Startseite  >  Aufsätze und mehr  >  2002-03-07_Heaven
07.03.2002

Trivial oder Ideal?

Leserbrief zu Michael Girkes Kommentar zu Tykwers Film „Heaven“ in der jungen Welt 7.3.2002.

Die Vorgeschichte

Michael Girke kritisierte den Film als unendlich trivial:

„Die Frau als Mischung aus Heiliger und Jungfrau von Orleans; der Mann als Ritter und Retter. [...] Die rettende, erlösende Liebe aus „Heaven“ gibt es auch in Tykwers „Lola rennt“. [...] Im Nachfolgefilm „Der Krieger und die Kaiserin“ soll das Ziel der Liebe offensichtlich sein, Differenzen aufzulösen, in etwas Übergeordnetes zu überführen. Seltsam. Braucht Liebe nicht dies Miteinander von Sexyness und Plemplem, Überschwang und Banalität, Absicht und Zufall, Bereicherung und Abgrund, damit etwas in Bewegung ist, um Spannung, Entscheidungen, also eine eigene Geschichte zu erzeugen? [...] Hat Tykwer die Zeichen der Zeit erkannt und läßt mit „Heaven“ die große Differenzen auflösende Liebe...in Serie gehen? [...]“

Mein Leserbrief

Michael Girke kritisiert „Heaven“ von Tom Tykwer als „unendlich trivial“. Girke scheint Liebe nur denken zu können als infantiles Gehabe: Erst Action und „Plemplem“ machen das Leben lebenswert, erst durch spannungsreiche Differenzen passiert überhaupt etwas. Der „liebende“ Mensch als Automat, dessen „eigene Geschichte“ nur dann erzeugt wird, wenn ihn „Überschwang und Banalität, Absicht und Zufall“ und eben jene Differenzen fortwährend in Bewegung bringen. Girke erhebt das Banale, in dem wir uns allzuoft befinden, zur einzigen und sogar erstrebenswerten Realität.

Das Banale hat durchaus seinen Platz in der Liebe. Aber erst wenn man aufhören kann, Trivialitäten mit Liebe gleichzusetzen, kann man erkennen, daß die Kraft der wirklichen Liebe tatsächlich darin liegt, auf etwas Übergeordnetes zu führen. Nur verfehlen wir das Ideal der Liebe fast immer meilenweit. Um uns gegen diese Selbsterkenntnis zu schützen, werfen wir einem Film lieber vor, Kitsch zu zeigen, als zuzugeben, daß das Ideal hier in einer möglichen Form sichtbar wird. Kitsch bedeutet aber Verlogenheit. Entscheidend ist, ob für Tykwer das Ideal eine Realität hat. Wenn aber Girke das Wesen der Liebe nicht erkennen will, mag er weiter ernsthafte Versuche, Idealen Bilder zu verleihen, mit dem täglichen Popsong auf eine Ebene stellen.