13.12.2010

Irene Diet und der Höhepunkt irreführender Polemik

Erwiderung auf: Irene Diet: Dem "Meister des Abendlandes" gewidmet? in: Anthroposophie. Vierteljahrsschrift zur anthroposophischen Arbeit in Deutschland. Weihnachten IV / 2010, Nr. 254. Vorab veröffentlicht bei Michael Muschalle


Inhalt
Einleitung
Schon eine falsche Ausgangsfrage
Die Bedeutung Rudolf Steiners für Mieke Mosmuller
„Das konnte nur Rudolf Steiner...“
Innere Aktivität und Enthusiasmus – missverstanden
Ein Zitat – herausgerissen und missverstanden


Einleitung

Die Auseinandersetzung um die Bücher von Mieke Mosmuller wird härter. Nachdem man ihr bisher nur vorgeworfen hatte, sie scheue den Diskurs mit Menschen wie Judith von Halle oder Renatus Ziegler und spreche lieber von einer inneren Gegnerschaft der Anthroposophie, gehen ihre Gegner nun dazu über, ihre eigenen Gedanken und Mahnungen gegen sie zu richten – eine Strategie, die Gegner der Anthroposophie von Anfang an sehr bewusst angewendet haben (vgl. schon Karl Heyer: „Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft“).

Während Mieke Mosmuller in „Stigmata und Geisterkenntnis“ nachwies, dass Judith von Halles Schauungen nicht leibfrei sein können, und in „Arabeske“ zeigte, dass Ken Wilber den zur Anthroposophie entgegengesetzten Weg geht, setzt Irene Diet in einem für die Weihnachtsausgabe der Zeitschrift „Anthroposophie“ geplanten Aufsatz die Behauptung in die Welt, Mieke Mosmuller selbst würde nicht aus der Leibgebundenheit hinauskommen.

Nun kann man durch herausgerissene Zitate natürlich immer alles belegen – und wenn eine solche Behauptung erst einmal in der Zeitschrift „Anthroposophie“ erschienen ist, ist sie eben auch vielfältig in der Welt verbreitet worden. Um so wichtiger ist es, sich deutlich zu machen, wie Diets Argumentation verläuft.

Zunächst sei auf den Umstand hingewiesen, dass schon in der Michaeli-Ausgabe der „Anthroposophie“ eine haltlose Diffamierung Mieke Mosmullers durch Rüdiger Blankertz erschien. Ich ging damals ausführlich auf diesen Aufsatz ein (siehe: Zeitschrift „Anthroposophie“ als Sprachrohr okkult angehauchter Diffamierungen?) und verwies auch auf aufschlussreiche Querbezüge in der Zusammensetzung der Redaktion dieser Zeitschrift. Offenbar gibt es auch zwischen Diet und Blankertz engere Zusammenhänge (siehe z.B. das gemeinsame Dokument von 2005: www.menschenkunde.com/pdf/goetheanum_de/Goetheanum_de_was_wir_wollen.pdf). All dies weiß der normale Leser natürlich nicht, und so können zwei Aufsätze in der Vorstellung zahlloser Leser ein Bild zementieren, das der Wirklichkeit völlig Hohn spricht...

Schon eine falsche Ausgangsfrage

Extrem tendenziös und polemisch weist Diet gleich zu Anfang darauf hin, dass Mieke Mosmuller mit ihren Büchern „Stigmata oder Geist-Erkenntnis“ (2008) und „Der lebendige Rudolf Steiner“ (2008) angeblich ein bis dahin gültiges „Grundprinzip ihrer Arbeit“ verlassen hätte und seitdem „keine Gelegenheit auslasse“, ihre Arbeiten mit Rudolf Steiner in Verbindung zu bringen.

Im Weiteren will Diet den Eindruck erwecken, Mieke Mosmuller sei es vor 2008 nur ganz am Rande um Rudolf Steiner und seine Anthroposophie gegangen. Ist man sich über die Haltlosigkeit dieses Vorwurfes klar, wird einen auch der ganze Rest ihrer Polemik nicht mehr in den Bann zu ziehen, nur ... an diesen klaren Punkt muss man erst einmal kommen.

Warum setzt sich wohl ein Mensch wie Mieke Mosmuller seit 2008 brennend für die Wahrheit der Anthroposophie ein und mit den inneren Gegnern der Geisteswissenschaft auseinander, wenn es ihm nicht ganz und gar um diese Wahrheit ginge?

