16.06.2017

Erleuchtung und Demut

Gedanken zu wesens-verschiedenen Arten der Erleuchtung.


Inhalt
Hau erklärt die Erleuchtung
Die Erleuchtung von Hau
Der blinde Fleck der Hau-Erleuchtung
Die reale Bedeutung von Demut und Ehrfurcht
Die gegensätzliche Erleuchtung nach Hau – oder Steiner


Hau erklärt die Erleuchtung

In den vergangenen Tagen tobte auf dem Eggert-Blog ein Kampf zwischen Gronbach-Belächlern und Felix Hau, der Gronbach als Guru und Erleuchteten eminent verteidigte.

Hau schrieb zum Beispiel:

Ihr mögt aus irgendwelchen Gründen keine Gurus und seht in solchen freiwillig eingegangenen Abhängigkeitsverhältnissen, wie sie sich in einem Guru-zentrierten Ashram ergeben, grundsätzlich einen Machtmissbrauch, narzisstische Motive beim Guru und eine Beschädigung der persönlichen Integrität der Adepten.

Als Kernpunkt der Erleuchtung formuliert er an anderer Stelle:

Um die dem menschlichen Individuum innewohnende Freiheit begreifen zu können, ist es unabdingbar, die eigene Egozentrik aufzugeben, den ganzen blödsinnigen und überflüssigen Kram, den man sich stetig selbst in den Weg legt, sein zu lassen und endlich der- oder diejenige zu sein, der oder die man schon lange wäre, wenn man sich selbst ließe.

Über Gronbachs Ashram sagt Hau:

Bislang kommen aus seinem Ashram ziemlich authentische, engagierte, selbstbewusste Menschen raus, die allesamt ihre Egozentrik abgelegt haben. Das gilt sogar für FrühaussteigerInnen. Ob sie erleuchtet sind, kann ich von Ferne nicht beurteilen; dazu müsste ich kurz mit ihnen sprechen. Aber diejenigen, die ich so verfolge, haben jedenfalls gewonnen und führen deutlich freiere und passendere Leben.
Ich bin der Weinstock, ihr die Reben. Ich bin die Tür, wer durch mich eingeht, wird Weide finden. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater den durch mich.
Wer das auf den christlichen Legenden-Götzen Christus bezieht - und den auch noch für einen (oder zwei) historische(n) Menschen hält - , hat nicht mehr alle Aale in der Pfanne.

Über den Zusammenhang von Erleuchtung und Moralität heißt es von ihm weiter:

Erleuchtete Menschen sind weder im moralischen Sinn besser als andere, noch können sie aufgrund des Erleuchtungserlebens irgendetwas besser als vorher. Sie haben nur einfach keine existentiellen Fragen mehr ans Leben, begreifen "Sinn und Zweck" der ganzen Veranstaltung und sind vielleicht in den klassischen Feldern der Spiritualität etwas schneller beim Begreifen von Zusammenhängen. Das ist alles.

Übrigens: Viele Erleuchtete saufen sich tot. Nicht aus Verzweiflung, sondern weil eigentlich alles so absurd ist. :-)

Ich versuche ja seit Jahren irgendwie begreiflich zu machen, was Erleuchtung ist und warum sie einerseits erstrebenswert sein könnte, andererseits aber nicht wirklich wichtig ist.
Ich sag's mal so: Alle klassischen Tugenden, die mensch sich so aneignen kann, sind völlig unabhängig von Erleuchtung. Es gibt in jeder Hinsicht ganz tolle Menschen, die sich noch nicht mal für Spiritualität, geschweige denn für Erleuchtung interessieren (meistens die angenehmsten).
Es gibt auch Menschen, die toll UND glücklich sind, ohne erleuchtet zu sein. Sehr wenige, aber es gibt sie.
Das einzige, was Erleuchtung da noch beisteuern könnte, wäre ein unvergleichlicher Befreiungsschlag, der ihnen das, was sie intuitiv ohnehin leben, im Genuss-Sinn vergolden würde.
Den *unglücklichen* Tugendhaften könnte sie allerdings Freude und Sicherheit schenken. [...]
Es ist so schade. Weil es so einfach wäre. Man müsste nur mal tüchtig existentiell zu zweifeln lernen. Das ist m.E. nach wie vor der sicherste Weg; er entzieht einem den Boden unter den Füßen. Und dass man dann nicht ins Bodenlose fällt, sondern seine körperliche und psychische Existenz zurücklässt und stattdessen den gesamten Raum und alle Zeit einnimmt - das ist die höchst überraschende Erfahrung von Erleuchtung.

