04.01.2010

Von der Fruchtlosigkeit von Diskussionen

Nachdem mich der offene Brief von Ingrid Haselberger auf Egoisten.de direkt angesprochen hatte, habe ich darauf erwidert und mich dann zwei Tage lang – außerordentlich intensiv – auf eine Diskussion eingelassen bzw. bin auf die einzelnen Kommentare eingegangen. Auf meine sehr ausführlichen Gedanken zum Thema „Toleranz“, „Dogmatismus“, „Rechthaberei“ usw. wurde – wie sollte es in einem Blog auch anders sein – gleichsam immer nur mit Dreizeilern eingegangen, wenn überhaupt. Eine Gedankenbildung fand also so gut wie nicht statt, stattdessen glitt die „Diskussion“ auf ein immer niedrigeres Niveau, kreiste um immer dieselben (Vor-)Urteile und festen eigenen Standpunkte. Ein Einblick in den weiteren Verlauf (Kommentare in grau, meine Antworten jeweils dazwischen).


Inhalt
Moralisieren oder Moral
Unverständnis und Desinteresse am reinen Denken
Matthäus-Passion und Steiner-Collagen
Weitere Beleidigungen
Ewige Diskussionen und fruchtlose Dreizeiler? | ... von „Wahrheitsansprüchen“ und echter Gedankenbildung
Doch einige Zustimmung und nochmal die Hauptfrage
Ende der Diskussion | Mit Blinden kann man nicht...

Moralisieren oder Moral

Ich hatte auf einen anderen Kommentar geantwortet:

Rudolf Steiner war sicher die Milde selbst, wie man aus unzähligen Berichten von Menschen, die ihn erlebt haben, auch immer wieder nacherleben kann. Und dennoch wissen wir, dass er vielem auch scharf entgegen getreten ist, wenn er die Notwendigkeit sah – und dass er diese Notwendigkeit selbst auch mehrfach ansprach. Darauf kam es mir bei den Zitaten, die ich dann anfügte, an. – Und damals ging es überhaupt nicht um jene Entstellungen, die heute stattfinden. Damals ging es um Schlendrian, um die immer wieder einreißende Bequemlichkeit, um falsche Toleranz, um „kurulische Stühle“, um Schwere und fehlende Begeisterung. Wenn man sich vorstellen sollte, dass damals Gronbach oder Judith von Halle unter dem Namen der Anthroposophie aufgetreten wären ... es ist einfach nicht vorstellbar, es wäre eine Unmöglichkeit gewesen.

Foersterliesel
... es ist einfach nicht vorstellbar, es wäre eine Unmöglichkeit gewesen" bei Andrej Belyi liest sich das anders, und die Ereignisse etwa um Ita Wegmans Ausschluß, all das war möglich. [Der Zusammenhang mit meinem letzten Satz ist mir völlig unersichtlich!!! H.N.]
Vier angeblätterte Mieke Mosmueller Bücher (Wilber, Gral, Steiner und Suche das Licht im Abendland) liegen hier, in denen ich immer wieder Information und einen erhellenden Satz finden kann, deren moralisierender Unterton mich aber immer wieder mit dem Lesen abbrechen läßt. Salz der Erde, historische oder spirituelle Avantguarde, Elitetruppe und wahrer, einziger Erbe und Interpret sein – das sind vor allem narzißtische Gewinne, und nur zu leicht werden es organisatorisch-sozial-strukturelle.
04.01.10, 15:28:48


Wie war das mit „Deutungshoheit“ usw.?
Gibt es für das wertende Urteil „moralisierender Unterton“ Begründungen, Beispiele, Zitate? Haben Sie bei Rudolf Steiner nie dieses Problem „moralisierender Untertöne“? Oder bei Michael, der, seinen „strengen Blick gegen Feindgewalt gerichtet“, auf den Menschen wartet? Der ganze große Kosmos ist moralisch – nur unser nüchterner Verstand hat diese allgegenwärtige Moral aus dem Bewusstsein verdrängt, und nun erscheint eben diesem Bewusstsein alles, was tiefer moralisch ist als die Alltagsmoral, als „moralisierend“, zumal es nicht mehr unterscheiden kann (und will) zwischen tiefer Moral und aufgesetzter Dogmatik puritanistischer Erzvorväter etc. So ist dann „moralisierend“ für das Alltagsbewusstsein jede Moral, zu der man sich nicht erheben will, sei es aus guten Gründen (gegenüber jeder dogmatischen Schein-Heiligkeit), aus Lauheit oder aus vorläufiger Unfähigkeit. Die ganzen Worte von der Avantgarde etc. sind Ihre Worte, sie kommen bei Mieke Mosmuller nicht vor. Und das „Salz der Erde“ ist ein Christus-Wort...

Unverständnis und Desinteresse am reinen Denken

Diese Diskussion mit Foersterliesel (Herman Finkelsteen) verlief folgendermaßen:

Foersterliesel
lieber Holger Niederhausen,  bei Mieke Mosmueller beanspruche ich keine Deutungshoheit, sondern stelle bedauernd fest, daß, nachdem ich mir die Bücher (erwartungsvoll) bestellt habe, sie mich enttäuschen. Das liegt sicher vor allem an mir und meinen Beschränkungen aber auch daran, daß Steiner nicht erläutert sondern in Besitz genommen wird. Ich habe von Steiner bisher nur die wichtigsten Bücher, die Arbeitervorträge  und die Vorträge zum ersten WK gelesen, Steiners Sprache ist weich, deskriptiv, modulierend.
Ich denke daß man nicht so sehr der Scheinheiligkeit der anderen entgegentreten muß, sondern die eigene sehen, so verstehe ich Michael. Gegen Scheinheiligkeit/Lüge/Ideologie/Alltagsokkultismus muß man sich alltagspraktisch wehren und andere solidarisch aufklären, Informationen teilen.
Die Avantguarde war als Beispiel gemeint, im Namen der Avantguarde (dem politischen Salz der Erde, das Revolutionen und damit die Menschheit voranbringen sollte) sind viele Leben geopfert worden, Zwecke heiligten Mittel.
Was sollte mich denn berechtigen eine Familie die zu den eigenen Kindern behinderte aufgenommen hat mit dem reinen Denken zu belästigen? War es bei Steiner nicht so, daß er nur auf Fragen Antworten gab?
04.01.10, 17:24:57

