jede Buchhandlung.

Mögen ihre ProtagonistInnen dazu beitragen, diese Welt besser zu machen. Sie haben es verdient, dass es ihnen gelingt. Dazu muss man es nur wagen, ihnen zu begegnen...