Steiners goldene Regel wäre gar nicht nötig, wenn Erleuchtung auch nur ansatzweise etwas mit moralischen Tugenden zu tun hätte, wenn man durch Erleuchtung in irgend einer Weise "zwangsläufig" ein besserer Mensch würde. Dass eben dies nicht der Fall ist, ist der einzige Grund, aus dem Steiner diese Regel aufgestellt hat.
Ich schaue mir das Theater um die Interpretation von Erleuchtung seit meiner Jungfrauengeburt vor über 20 Jahren mit wechselnder Aufmerksamkeit an. Am Anfang fand ich es natürlich total spannend. Inzwischen finde ich es genau so uninteressant wie das meiste explizit Spirituelle und angeblich zu diesem Zustand führende Theater.

Über die „evolutionäre Spiritualität“, wonach dem Erleuchtungserleben etwas Impulshaftes innewohne, wodurch man die Welt von da an voranbringen wolle, schreibt er:

Meiner Einschätzung nach klingt das nach einem Frühabbruch der Erleuchtungserfahrung, genau wie alle anderen Interpretationen, die darauf abzielen, das Erleuchtungsbewusstsein in die Welt zu tragen. Man hat zwar diesen einen zeitlosen und tumultarischen Punkt erlebt, der jede Erleuchtung wesentlich ausmacht - das sehr überraschende Einssein mit allem was war, ist und sein wird, diese unbeschreibliche Identifikation mit dem Quell alles Seins -, aber man hat dann den Übergang in die Vereinzelung nicht mehr mit selber Aufmerksamkeit verfolgt; man hat die "Menschwerdung" verpasst, die lustigen und spannenden Aspekte der "Reinkarnation" verschlafen. Man war noch so überwältigt von dem Erleben, dass man nicht bemerkt hat, dass die Welt und Gegenüber schaffende "Vertreibung aus dem Paradies", die Vereinzelung in Vielfalt, die parallel zur erleuchteten Einheit besteht und einfach die andere Seite derselben Medaille darstellt das eigentlich Überraschende an der ganzen Angelegenheit ist.

Auf die Frage, wie man dann trotzdem das „moralisch Richtige“ ansteuern könne, antwortet er:

Weil mensch - und zwar jeder - in sich von allem Anfang an haargenau denselben offenen und liebenden Kern trägt. Ob er sich mehr oder minder ungehindert entwickelt oder völlig verschüttet wird, ist dann allerdings stark von der Umgebung und davon abhängig, wie das Individuum mit der ihm gegebenen Freiheit des Urteils umgeht.

Weiter sagt er über die Erleuchtung:

Erwachte, Zerleuchtete, Auferstandene - nenn' es wie du willst - erkennt man im Zweifelsfall daran, dass sie eine der beiden Erfahrungsebenen nicht wirklich ernst nehmen - und zwar genau die, die alle anderen für die einzig reale halten. Sie haben stattdessen Gastauftritte im eigenen Leben und spielen die gewählten Rollen.

Die Erleuchtung von Hau

Zusammenfassend lässt sich Haus Position wohl in etwa so formulieren: Der Erleuchtete hat die Illusion des Ich völlig durchschaut und durchbrochen. Er ist als Erleuchteter eins mit allem – und kann umgekehrt, wenn er will, auch die interessante Vereinzelung, sozusagen die Pointe der Schöpfung, genießen.

Aus dieser Sicht ist es klar, dass Hau mit gleichsam gelangweiltem Sarkasmus über die Hybris derer herzieht, die die Anthroposophie anders erklären wollen – haben er und Gronbach doch schon vor vielen, vielen Jahren erkannt, dass Steiner mit seinen Erstlingswerken, etwa der „Philosophie der Freiheit“, bereits auf den Gipfel der Erleuchtung, das absolut freie Individuum, hingewiesen hat, und alles andere danach im Grunde nur noch Verbrämung für das theosophie-süchtige Fußvolk war.