Das kann für Irene Diet doch nur dann ein Rätsel sein, wenn sie nicht sieht, wie diese innere Gegnerschaft seit eben diesen Jahren durch diverse Veröffentlichungen (von Halle, Gronbach & Info3 und deren Wilber-Kurs, Ziegler usw.) eine ungeheure Vielfalt und Brisanz gewonnen hat. Vor diesen Jahren konnte man „nur“ einen ungeheuren inneren Niedergang innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft beobachten: Tote Form. In diesen letzten Jahren aber sind Strömungen in der „Bewegung“ aufgetreten und in sie eingedrungen, die mit der Anthroposophie nicht einmal der Form nach mehr etwas zu tun haben (auch wenn sie dies natürlich beanspruchen)!

Weiterhin übersieht Diet absichtlich, dass Mieke Mosmuller während 14 Jahren Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft und fast ebenso lange der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft gewesen war – bis sie (anlässlich der Rassismusvorwürfe gegen Rudolf Steiner, denen die holländische Landesgesellschaft halb „entgegenkam“) austrat, weil die lebendige Anthroposophie in der Gesellschaft in all diesen Jahren nicht zu finden gewesen war.

Vor allem aber übersieht Irene Diet, wie es in Mieke Mosmullers Werken ein Zeichen von Ehrfurcht ist, wenn sie den Namen Rudolf Steiners oder auch den Namen des Christus nicht fortwährend im Munde führt. Diet aber wirft ihr nun beides vor: In einigen neueren Büchern tue sie dies zu intensiv, in ihren anderen zu wenig... Will Sie sich etwa zur Instanz aufschwingen, wie, in welcher Form und wie oft man den Namen Rudolf Steiners in einem Buch nennen muss?

Vielleicht kann man mit einem Hinweis auf Mieke Mosmullers Romane beginnen. Ein Jahr nach ihrem ersten Buch „Suche das Licht...“ erschien 1995 ihr erster Roman „Mutter eines Königs“. Seitdem sind alle ihre Romane aus der Anthroposophie heraus geschrieben – ihr Wesen berührt einen auch in diesen Romanen viel lebendiger als in unzähliger anthroposophischer Sekundärliteratur.

Die Bedeutung Rudolf Steiners für Mieke Mosmuller

Man fragt sich auch, ob Irene Diet die holländischen Werke von Mieke Mosmuller kennt. In jedem Fall sind vor 2008 überhaupt nur fünf Bücher auf deutsch erschienen: „Suche das Licht...“, „Der heilige Gral“ und drei Romane.

In Mieke Mosmullers Romanen geht es um den inneren Entwicklungsweg, um die Einweihung in den Geist und die Suche nach dem Geist. Dieses Thema wird von ihr sehr berührend und tief künstlerisch gestaltet – und in der künstlerischen Form des Romans muss die Handlung nicht mit historischen Gegebenheiten und Namen verknüpft werden. Wenn Irene Diet ihr also vorwirft, in ihren Büchern vor 2008 tauche „Rudolf Steiner“ nicht oder „zu wenig“ auf, ist das geradezu unverschämt.

Und obwohl es keinerlei moralische oder sonst welche Forderungen von Dritten geben kann, wie ein Roman zu gestalten wäre, finden sich in „Die Weisheit ist eine Frau“ Passagen wie diese (S. 194f):

„Er hat mir eine Anzahl Sätze zur Meditation mit auf meinen Weg gegeben. Keine Antworten, sondern eine Methode, einen Weg. Vielleicht liegen entlang des Weges die Antworten, aber es wird eine lange Reise werden, und ich nehme dich gerne mit, Jean. [...] Johannes ist ein Lehrer, kein Freund. Obwohl ein moderner Geisteslehrer heutzutage mehr ein Freund ist als früher, glaube ich.“
Nachdem sie ihm genau erzählt hatte, was sie gehört hatte, sagte Jean:
„Steiner.“
„Wieso?“, fragte sie erstaunt.
Er ist ein Schüler Steiners, ich kenne die Methode. Der Meister des Abendlandes, er ist es. Ich habe früher über ihn gelesen, hatte es jedoch ein wenig vergessen.“
„Er ist wirklich kein Anthroposoph, Jean!“
„Er ist zu selbständig, zu groß, … um Mitglied eines Clubs zu sein. Doch ist jedes Wort, das du von ihm empfangen hast, ein Zeugnis Steiners.“
„Der Meister des Abendlandes?“
„Das Abendland kennt keine Meister … außer Steiner und, vielleicht … Johannes.“


