Startseite  >  Aufsätze und mehr  >  2002-11-06_Konstitution Chronik
06.11.2002

Chronik der Konstitutionsfrage bis Herbst 2002

Quellen: Wilfried Heidt: Wer ist die Anthroposophische Gesellschaft? Achberg, 1998. / Diverse Ausgaben der „Mitteilungen“.

Abkürzungen: Mitteilungen A = Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland / Mitteilungen B = Mitteilungen aus der Anthroposophischen Bewegung / AG (WT) = Anthroposophische Gesellschaft (Weihnachtstagung).


Nach Aufgabe des Planes, das Zentrum der anthroposophischen Arbeit in München aufzubauen, bestand in Dornach ein im Handelsregister eingetragener Verein, der der Träger des „Johannes-Baues“ war. Nachdem Steiner 1917 den Namen „Goetheanum“ vorgeschlagen hatte, wurde 1918 auch der Verein umbenannt in „Verein des Goetheanum, der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft“ (= Goetheanum-Bauverein). Es ging hier i.w. um die Verwaltung der für den Bau nötigen Vermögenswerte. Die „ordentliche“ (entscheidungsberechtigte) Mitgliedschaft bestand i.w. aus den Menschen, die das Dornacher Gelände geschenkt bzw. größere Summen gespendet hatten – über die Jahre immer zwischen 10 und 12. Der Vorstand war i.w. mit diesem Kreis identisch. Dazu kamen die sog. „beitragenden“ Mitglieder (ca. 700) und die „außerordentlichen“ (ca. 600, mit einem etwas höheren Beitrag, nur diese waren zur Teilnahme an den Mitgliederversammlungen berechtigt). 

Steiner sah es nun als eine Notwendigkeit an, dem Vorstand der neubegründeten Anthroposophischen Gesellschaft auch die Mitverantwortung für den Verein zu übertragen und als Vorsitzender auch dessen Leitung zu übernehmen. Schon auf der Weihnachtstagung deutete er an, daß es eine entsprechende Relation zwischen dem Vorstand, der sich gebildet hat, und dem Goetheanum-Bauverein geben müsse.

29. Juni 1924

siehe GA 260a, S. 501ff.


Während der 3. außerordentlichen Generalversammlung des Goetheanum-Bauvereins erläutert Steiner, was geschehen müsse, damit alles, was er in Dornach verbinden wolle, um es aus der anthroposophischen Bewegung leiten zu können, auch nach außenhin rechtlich durch ihn und mit dem von ihm berufenen Vorstand vertreten werden konnte. Steiner nennt als originär in der anthroposophischen Bewegung verankerte „Strömungen“ bzw. „Institutionen“ den Bauverein, den Philosophisch-Anthroposophischen Verlag (gegründet und geleitet von Marie Steiner), das Klinisch-Therapeutische Institut (dito von Dr. Ita Wegman, Arlesheim) und die Anthroposophische Gesellschaft selbst. Er sah den Weg zunächst darin, einen Verein zu bilden, in welchem diese vier „Unterabteilungen“ wären, und der als „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ ins Handelsregister eingetragen würde. Man beschließt u.a., daß der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft eo ipso Teil des Vereinsvorstandes wird. Für den Goetheanum-Verein werden statuarische Veränderungen beschlossen, um ihn als „Unterabteilung“ in den Verein der AAG eingliedern zu können. Steiner ließ Paragraph für Paragraph vorlesen und kommentierte mit „bleibt“ oder „wird wie folgt geändert“.

Am 2. August findet die letzte Klassenstunde Rudolf Steiners statt. Danach gibt er nur noch Wiederholstunden. Über den Grund äußert sich Rudolf Steiner nicht. Er greift danach nicht mehr aktiv in das Gesellschaftsgeschen ein.

Von Steiner ist die Äusserung überliefert, dass er nur neun Monate Zeit habe, um dasjenige in die Wege zu leiten, was zum Gelingen der Weihnachtstagung notwendig war. (Bruno Martin in "Korrespondenz zur Konstitutionsfrage und zur Neugestaltung der Anthroposophi­schen Gesellschaft Nr.1, S.94).

