15.01.2013

„Ein Kämpfer für die Menschlichkeit“

Buchrezension von Wilhelm Neurohr zu meinem Roman „Die Wende“ und meinem zweibändigen Werk zur Finanz- und Gesellschaftskrise „Zeit der Entscheidung“. | PDF.

Wilhelm Neurohr, 1951 geboren, Personalratsvorsitzender und Agenda-Beauftragter der Kreisverwaltung Recklinghausen, engagiert sich seit Jahrzehnten in zivilgesellschaftlichen Initiativen, darunter Attac, ver.di und Netzwerk Soziale Dreigliederung, als Mitbegründer von Bürgerinitiativen und Sozialforen sowie bei der Vorbereitung eines regionalen EU-Forums. Verfasser zahlreicher Aufsätze über Sozialgestaltung, Globalisierungs- und Europafragen. Vortragstätigkeit und Mitwirkung bei Kongressen und Veranstaltungen in ganz Deutschland. (Quelle)


Innerhalb eines Jahres gleich drei umfangreiche Bücher zu schreiben und im Eigenverlag herauszugeben – ein zweibändiges engagiertes und ambitioniertes Werk über die aktuelle Finanzkrise und zugleich einen (Jugend-)Roman „Die Wende“ –, ist ein beachtlicher Kraftakt aus spirituellen Kraftquellen. Wenn dann noch aus jedem dieser Bücher von Holger Niederhausen, die sich inhaltlich als Dreiklang aufeinander beziehen, ein bewundernswerter Idealismus und ein spürbares Mitleiden an den momentanen Zuständen dieser Welt und der Menschheit sichtbar wird, dann werden die Leser zutiefst ergriffen und aufgerüttelt.

Anstoß ist für ihn die große Krise der Gegenwart, die von den Menschen selber hervorgerufen wurde und somit auch durch die Menschen wieder änderbar ist. Statt dem fassungslosen und ohnmächtigen Zuschauen oder Wegschauen sollte Mut zum idealistischen Handeln entfacht und aufgebracht werden, der nicht als bloßer ideologischer Strohfeuer-Idealismus verglüht, sondern den Kern des Menschseins und der Menschenwürde freilegt. Die brennende Sehnsucht des Autors nach mehr Menschlichkeit, nach einer menschlicheren Gesellschaft verbindet sich mit der Hoffnung nach Verwandlung des menschlichen Denkens und Fühlens für eine andere, menschlichere Zukunftsgestaltung.

Die gegenwärtigen machtpolitischen Verhältnisse mit ihrer Verlogenheit und Gefühlskälte, die immer krasseren Missstände und Fehlentwicklungen durch den allgegenwärtigen neoliberalen Fundamentalismus, die Lieblosigkeit gegenüber den sozialen Verlierern, empfindet Holger Niederhausen als zutiefst unmenschlich und damit unwirklich, fernab der eigentlichen menschlichen Wirklichkeit und Fähigkeit. Die gegebene Realität sei nicht die Wirklichkeit. Deshalb sieht Holger Niederhausen jetzt die Zeit der Entscheidungen gekommen, um dem totalitären Neoliberalismus Einhalt zu gebieten. Darum hat er neben seinen Büchern auch noch „Das menschliche Manifest“ verfasst und verbreitet. Auch wenn dem einen oder anderen Leser zunächst noch das Anliegen des Autors ein wenig mit moralisierendem und „missionarischem Sendungsbewusstsein“ durchsetzt anmuten mag – beim vertieften Lesen wird man aber selber so berührt, dass man den Willensimpuls und Idealismus des Autors (zumal in grober Kenntnis seines biografischen Werdeganges und Betätigungsfeldes) als authentisch und ansteckend verspürt.

Die hoffnungsvolle und zugleich verzweifelte Botschaft dringt aus vielen Zeilen: Die Menschheit und damit jeder Einzelne, der nicht mitdenkt, mitfühlt und mitleidet, fällt weit hinter bisherige menschliche Errungenschaften zurück, statt eine Wende zu mehr Menschlichkeit zu vollziehen, die nur durch ein verändertes Denken und Fühlen zu verändertem, liebevollerem Handeln führen kann. Ein jeder Mensch müsste in der Lage sein, ein tiefes Mitleid zu fühlen, solange auch nur ein einziger anderer Menschenbruder noch leiden muss. Das milliardenfache Leid, das die (un-)menschliche Gegenwart prägt, darf nicht dazu führen, dass Gefühle abstumpfen. Der Glaube an die Kraft der Liebe, die durch die richtigen (idealistischen) Gedanken und Erkenntnisse befeuert wird, kommt insbesondere in dem Roman „Die Wende“ von Holger Niederhausen zum Ausdruck, der bisweilen auch autobiografische Züge zu enthalten scheint und ein wenig auf den Spuren von Novalis wandelt.