In dieser Passage dieses wunderbaren Romans (niederländisch 2002, übersetzt 2006) ist eigentlich bereits alles enthalten: die einzigartige, ganz offen bezeugte Stellung Rudolf Steiners und zugleich auch der Grund für die Zurückhaltung, fortwährend seinen Namen zu nennen. Die Welt verwechselt Rudolf Steiner fortwährend mit seinen heutigen Anhängern – und dies führt fortwährend zu schlimmsten Täuschungen über das wahre Wesen dieses Meisters des Abendlandes... Darum dient man ihm heute gerade dadurch, dass man diese Verwechslung so stark wie möglich vermeidet und einfach das Wesen der Anthroposophie darstellt. Ist man einmal mit dem ganz anderen Wesen der real existierenden „Anthroposophie“ in Berührung bekommen, ist es fast unmöglich, der unheiligen Verwechslung zu entgehen.

An anderer Stelle heißt es in demselben Roman (S. 128f):

„Du solltest einmal Steiner lesen. Bei ihm findest du Antworten auf deine Fragen. [...]“
„Ach ... Steiner. Nein. Ich habe gesehen, wie Menschen damit leben. [...] Nirgendwo habe ich größere Selbstsucht und Hässlichkeit gesehen. Aber ich begreife, dass das nichts über den armen Steiner sagt. Menschen verderben nun einmal gerne das Allerhöchste. Trotzdem spüre ich eine Atmosphäre von Armseligkeit und Verwahrlosung um den Namen von Steiner.“
„Bei ihm findest du die Antwort auf deine Frage nach dem Bleibenden im Vergänglichen. Du solltest eigentlich alles vergessen, was du um seinen Namen fühlst und sein Werk rein nach dem beurteilen, was es ist. Wenn das jemand kann, dann bist du es, Maria.“


Und in ihrem großartigen, ungeheuer weitreichenden Buch „Der Heilige Gral“ schreibt Mieke Mosmuller über Rudolf Steiner (S. 90f):

Dieser größte Meister des Abendlandes ist ja der zuverlässige Lehrer auf dem Weg zum Gral und zur Offenbarung von Christus. [...]
In keiner einzigen heutigen spirituellen oder religiösen Strömung habe ich die Möglichkeit gefunden, zu einem selbständigen Erleben von Christus zu kommen, außer auf dem Weg, der durch Steiner gewiesen wurde. Dieser Weg beginnt schon in seinen frühen Schriften, die noch erkenntnistheoretisch und philosophisch sind. Weil er keine Überzeugungen bringt, keine philosophischen Ideen, sondern reale Erfahrungen mit dem Erkenntnisprozess und mit dem menschlichen Vermögen zur Freiheit, kann der Leser dieselben Erfahrungen realisieren, falls dieser Leser sich selbst mit dem ganzen Hintergrund an Meinungen und Urteilen vergessen und sich dazu bringen kann, unbefangen den Prozess mitzuvollziehen. [...] Dann kommt man allmählich zu dem Punkt, wo das Denken zu leben anfängt. Es ist der Christusimpuls, der in das Denken eintritt, obwohl das vielleicht nicht für jeden direkt erkennbar ist.

„Das konnte nur Rudolf Steiner...“

Und dennoch will Diet also behaupten, Mieke Mosmuller ginge es nicht um Rudolf Steiners Anthroposophie oder sie hätte vor 2008 den Namen Rudolf Steiners verschwiegen!?

Schon ihr allererstes Buch „Suche das Licht, das im Abendlande aufgeht“ beschreibt ganz und gar den Weg, den Rudolf Steiner gewiesen hat – und beschreibt ihn unter fortwährender Nennung seines Namens. Mieke Mosmuller ist diesen Weg aber auch wirklich gegangen, und sie beschreibt diesen Weg zugleich als einen selbst gegangenen.