Michael
Liebe Liesel, "War es bei Steiner nicht so, daß er nur auf Fragen Antworten gab?" Das trifft schon den Punkt, an dem die Dinge gedeihen können. Solange das Diktat des Überzeugen-Wollens vorherrscht, dreht man nur mit dem Bagger den Boden um. Es gibt sicher eine Zeit im Leben, in der man nur dazu in der Lage ist. Wenn man möchte, dass etwas wächst, muss man die Dinge vorbereiten und dann in Ruhe lassen. Etwas pflegen, aber nicht mit dem Holzhammer. Vor allem Idealisten und Sozialberufler haben es schwer damit, da sie ihr Ideal so stark empfinden, und daher ihre eigenen brachialen Methoden nicht bemerken. Du hast übrigens, wenn ich das mal wieder bemerken darf, keinerlei "Beschränkungen".
04.01.10, 19:49:33


Man bewegt sich doch immer in den eigenen Deutungen, Wertungen usw. – Ich hoffe noch immer auf einige echte Zitate, an denen Sie Ihre Empfindungen erläutern können. Und Steiners Sprache war auch sehr verschiedenartig. Was meinen Sie mit „Steiner erläutern“? Was meinen Sie mit „Steiner in Besitz genommen“? Was ist Ihrem Erleben nach eine wichtige „Botschaft“ von Mieke Mosmuller an Sie als Leser?

Ihren vorletzten Satz habe ich sozusagen überlesen, denn eben dieses reine Denken bezeichnete Rudolf Steiner immer wieder als das wichtigste, was zu erringen wäre! Das war etwas, was ihm unabhängig von Fragen Anderer ein Herzensanliegen war – und es war ihm offenbar ein tiefer Schmerz, dass man danach nicht fragte! Dieses reine Denken ist das Nadelöhr zur geistigen Welt. Was sie dazu „berechtigen“ sollte? Vielleicht die Tatsache, dass Rudolf Steiner auch nur aus der Frucht dieses reinen Denkens heraus den „Heilpädagogischen Kurs“ geben konnte? Sie belästigen Ihre Familie nicht, denn Sie üben es allein, in stillen Momenten.

Matthäus-Passion und Steiner-Collagen

Micha führte dann erneut in einen drastischen Relativismus hinein:

Micha
Holger Niederhausen schreibt: Es geht um den Unterschied zwischen Relativismus und "absoluter Wahrheit".
Ich bin u.a. Musiker und frage: Welcher von den Dutzenden von Interpreten hat bisher in seiner Einspielung die "absolute Wahrheit" von Bachs Matthäuspassion erfasst? Es gibt Einspielungen, die sich im Tempo und also in der Länge um viele Minuten voneinander unterscheiden. Schnelle, frische, "moderne" Einspielungen und langsame, erhabene, "altmodische". Einspielungen mit alten Instrumenten und welche mit neuen, Einspielungen im sakralen Interueur einer Kirche und welche in moderne Konzertsälen usw.
Gibt es die Wahrheit der Matthäuspassion in einem Platonischen Sinne, als über den Wolken thronende Idee oder als durch die Partitur durchscheinendes, nicht direkt greifbares Etwas, das seit Bachs Zeiten Hunderte von Interpreten inspiriert hat, es so und nicht anders aufzuführen? Wieso können wir sagen: Ich liebe sowohl die Einspielung von Furtwängler wie die von Toscanini oder Abbado? Relativismus? Oder: EINE Wahrheit in verschiedenen Gewändern, Rollen, Masken, Darstellungsformen, Perspektiven, Spiegelungen?
Nicht nur mit modernen Instrumenten und in verschiedenen Tempi wird seit 150 Jahren Bachs Matthäuspassion – ein hochspirituelles Werk über das Christusmysterium – aufgeführt,  sondern auch – o Schreck, o Graus – als Ballett mit erotisch anzusehenden Männerkörpern (vom Hamburger Choreographen John Neumeier). Für Sie, Herr Niederhausen, ein Sakrileg oder eine legitime Spiegelung von Bachs "Wahrheit" im 20. Jahrhundert? Übertragen Sie das mal auf die Anthroposophie. Wer darf was? Wie weit darf er gehen? Und wer beurteilt das? Könnte es nicht sein, dass Bachs Wahrheit GERADE in einem Ballett herauskommt – oder nochmal ganz anders als in einer "werktreuen" Inszenierung? Könnte es nicht sein, dass die Ihnen verhassten Steiner-Collagen von Michael Eggert GERADE auch etwas von Steiners Substanz hervorholen? Sie argumentieren nach einem "Wahrheitsbegriff", der die Entwicklung in Philosophie, Wissenschaft und Kunst der letzten 100 Jahre verschlafen hat.
04.01.10, 17:35:27


Zur Matthäuspassion – fragen Sie diejenigen Menschen, die dieses Werk am meisten lieben, sie werden Ihnen wahrscheinlich die richtige Antwort geben.

Zur Steiner-Collage: Nein, das kann absolut NICHT sein. Wenn es von Ihnen als offene Frage gemeint war, dann haben Sie jetzt meine Antwort. Wenn es eine rhetorische Frage bzw. eine implizite Aussage war, dann werden Sie glücklich mit Ihrer Überzeugung. Von meinem Wahrheitsbegriff haben Sie offenbar keine Ahnung – Sie aber argumentieren mit bloßen Analogien und haben nicht nur die letzten 100 Jahre verschlafen (das wäre nicht weiter schlimm, das haben sehr, sehr viele), sondern den Weckruf der Anthroposophie überhaupt.