3. August 1924

In einem Schreiben mit Datum 13.7. lädt Rudolf Steiner zu einer wichtigen engeren Besprechung am Sonntag, den 3. August 1924 vormittags 10 Uhr in Dornach ein. Für diesen Tag war offenbar die Konstituierung des neuen Vereins „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ vorgesehen. Steiner war verhindert und ließ sich durch Ita Wegman vertreten. Es ist nicht mit letzter Sicherheit klar, ob diese Gründung stattgefunden hat. Es gibt aber einen von Ita Wegman und Rudolf Steiner vorbereiteten Statutenentwurf (GA260a). – Der kleine Kreis der ordentlichen Mitglieder des neuen Vereins sollte die „leitenden“ Persönlichkeiten der vier Unterabteilungen umfassen. Als ordentliches Mitglied wurde man vom Vorstand berufen. Die Anthroposophische Gesellschaft (WT) war als AAG „im engeren Sinne“ die erste Unterabteilung. Im übrigen orientierte sich das Statut weitestgehend am Typus des Goetheanum-Bauvereins. Der neue Verein war ganz auf soziale Verantwortung für ein jeweiliges Arbeitsfeld angelegt („Unternehmen“), die WT ganz auf individuelle Freiheit und Pflege des seelischen Lebens. Die „einheitliche Konstituierung“ war von Steiner nur auf der Leitungsebene angestrebt (durch die personelle Identität der Vorstände realisiert).

Nach Wachsmuths Erklärungen wurde die Vereinsneugründung nicht umgesetzt, weil dann die Vermögenswerte des Bauvereins auf den neuen Verein hätten übertragen werden müssen, wofür viel Steuern zu zahlen gewesen wären. Ab Ende September ist Steiner ans Krankenlager gefesselt. Die Federführung nimmt nun Wachsmuth in die Hände und entwickelt einen alternativen Weg – offenbar in enger Abstimmung mit dem zuständigen Amtsschreiber und Notar Altermatt und nach eigenem Bekunden auch in grundsätzlicher Verständigung mit Steiner.

8. Februar 1925

An der 4. Außerordentlichen Generalversammlung nahmen 9 von 15 ordentlichen Mitgliedern teil. Steiner und Wegman ließen sich vertreten. Der Goetheanum-Verein wurde umbenannt in „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ (in handschriftlichen Bearbeitungen Steiners übrigens „Verein der...“).

Das Dokument „Anmeldung für das Handelsregister“ (Eintragung erfolgte am 3.3.) liegt durchaus noch im Rahmen der von Steiner erarbeiteten Gestaltungsidee. Daneben gibt es aber noch ein „amtliches Protokoll“ (ebenfalls vom Notar Altermatt geführt) und eine stenographische Mitschrift. Diese berichten, wie die Namens- und Statutenänderung vonstatten ging. Anders als am 29.6. wurde ein vermutlich von Wachsmuth erstelltes Statut vorgelesen, das offenbar sonst niemand vorher gelesen hatte. Wachsmuth aber hatte aufgrund eines Briefes vom 6.2. (!), in dem Thomas Binder (Geschäftsführer des Bauvereins) eigentlich nur einen marginalen Punkt monierte (GA260a, Beiheft 49f), einen essentiellen Aspekt verändert: Er eliminierte den Unterschied zwischen „ordentlichen“ (allein stimmberechtigten) und „beitragenden“ Mitgliedern und damit auch die Regelung, daß der Vorstand aus dem Kreis der ordentlichen Mitglieder zu wählen war (S.51). Andererseits widersprach auch diese Regelung bereits Steiners Intention, daß der Vorstand identisch mit dem der AG (WT) sei. Nachdem der bisherige Vorsitzende Dr. Grosheintz das neue Statut in einem Zug und ohne Hinweis auf die Änderungen verlesen hatte, wurde es ohne Aussprache einstimmig angenommen. Wurde die einschneidende Veränderung nicht bemerkt, oder ging man davon aus, daß ja alles mit Steiner abgestimmt wäre? Albert Steffen notiert am 9.2. immerhin in seinem Tagebuch: Jedes Mitglied hat jetzt Stimmrecht. Die Gesellschaft kann sagen: Kein Bau! Keine Klinik. Ein anderer Vorstand etc. (S.71). – Eine zweite Differenz zwischen „Anmeldung“ und „Protokoll“ ist, daß in diesem laut §1 der AAG-Verein Rechtsnachfolgerin des Vereins des Goetheanum sei, was ja gerade wegen des Steuerproblems nicht der Fall sein sollte; in der Anmeldung heißt es richtig, der Verein werde mit geändertem Namen und Statut weitergeführt.