Diet kritisiert nun in ihrer „Rezension“ des in deutscher Übersetzung neu erschienenen Buches „Meditation“, Mieke Mosmuller habe es zwar „in dankbarer Verehrung dem Meister des Abendlandes gewidmet“, er sei jedoch für ihre dortigen Ausführungen nicht grundlegend – offenbar weil er für Diet nicht oft genug erwähnt wird! So kritisiert Diet namentlich, dass es auf Seite 13 heiße:

„In ‚Suche das Licht...’ habe ich bewiesen, dass es einen Punkt im Bewusstsein gibt, wo man fest stehen kann und von wo man außerdem absolute Ein- und Übersicht hat. Dieser Punkt ist das Wahrnehmen des Denkens, das Denken des Denkens, das Denken über das Denken (alle drei fallen in einer Aktivität zusammen).“


Dass das Zitat in Wirklichkeit auf Seite 19 steht, sagt schon etwas über die Sorgfalt von Irene Diet. Vor allem aber kann man doch fragen – und wenn man sich mit Diets inquisitorischem Anspruch nicht abfinden will, bleibt dies wirklich ein Rätsel –, warum Mieke Mosmuller nicht auf ihr eigenes, grundlegendes Buch verweisen darf? Sie nennt in diesem Buch Rudolf Steiner fortwährend, ist aber eben mit Hilfe seines Werkes zugleich auch zur eigenen Erfahrung jenes entscheidenden Punktes gekommen und kann nun auch aus eigener Erfahrung heraus auf diesen Punkt hindeuten. 

Wenn Sie dann auch in dem Buch „Meditation“ aus dieser eigenen Erfahrung heraus spricht – was kann sie noch mehr tun, als dem Meister des Abendlandes das ganze Buch in Dankbarkeit zu widmen? Diets Moralismus ist geradezu unerträglich, denn sie scheint jedes Gefühl für die gelebte Wirklichkeit verloren zu haben!

Diets Realitätsverlust liegt im Grunde in ihrer zweiten Frage verankert: Wer will Mieke Mosmuller für ihre Leser sein? Die erste Frage: Wer ist Rudolf Steiner für Mieke Mosmuller? sollte inzwischen eindeutig beantwortet sein. In Bezug auf die zweite Frage setzt Diet ganz offenkundig ein von niederen Motiven geleitetes Streben Mieke Mosmullers nach Anspruch, Macht o.ä. voraus. Diets Logik ist: Mieke Mosmuller erwähnt Rudolf Steiner zuwenig, also beansprucht sie das, was sie schreibt, als eigene Erkenntnisse – bis hin zur Rosenkreuz-Meditation usw.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über diese Absurditäten lächelnd hinweggehen. Abgesehen davon, dass die Rosenkreuz-Meditation auch nicht Rudolf Steiners Schöpfung ist, will Mieke Mosmuller diese gewiss nicht für sich beanspruchen. Liegt es nicht innerhalb von Diets Horizont möglicher Unvoreingenommenheit, einmal zu denken, dass es Mieke Mosmuller einzig und allein auf den Weg ankommen könnte? Darauf, dass der Weg von Menschen gefunden und gegangen wird?

In ihrem Büchlein beschreibt Mieke Mosmuller den wunderbaren Weg der anthroposophischen Meditation in tief hilfreicher Weise von drei verschiedenen Aspekten aus – und sie tut es aus eigenster Erfahrung. Wie kann man da – wie es Diet tut – von Plagiat reden? In nunmehr über 20 Büchern (davon 13 auf deutsch erschienen) legt Mieke Mosmuller ein wunderbares Zeugnis von Rudolf Steiner und der lebendigen Anthroposophie ab, aber Diet hat nichts besseres zu tun, als sich daran zu stoßen, dass sie dies nur tun kann, weil sie aus ureigenster Erfahrung spricht!

Offenbar vergisst Diet auch, dass es Rudolf Steiners Hoffnung gewesen war, dass andere Menschen wirklich selbst zur Anthroposophie, zur Geisteswissenschaft finden würden! Es sollten Menschen das reine Denken finden, ja selbst eine Philosophie der Freiheit schreiben...! Es sollte nicht das Dogma gelten: „Das konnte nur Rudolf Steiner“, sondern die Menschen sollten sich auf den Weg machen – und ihn weit, weit gehen. Das war die Hoffnung Rudolf Steiners!