Micha
Entschuldigung, aber Sie weichen aus und verschanzen sich hinter pathetischen und letztlich leeren Phrasen wie "Weckruf der Anthroposophie". Ich spiele nicht nur mit einer Analogie, sondern reagiere auf Ihr Wahrheitspathos mit Erfahrungen aus einem Bereich, in dem ich wirkliche Erfahrungen habe. Steiners Gedanken stehen genauso im Gang der Entwicklung drin wie Musik von vor 200 Jahren. Da gibt es keine festgeschriebenen "heiligen" oder "objektiven" Wahrheiten, die nur richtig abgespiegelt werden müssten, sondern "Wahrheit" mag vielleicht kurz aufblitzen im immer unabgeschlossenen Prozess zwischen Interpret und Werk. Schauen Sie mal, wie Anthroposophen darum ringen, was Steiner mit Atlantis gemeint haben könnte. Wolfgang Schad, Dietmar Bosse, Andreas Delor – jeder völlig anders und so anders, dass es heftigste Streiteren und Feindschaften gibt. Demnächst kommt noch ein ganz neuer Ansatz von Ulrich Kaiser dazu. Da bleibt nur eines übrig: eine Kultur des Dialoges, Hinhörens auch auf den anderen Ansatz, Austausch von Argumenten und der Verzicht auf jede Besserwisserei nach dem Motto: Ihr seid noch nicht zum "reinen Denken" vorgedrungen oder ihr habt ja gar nichts von Steiner verstanden. Die Anthroposophen haben sich über Jahrzehnte mit dieser Arroganz aus der gesellschaftlichen Diskussionskultur herauskatapultiert, auf keinem Philosophenkongress kommt Steiner vor, aber auch kaum in der aktuellen spirituellen Diskussion. Das ist nicht nur die Schuld des bösen Materialismus. Sie stricken an diesem Faden weiter und manövrieren sich – und die Anthroposophie – damit weiter in Einsamkeit und Isolierung hinein.
04.01.10, 19:55:21

Micha
Natürlich hat nicht jede unkonventionelle Inszenierung mit Wahrheit zu tun, und auch zwischen den vielen verschiedenen Interpretationen gibt es welche, die ich mehr bei Bach verorte als andere. Warum, ist sehr schwer zu sagen. Da spielen auch immer eigene Wünsche und Projektionen hinein, wie bei der Ansicht vom "wahren Steiner". Ich würde sagen, Bach ist ein Kraftfeld, das zwar in seiner Zeit entstanden ist, dass man auch philologisch gut erforschen kann (Biographisches, Stilkunde, Intrumentenkunde etc.), dass aber als mehrdeutiges Kunstwerk weit über seine Zeit hinausreicht und immer wieder neu ausgelotet werden kann (und muss).
Es entblättert immer neue Schichten, gerade auch in späteren Zeiten, zu ganz anderen Rezeptionsbedingungen. Und es kann dann sein, dass 300 Jahre nach Bach eine Aufführung, die zu seiner Zeit völlig undenkbar gewesen wäre, gerade zum Schlüssel für seine lebendige Essenz werden kann. Warum sollte das nicht auch für Steiner gelten? Und warum sollten die Versuche von Gronbach, Eggert u.a. nicht auch ernsthafte Versuche darstellen, an der lebendigen, sich fortentwickelnden Essenz Steiners teilzunehmen mit Sprach- oder Collageformen, die vor 100 Jahren undenkbar, ja skandalös gewesen wären. Auch mit Witz, Ironie, Verfremdung, Einbettung in neue Kontexte etc. Ich denke z.B. , dass Steiner das alles aushält: sein Kopf auf Eggerts Punkcollage macht keine schlechte Figur, immerhin war Steiner in seiner Zeit auch von Reaktionären bekämpfte Avantgarde, kühn, provozierend, unbürgerlich, man siehe nur das unglaublich Mutige der Goetheanum-Architektur. Eine solche Collage ist vielleicht nicht der Gipfel des Tiefsinns, aber eine Zumutung oder ein Sakrileg schon gar nicht. Sie sagt etwas zwischen den Zeilen, drückt eigentlich auch Zärtlichkeit aus, indem sie durch neue Kontexte einen frischen Blick ermöglicht und weit auseinanderliegende Zeiten wie im Funkenschlag zusammenspannt. Eine beleidigte, moralinsaure Attitüde hat demgegenüber etwas Altjungferliches, Musterschülerhaftes, über das Steiner wohl eher geschmunzelt hätte. Er braucht solche Verteidiger gar nicht – wie Bach nicht gegen Neumeier verteidigt werden muss.
04.01.10, 21:53:59


Ich weiche überhaupt nicht aus. Und wenn der Hinweis auf das reine Denken für Sie auch eine Phrase sein sollte, dann können Sie Ihre Anthroposophie ruhig suchen, wo Sie wollen.
Wenn Sie auf die Matthäus-Passion noch eine weitere Antwort haben wollen: Suchen Sie selbst nach dem Geist dieser Musik! Lassen Sie den Evangelientext, das Passionsgeschehen auf sich wirken! Hören Sie auf, Pathos als abwertenden Begriff zu benutzen. Werden Sie zum Pathos, empfinden Sie etwas von der Passion – und dann hören Sie wieder die Musik. Und noch eine Antwort: Nein, erotische Männerkörper haben mit dem Geist dieser Musik nichts zu tun.

Und zu guter Letzt: Mit „Witz, Ironie, Verfremdung, Einbettung in neue Kontexte etc.“ kommen Sie keinen Schritt weiter – doch, Sie kommen weiter in den Intellekt hinein, immer weiter... Sie werden dann natürlich auch immer mehr in dem notwendigen Ernst „etwas Altjungferliches, Musterschülerhaftes“ sehen, und Ihr eigenes Steinerbild („...wohl eher geschmunzelt hätte“) wird das voll und ganz bestätigen. Und ihre „eigenen Wünsche und Projektionen“ werden sich voll befriedigt fühlen. Glückwunsch! Ich hoffe nur, Sie sehen, dass es hier nicht um „eine beleidigte, moralinsaure Attitüde“ geht, sondern wiederum um eine reine Wahrheitsfrage.

Die Atlantisfrage ist nun wirklich nicht das Zentrum der Anthroposophie. Aber auch hier gilt: Wenn man sich nicht zur Übung des reinen Denkens hinaufbequemen will, wenn man sich dafür nicht einmal interessiert oder wenn dies nur ein weiterer intellektueller Zeitvertreib ist, sich einmal zu überlegen, was damit vielleicht gemeint war, dann wird man auch mit Atlantis zu keiner Lösung kommen und heftig weiterstreiten, als ginge es hier um wirklich Entscheidendes. – Sie können sich gerne hineinkatapultieren, wo Sie wollen. Diskutieren Sie ruhig begeistert jahrzehntelang weiter. Vielleicht bringt es Ihnen ja wirklich etwas. Noch ein Gedanke: Kennen Sie das Gefühl, dass Sie einen wunderschönen Film gesehen haben, Sie gehen mit Ihren Bekannten dann aus dem Saal, und die diskutieren dann alles Mögliche aus dem Film, reden auch auf sie ein, und Sie sind völlig allein mit Ihrem erfüllten Gefühl und merken, dass der Film den Anderen überhaupt nichts Tieferes bedeutet hat? Das gibt vielleicht eine leise Ahnung von dem Erleben, was Steiner immer und immer wieder gehabt haben muss.