Die erste Unterabteilung hieß nun Administration der Anthroposophischen Gesellschaft (wie nun ebenso die Administration des Goetheanum-Baues).

22. März 1925

Die Mitglieder der AG werden durch eine „Mitteilung des Vorstandes“ im Nachrichtenblatt informiert (GA260a, S.567ff). Unterschrieben mit „Der Vorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ zeigt der Duktus doch die Handschrift Wachsmuths. Es bestehe jetzt die AAG (WT) auch in der Rechtsform eines handelsregisterlich eingetragenen Vereins und alle deren Mitglieder seinen nun auch ordentliche Mitglieder dieses Vereins, der die vier o.g. „Unter-Abteilungen“ umfaßt. Es werden lange Passagen aus Steiners Erläuterungen vom 29.6.24 zitiert, die zugleich überall dort abgeändert werden, wo sie nicht zu den Beschlüssen vom 8.2.25 passen. Bei den Lesern mußte der Eindruck entstehen, „ihre“ Weihnachtstagungsgesellschaft sei mit deren Statut ein eingetragener Verein geworden. Das neue Statut des AAG-Vereins wurde erst 1935 veröffentlicht! Der Unterschied zur bisherigen Lage schien nur der zu sein, daß jetzt die „Unterabteilungen“ in die Gesellschaft integriert worden waren.

Acht Tage später starb Rudolf Steiner. Es war der 274. Tag nach dem 29. Juni 1924, an dem die Entwicklung ihren Ausgang nahm. Wiederum 274 Tage nach seinem Tod, am 29. Dezember, erreicht der Prozeß einen Schlußpunkt.

29. Dezember 1925

Anfang November lädt der „Vorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ im Zusammenhang mit einer für die Zeit vom 24.12. bis 6.1. angekündigten Tagung „zur ersten ordentlichen General-Versammlung“ ein (das Wortprotokoll wird erst Anfang 1998 veröffentlicht!). Daß es sich um eine des AAG-Vereins handelt, geht aus zwei Tatsachen hervor: Im Statut der Weihnachtstagungsgesellschaft gibt es den Begriff der „ordentlichen GV“ nicht, und „die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft“ werden für 10 Uhr zu einer „Vorversammlung“ gebeten. In dieser verhält sich der Vorstand als Vorstand der AG (WT). Steffen berichtet über die Tätigkeiten der Vorstandsmitglieder, von anderen Gesellschaftsaktivitäten erfährt man zunächst nichts, dagegen von der Arbeit der Sektionen, von Fortschritten beim Bau, der Verlagstätigkeit und Entwicklungen der Klinik. Steffen übergibt das Wort dann an Rittelmeyer. Dieser erklärt, wegen Steiners Tod sei eine „Statutenänderung“ notwendig geworden: §15 der Statuten der WT nennt den Gründungsvorstand, nun sollte der „Vorsitzenden-Stellvertreter“ zum Vorsitzenden ernannt werden. Die Mitglieder stimmen per Akklamation zu. In dieser Angelegenheit hätten sie aber statutengemäß (§10) mit Tagesordnung zur „ordentlichen Jahresversammlung“ oder einer „außerordentlichen Versammlung“ eingeladen werden müssen.

Dann beginnt dem Inhalt nach schon die GV des Vereins. Wachsmuth wird aufgerufen, den finanziellen „Rechenschaftsbericht“ zu geben und berichtet über das Geschäftsjahr 1924 des „Vereins des Goetheanum“ (mit Verspätung wegen Steiners Erkrankung, wie er erklärt). Am Ende wird gesagt, man könne jetzt auf die „Décharge-Erteilung“ (Entlastung) verzichten, denn sie müsse dann ohnehin in der nachfolgenden „amtlichen Versammlung“ – einer juristischen Form, in der wir eben gegenwärtig leben müssen (Rittelmeyer) und wo man alles so schnell wie möglich erledigt (Steffen) – erfolgen. Den Punkt „Verschiedenes“ mit den „Berichten der Generalsekretäre“ verschiebt man auf den nächsten Tag. – Es schließt sich die erste ordentliche GV des AAG-Vereins an, wobei nun alle Anwesenden als ordentliche Mitglieder betrachtet werden, obwohl zu diesem Zeitpunkt rechtsgültig nur 14 Personen als solche geführt waren. Alle Anwesenden wählen nun auch für den Verein Steffen zum Vorsitzenden, hören von Wachsmuth nochmals den Geschäftsbericht und erteilen Entlastung. Am nächsten Tag wird die Als-ob-Mitgliederversammlung der AG mit den Berichten der Generalsekretäre fortgesetzt.