Und zugleich ist der Einsatz, der notwendig ist, um zu diesem reinen Denken zu kommen, heute noch viel, viel größer als zu Rudolf Steiners Zeiten. Diesen entscheidenden Satz auf Seite 26 unterschlägt Diet. Natürlich ist auch Diets Denken kein reines Denken – allein schon die Unvoreingenommenheit fehlt ihr.

Es liegt in ihrer Argumentation fortwährend der implizite Vorwurf der Trennung von Rudolf Steiners Werk und seinem Namen. Steiner hatte davor immer gewarnt. Diese Warnung bezog sich aber vor allem auf die Abtrennung der Früchte der Anthroposophie von ihrer Wurzel und ihrem Kern, denn der Name Rudolf Steiners steht für diesen Kern. Wenn nun aber der Kern der Anthroposophie rein dargestellt wird, kann dies niemals eine Trennung von Name und Werk sein, es kann immer nur die treueste und fruchtbarste Hinführung zu Werk und Name sein!

Wie könnte eine solche Trennung auch je vorliegen, wenn das ganze Buch in dankbarer Verehrung Rudolf Steiner gewidmet ist? Die Trennung liegt vielmehr gerade da vor, wo man in vollkommenem Gegensatz zu Mieke Mosmuller Rudolf Steiner zwar fortwährend im Munde führt, aber sein Werk völlig karikiert und pervertiert, so wie es z.B. Sebastian Gronbach tut. Hier wären alle Vorwürfe von Irene Diet vollkommen angebracht!

Aber offenbar ist Diet gar nicht bereit, in Mieke Mosmullers eigenen Erfahrungen etwas von Wert zu sehen. Stur möchte sie die Dinge getrennt halten und kritisiert, dass „sich das von Rudolf Steiner ‚Übernommene’ in recht chaotischer und wenig durchschaubarer Weise mit ganz persönlichen Erfahrungen und Übungsanleitungen Mieke Mosmullers vermische.“ Hier spricht eine pedantisch-sektiererische Philologen-Gesinnung, die nicht dulden und nicht denken kann, dass man die Anthroposophie wirklich in sich aufnimmt und sich zueigen macht – und dass sie dann auch aus einem selbst spricht!

Innere Aktivität und Enthusiasmus – missverstanden

Völlig absurd – wenn es noch eine Steigerung gibt – wird dann der zweite Teil des Aufsatzes. Hier behauptet Diet, die von Mieke Mosmuller in den Mittelpunkt gestellte „Initiation des Denkens“ habe „absolut nichts mit dem [zu tun], was man bei Rudolf Steiner (heraus-)lesen kann“. Nun – wenn man Rudolf Steiner nur liest oder aus seinem Werk versucht, etwas „herauszulesen“, wird man möglicherweise nicht jene Stellen finden, wo Rudolf Steiner auf die Bedeutung des Denkens und der Denkaktivität hingewiesen hat – was nichts anderes ist als das, worauf Mieke Mosmuller hindeuten will, wenn sie u.a. dazu auffordert, das „In-Gang-Setzen des Denkens“ zu erleben und dieses Erlebnis zu vertiefen.

Es geht nicht um Lesen und Herauslesen, sondern um das innere Tun – das ist die Essenz dessen, was Mieke Mosmuller fortwährend sagt. Wenn im übrigen der Hinweis auf das „In-Gang-Setzen des Denkens“ so bei Rudolf Steiner nicht zu finden sein sollte, kann man sich auch einmal fragen, warum... Von der inneren Aktivität hat auch Rudolf Steiner fortwährend gesprochen. Vielleicht sind die Anthroposophen ja so damit beschäftigt, Rudolf Steiner zu lesen, dass sie gar nicht mehr merken, worauf es ihm eigentlich ankam!?

Rudolf Steiner hat immer wieder darauf hingewiesen, dass der Wille, die innere Willensaktivität, auf die es ihm so ankam, heute überhaupt nicht da ist – auch und erst recht nicht im Denken! Das Denken in Gang setzen, kann man aber nicht ohne Willen... Und wenn man diese Erfahrung vertieft, findet man den Willen, man wird sich seiner bewusst. Deswegen ist und bleibt dies der entscheidende Schritt auf dem anthroposophischen Weg und steht Mieke Mosmuller in voller Übereinstimmung zu Rudolf Steiner, wenn auch in verständlichem Gegensatz zu sektiererischen Anschauungen wie derjenigen von Irene Diet.