Weitere Beleidigungen

Auch diese blieben nicht aus:

Hollywood Tomfortas
Lieber Michael,
Wann stellt die Ironie zu der Heuchelei um? Vermutlich geht‘s um die Frage des Selbsterkenntnis, nicht wahr?  (Aus dem ersten Mysteriendrama RS in 1909: „O Mensch, erkenne dich selbst!“Wink
Sehr komisch dann ist die Tatsache, dass HN so heftig und fanatisch gegen das Wesen des Bloggens wettert und donnert –-- die ganze Zeit schon hat er uns bei den Egoisten mit seiner riesigen Bloglaberei lawinenverschüttet hat!!!  Nur 4 Tage des Neujahres sind vergangen aber trotzdem nominiere ich den niederen niedlichen neidischen Niederhausen als „der anthroposophische Blogger des Jahres!“
04.01.10, 19:22:52

Michael
Lieber Tom, "Vermutlich geht‘s um die Frage des Selbsterkenntnis, nicht wahr?" Das vermute ich auch. Wir sind mal wieder mitten auf dem Schulungsweg. Der eine sieht Gänseblümchen, der Andere Kackhaufen. Aber beide haben denselben Ausblick.
04.01.10, 19:53:18

Ewige Diskussionen und fruchtlose Dreizeiler?

Und schließlich entstand die Frage nach der Frucht der ganzen von meiner Seite aus umfassenden Diskussion:

mickeggert
Lieber Herr Niederhausen, Ihrem kommunikativen Energiepotential nach zu urteilen sollten Sie vielleicht doch eine Kommentar-Funktion auf Ihrer Seite einrichten?
04.01.10, 17:10:24


Lieber Herr Eggert, welchen Sinn sollte das aber haben? Ich habe zwei Tage lang versucht, klare Gedanken an die Stelle gewisser Vorstellungen und Vorurteile zu setzen. Ob diese Gedanken irgendwie aufgenommen wurden – und wenn ja, von wem und wie – kann ich noch nicht sehen. Möglicherweise ist das Urteil über mich und/oder das, was ich schreibe, ja nach wie vor im wesentlichen – vielleicht abgeschwächt – das gleiche. Ich habe jedoch nicht vor, mich dauerhaft oder immer wieder gegen den Vorwurf des „Dogmatismus“ usw. zu rechtfertigen, sondern habe jetzt wirklich viel zusammengetragen, um auf diese Frage einen anderen Blick gewinnen zu können. Wenn man dieses Urteil nach wie vor hat, ist eine Kommentar-Funktion auf meiner Seite völlig überflüssig, wenn man es jetzt nicht mehr haben sollte, aber ebenso. Wie gesagt – persönlich bin ich immer zu erreichen. Und Kommentare zu meinen Aufsätzen, kann man, wenn man das weiter pflegen will, ja nach wie vor bei Ihnen machen.

Mir geht es nun einmal nach wie vor um sehr ernste Erkenntnisfragen, nicht um Kommentierungen und Diskussionen. Sie mögen darin vielleicht wieder eine unverständliche oder rechthaberische Unterscheidung sehen. Aber ich habe gerade in den letzten zwei Tagen nochmals deutlich gemerkt, dass man zu Erkenntnissen nur kommt, wenn man intensiv und beharrlich nachdenkt. Das Ergebnis braucht dann immer vier, fünf Blog-Portionen. Wenn die Antwort dann aber nur aus einem Dreizeiler besteht, empfinde ich nur eine Bestätigung meiner Beobachtung, dass doch im wesentlichen eh jeder nur bei seiner fertigen Meinung bleibt. Daher meine offene Frage, ob die letzten zwei Tage irgendeinen Erkenntnisgewinn gebracht haben – abgesehen vielleicht von der Entdeckung, dass auch H.N. ein kommunikatives Potential hat...

Vielleicht aber war Ihre Bemerkung auch nur ironisch-humorvoll gemeint. Diese Möglichkeit ziehe ich natürlich auch in Betracht, aber Sie wissen, dass ich die Dinge – und auch die Äußerungen von Menschen – eher ernst nehme...

mickeggert
Lieber herr Niederhausen, "aber Sie wissen, dass ich die Dinge – und auch die Äußerungen von Menschen – eher ernst nehme..." Ja, ich weiss, aber das tun Andere auch. Ob Sie nun kommunizieren wollen oder als einsamer Rufer in der Wüste predigen, bleibt ja ganz Ihnen überlassen. Ich will Sie nicht überzeugen. Sie fragen nach dem "Sinn" dieser Dialoge. Das weiss man in einem echten Dialog nie so genau. Interessant ist oft ja das, was gerade nicht vordergründig erscheint. Zumindest sind Sie wohl *sichtbarer* geworden für viele Leser. Man hat ernsthaft und fair mit Ihnen gerungen. "Urteilen" wird man vor allem dann, wenn man etwas Unsichtbares, Abstraktes vor sich hat. Ich weiss aber wirklich nicht, was an Diskussionen weniger ernsthaft sein soll als an den von Ihnen so hoch gehaltenen "Erkenntnisfragen". Immerhin haben Sie versucht, auf die Menschen, die mit Ihnen umgegangen sind, ein wenig einzugehen – wenn auch in der bekannten Art und Weise. Ich denke, Sie sehen einfach manche Perle nicht, die Ihnen vor die Füße gelegt wird und neigen schnell dazu, etwas geringschätzig darüber hinweg zu gehen. Aber auch das ist, selbstverständlich, ganz Ihre Sache.
04.01.10, 19:08:23

... von „Wahrheitsansprüchen“ und echter Gedankenbildung

Doch, in einem echten Dialog liegt der Sinn so offen und klar erlebbar zutage, wie nur irgendwas. – Ob man hier ernsthaft und fair gerungen hat? Was meinen Sie mit fair? Dass die Urteile über meine Person ausgeblieben sind? Und was meinen Sie mit ernsthaft? Wie man mit kleinen Absätzen zu einem wirklich ernsthaften und tiefgehenden Austausch kommen könnte, ist mir noch immer nicht ersichtlich. Aber darin genau liegt eben ein Grund, warum ich Diskussionen und vor allem Blog-Diskussionen für unfruchtbar halte. Wirkliche Dialoge sind das für mich in den seltensten Fällen. Perlen kann ich sehr wohl sehen. Oft sind es Steiner-Zitate. Die Frage ist, ob auch die vielen Perlen in meinen langen Antworten der letzten zwei Tage überhaupt gesehen wurden. Wenn nicht, ist das doch eben einfach der Beweis, dass ein Dialog gar nicht zustande kommt, auch wenn man noch so ausführlich „kommuniziert“.