Hau muss also über alle, die über den Guru Gronbach lächeln und lästern, ebenso lächeln – weil nicht im Ansatz verstanden wird, dass Gronbach tatsächlich an vorderster Front der Evolution wirkt, während die Möchtegern-Anthroposophen für einen Erleuchteten allenfalls peinlich sind in ihrem krampfhaftem Festhalten an ihren armseligen Deutungsgefängnissen.

Die Erfahrung eines Hau ist einerseits sofort nachvollziehbar. Andererseits kann ihre Wahrnehmung einen traurig stimmen. Denn Hau hat trotz aller Erleuchtung etwas Wesentliches versäumt. Und das ist die Demut.

Dass ich mir nun wieder sein Gelächter zuziehe, ist ja nicht wesentlich. Ich werde dennoch versuchen, auf das eigentlich Wesentliche aufmerksam zu machen. Demut ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Tor. Es gibt nicht „die“ Erleuchtung. Die Erleuchtung verwandelt ihre Gestalt vollkommen in Abhängigkeit davon, durch welches Tor man zur ihr kommt.

„Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14,6). Wie kann also jemand zum „Vater“, zum wirklichen Urgrund alles Seins, kommen, wenn er noch nicht einmal den „Sohn“ erkennt, sondern ihn als einen „Legenden-Götzen“ verleumdet? Ich rede hier noch nicht einmal davon, dass Hau auch das Christus-Jesus-Verhältnis völlig vernebelt. Es geht zunächst darum, dass für ihn „Christus“ nichts weiter als eine Chiffre zu sein scheint – womit wir bei dem alten Problem sind, dass es für Hau eine substantiell wesenhafte geistige Welt gar nicht gibt.

Die Frage ist, ob ein solcher Erleuchteter sich überhaupt die Frage stellt, wie der Mensch entstanden sei. Anzunehmen ist, dass er sich selbst für Gott hält – und damit sehr eng bei der substanzlosen Steiner-Deutung von Christian Clement ist, die ich seinerzeit ebenfalls in ihrer Nebelhaftigkeit entlarvt habe.

Natürlich, wenn man selbst „Gott“ ist, der wahlweise zwischen dem All-Aspekt und der Vervielfachung in das Individuum – wie gesagt: die kosmische Pointe – wechselt, dann braucht es nicht dasjenige, was Hau und Gronbach seit jeher den „Wesenszoo“ nennen.

Der blinde Fleck der Hau-Erleuchtung

Da dieses Weltbild in sich schlüssig ist, kann man es nicht widerlegen. Die einzig mögliche Widerlegung ist die immanente – man muss die Unwahrheit und Beschränktheit dieses Weltbildes erleben und erlebend erkennen. Ich habe schon vor Jahren in meinen Aufsätzen darauf hingewiesen, wie diese Anschauung Haus den späteren Steiner im Grunde lächerlich macht. Sie kann den vollen Ernst Steiners überhaupt nicht mehr wahrnehmen, weil sie ihn immer vor dem Hintergrund ihrer eigenen Anschauung deutet. Dann ist Steiner nach der Jahrhundertwende im wesentlichen nur noch der „Märchenonkel“, der seine Rolle als „Volkspädagoge“ der viel zu theosophie-lüsternen Gefolgschaft spielte. Dass es ihm aber mit Christus, mit Michael, mit der geistigen Welt überhaupt absolut und vollkommen ernst war, kann ein Hau, der sich in den Zwanzigern mal eben zur absoluten Erleuchtung katapultierte, nicht erkennen und nicht anerkennen. Er bleibt felsenfest bei seiner Deutung.

Das also ist das Eine. Dass die nach Art von Hau Erleuchteten die gesamte Differenzierung und Fülle, wirkliche Fülle der Geisteswissenschaft und ihrer Erkenntnis absolut nicht erfassen können. Ihre eigene Erleuchtungs-Erfahrung schlägt sie buchstäblich mit Blindheit für alles, was den Blick auf die Realität in ein anderes Licht rücken könnte. Das höhere Ich ist für sie das All-Ich, und das sind sie selbst. Das höhere Ich des Menschen ist Gott – und wenn Gott sich selbst erkennt, gibt es nichts mehr dazwischen.