Am 30.3.26 erwähnt Leinhas in einem Brief an Wachsmuth, daß nicht nur die Mitglieder im allgemeinen, sondern auch die prominenten Persönlichkeiten der Gesellschaft über diese Statuten (die neuen vom 8.2.25) ziemlich im Unklaren sind; vielfach wird angenommen, es seien nur wenige Persönlichkeiten in der Gesellschaft überhaupt stimmberechtigt (also die alten und von Steiner weiterhin intendierten Verhältnisse im AAG-Verein). Von einem Generalsekretär wurde ich gebeten, die Anregung weiterzugeben, daß man wenigstens den Generalsekretären eine Abschrift der Statuten der Gesellschaft übergeben möchte. Ich möchte diese Anregung hiermit weitergeben und die Frage aufwerfen, ob es nicht vielleicht doch ratsam wäre, die Statuten gelegentlich im Nachrichtenblatt zur allgemeinen Kenntnis zu bringen (Beiträge zur GA, Nr. 98, S.87). Die Mitglieder der AG handelten also am 29.12.25 und danach in einem Rechtszusammenhang, dessen Verfassung sie nicht kannten.

60er Jahre

1962

Im Herbst erscheint im Michaeli-Heft des Christian Rosenkreutz-Zweig Hamburg von Max Jost (Basel), Emil Stöckling (Binningen) und L.A. Wilke ein Aufsatz Lebenslauf der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, aufgezeigt an Hand der Statuten und Statutenänderungen von 1913 – 1925, in dem aufgezeigt wird, daß die Gesellschaft der Weihnachtstagung nach Herkunft, Ziel und Zweck...grundsätzlich verschieden ist von dem Verein Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, der sich am 8.2.25 aus dem Goetheanum-Verein gebildet hat. Der Gruppe um Wilke (u.a. auch Rudolf Saacke) ist es zu danken, daß die historischen Fakten des Konstitutionsprozesses so beleuchtet wurden, daß man ein Problem erkennen konnte.

1963

März: Günter Wachsmuth stirbt, Albert Steffen gut drei Monate später. 1995 schreibt Wachsmuths Biograph Schöffler in: G. Wachsmuth – Ein Lebensbild (S.7), jener habe verfügt, daß nach seinem Tod der aktenmäßige Nachlaß, der sich auf seine Mitarbeit im Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft bezog, zu verbrennen sei. - Ostern 1963 will eine Gruppe von Mitgliedern die Problematik auf der Generalversammlung des Vereins besprechen. Max Jost beantragt, die AAG-Satzung durch das Statut der Weihnachtstagung zu ersetzen. Der Vorstand stellt sich quer, schließt „laut §7 der Statuten“ Max Jost und fünf Freunde im Lauf des Jahres aus – u.a. Johann Wolfgang Ernst.

Herbst: Emil Leinhas, der zum engeren Mitarbeiterkreis Steiners gehört hatte, kommt unabhängig von der Wilke-Gruppe aufgrund eines damals noch nicht veröffentlichen Dokuments zum 3.8.24 (die ersten sieben Paragraphen eines Satzungsentwurfs für den Verein AAG in der Handschrift Ita Wegmans mit Hinzufügungen Steiners) zu richtigen Einsichten. Er veröffentlicht das Dokument im Dezember. Seine Erkenntnisse bleiben mit einer Ausnahme unbeachtet.

1965

17.4. Die Generalversammlung beschließt eine Satzungsänderung des AAG-Vereins, die die Dinge verschlimmerte.

1966

Es erscheint die erste Auflage von GA260a, noch ohne viele entscheidende Dokumente.

1969

Es erscheint von Ernst Lippold „Weitere Untersuchungen über den Ansturm der Widersachermächte gegen das Te­sta­ment Rudolf Steiners“ in Mitteilungen B Nr. 46 (Michaeli): A. Samweber [...] fühlte sich zu besonderer Wachsamkeit verpflichtet, nachdem ihr Dr. Steiner nach einem dramatischen Auftritt mit ihm [W. Wachsmuth] sagte, W. Wachsmuth sei ein Mensch, den er fürchte. Und betont fügte er hinzu: Merken sie sich das! Auch hatte Marie Steiner ihr einmal erzählt, Dr. Steiner habe auf seinem Krankenlager, als die Sprache auf ihn kam, stumm vor sich hingeweint. (Samweber war eine frühere Mitarbeiterin von Steiner in Berlin).