„Immerhin habe ich versucht, auf die Menschen, die mit Ihnen umgegangen sind, ein wenig einzugehen“? Ich bin wohl auf fast jeden Gedanken, jede Bemerkung der letzten zwei Tage eingegangen! Auf wie viele Aspekte meiner Antworten ist man eingegangen? Ich sage doch: Die Meinungen bleiben wie sie sind, ein tieferes Eingehen findet gar nicht statt. Und letztlich bleibt nur das Urteil: „Immerhin hat H.N. versucht, auf Andere einzugehen – was ihm allerdings nur halbwegs gelungen ist, und geändert hat er seine bekannte Art und Weise und seinen dogmatischen Wahrheitsanspruch auch nicht.“ Womit wir wieder am Beginn angekommen wären... Oh, ich vergaß, ich bin zumindest wohl ein wenig „sichtbarer“ geworden! Welch wunderbare Frucht der Diskussionen! Also: Ich vermisse wirklich die tiefgehende Auseinandersetzung mit den klaren Gedanken, die ich entwickelt habe.

Ich habe keinen „Wahrheitsanspruch“ – jedenfalls so gesehen keinen anderen als Sie, wenn Sie z.B. sagen, „Ich denke, Sie sehen einfach manche Perle nicht...“ oder was auch immer. Das ist genauso kategorisch wie die Art und Weise, die Sie mir vorwerfen. Das vorangestellte „Ich denke“ macht die Sache nicht besser, sondern gibt ihr höchstens noch eine etwas abschätzigere Note. Ich habe keinen Wahrheitsanspruch, sondern habe klare, ausführliche Gedanken entwickelt.

Mir kommt langsam der Verdacht, dass der Eindruck des „Dogmatismus“ daher kommt, dass diese Gedanken eben so klar und ausführlich sind. Bei kurzen Urteilen in einem Dreizeiler entsteht dieser Eindruck nicht so schnell, obwohl es sich natürlich ganz und gar um die gleiche Sache handelt: Man bildet Urteile. In Ihrer kurzen Antwort liegen auch schon wieder sehr viele: „Das tun Andere auch“ ist ein Urteil über die Vergleichbarkeit der Ernsthaftigkeit. „Ob Sie nun kommunizieren wollen“ ist ein Urteil darüber, dass es natürlich ich bin, der sich entzieht. „Immerhin haben Sie versucht...“, „Ich denke Sie sehen ... und neigen schnell dazu...“ usw., das sind alles Urteile. Und ob Sie diese nun in einem Aufsatz in die Welt stellen (was Sie ja auch schon getan haben) oder für sich behalten – Sie haben sie und den damit verbundenen Wahrheitsanspruch. Wo ist der Unterschied zwischen Ihren Urteilen über mich („hat sich zumindest bemüht“ usw.) und meinen Urteilen über Gronbach oder über die Frage „Toleranz vs. Geisteskampf“ usw.? Im Wahrheitsanspruch über das, was man sagt, doch wohl sicher nicht!

Mir geht es wie gesagt sehr ernsthaft um wesentliche Erkenntnisfragen, die das Wesen der Anthroposophie betreffen. Ihnen geht es um meinen Stil, meine Art und Weise zu schreiben. Wieso das? Und wieso belegen Sie ihn mit dem inneren Urteil „rechthaberisch“ o.ä.? Den Wahrheitsanspruch an jedes unserer Urteile haben wir immer! Nur dass man viele seiner Urteile vielleicht gar nicht bemerkt. Ich bin mir meiner Urteile aber sehr wohl bewusst. Setzen Sie sich aber doch bitte mit meinen Gedanken auseinander! Und wenn Sie das nicht wollen, dann lassen Sie doch meinen Stil meinen Stil sein! Ist es denn so kurzweilig, sich über H.N. zu amüsieren? Wollen Sie in zwei, drei Tagen wieder den Ausfälligkeiten von Hollywood Tomfortas beipflichten? Sagen Ihnen denn die geäußerten Gedanken gar nichts? Mir ist jeder von mir geäußerter Gedanke wichtig, weil er mit der Frage zu tun hat: Was ist das Wesen von Anthroposophie?

Mir geht es um nicht weniger als eine ernsthafte Gedankenbildung, die sich nicht in einem Hin- und Herwechseln von Dreizeilern erschöpft. Und diese Gedankenbildung und -arbeit findet eben einfach nicht statt, wenn man bei bequemen Plattitüden bleibt. Und es ist eine bequeme Plattitüde, sich auf dem Urteil auszuruhen, H.N. wäre ein Besserwisser nach dem Motto: Ihr seid noch nicht zum „reinen Denken“ vorgedrungen. Ich habe noch nirgendwo in einem halben Satz eine Antwort auf diesen Hinweis auf das reine Denken gefunden (außer eben die gerade genannte Plattitüde, die den Begriff dem Wort nach wiederholte). Es hilft aber auch rein gar nichts, das wiederum nun in einem Dreizeiler schnell nachzuholen, stellvertretend für ein halbes Dutzend anderer Blog-Teilnehmer. Eine weitere bequeme Plattitüde ist es, mir Arroganz (nochmals s.o. zum Wahrheitsanspruch) vorzuwerfen, vielleicht gar noch die Schuld daran, dass sich „die Anthroposophen aus der Diskussionskultur herauskatapultiert“ haben! Das verkehrt die Dinge um 180 Grad! Abgesehen davon, dass die Frage, was Anthroposophie und Diskussionskultur miteinander zu tun haben, erst einmal untersucht werden müsste, ist es doch eben so, dass ich verschiedenste Aufsätze geschrieben habe, und die Diskussionskultur sich dann darauf beschränkt, mich als einen Besserwisser zu verurteilen! Und dann wird dem Besserwisser noch Arroganz vorgeworfen – und zu guter Letzt, dass er sich selbst aus der Diskussion katapultiert. Wunderbar! Das Ganze verschleiert perfekt die Tatsache, dass man nicht den kleinsten Gedanken aufgreift oder einen eigenen zu dem Thema entwickelt. Also wie gesagt: 180 Grad.