Der entscheidende Punkt ist, dass der nach Art von Hau Erleuchtete sich für Gott hält – weil das auf dieser Stufe der Erleuchtung gar nicht anders möglich ist. Hau belächelt alle anderen auf ihren niedereren Stufen, aber er bemerkt nicht, dass auch er selbst auf einer sehr niederen Stufe „erleuchtet“ ist. Er kann nicht begreifen, dass jedes Ich-Erleben, selbst das Höchste, höheren Wesenheiten zu verdanken sein könnte. Sein eigenes Ich-Erleben und All-Erleben blendet sozusagen jenen Ursprung aus, dem es sich verdankt.

Es ist ein absolut luziferisches Erleuchtungserleben. Luzifer lehnte sich gegen die göttliche Welt auf. Er selbst weiß noch, dass es diese göttliche Welt gibt. Aber in der Erleuchtung nach Art von Hau kann er sein Ziel verwirklichen: die völlige Auslöschung jeder anderen göttlichen Welt. Hau als ein Sohn Luzifers hält das eigene All-Ich-Erleben für Gott – und sieht die Fülle der göttlichen Welt nicht. In diesen Erleuchteten ist also Luzifers Ziel erreicht, das er selbst nie erreichen kann. Es ist ihm egal, dass Hau auch an Luzifer nicht glaubt – in Hau lebt Luzifer sozusagen dennoch seinen völligen Triumph aus, in ihm kann er die völlige Vernichtung der wahren göttlichen Welt feiern...

Es ist doch erstaunlich, dass Hau sehr genau die Hybris Anderer erkennt (die an ihren verkrusteten und versteinerten Vorstellungen festhalten), für die eigene Hybris aber völlig blind ist. Da er ja erleuchtet ist, kann er gar nicht hochmütig sein, denn alle anderen begreifen ja weniger als er. Was er aber nicht begreift, ist, dass er in all seiner Argumentation – in dem Wie, in dem Stil – vollkommen gewöhnlich bleibt, mit einem seinerseits kaum überbietbaren Hochmut. Das ganz gewöhnliche Ich ist bei ihm so erhalten wie nur irgendetwas. Einen Hau stört dies auch gar nicht – warum sollte er nicht bleiben, wie er ist, da er doch parallel dazu völlig erleuchtet ist? Deswegen kann er auch sagen: Erleuchtung ändert nicht das Geringste an allem übrigen. Nur – damit verwechselt er vollkommen die eigene Banalität mit der angeblichen Banalität der Erleuchtung. Es ist eben nur seine Erleuchtung, die banal ist.

Einem Hau wird man dies niemals klarmachen können – von seinem Zustand aus auf einen Zustand einer höheren oder ganz anderen Erleuchtung zu gelangen, ist gleichsam unmöglich, da er sich ja schon an der Spitze und am Ziel dünkt. Von außen jedoch kann man dies unmittelbar fühlen.

Die reale Bedeutung von Demut und Ehrfurcht

Und hier kann nun allmählich die Bedeutung der Demut, der Ehrfurcht und vergleichbarer Seelenregungen deutlich werden. Zum einen schützen sie die Seele vor einem falschen Tor zu Erleuchtung – einem Tor, das zu einer Erleuchtung führt, die einer völligen Hybris gleicht und den Betroffenen für immer in das Gefängnis der Selbstvergottung einsperrt. Das sind dann die Götter des Nihilismus, die ebensogut würfeln oder sich zu Tode trinken können, wie „die Welt voranbringen“. In dieser Welt lebt Hau – und er hält sich für erleuchtet. Das ist er auch. Aber er ist gefangen in einer ganz bestimmten Erleuchtung. Das ist der ganze Punkt. Gefangen in einer ganz bestimmten Erleuchtung, deren wahre Hintergründe für ihn für immer im Dunkeln bleiben werden.