70er Jahre

1977

Von J.W. Ernst erscheint die Studie: Über den Ursprung der sogenannten „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“.

1979

Von R. Saacke erscheint: Aus der Geschichte der anthroposophischen Bewegung. Der 8. Februar 1925. Saacke arbeitete seit Ende der 70er v.a. mit Teilnehmern einer Initiative von Karl Buchleitner und Gerhard von Beckerath in Pforzheim am Thema. Es entstand die Einsicht, daß das Konstitutionsthema sehr gründlich zu erforschen sei.

80er Jahre

1982

Es bildet sich eine Forschungsgruppe zum Konstitutionsthema, an der Heidt beteiligt war und die vier Jahre arbeitete (Arbeitskreis Zeitfragen des Pforzheimer Kreises). Das Goetheanum-Archiv war noch nicht frei zugänglich, doch durch die Mitwirkung von Carlo Frigeri standen alle Quellen der Nachlaßverwaltung zur Verfügung.

1986

Herbst: Die Forschungsgruppe will ihr „Memorandum zur Lage der Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ veröffentlichen, doch alle angefragten anthroposophischen Zeitschriften lehnen ab. Manfred Schmidt-Brabant antwortet, für ein Gespräch sehe der Vorstand „keine Notwendigkeit“. Bodo von Plato veröffentlicht die Schrift: "Zur Entwicklung der Anthroposophischen Gesellschaft".

1987

Von Michael Gsänger erscheint: Individuum und Gesellschaft. Er bezeichnet die Gründung eines kleinen Vereins mit der Teilnahme aller, aber der Leitung durch wenige als geniale Lösung und großen Wurf Steiners. Den Weg vom 8. Februar hält er für eine verfehlte Lösung.

Ende 1987 erscheint GA 260a mit Beiheft mit dem Dokument zum 3. August 1924 und Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe Nr. 98.

1989

12.2. Im Nachrichtenblatt erscheint eine zur Konstitutionsfrage vom deutschen Arbeitskollegium in Auftrag gegebene Expertise des Juristen Manfred Leist, mit der das Thema „abschließend“ abgehandelt werden sollte. Leist stellt immerhin einen Aspekt des Unterschiedes im Mitgliedschaftsbegriff zwischen den Regelungen vom 3.8.24 und 8.2.25 fest, problematisiert die Sache aber nicht genauer.

90er Jahre

1992

Es erscheinen Aufsätze von Gerhard von Beckerath in den Mitteilungen A (Nr. 181+82, III/92: Unser Nichtergreifen der geistig-sozialen Gestalt der Gesellschaft der Weihnachtstagung). E. Zeylmans greift in seinem vielbeachteten Werk Wer war Ita Wegman? Im Vorwort des dritten Bandes das Konstitutionsthema im Sinne des Memorandums von 1986 auf.

1993

Am 15.8. erscheint im Nachrichtenblatt Nr. 33/34 der Aufsatz Zum 8. Februar 1925 von Michaela Glöckler (Leiterin der medizinischen Sektion), der vom gesamten Hochschulkollegium – also auch dem Vorstand - ausdrücklich mitverantwortet wurde. Sie verbreitet „die Ansicht“, der Statutenentwurf vom 3.8.24 zeige weitgehende Übereinstimmung mit dem Stautenentwurf vom 8. Februar 1925. Durch diesen mangelhaften Aufsatz (u.a. falsche Zitate!) wurde u.a. Benedikt Hardorp angeregt, eine kritische Stellungnahme zu veröffentlichen, was Michael Barkhoff, der damalige Redaktionsleiter von Das Goetheanum, barsch und arrogant ablehnte. Hardorp stand von Anfang an mit Heidt im Austausch über seine Arbeiten.