Und wo man doch einmal zu ähnlichen Urteilen kommt (z.B. zu Gronbach vielleicht), da ist natürlich H.N. trotz allem ein Besserwisser. Aber ich wiederhole: Auf diese ganze völlig geistlose Urteilsbildung, auf das ganze Gerede von Besserwisserei etc. kommt es überhaupt nicht an! Sondern nur auf die Gedankenbildung.

Noch einige Zustimmung und nochmal die Hauptfrage

Liebe Ingrid, ich sehe erst jetzt Ihren ersten Post:

Ich begreife nicht recht, wieso Sie nicht sehen können, daß zumindest einige der „Egoisten“ deshalb nicht näher und detaillierter inhaltlich auf Ihre Gedanken eingehen, weil sie ihnen zustimmen, und weil man diese Gedanken kaum ausführlicher darstellen kann, als Sie es getan haben. Sowohl Michael Heinen-Anderes als auch „hr“, und natürlich ich, haben Ihnen ganz ausdrücklich zugestimmt. Und auch bei anderen Gesprächsteilnehmern wurde deutlich, daß es einen einzigen Haupt-Kritik-Punkt gibt, der uns wohl allen gemeinsam am Herzen liegt.
Barbara hat es sehr klar gemacht mit ihrem Zitat zu „Milde“ und „Herzenstakt“ aus GA 10.
Und ich möchte noch einmal wiederholen: Die Forderung nach solcher Milde und solchem Herzenstakt ist nicht aus "Harmoniesucht", sondern einzig und allein deshalb zu erheben, weil erst dadurch, daß man sich in seinen Gesprächspartner einfühlt und das, was man sagt, an dieser Einfühlung formt, das Gesagte für den Partner annehmbar und so Kommunikation möglich wird.
In Steiners Worten: „Aber man soll so genau als nur irgend möglich auf den anderen hinhören und aus dem, was man gehört hat, die Gestalt seiner eigenen Erwiderung formen.“


Ja, vielen Dank für diese Ergänzung! Aber das ist natürlich auch wiederum ein Problem von Blog-Diskussionen überhaupt: Am Ende sind nur noch diejenigen sichtbar, die weiterdiskutieren wollen, mit teilweise unmöglichen Einwänden. Aber wenn ich tatsächlich verschiedenes so dargestellt habe, wie Sie sagen, dann ist es doch gut. Nur sind meine Gedanken bei Ihnen, Michael Heinen-Anders und „hr“ sicher auch vorher schon auf gewisse Zustimmung gestoßen. Insofern ist die Frage nach Sinn und Zweck der Diskussion nach wie vor offen. Denn dann ist es doch trotzdem so, dass diejenigen, die schon vorher Fragen an Inhalt und Stil meiner Aufsätze hatten, diese auch weiterhin haben...

Ich habe jedenfalls nun tatsächlich erst einmal alles gesagt, was ich sagen konnte, und hoffe, dass es doch irgendeinen Nutzen gehabt hat.

Zu Milde und Herzenstakt möchte ich abschließend aber auch nochmals sagen: Es geht nicht um den Standpunkt eines Einzelnen, der irrt und dem man aus Intoleranz und Unverständnis seinen Irrglauben nicht lassen wollte oder den man aus Dogmatismus oder Fanatismus unbedingt auch noch bekehren wollte. Darum geht es überhaupt nicht. Solcher Einzelner könnte in der Anthroposophischen Gesellschaft in jedem Falle unbedingt glücklich werden, indem ihm und seinen Anschauungen ein jeder – im Idealfall – mit Toleranz, Milde und Liebe begegnen würde.

Sondern es geht mit Sebastian Gronbach oder Judith von Halle jeweils um Menschen, die mit ganz speziellen Anschauungen und Ansprüchen (spirituelle Dienstleister der eine, „erleuchtet“ bzw. „eingeweiht“ sie beide) auftreten, verkünden und Anhänger haben bzw. gewinnen. Das ist etwas völlig anderes als Milde und Toleranz gegenüber der Anschauung des Einzelnen.

Lassen Sie doch einmal die Sprache von Gronbach auf sich wirken... Und wie steht es mit seiner „Milde“ und „Toleranz“ gegenüber dem Christus selbst, den er mitsamt den Hierarchien in den „Wesenszoo“ verbannt? Er tritt damit öffentlich auf, verkündet das als Wahrheiten usw.

Rudolf Steiner wäre alledem aufs Schärfste entgegengetreten und hätte nie zugelassen, dass man seine Worte von Milde und Toleranz für diesen Fall (der öffentlichen Verkündigung schlimmster Unwahrheiten unter dem Namen der Anthroposophie) missbraucht. Denn er hat auch ganz anderes gesagt, was hier in klarster Offensichtlichkeit zutrifft:

„In der Anthroposophischen Gesellschaft ist leider immer die Sehnsucht vorhanden, viel mehr dasjenige anzuklagen, was aus der Wahrheit heraus spricht, als solche Gegner anzuklagen, die aus ihren Seelenuntergründen heraus alle Wahrheit in den Kot treten möchten. Solange es noch in der Anthroposophischen Gesellschaft selber Usus ist, immer wieder Mitleid zu haben mit der Lüge, so lange kommen wir nicht vorwärts.“ (17.7.1921, GA 205, S. 242).


In Bezug auf Judith von Halle, ihre Bücher und Vorträge, gilt leider das gleiche. Lesen Sie einmal „Stigmata oder Geist-Erkenntnis“ von Mieke Mosmuller oder ihren Aufsatz im „Europäer“ oder meinen Aufsatz zu von Halles Vortrag über die Bundeslade. Und Judith von Halle spricht pro Vortrag zu Hunderten von Menschen!