Das ist die eine Wirkung der Demut und Ehrfurcht: dass sie die Seele vor dem falschen Tor schützt. Die andere Wirkung ist, dass sie die Seele allmählich bereit macht, durch das wirkliche Tor treten zu können. Demut und Ehrfurcht machen wahrhaft sehend – und sei es zunächst nur im Gefühl, im Fühlen. Sie führen den wahren Weg, den Weg der wahren Fülle. Es lebt eine unendliche Fülle da, wo der Hochmut immer und immer nur das Ich-Erleben hat. Die wahre Wirklichkeit ist viel differenzierter, viel tiefer und auch heiliger als die luziferische Hau-Erleuchtung, die im Grunde doch nur von Spott und Herablächeln getränkt ist – und eben auch von einer gehörigen Portion Nihilismus, das ist dann das ahrimanische Karma der luziferischen Erleuchtung...

Ehrfurcht verträgt sich nicht mit Selbstvergottung. Aber sie ist der sichere Boden eines Weges, der viel, viel weiter führt als letztere. Und auf diesem Weg, dem in Ehrfurcht wurzelnden Weg, wird der wahre Mensch einst auch stehen können „vor dem Menschensohn“. Die Ehrfurcht wird sich nicht als zu Boden ziehend und an das Niedere fesselnd erweisen, sondern als die wirklichen Flügel in eine Welt allergrößter Wirklichkeit, die sich ein Hau niemals träumen lassen würde.

Nicht deshalb begann Steiner alle esoterische Entwicklung mit der Ehrfurcht und betonte so sehr die „Goldene Regel“, weil Erleuchtung mit Moralität nichts zu tun habe – sondern deshalb, weil es Stufen der Erleuchtung gibt, ja, Welten der Erleuchtung, die völlig nach dem gefärbt sind, was die moralische Substanz des Menschenwesens bis dahin geworden ist. Und indem Steiner von „Schritten“ sprach, macht er ebenfalls ganz deutlich, dass die Erleuchtung wie auch die gesamte Anthroposophie ein Weg ist – und es eine völlige Illusion ist, zu glauben, mit einem „Erleuchtungserlebnis“ nach Art von Hau in irgendeine wahre Wirklichkeit zu kommen, in der nicht das meiste noch völlig verdeckt und verschleiert ist. Das ist es nämlich – gerade durch die psychotische Selbstvergottung, die den abgrundtiefen Egoismus der modernen Seele einfach mitnimmt in ihr Erleuchtungserlebnis, und dies, ganz ohne es zu merken.

Steiner betonte die Goldene Regel gerade deshalb, weil die wirkliche Erleuchtung, die sich von jeder Selbstvergottung geläutert hält, nur erreichbar ist, wenn genau dies geschieht: wenn jedem Schritt in der Erkenntnis drei Schritte in der moralischen Entwicklung zum Guten vorausgehen. Geschieht dies nicht, so ist „Erleuchtung“ ebenfalls möglich – aber man kommt ganz in das luziferisch-ahrimanische Gebiet hinein und erlebt eine Erleuchtung, die einen Teil der Wirklichkeit darstellt, gleichzeitig aber die allergrößte Lüge, denn die unendliche Fülle der wahren Wirklichkeit bleibt gerade unsichtbar. Das Pleroma bleibt unsichtbar – und der Mensch hält sich für den allergrößten Erleuchteten, hält seine Erleuchtung für die einzig wahre und ist gerade darin durchtränkt von Hochmut, Armseligkeit und buchstäblich: von Nichts.

Ehrfurcht hält den Menschen nicht davon ab, frei zu werden. Wäre dies so, hätte Steiner sie nie zu absoluten Grundlage der spirituellen Entwicklung gemacht. Ehrfurcht ist die Bedingung dafür, dass der Mensch immer mehr wahrhaft sehend wird. Sie schützt vor Luzifer – der nämlich blendet. Die Ehrfurcht führt den Menschen auf einen Weg, wo er all seine Seelenkräfte so zur Entfaltung bringt, dass diese wahrhaft sehend werden. Und die Erleuchtung ist dann nicht die Erkenntnis „Ich bin Gott“ oder etwas derartiges, sondern sie ist dann ein allmähliches Sichtbarwerden der wahren Fülle – die nicht nur der monadenhaft einsame Mensch ist, sondern ein viel großartigeres Zusammenwirken zwischen dem Menschenwesen und einer göttlichen Welt. Und dieses ganze Mysterium ist erfüllt von Schönheit, von Heiligkeit, von Sinn – und von Freiheit...