1996

Heidt entschließt sich, die ganze Thematik noch einmal ganz neu durchzuarbeiten, verfolgt während der Ostertage anhand der Jahrgänge des Nachrichtenblattes die Spur der Konstitutionsfrage und stößt auf die Generalversammlung Ostern 1963 (also 33 Jahre vorher!). Ab Sommer 1996 wird das Konstitutionsthema vom Internationalen Kulturzentrum Achberg mit Tagungen und Publikationen aufgegriffen. Heidt publiziert seine Studie Der Konstitutionsprozeß der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft in den Mitteilungen B Nr. 101+2.

1997

16.2. Von Heidt erscheint die Studie: Muß die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft neu begründet werden? im Nachrichtenblatt Nr. 46. Durch diese Anregung bilden Mitglieder aus acht Ländern zu Ostern die Initiative An Alle, die es sich zur Aufgabe macht, die Studie in mehreren Sprachen weltweit allen Mitgliedern zugänglich zu machen (was gegen Ende 1998 zu ca. 80% erreicht ist). Parallel dazu erscheinen in den Mitteilungen A Hardorps Arbeitsergebnisse, und am Goetheanum bildet sich auf Initiative von Paul Mackay eine Arbeitsgruppe, die zunächst vorwiegend juristische Aspekte erörtert. Gegen das Fortbestehen der WTG werden verschiedene juristische Argumente angeführt.

Im Herbst stellt die Initiative An Alle im Heft Wer ist die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft? der Mitgliedschaft weltweit Materialien zur Urteilsbildung zur Verfügung.

1998

Im Nachrichtenblatt Nr. 1/2 erscheint das Wortprotokoll der Generalversammlung vom 29.12.1925.

Seit Mai erscheint unregelmäßig die Korrespondenz zur Konstitutionsfrage der Allg. Anthroposophischen Gesellschaft.

Im Oktober veröffentlicht die vom Goetheanum einberufene Kommission ihren Zwischenbericht im Nachrichtenblatt. Es werden lediglich verschiedene Möglichkeiten nebeneinander gestellt. Darauf setzt der Vorstand eine zweite Kommission ein: die Siebener-Kreis (Glöckler, Roder, Doerfler, Kerler, Mackay, Muenniks und Schmidt-Brabant).

1999

August: Hardorp (Mitglied der alten Konstitutionsgruppe) erhält trotz Bitten und In-Aussichtstellen keine Gelegenheit, vor dem ersten „Rechtsgutachten“ mit Prof. Riemer zu sprechen. Es wird vorgeschlagen, die WTG-Statuten als Satzung für den AAG-Verein zu übernehmen, dieser Vorschlag wird im November zurückgezogen.

Über einen sog. „Feststellungsbeschluß“ wollte die AAG-Leitung die Identität der existierenden AAG mit der AG (WT) per Generalversammlungsvotum festnageln, was durch eine Indiskretion von Beteiligten aufflog:

[Abs. 1] Die Generalversammlung bekundet, dass sie sich als Generalversammlung (d.h. als Versammlung der Mitglieder) der durch die Weihnachtstagung 1923 gebildeten Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und den amtierenden Vorstand als Vorstand dieser Gesellschaft versteht. ... [Abs. 3] Seit dieser Zeit haben die Generalversammlungen einheitlich stattgefunden. Die Generalversammlung stellt fest, dass durch diese Handhabung der ehemalige Verein des Goetheanum der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft eingegliedert wurde und eine einheitliche Gesellschaft entstanden ist. ...

Die vom Dornacher Vorstand eingesetzte „Siebener-Gruppe“ erarbeitet am 6. und 27.9. einen Konstitutionsentwurf, der auf der Generalversammlung Ostern 2000 beschlossen werden soll. Diese Vorschläge waren jedoch am 13.9. und 4.10. heftiger Kritik ausgesetzt.

13.-14.11. Anhörung der Mitglieder. Schon am Vortag beim Treffen der Vorstände, Zweigleiter etc. wurde der Entwurf des Siebener–Kreises als einer der autoritärsten Entwürfe für einen Verein überhaupt und einer Erkenntnisgesellschaft unwürdig bezeichnet (von Beckerath). Schon vor der Anhörung wurden dessen Anträge zurückgezogen (landeten „im Papierkorb“).

Ab 2000

2000

Ende Januar treffen sich in Niederursel Gerhard v. Beckerath, Benediktus Hardorp, Wilfried Heidt, Bruno Martin, Günter Röschert und Justus Wittich. Während zunächst ein gemeinsames Vorgehen undenkbar erschien, bildete sich am zweiten Tag allmählich ein Konsens. Noch einmal 14 Tage währte das Ringen um eine schriftliche Form, die dann am 18.2. in den letzten Stunden vor Ende der Antragsfrist gelang.