Und nochmals: Ich will diese Menschen nicht persönlich angreifen, sondern ihren Äußerungen und Wirkungen entgegentreten, indem ich klar aufzuzeigen versuche, was hier vorliegt bzw. wo sich die Widersprüche zur Anthroposophie ergeben – damit Urteilsgrundlagen deutlich werden. Man kann dann ja noch immer Judith-von-Halle-Anhänger oder Gronbach-Wilber-Anhänger sein. Davon kann einen niemand abhalten. Aber man wird dann genau wissen können, dass man den Boden, den Steiner bereiten wollte, verlässt.

Ende der Diskussion

Nachdem ich die im Artikel „Vom Wesen der Anthroposophie und einer auferstehenden Kultur“ formulierten Gedanken geäußert hatte, ging die dreitägige Diskussion wie folgt zuende:

Micha
Ihre ganze Sprache ist durchzogen von einem rigorosen Schwarz-Weiss-Dualismus: Das Wesen der Anthroposophie-das Unwesentliche bei Gronbach, geistvoll-geistlos, absolute Wahrheit-Relativismus, ernsthaftes Bemühen-schnöde Unterhaltung, das Licht des Adventsgärtleins-die Verdunkelung durch info3 usw. Merken Sie das gar nicht mehr im Furor ihres Kreuzzuges gegen das Banale, Oberflächliche, Geistlose, Erotische, Sinnliche, Materialistische? Dieses harsche Schwarz-Weiss-Denken ist ja auch der Grund, warum Ihre Artikel nicht mal in der Zeitschrift "Das Goetheanum" gedruckt werden, sondern allenfalls in dem verschrobenen Sektenblättchen "Der Europäer", das darüber diskutiert, ob die Mondlandung wirklich stattgefunden hat oder abstruse Verschwörungstheorien zum 11. September propagiert.
Sie sehen aus wie ein noch recht junger, blonder, langhaariger Jüngling, aber aus Ihnen tönt es wie aus dem 82 jährigen Papst Benedikt, der einen beständigen "Kreuzzug gegen die Moderne" führt. Ihr Orchesterklang kennt nur Pauken und Trompeten, wagnerianisch schwer, triefend vor Bedeutung (Wesen, Wahrheit, Tiefe, Ernst, Mysterium), keine Kammermusik, keine Nuancen, Zwischentöne, nichts Leises, Leichtes, Farbiges, Poetisches wie bei Debussy, Ravel, auch manchmal im Wohltemperierten Klavier von Bach. Das ist in seinem hoffnungslosen Anachronismus auch irgendwie anrührend, aber zur ewigen Eso-Nische verdammt oder zum ewigen Beleidigtsein, Mit-dem-Rücken-zur Wand-Stehen, zur verbitterten Dauerempörung, die nur zu immer mehr Verhärtung führt. Das ist im Grunde schade, weil sie intelligent sind, willensstark, konzentriert Sachverhalte durchdenken können, aufrichtig nach neuen Wegen suchen und auch präzise und gut recherchierte Aufsätze schreiben können (z.B. den über die Schweinegrippe). Aber Ihre inbrünstige Liebe zu Steiner und zu Christus, ja eine Art Überidentifikation mit diesen Figuren, hat Sie in einen Rausch katapultiert, der sie für vieles blind gemacht hat. Wo ist ihr Humor, eine gesunde Distanz zu ihren Gedanken, wo sind Bekenntnisse zu Zweifeln und zum Scheitern, wo ist echte Toleranz, die gerade das völlig Andere einfach erstmal stehenlassen kann. Sie schreiben gleich wieder einen ellenlangen Aufsatz über Toleranz als Schwächesyndrom unserer Zeit. Machen Sie mal eine Zen-Meditation, keine anthroposophische, wo schon wieder gedacht wird, sondern eine Übung des Loslassens, Ausatmens, der sie danach wieder die zarten und gemischten Farben der Welt sehen lässt, einfach so, erst mal ohne zu urteilen ... einfach 10 Minuten mal nicht den Erzengel spielen, sondern einfach da sein ... Danach können Sie wieder mit ihrem alten Denken weitermachen.
05.01.10, 17:05:12

Michael
Ganz abgesehen vom Adressaten: Ihre Haltung finde ich sehr angenehm, Micha.
05.01.10, 18:41:25

Jo
Kann ich nur nur nur bestätigen, Michael (anderes macht aber wiederum neugierig..) LG
05.01.10, 20:14:44

Rainer
Zu dem Judith von Halle Buch von Mieke "Muttchen" Mosmuller gibt es übrigends von mir eine freundliche, aus "dem wirklichen Wesen der Anthroposophie" inspirierte Rezension bei Amazon: www.amazon.de/Stigmata-Geist-Erkenntnis-Judith-versus-Steiner/dp/3000232915/ref=cm_cr-mr-title
05.01.10, 18:01:40

Rainer
Lieber Holger, ich freue mich darüber, dass Du diese etwas chaotische Diskussion auf Deiner Website noch einmal geordnet  wiedergegeben hast, jetzt können wir anderen viel eher und klarer erkennen, wo unsere zahlreichen Denkbehinderungen liegen. Ich freue mich ebenfalls darüber, dass ich morgen früh, nach dem Aufwachen, wahrscheinlich wieder ca. 30 ausführliche Kommentare bezüglich das "Wesen Anthroposophia, reines Denken, usw." lesen kann. (Sorry, ich kann das Sticheln irgendwie nicht lassen, ich höre jetzt aber auch auf...)
05.01.10, 20:24:35


@ Micha | Michael | Jo | Rainer

Wo mein Humor ist, hatte ich hier glaube ich schon einmal geschrieben. Er gehört allerdings nicht wirklich zur ernst gemeinten Frage nach dem Wesen der Anthroposophie, und um die geht es (mir hier) nun einmal. Allerdings werden Sie ein paar Aspekte meines Humors auch hier in den Kommentaren finden – Sie müssen allerdings vielleicht ein bisschen suchen, denn mein Humor ist nicht Ihr Humor – die Menschen sind nun einmal individuell.

Der zweite Aufguss des Schwarz-Weiß-Vorwurfs ist peinlich – und die zweifache Zustimmung noch mehr. Ich vermute nicht, dass Sie meinen Hinweis auf die zwei Widersacher überlesen haben, also haben Sie die Realität davon nicht wirklich verstanden. Bei dem, was Sie für Schwarz-Weiß halten, ist das Weiße die Mitte, das Schwarze ist immer einer von beiden Widersachern. Aber eigentlich sind sie leicht zu unterscheiden. Vielleicht fällt Ihnen zu Schwarz und Weiß noch eine schöne Farbe ein, besser wäre es aber, diesen in diesem Falle blöd-sinnigen Begriff fallen zu lassen.