Die gegensätzliche Erleuchtung nach Hau – oder Steiner

Erleuchtung – ja, aber welche. Die wirkliche Anthroposophie ist ein Weg hinein in das wirkliche Mysterium. Sie ist die einzige spirituelle Strömung der modernen Zeit, die in die volle Differenzierung hineinführt.

Wie klein eine Erleuchtung ist, sieht man gerade an dem gewöhnlichen Ich eines Menschen. Bei Hau ist es nicht im Geringsten verwandelt. Er hat es ja auch nicht nötig. In der wirklichen Erleuchtung hängen aber diese und die Moralität ganz und gar zusammen. Alles Andere ist geraubte Erleuchtung – die eines Diebes, der nicht durch das Tor geht –, damit aber verfällt sie völlig den Lügenmächten. Eine Erleuchtung im wahren Sinne muss aber auch schauend werden. Es reicht nicht, wenn sie ihre eigene Selbstvergottung schaut und erlebt. In höherem Sinne ist jede solche Erleuchtung nicht das Geringste (und so sagt es Hau ja indirekt auch), denn sie sieht noch immer nichts – außer ihre eigene Erleuchtung und die All-Nichtigkeit. Schon mit Steiners „Philosophie der Freiheit“ hat dies nicht das Geringste zu tun.

Steiner übersetzte den Titel „Philosophie der Freiheit“ ins Englische mit „Philosophy of Spiritual Activity“. Das hat nichts zu tun mit dem Erlebnis der Selbstvergottung. Es ist intensivste seelisch-geistige Aktivität, in der ein ganz anderes Freiheitserlebnis als das Hau’sche gewonnen wird – von Erleuchtung ganz zu schweigen. Die „Philosophie der Freiheit“ gibt noch keine Erleuchtung, aber die Freiheit – wenn der Weg der spirituellen Aktivität, der Spiritualisierung des Denkens, gegangen wird. Erleuchtung gibt dies noch nicht, weil die Erleuchtung viel, viel weitergehend ist. Sind die Seelenkräfte so spiritualisiert, wie es durch wirkliche innere Aktivität möglich ist, dann beginnt die Geistesforschung. Und erst diese führt zur Erleuchtung. Die Geistesforschung erleuchtet sozusagen die wahre Wirklichkeit, die das Menschenwesen umgibt, trägt, durchdringt und begleitet.

Die luziferische Erleuchtung dagegen blendet den Menschen und macht ihn gerade blind für diese Wirklichkeit. Die Hau-Erleuchtung und die Anthroposophie stehen sich gewissermaßen diametral gegenüber – und dies beginnt schon mit der „Philosophie der Freiheit“, schon hier beginnt die Trennung der beiden Wege. Hau setzt auf die totale Erleuchtung. Steiner hat immer und immer wieder betont, dass alles Stufen hat, Entwicklung, Wege. Nicht nur, weil die meisten Menschen diese Stufen brauchen, sondern weil dies die Wirklichkeit ist. Hau hat eine Erleuchtung, die jede Entwicklung im Grunde obsolet und unnötig macht. Damit erweist sich unmittelbar, wes Geistes Kind diese Erleuchtung ist. Weder ist sie ein Weg, weder liegt in ihr die Wahrheit, noch hat sie Leben. Sie ist totes Blendwerk. Der freie Nihilist – mehr nicht.

Ihr fehlt ganz und vollkommen das Heilige. Die wahre Wirklichkeit ist aber heilig. Es sei denn, man bricht zur Erleuchtung wie ein Dieb und geht nicht durch die wahre Tür. Dann aber kann man vom wahren Weinstock so oft reden, wie man will. Man weiß gar nicht, was man sagt...

Und Gronbach? Er redet und redet und redet, von "Geist", "Gott" oder "einfach das". Stundenlange Satsangs - und immer wieder dasselbe. New Age in all seiner Banalität...