9.3. Rechtsgutachten zur Konstitutionsfrage von Prof. Riemer (i.A. von Paul Mackay), veröffentlicht Anfang April in Anthroposophie weltweit 3/2000. Die Aussage ist, die WTG sei in der Folge des 25.2.25 durch die AAG ersetzt worden. Im Begleitbrief im Nachrichtenblatt stellt Paul Mackay fest, daß es außer der von Riemer zugrunde gelegten keine andere in Betracht zu ziehende Lösung mehr gebe.

15./16.4. Generalversammlung; es bildet sich die Initiativgruppe zur Konstitutionsfrage, bestehend aus dem Vorstand und den sechs o.g. Antragstellern.

Anfang Oktober einigt sich die Initiativgruppe in einem dritten Anlauf auf die Berufung der vorgesehenen Arbeitsgruppe, die einen konsensfähigen Vorschlag u.a. zu den Konstitutionsfragen erarbeiten soll: von Beckerath, Glöckler, Hardorp, Heidt, Mackay, von Plato, Röschert, Schiller, Schmidt-Brabant (später Ulrich Hölder) und Wittich. Die erste Zusammenkunft ist für Anfang Dezember geplant.

November (Info3 15.11.) Veränderung des Vorstandes: Heinz Zimmermann und Rolf Kerler haben ihren Rücktritt angekündigt (es bleiben drei: Mackay, Schmidt-Brabant, Sease). 2001 werden Sergej Prokoffief und Bodo von Plato (bisher Fr.-v.-Hardenberg-Institut Heidelberg) dazukommen, 2002 auch Cornelius Pietzner (USA). Schmidt-Brabant, der als Leiter der Sozialwissenschaftlichen Sektion verabschiedet werden sollte, ist erkrankt.

2002

Michaela Glöckler hat anscheinend bei der letzten Sitzung der Konstitutionsgruppe vehement als einzige die Ansicht vertreten, beide Gesellschaften seien von Anfang an einen einzige, und damit eine Einigung auf eine gemeinsame Empfehlung verhindert.

23.-24.3. Generalversammlung. Paul Mackay verliest im Namen des Vorstands eine Erkärung, in der die AG (WT) als reaktiviert erklärt wird (bisher wurden sie als identisch angesehen!).

Der Vorstand skizziert in einer Erklärung die folgenden Schritte (vgl. Nachrichtenblatt 17/02): Einberufung einer Mitgliederversammlung des WT-Vereins und Bestätigung des Goetheanum-Vorstands als Vorstand jenes Vereins; dann Eingliederung des im HR eingetragenen Vereins in den reaktivierten WT-Verein.

Aus der Erklärung des Vorstandes vom 23.3. (im „Nachrichtenblatt“ 18/02 vom 21.4.): Wir sind der Auffassung, daß am 28. Dezember 1923 mit der Gründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft eine Körperschaft als Ver­ein nach schweizerischem Recht entstanden ist.

Im Nachrichtenblatt 18/02 erscheint auch das Furrer-Erdmenger-Gutachten vom 9./11. April.

April: Die Konstitutionsgruppe beendet nach Mehrheitsbeschluß ihre Arbeit und gibt den Auftrag zurück (Selbstauf­lösung).

In der Juli-Ausgabe von „Anthroposophie weltweit“ (Heft 2002/6) teilen „Vorstand und Hochschulkollegium“ die Termine mit: 25./26.9. Informations- und Gesprächstagung, 28./29.12. Mitgliederver­sammlung des Weihnachtstagungs-Vereins, später Eintragung der reanimierten AG (WT), 12./13.4.03 Eingliederung (Absorption) der eingetragenen Körperschaft AAG in die reaktivierte AG (WT).

25./26.9. Gesprächstagung - Kritisiert wurde die Erklärung des Vorstandes auf der GV. Dieser argumentierte, daß der von der Konstitu­ti­ons­gruppe erbetene Bericht nicht zustande gekommen sei. Bodo von Plato sagte, der Vorstand sei auch der Mehrheit verpflichtet, die kein Interesse an Konstitu­tionsfragen hätte oder sich sogar dadurch in ihrer anthroposophischen Arbeit gehindert sähe.