Wenn Diet so genau wüsste, dass Mieke Mosmullers Ansatz „falsch“ sei, wäre ihre nun folgende Frage völlig unerklärlich: „Was versteht Mieke Mosmuller eigentlich unter Denken?“ Hier führt Diet sich selbst ad absurdum, denn wenn sie das noch nicht verstanden hat, sollte sie sich doch wohl zunächst einmal jeder Kritik enthalten!

Sie hat aber gleich eine Antwort parat: Es ist eben nicht das Denken, das Rudolf Steiner meinte! Und auch die Begründung folgt auf dem Fuße: Mieke Mosmuller ist in Bezug auf dieses Denken zu enthusiastisch! Für Rudolf Steiner war das leibfreie, reine Denken und die Schwelle zur geistigen Welt schließlich zugleich auch die Todesschwelle.

Hier zeigt sich vollends, wie wenig Irene Diet das reine Denken selbst errungen hat. Denn man muss es eben erst vollkommen errungen haben, um davon enthusiastisch sprechen zu können! Natürlich gibt es davor eine Schwelle, an der alles, aber auch alles abgelegt werden muss. Wer die fortwährenden Hinweise darauf bei Mieke Mosmuller nicht findet, der hat ihre Bücher einfach nicht wirklich gelesen. Wenn man aber diese Schwelle überschritten hat – wie könnte man dann darüber anders als enthusiastisch schreiben?

Wenn man von der geistig-göttlichen Welt nicht mit göttlich-geistigem Enthusiasmus (wörtlich etwa: gottdurchdrungen) schreiben kann, dann kennt man sie eben noch gar nicht! Dann bleibt man vor dem Tore, so wie Irene Diet. Sie spricht wie jene „Christen“, vor denen Rudolf Steiner warnte, weil sie zu sehr das Leiden in den Vordergrund stellen – natürlich, weil sie gar nicht die Erfahrung des lebendigen Christus haben! Wenn man diese Erfahrung hat, wie könnte die Sprache dann noch sauer-leidend sein?

Warum überhaupt sollte man die geistige Welt suchen, wenn man Angst vor der Todesschwelle hat? Natürlich hat man Angst, aber man sucht sie dennoch... Wenn man aber die Schwelle überschritten hat, braucht man die Angst nicht mehr... Und merkt man nicht schon vor der Schwelle, wie die Meditation, wie schon die ersten Schritte der Übung einem Kraft schenken? Was soll der allzu saure Ton in Diets Darstellungen, wenn er nicht nur den Zweck haben soll, einen weiteren Fallstrick zu knüpfen?

Und damit kommen wir zu dem eigentlichen Kern-Argument ihrer ganzen Darstellung: Weil Mieke Mosmuller eben nicht von „bedrückenden“ und „Angst einflößenden“ Erfahrungen schreibt, sondern weil bei ihr „Enthusiasmus und Wohlbefinden dominieren“, sei ihre Meditation überhaupt nicht leibfrei, sondern führe wie New-Age-Techniken tiefer in den Leib hinein.

Dazu kann man nur sagen: Die Haltlosigkeit dieses Arguments wurde soeben gezeigt. Denn wer hätte enthusiastischer von der geistigen Welt gesprochen als Rudolf Steiner selbst? Hat auch er die Todesschwelle etwa nicht gesehen? Doch, er sprach ja von Erfahrungen jenseits der Schwelle. Und warum darf Mieke Mosmuller dies nicht? Wegen des Dogmas, dass „das nur Rudolf Steiner konnte“. Die Frage ist nur: Wozu dann die ganze Anthroposophie...? – Nein, auch Mieke Mosmuller spricht von Erfahrungen jenseits der Schwelle, und wenn irgendjemand außer Rudolf Steiner absolut eindeutig auf den abgrundtiefen Unterschied zwischen leibgebundenem und leibfreiem Erleben hingewiesen hat, dann ist sie es.

Ein Zitat – herausgerissen und missverstanden

Und wie gestaltet sich Irene Diets „Beweis“ ihrer Behauptung? Sie reißt ein Zitat aus dem Buch „Arabeske“ heraus, wo gesagt wird: „Der Leib im Stuhl wird wieder wahrnehmbar“ – und dies zeigt ihr, dass es eben kein leibfreies Erleben ist.

