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05.07.2002

Nordthailand: Regierung verteidigt illegalen Landbesitz von Banken und Geschäftsleuten

Ein ruhiges Dorf irgendwo im Norden Thailands an einem Junitag. Irgendwann erscheinen rund 300 Polizisten in Uniform, gehen auf die umliegenden Felder, reißen die Bananen-, Mango- und Lychee-Pflanzen aus der Erde und brennen die Feldhütten nieder. An einem anderen Tag wiederholt sich ähnliches in einem anderen Dorf. Menschen werden verhaftet, ein Mann wird erschossen. Was ist passiert? Die Dorfbewohner hatten Land bestellt, das ihnen gehört und auch wieder nicht gehört.


Die armen Bauern in der Lampun-Provinz gehören zu einer der Landlosenbewegungen, die inzwischen in vielen Ländern der Erde entstanden sind.
Im März war eine große Menge von Bauern zusammen mit Vertretern der FNP (Northern Peasants Federation) zur Provinzverwaltung von Chiang Mai gezogen und hatte nach mehr­wöchigen Demonstrationen und ausführlichen Verhandlungen beachtliche Ergebnisse erreicht. Die Regierung versprach, die Auswirkungen eines auf Druck des IWF erlassenen Gesetzes, das Ausländern 99-Jahres-Pachtverträge erlaubt, zu überprüfen. Sie versprach ein neues Landreformgesetz, um das Land gerechter zu verteilen. Sie versprach, die willkürlichen Verhaftungen von Bauern zu beenden und illegal privatisiertes Land an die Bauern zurückzugeben. Die 23 Gebiete, in denen die Bauern dieses Land bereits auf eigene Faust wieder bestellen, sollten als Pilotprojekte betrachtet werden.

Nichts davon geschah. Noch am 9. April verabschiedete das Kabinett eine Resolution zur Einsetzung einer Kommission, die diese Vereinba­run­gen umsetzen sollte. Doch schon am 22. April ermöglichte eine wei­tere Reso­lution die Anwendung von Gewalt, und Ende des Monats folgten die ersten Verhaftungen, im Mai die ersten Verwüstungen der von den Bauern bestellten Felder. Insgesamt 19 Bauern sitzen gegenwärtig im Provinzgefängnis von Lampun, obwohl sie nichts anderes taten, als das Land, das ihnen illegal genommen worden war, wieder zu bebauen.

Inzwischen ist es schon viele Jahre her, daß in vielen Gemeinden lokale Politiker Grund und Boden, der bisher öffentlich gewesen war, an Geschäftsleute verschacherten. Zunächst hatte die Regierung 1985 mit Hilfe eines Weltbankkredits mit einem Programm zur beschleunigten Vergabe von Landtiteln begonnen. Gesetzesänderungen vereinfachten die Vergabe von Landtiteln, die nun auch teilweise möglich wurde, wenn keine Besitzurkunden vorlagen. 1987 wurden in den nördlichen Provinzen Chiang Mai und Lampun große Flächen von Land durch Geschäftsleute aufgekauft. Mit Hilfe lokaler Politiker und Beamter wurde bisher öffent­li­ches Land in Privatbesitz verwandelt. Zumeist nahmen die Besitzer dann Kredite auf und legten Großplantagen an. In sehr vielen Fällen verspekulierten sich die Geschäftsleute, das Eigentumsrecht ging an die Banken über - und das Land fiel brach. Weitere Landtitel wurden in staatlichen Wald- und Wasserschutzgebieten erworben, was von vornherein verboten war, sowie in Gebieten, die vom Staat für eine Landreform mit Neuvergabe an landlose Bauern vorgesehen waren.

Während die Flächen zunahmen, die durch korrupte Vorgänge plötzlich nicht mehr in Gemeindebesitz waren und dann schnell brachfielen, begannen die armen Bauern, dieses Land wieder in Besitz zu nehmen und zu bestellen. Weder die verschuldeten Spekulanten noch die Banken interessierten sich auch nur einen Deut dafür, ob und wie das Land (nicht) genutzt wurde. Für die Bauern bedeutete es ihre Lebensgrundlage. Insbesondere während der ökonomischen Krise 1997 die Landlosenbewegung stark zu. Heute gehören ihr in den beiden nördlichen Provinzen knapp 4.000 Familien an. Nachdem es vor drei Monaten so aussah, als würde die Regierung die Unrechtmäßigkeiten der Landverkäufe (praktisch: Enteignungen) oder zumindest die Not der betroffenen Bauern anerkennen, ist deren Hoffnung nun einmal mehr enttäuscht worden. Gegen die zunehmende Repression kann ihnen jetzt nur noch der Protest durch möglichst viele Menschen helfen.