Wenn man so will, ein sozial- und zeitkritischer Liebesroman, der den Leser fesselt: Der 17-jährige Georg begegnet dem wunderbaren Mädchen Lily, es ist wie ein schicksalhaftes Wiedererkennen, und aus ihrer reinen Liebe erkennen die beiden nach Erkenntnis ringend in bisweilen philosophischen Gesprächen und Erlebnissen die größten Herausforderungen ihres Lebens: Sie machen die erschütternde Erfahrung, dass spirituelles und soziales Leben nicht voneinander zu trennen sind und daraus soziale Verantwortung für den Nächsten und die Gesellschaft erwächst. Daraus entwickeln sie gemeinsame Ideen und Aktivitäten für vielfältiges soziales Engagement, mit überraschend offengelegten Sympathien für die Anliegen der Linken und ihrer Linkspartei – wohl wissend dass nicht die ideologischen, sondern die spirituellen Quellen und die gereiften Ideale der Antrieb für das soziale oder brüderliche Handeln aus sozialer Gesinnung sind. Wenn sich somit der einzelne Mensch zur rechten Zeit mit anderen, ebenso empfindenden Menschen solidarisch zum Handeln zusammentut, beginnt das soziale Werk der Veränderung. Als entscheidenden Schritt streben sie am Ende des Romans ein angestrebtes „Bündnis der Menschlichkeit“ an.

„Neue Begriffe für eine grundlegend menschliche Gesellschaft“ lautet demgemäß der Untertitel auch der beiden Bände als Sachbücher zur Finanzkrise („Zeit der Entscheidung“ Teil I und II), die Holger Niederhausen seinem Roman voranstellt oder zur Seite stellt. Der erste Band ist eine fleißige, gründliche und umfassende Recherche-Arbeit als Analyse der Finanzkrise mit ihren wahren Hintergründen. Von der Finanzkrise über die Euro-Krise zur Weltkrise reichen die Kapitel und zeugen von der Geldgier bis hin zur Kriminalität und führen in den „deutschen Sumpf“ hinein. Herausgekommen ist eine Dokumentation, die sich mit ihren vielen zusammengetragenen Zahlen, Daten und Fakten und dem zeitlichen Krisenverlauf auch gut als Nachschlagewerk eignet sowie als Argumentationshilfe für die „einsamen Rufer in der Wüste“, die sich dem Irrsinn fachkundig entgegenstellen. Der durch Unwissen erzeugten Ohnmacht wird Aufklärung entgegengesetzt.

Der zweite Band baut darauf auf und verdeutlicht zu dem Krisenszenario, dass hierbei menschliches Denken am Scheideweg angelangt ist. Das Buch bzw. sein Autor möchte erklärtermaßen Hoffnung machen und den Willen stärken. Dass eine andere Welt möglich ist, wird lichtvoll aufgezeigt, auf den deutschen Idealismus Bezug genommen, und neue Begriffe für ein neues Denken werden eingeführt. Die Themenpalette reicht von der Geldfrage und Zinsfrage über die Eigentumsfrage, vom Verhältnis der sogenannten „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ am sogenannten Arbeitsmarkt, der sich zum neuen Sklavenmarkt gewandelt hat, über die Eigentums- und Steuerfragen bis zum Verhältnis zwischen Wirtschaft, Staat und einem freien Kultur- und Geistesleben.

Alle drei Bücher sind keine „leichte Kost“ zur Entspannung, zumal sie beim Lesen die Gefühle aufwühlen und eigenes Mitdenken und Nachdenken erfordern sowie ein Eintauchen in die Themen und Probleme und die eigene Einbindung darin. Wer nach dem Lesen keinen sozialen Handlungsimpuls verspürt und zunächst wieder zur Tagesordnung übergeht – was eher unwahrscheinlich ist –, dem ist zu wünschen, dass er dennoch auf anderen, eigenen Wegen ein sozial Bewegter wird oder bleibt. Für bequeme Unterhaltung steht der von Idealismus getrieben engagierte Autor mit seinen Büchern den Lesern nicht zur Verfügung, das zeigt auch seine ebenso lesenswerte Homepage unter www.holger-niederhausen.de.

Wilhelm Neurohr


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