Diese Art der „Beweisführung“ gewinnt noch eine ganz besonders Perfidität durch die Tatsache, dass Mieke Mosmuller in diesem Abschnitt ihres Buches zugleich das arabistische, ich-lose Wesen der Meditation nach Ken Wilber entlarvt – während andere „Anthroposophen“ gerade für Wilber enthusiastisch sind und Diets Ignoranz und Leichtfertigkeit nun wiederum diese innere Gegnerschaft stärkt...

Die erste Frage ist doch: Was ist Anthroposophie überhaupt? Im Gegensatz zu anderen spirituellen Strömungen erforscht die Geisteswissenschaft den Geist bis in das Physische hinein. Der Mensch ist das Ziel Gottes – und der Leib des Menschen ist die vollkommenste Schöpfung der göttlichen Welt. Die Anthroposophie nun ist der einzige spirituelle Impuls, der bewusst und in voller Klarheit auch den Leib erforschen kann. Das macht sie zur Anthropo-Sophia.

Die Geisteswissenschaft findet einen übersinnlichen Leib, der dem materiellen Leib zugrunde liegt, und der nicht nur der Ätherleib ist, den auch die östlichen Eingeweihten kennen, sondern der ein physischer Geistleib ist, welcher zutiefst mit dem christlichen Mysterium verbunden ist.

In der ganzen Passage spricht Mieke Mosmuller überhaupt nur von übersinnlichen Wahrnehmungen und übersinnlicher Leiblichkeit. Der „Leib im Stuhl“, von dem hier die Rede ist, ist eben absolut nicht jener „Leib im Stuhl“, den man empfunden hat, als man sich zur Meditation hinsetzte. Wenn man jedoch an den Worten haftet und einen „Beweis“ sucht, um Mieke Mosmuller eine leibgebundene Meditation unterstellen zu können, wird man diese drei Worte natürlich missverstehen, selbst wenn direkt danach das Wort „übersinnlich“ steht...

Menschen wie Irene Diet oder Rüdiger Blankertz können in ihrem ganzen Schauen auf die Texte Rudolf Steiners mit den realen übersinnlichen Wesensgliedern gar nichts anfangen – aber sie wittern überall ein Missverstehen Rudolf Steiners ... selbst da, wo Anthropo-Sophia zur Realität wird. Anstatt sich auf den mühevollen Weg zu machen, von welch tiefgreifenden Erfahrungen Mieke Mosmuller in „Arabeske“ tatsächlich spricht, und wo die exakten und genauen Übereinstimmungen zu Rudolf Steiners Schilderungen liegen, wird es unter Hinweis auf drei falsch verstandene Worte bzw. auf die mangelnde Identität mit Steiners Darstellungen bekämpft. Dogmatisches Sektierertum, mit dem schon die Pharisäer den Christus selbst und seine Nachfolger zu Fall bringen wollten...

Was Diet dann abschließend noch schreibt („durchaus auch richtige und zentrale Elemente der Anthroposophie...“ usw.) unterstreicht nur den Hochmut solcher Darstellungen – etwas, was man lächerlicherweise Mieke Mosmuller vorwirft, weil man glaubt, man könne seine eigene Berufenheit und Erkenntnis noch weit über ein meditatives Leben stellen (oder auch nur mit ihm vergleichen), welches in Jahrzehnten der Übung heilige Früchte erringen durfte.

Mieke Mosmuller verbindet tiefe Ehrfurcht und einen starken, notwendigen Enthusiasmus. Bei ihren Kritikern wie Irene Diet leben sich diese beiden nur im Sektierertum aus: Die Ehrfurcht ist scheinheilig, einen Enthusiasmus gibt es nicht für die wirkliche Geisteswissenschaft, sondern eher für deren Bekämpfung außerhalb der Buchdeckel der „Gesamtausgabe“.

Es bleibt am Ende also nur der immer wiederkehrende Aufruf, selbst ganz eigene Erfahrungen mit den Büchern und Seminaren Mieke Mosmullers zu machen und auf Kritiken und Verrisse schlichtweg nichts zu geben, um sich das eigene Urteil nicht trüben zu lassen.