Und über das Leichte, Leise, Farbige, über Debussy, Ravel und noch sehr viel mehr, haben wir hier nicht gesprochen, ich jedenfalls sprach von dem Gegensatz zwischen wirklicher Vertiefung und den unglaublich starken Kräften, die diese Vertiefung verhindern wollen. Poesie und Debussy gehören zu einem echten Kulturleben fraglos dazu, dies und vieles andere würde in einer erneuerten Kultur auch eine echte Auferstehung feiern. Ich spreche von dem, was notwendig ist, damit eine solche erneuerte Kultur möglich wird.

So wie Sie die eigene Verflachung des Seelenlebens (das ist kein persönlicher Angriff, denn es ist zugleich eine allgemein-menschliche Feststellung) gar nicht empfinden können, weil sie im eigenen Erleben keinen Vergleich haben, was möglich wäre, so übersehen Sie offenbar auch, dass Poesie und Debussy schon jetzt ein Luxus-Konsumgut sind und dass man in weiteren 20, 30 Jahren diejenigen Menschen, die sich damit noch beschäftigen, wie die Nadel im Heuhaufen suchen wird – und sie mit demselben Spott bedenken wird, wie Sie mich heute.

Wenn Sie mein Sprechen von einer Vertiefung des Seelenlebens für Beispiele des „unfreiwilligen anthroposophischen Humors“ halten und gleichsam hinter vorgehaltener Hand über meine angeblich inbrünstige Liebe zu Steiner und Christus kichern, dann mag ich Ihnen weiter ein Objekt des Amüsements sein – da liegt sicherlich Ihre Begabung. Vielleicht wollen Sie sich ja ein Foto des noch recht jungen, hoffnungslos anrührenden Jünglings über das Bett hängen und später Ihren Enkeln erzählen: Guck mal, solche gab‘s früher noch. Dass es noch andere gibt, die sich in den von mir geäußerten Gedanken wiederfinden und dies in – zumindest mich – tief (!) bewegenden Worten zum Ausdruck bringen, sollte Sie aber doch nachdenklich machen.

Gern bleibe ich jedoch weiterhin Ihre bevorzugte Zielscheibe. Mit guten Wünschen für doch manche spätere Einsicht – und keineswegs beleidigt-verbittert-dauerempörten, sondern einfach nur ratlosen Grüßen. H.N.

Mit Blinden kann man nicht...

Und manche können einfach nicht verstehen:

Micha rät doch u.a. nur zu etwas mehr Lockerheit und Flexibilität, das ist doch nicht schlimm. Aber auch zu einem, sicher notwendigen Blick über den Anthroposophie-Tellerrand hinaus, man ist doch nicht allein (seligmachend) auf dieser Welt... Steiner empfahl übrigens den damaligen Waldorflehrern nach fünfjähriger Lehrertätigkeit (!) in der Privatwirtschaft tätig zu werden, zwecks Flexibilität und um einer Entfremdung vorzubeugen.

Für mich stellt er nach wie vor den Prototyp einer überlebten anthroposophischen Nischenposition dar, die an Stelle realer geistiger Erfahrung doktrinäre Denksysteme setzt. Das ist für mich von lebendiger Anthroposophie so weit entfernt wie der Sirius. Wegen dieses Prototypischen ist es die Mühe wert, sich damit zu beschäftigen. Sonst dreht sich das nur im eigenen Kreis wie eine tibetische Gebetsmühle.


Die Flexibilität liefe offenbar darauf hinaus, sich die verflachten und entfremdeten Vorstellungen von der Anthroposophie zueigen machen zu sollen?! Vorstellungen von Menschen, die lebendige Anthroposophie als „doktrinäres Denksystem“ bezeichnen und tote Anthroposophie als „lebendig“. Natürlich: So flexibel und lebendig wie der uns gut bekannte Zeit-Ungeist, der ja spürbar „lebendig“ und rasant in den Kulturtod führt. Interessant, dass die Menschen von „doktrinären Denksystemen“ sprechen, die scheinbar keinen einzigen klaren Gedanken verstehen, geschweige denn selber fassen können! Offenbar erregen die höchst klaren und kräftigen Gedanken der letzten Tage eine solche Abwehr, dass man nicht anders kann, als zur Forderung nach mehr „Lockerheit“ und zur doktrinären Denkschablone „doktrinäres Denksystem“ Zuflucht zu nehmen. Anders würde man diese lebendige Anthroposophie offenbar nicht aushalten.

Es bewahrheitet sich der Satz: Mit Blinden kann man nicht über Farbe reden. Das wird auch gegen mich verwandt werden – wie also findet man heraus, wer der Blinde ist? Nun, ich sehe die Lebendigkeit meiner Gedanken, ich sehe, dass es kein überlebtes doktrinäres Denksystem ist, sondern dass hier – im Denken und seiner weiteren Erkraftung – der Quell jeder Auferstehung zu suchen ist und zu finden sein wird. Die „flexibel-lebendige Anthroposophie“ anderer Menschen besteht offenbar in einigen allgemein hilfreichen Hinweisen, einigen Anregungen für die persönliche Spiritualität oder was auch immer – jedenfalls nicht in einem Durchdringen zu echter Geist-Erkenntnis.

Schon zu Rudolf Steiners Zeiten hatte Anthroposophie eine „Nischenposition“ – und schon damals lag es daran, dass zu wenig Menschen die Anthroposophie wahrhaft ergriffen! Am Ende seines Lebens sah Rudolf Steiner die Weihnachtstagung, von der er so ungeheuer viel erhoffte, als gescheitert an. Warum? Weil man mit dem spirituellen Impuls nicht wirklich ernst machte! Schon damals also nicht – nach seinem Tod erst recht nicht, da entstand vielmehr eine Unkultur von Dogmatik und Esoterik-Spielen, von Schein-Heiligkeit. Und heute geht das eine parallel mit dem Schrei anderer nach Lockerheit und Flexibilität.

Dabei kommt alles einzig und allein auf die innere Aktivität an, auf ein reales Verstärken der Denkkraft, bis sie zur Geistes-Kraft wird. Das sehen weder die einen, noch die anderen.